VwGH 2008/04/0152

VwGH2008/04/015222.2.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Mag. Nora Huemer-Stolzenburg, Rechtsanwältin in 1220 Wien, Schüttaustraße 69/46, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit (nunmehr: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend) vom 3. März 2008, Zl. 91.508/052290-I/3/08, betreffend Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur", zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
IngG 2006 §2 Z4;
IngG 2006 §4 Abs4;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
IngG 2006 §2 Z4;
IngG 2006 §4 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 3. März 2008 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 25. September 2007 auf Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 2 Z. 4 Ingenieurgesetz 2006, BGBl. Nr. 120/2006, abgewiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, gleichwertige fachliche und allgemeine Kenntnisse im Sinne des § 2 Z. 4 Ingenieurgesetz 2006 lägen nur dann vor, wenn die Kenntnisse qualitativ und quantitativ jenen entsprächen, wie sie an den höheren technischen Lehranstalten bis zur Reifeprüfung vermittelt werden. Demgemäß müssten Kenntnisse in den allgemeinen Gegenständen wie Mathematik und lebender Fremdsprache ebenso nachgewiesen werden wie solche in den wesentlichen fachlichtheoretischen Unterrichtsgegenständen der Höheren Technischen Lehranstalt. Gemäß § 4 Abs. 2 Z. 4 leg. cit. seien die gleichwertigen fachlichen und allgemeinen Kenntnisse durch Prüfungszeugnisse öffentlicher oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteter inländischer Schulen nachzuweisen. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner Rechtsprechung (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 19. März 1996, Zl. 94/04/0227, vom 18. Oktober 1994, Zl. 94/04/0316, und vom 5. Juni 1991, Zl. 91/18/0020) festgestellt, als Praxis könne nur jene praktische Betätigung berücksichtigt werden, die der Bewerber in einem Zeitraum absolviert habe, in dem er bereits über diese gehobenen fachbezogenen Kenntnisse verfügt habe. Es könne gegenständlich eine Anrechenbarkeit der Praxis grundsätzlich erst ab dem Nachweis gleichwertiger allgemeiner sowie fachlicher Kenntnisse auf Maturaniveau erfolgen.

Durch die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Ausbildungen sei kein Nachweis gleichwertiger fachlicher Kenntnisse im Sinne des Ingenieurgesetzes 2006 gegeben; eine rechtliche Beurteilung der Praxis sei wegen Nichtvorlage der geforderten Dienstzeugnisse nicht möglich gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Ingenieurgesetzes 2006 - IngG 2006, BGBl. I Nr. 120/2006, lauten wie folgt (auszugsweise):

"Voraussetzungen für die Verleihung

§ 2. Die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung 'Ingenieur' ist Personen zu verleihen, die

1. a) die Reife- und Diplomprüfung nach dem Lehrplan inländischer höherer technischer und gewerblicher oder höherer land- und forstwirtschaftlicher Lehranstalten erfolgreich abgelegt und

b) eine mindestens dreijährige fachbezogene Praxis absolviert haben, die gehobene Kenntnisse auf jenen Fachgebieten voraussetzt, auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden können, oder

4. a) die Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht erfüllen, aber gleichwertige fachliche und allgemeine Kenntnisse, wie sie an den höheren technischen und gewerblichen oder höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten bis zur Reife- und Diplomprüfung vermittelt werden, und

b) eine mindestens sechsjährige zu den erworbenen Kenntnissen fachbezogene Praxis, die gehobene Kenntnisse voraussetzt, nachweisen.

§ 4. (1) …

(2) Dem Antrag sind insbesondere anzuschließen:

4. Prüfungszeugnisse öffentlicher oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteter inländischer Schulen, die Kenntnisse gemäß § 2 Z 4 nachweisen.

(3) Sämtliche Nachweise und Prüfungszeugnisse sind im Original oder in beglaubigter Abschrift oder Ablichtung, fremdsprachige Nachweise und Prüfungszeugnisse über Verlangen der Behörde überdies in beglaubigter Übersetzung, vorzulegen.

