VwGH 2007/11/0210

VwGH2007/11/021030.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, in der Beschwerdesache der E H in W, vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5/10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. Dezember 2006, Zl. MA 15-II-1-3172/2006, betreffend Verweigerung der Akteneinsicht iA. ÄrzteG 1998, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §17 Abs4;
AVG §17;
AVG §56;
AVG §63 Abs2;
B-VG Art103 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
AVG §17 Abs4;
AVG §17;
AVG §56;
AVG §63 Abs2;
B-VG Art103 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2006 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag der Beschwerdeführerin vom 7. Juni 2006 auf Akteneinsicht in die Akten des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40 Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht (vormals Magistratsabteilung 15), zu den Zahlen MA 15-II-1-6057/2003 (Aktenseiten 2-12, 18-35, 39-40, 42-43, 45, 50, 78) sowie MA 15-I/5/3279/1992 ("Gesamtakt"), ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Verwaltungssache, auf welche sich der Antrag auf Akteneinsicht beziehe, sei ein gegen die Beschwerdeführerin eingeleitetes Verfahren nach § 62 ÄrzteG 1998 zur einstweiligen Untersagung der ärztlichen Berufsausübung bis zum Ende eines gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens gewesen. Dieses Verfahren sei, da die Behörde die rechtlichen Voraussetzungen für die Erlassung eines Bescheides nach § 62 ÄrzteG 1998 verneint habe, formlos eingestellt worden.

Der Beschwerdeführerin sei bereits auf Grund ihres Antrages vom 10. März 2006 eine Abschrift des Aktes MA 15-II-1-6057/2003 per Post zugestellt worden. Die vom gegenständlichen Antrag umfassten Aktenseiten seien gemäß § 17 Abs. 3 AVG von der Akteneinsicht ausgenommen, weil im Falle einer Einsichtnahme durch die Antragstellerin eine Schädigung berechtigter Interessen dritter Personen zu befürchten wäre. Dies deshalb, da sich die betreffenden Aktenbestandteile auf den Verdacht strafbarer Handlungen von anderen Ärzten bezögen, gegen die - ohne inhaltlichen Zusammenhang mit dem Verfahren der Beschwerdeführerin - zeitgleich behördliche Ermittlungen in Bezug auf § 62 ÄrzteG 1998 durchgeführt worden sein. Im Antrag der Beschwerdeführerin sei nicht schlüssig darlegt worden, inwiefern ihr Interesse an der Gewährung der Akteneinsicht das Interesse dieser dritten Personen an der Geheimhaltung der betreffenden Aktenbestandteile überwiegen solle, weshalb der Gewährung der Akteneinsicht in die betreffenden Aktenbestandteile § 17 Abs. 3 AVG entgegenstehe.

Ein Anspruch auf Einsicht in den Akt zur Zl. MA 15- I/5/3279/1992 bestehe nicht, soweit es sich um Schriftstücke handle, die rein behördenintern seien bzw. soweit Aktenbestandteile nicht Teil des gegenständlichen Verfahrens nach § 62 ÄrzteG 1998 seien. Alle Bestandteile dieses Aktes, die sich auf das Verfahren gemäß § 62 ÄrzteG 1998 zur Zl. MA 15-II-1- 6057/2003 bezögen, unterlägen grundsätzlich der Akteneinsicht. Die betreffenden Aktenteile seien der Beschwerdeführerin jedoch bereits übermittelt worden, da "diese verfahrensbezogenen Bestandteile des Sammelaktes auch Bestandteile des sie betreffenden Verfahrensaktes" seien.

Der gegenständliche Antrag auf Akteneinsicht sei daher spruchmäßig abzuweisen gewesen.

Der Bescheid enthielt die Rechtsmittelbelehrung, dass ein Rechtsmittel gegen diesen Bescheid nicht zulässig sei, sowie den Hinweis, dass gegen den Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof erhoben werden könne.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die die vorliegende, zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem mit Beschluss vom 24. September 2007, B 132/07-17, nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene und von der Beschwerdeführerin ergänzte Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat. Die Beschwerdeführerin hat darauf repliziert.

2.1.1. § 17 AVG 1991 idF. BGBl. I Nr. 10/2004 lautet:

"Akteneinsicht

§ 17. (1) Die Behörde hat, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten; die Parteien können sich davon an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten auf ihre Kosten Kopien anfertigen lassen. Nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten kann Akteneinsicht auch im Wege des Zugriffs über das Internet auf die zur Einsicht bereitgestellten Akten oder Aktenteile gewährt werden, wenn die Identität (§ 2 Z 2 E-GovG, BGBl. I Nr. 10/2004) des Einsichtswerbers und die Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) seines Begehrens elektronisch nachgewiesen wurden.

(2) Allen an einem Verfahren beteiligten Parteien muß auf Verlangen die Akteneinsicht in gleichem Umfang gewährt werden.

(3) Von der Akteneinsicht sind Aktenbestandteile ausgenommen, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde.

