VwGH 91/18/0020

VwGH91/18/00205.6.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Degischer, DDr. Jakusch und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Franz N gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 28. November 1990, Zl. 301.282/03-Pr.C6a/90, betreffend Verweigerung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur", zu Recht erkannt:

Normen

IngG 1973 §1 Abs1;
IngG 1973 §1 Abs2;
IngG 1973 §1 Abs4;
IngG 1973 §1 Abs1;
IngG 1973 §1 Abs2;
IngG 1973 §1 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 28. November 1990 wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 27. Dezember 1989 um Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" gemäß § 1 Abs. 4 Ingenieurgesetz 1973 ab. Zur Begründung führte der Bundesminister aus, gemäß der zuletzt zitierten Gesetzesstelle könne diese Berechtigung Bewerbern verliehen werden, die eine mindestens 10-jährige, zu den erworbenen Kenntnissen einschlägige Praxis in Österreich nachweisen, die höhere Fachkenntnisse voraussetze. Der Beschwerdeführer habe nach Absolvierung der Pflichtschule die landwirtschaftliche Fachschule X besucht und im Jahre 1988 die Landwirtschaftsmeisterprüfung abgelegt. Laut Stellungnahme der Niederösterreichischen Landes-Landwirtschaftskammer werde der elterliche Betrieb nach wie vor vom Vater des Beschwerdeführers geführt. Die vom Beschwerdeführer nachgewiesene Praxis ab dem Jahre 1978 - der Beschwerdeführer sei damals 13 Jahre alt gewesen - könne nicht als einschlägige Praxis, die höhere Kenntnisse voraussetze, bezeichnet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte Teile der Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, die belangte Behörde hätte ihn, wenn sie die vom Beschwerdeführer ursprünglich vorgelegten Unterlagen für nicht ausreichend erachtete, unter Vorhalt ihrer Rechtsansicht auffordern müssen, geeignete Beweismittel vorzulegen, die auf eine einschlägige Praxis über 10 Jahre hindurch auf Grundlage der von ihm bereits vorgelegten Unterlagen schließen ließen. Dies hätte etwa durch Namhaftmachung von Zeugen geschehen können, die über Art und Umfang der Tätigkeit des Beschwerdeführers im elterlichen Betrieb ausreichend informiert seien. Der Beschwerdeführer sei durch die Rechtsansicht der belangten Behörde, eine im Alter von 13 Jahren begonnene Praxis sei nicht geeignet, die gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen, überrascht worden und er sei daher daran gehindert gewesen, ein entsprechendes Vorbringen zur Substantiierung seines Begehrens zu erstatten. Auch wenn es ungewöhnlich sein sollte, daß ein Dreizehnjähriger bereits aktiv und über den Durchschnitt hinaus in einem elterlichen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mitarbeite, so könne dem doch a priori nicht jegliche Glaubwürdigkeit oder Realitätsbezogenheit abgesprochen werden. Es bedürfe vielmehr einer genauen Feststellung darüber, was der Beschwerdeführer im elterlichen Betrieb geleistet habe, mit welchen Arbeiten er betraut gewesen sei und welche Qualität diese Arbeiten gehabt hätten. Die Stellungnahme der Niederösterreichischen Landes-Landwirtschaftskammer sei dem Beschwerdeführer nicht bekanntgegeben worden, sodaß er hiezu auch nicht habe Stellung nehmen können. In Wahrheit werde der elterliche Betrieb nämlich de facto vom Beschwerdeführer geführt. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit trägt der Beschwerdeführer vor, zur Erfüllung des Erfordernisses der einschlägigen Praxis sei nicht entscheidend, ob der Beschwerdeführer den elterlichen Betrieb geführt habe.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun.

Die hier maßgebenden Bestimmungen des im Hinblick auf den Zeitpunkt der Antragstellung zufolge der Übergangsregelung des § 13 Abs. 2 des Ingenieurgesetzes 1990 hier anzuwendenden Ingenieurgesetzes 1973 haben folgenden Wortlaut:

"§ 1 (1) Die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" (abgekürzt "Ing.") ist den Absolventen inländischer höherer technischer, höherer landwirtschaftlicher und höherer forstwirtschaftlicher Lehranstalten sowie den Absolventen inländischer gleichwertiger Schularten zu verleihen, die

  1. 1. die Reifeprüfung bestanden haben und
  2. 2. eine nach Abschluß des Studiums gelegene mindestens 3-jährige einschlägige Praxis nachweisen, die höhere Fachkenntnisse voraussetzt...

(2) Die Berechtigung ist weiters den Absolventen ausländischer höherer technischer, höherer landwirtschaftlicher und höherer forstwirtschaftlicher Lehranstalten zu verleihen, wenn sie

1. die vorgeschriebene Reife-, Abschluß- oder Ingenieurprüfung bestanden haben und ihre Ausbildung der gemäß Abs. 1 geforderten gleichwertig ist und

2. eine nach Abschluß des Studiums gelegene mindestens 3-jährige einschlägige Praxis in Österreich nachweisen, die höhere Fachkenntnisse voraussetzt...

(4) die Berechtigung kann ferner Bewerbern verliehen werden, die keine Ausbildung gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 erfahren haben, aber

1. die dieser Ausbildung gleichwertigen fachlichen und allgemeinen Kenntnisse und

2. eine mindestens 10-jährige, zu den erworbenen Kenntnissen einschlägige Praxis in Österreich nachweisen, die höhere Fachkenntnisse voraussetzt."

Im Hinblick auf das in § 1 Abs. 4 leg. cit. normierte Erfordernis einer einschlägigen Praxis, die höhere Fachkenntnisse voraussetzt, kann als Praxis in diesem Sinne nur jene praktische Betätigung berücksichtigt werden, die der Bewerber um die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" in einem Zeitraum absolvierte, in welchem er bereits über diese höheren Fachkenntnisse, also über die in § 1 Abs. 4 Z. 1 leg. cit. genannten Kenntnisse verfügte. Unter Berücksichtigung der Verweisung in § 1 Abs. 4 leg. cit. auf die Absätze 1 und 2 dieses Paragraphen handelt es sich dabei um jene Kenntnisse, über die Absolventen inländischer oder ausländischer höherer technischer, höherer landwirtschaftlicher oder höherer forstwirtschaftlicher Lehranstalten verfügen.

Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß der am 7. Oktober 1965 geborene Beschwerdeführer, um das in § 1 Abs. 4 Z. 2 Ingenieurgesetz normierte Erfordernis der mindestens 10-jährigen einschlägigen Praxis zu erfüllen, im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung spätestens im November 1980 über entsprechende höhere Fachkenntnisse hätte verfügen müssen.

Es trifft zwar zu, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid Feststellungen über den Umfang der Kenntnisse des Beschwerdeführers im damaligen Zeitpunkt nicht traf. Eine derartige Behauptung läßt aber auch das Vorbringen in der Beschwerde nicht erkennen. Die in der Beschwerde als Verfahrensverstöße gerügten Verfahrensvorgänge sind deshalb im Hinblick auf die Bestimmung des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG nicht geeignet, zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu führen, weil nicht angenommen werden kann, daß die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, wenn sie dem Beschwerdeführer in dem in der Beschwerde geforderten Ausmaß Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hätte.

Da der Verwaltungsgerichtshof somit in der Rechtsansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer erfülle nicht das in § 1 Abs. 4 Z. 2 Ingenieurgesetz 1973 für die Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" normierte Erfordernis der mindestens 10-jährigen einschlägigen Praxis, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken vermag, erweist sich der angefochtene Bescheid als frei von Rechtsirrtum.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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