(4) Durch die Nachweise über die Praxis hat der Bewerber glaubhaft zu machen, dass er eine Praxis absolviert hat, die fachbezogene Kenntnisse auf jenen Fachgebieten voraussetzt, auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden können.

(5) Bei Bewerbern gemäß § 2 Z 1 und Z 2 ist bei Vorlage der Nachweise der Praxis der fachbezogenen Kenntnisse auf jenen Fachgebieten, auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden können, als gegeben anzunehmen, wenn diese im Zeugnis durch den Arbeitgeber bestätigt werden. Der Aussteller haftet für die Richtigkeit der Bestätigung.

…"

Der Beschwerdeführer bringt (zusammengefasst) vor, die Behörde habe im Anwendungsbereich des AVG in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht, lückenhafte Angaben vervollständigt und überhaupt alle zur Begründung des Antrages notwendig erscheinenden Aufschlüsse gegeben werden. Erforderlichenfalls seien Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Die Aufforderung der belangten Behörde zur Vorlage ergänzender Dienstzeugnisse sei in Bezug auf die freiberufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers als nicht zielführend zu erachten. Es wäre ihm vielmehr Gelegenheit zu geben gewesen, die im Gesetz genannten Voraussetzungen anders - durch weitere, von der belangten Behörde anzufordernde bzw. einzuholende Unterlagen - zu erfüllen. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen sei die Behörde zur Verleihung der Berechtigung verpflichtet. Das "Abschneiden" des Verfahrens, weil einem nicht erfüllbaren und nicht zielführenden Vorlageauftrag nicht nachgekommen worden sei, sei nicht zulässig.

Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe das Vorliegen der vom Gesetz geforderten "gleichwertigen fachlichen und allgemeinen Kenntnisse" verneint und dies mit der unterlassenen Vorlage von "Dienstzeugnissen" begründet. Da die Vorlage von Dienstzeugnissen aber im Gesetz nicht als Voraussetzung genannt sei und die belangte Behörde keine Feststellungen zur praktischen Tätigkeit des Beschwerdeführers getroffen habe, habe sie auf Grund einer unrichtigen Rechtsauffassung die entsprechenden Ermittlungen und Feststellungen unterlassen.

Im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde in nicht als rechtswidrig zu erkennender Weise davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer den Nachweis gleichwertiger fachlicher Kenntnisse nicht erbracht habe. Dem tritt der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen auch nicht konkret entgegen. Die belangte Behörde hat - entgegen der Beschwerde - das Nichtvorliegen dieser Kenntnisse auch nicht mit dem Hinweis auf die Nichtvorlage allfälliger Dienstzeugnisse begründet. Diese Feststellung hat die belangte Behörde auf Grund der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Ausbildungen getroffen.

Dem Vorwurf, die belangte Behörde hätte von Amts wegen weitere Ermittlungsschritte zu setzen gehabt, ist zu entgegnen, dass es nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Z. 4 leg. cit. Sache des Beschwerdeführers gewesen wäre, (neben fachlichen und allgemeinen Kenntnissen) eine mindestens sechsjährige Praxis nachzuweisen. Im Übrigen wurde dem Beschwerdeführer bereits durch die Einladung, Dienstzeugnisse vorzulegen, ausreichend Gelegenheit gegeben, seine fachbezogene Praxis durch Vorlage derartiger Zeugnisse, aber auch durch andere Nachweise glaubhaft im Sinne des § 4 Abs. 4 leg. cit. zu machen. Die Behörde trifft zwar die Verpflichtung zur amtswegigen Feststellung der materiellen Wahrheit grundsätzlich auch dann, wenn das Verwaltungsverfahren auf Antrag eingeleitet wird, doch besteht diesfalls eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Antragstellers (vgl. dazu die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, § 39 Rz 13 wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Es wäre demnach Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, gegebenenfalls andere geeignete Beweismittel, wie etwa die in der Beschwerde genannten Bauakten oder die Vorlage von Detailbeschreibungen seiner praktischen/fachlichen Tätigkeit, vorzulegen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 22. Februar 2011

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