(4) Gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ist kein Rechtsmittel zulässig."

2.1.2. Der im Beschwerdefall maßgebende § 62 des ÄrzteG 1998 (dieses idF. BGBl. I Nr. 156/2005) lautet:

"Vorläufige Untersagung der Berufsausübung

§ 62. (1) In Wahrung des öffentlichen Wohles und bei Gefahr in Verzug hat der Landeshauptmann Ärzten die Ausübung des ärztlichen Berufes bis zum rechtskräftigen Abschluß eines Verfahrens über die Bestellung eines Sachwalters nach § 273 ABGB oder eines Strafverfahrens zu untersagen, wenn gegen sie

1. ein Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters nach § 273 ABGB eingeleitet und nach § 238 AußStrG fortgesetzt oder

2. ein Strafverfahren wegen grober Verfehlungen bei Ausübung des ärztlichen Berufes, die mit gerichtlicher Strafe bedroht sind, eingeleitet oder

3. ein Strafverfahren wegen grober Verfehlungen bei Ausübung des ärztlichen Berufes, die mit Verwaltungsstrafe bedroht sind, eingeleitet worden ist.

(4) Die Gerichte sind verpflichtet, dem Landeshauptmann sowie der Österreichischen Ärztekammer

1. die Einleitung, Fortsetzung und den Ausgang von Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters sowie

2. die Einleitung und den Ausgang von gerichtlichen Strafverfahren

unverzüglich bekanntzugeben, soweit Ärzte hievon betroffen sind. Ebenso sind die Verwaltungsbehörden verpflichtet, dem Landeshauptmann Anzeigen wegen grober Verfehlungen im Sinne des Abs. 1 Z 3 und die von Amts wegen eingeleiteten Strafverfahren unverzüglich zur Kenntnis zu bringen. Diese Anzeigen sind bei Ärzten, die ihren Beruf im Rahmen eines Dienstverhältnisses bei einer Gebietskörperschaft oder einer anderen Körperschaft öffentlichen Rechts ausüben, auch der vorgesetzten Dienststelle des Arztes zu erstatten.

(5) Vor der Untersagung nach den Abs. 1 oder 2 ist die Österreichische Ärztekammer, bei Ärzten, die ihren Beruf im Rahmen eines Dienstverhältnisses bei einer Gebietskörperschaft oder einer anderen Körperschaft öffentlichen Rechts ausüben, auch die vorgesetzte Dienststelle zu hören. Die Untersagung ist ihr in jedem Falle mitzuteilen. Gegen die Untersagung nach Abs. 2 hat die Österreichische Ärztekammer das Recht der Berufung."

2.2. Die Beschwerde ist unzulässig.

2.2.1. Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof im Falle der Abtretung einer Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen selbständig zu prüfen hat (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 17. März 2011, Zl. 2011/03/0063 mwN.).

2.2.2. Gemäß § 17 Abs. 4 AVG ist gegen die Verweigerung der Akteneinsicht in einem anhängigen Verfahren durch eine Anordnung im Sinne des § 63 Abs. 2 AVG kein Rechtsmittel zulässig. Die Rechtswidrigkeit einer solchen Anordnung kann vielmehr erst und nur in dem Rechtsmittel gegen den das Verfahren abschließenden Bescheid geltend gemacht werden. Ist jedoch über das Akteneinsichtsbegehren einer Person abzusprechen, der im laufenden oder bereits abgeschlossenen Verwaltungsverfahren Parteistellung nicht zukommt oder deren Parteistellung sich auf ein bereits abgeschlossenes Verfahren bezogen hat, hat dies durch einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu geschehen, der im Instanzenzug bekämpft werden kann. Dies trifft auch auf Verfahren zu, in denen ein die Angelegenheit abschließender Bescheid im Sinn des § 63 Abs. 2 AVG nicht in Frage kommt (vgl. zB. den hg. Beschluss vom 23. Jänner 2007, Zl. 2005/11/0049 mwN.).

2.2.3. Steht in einer Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung - wie im Beschwerdefall nach § 62 Abs. 1 ÄrzteG 1998 - die Entscheidung in erster Instanz dem Landeshauptmann zu, so geht der Instanzenzug, wenn nicht bundesgesetzlich anderes bestimmt ist, bis zum zuständigen Bundesminister. Da für Verfahren nach § 62 Abs. 1 ÄrzteG 1998 eine abweichende Regelung fehlt, stand der Beschwerdeführerin sohin gemäß Art. 103 Abs. 4 B-VG gegen den angefochtenen Bescheid das Rechtsmittel der Berufung an den zuständigen Bundesminister offen (vgl. in diesem Zusammenhang die hg. Erkenntnisse vom 25. Juni 1996, Zl. 95/11/0339, und 25. April 2006, Zl. 2004/11/0221).

Die vorliegende Beschwerde wurde daher - ungeachtet der im angefochtenen Bescheid enthaltenen Rechtsmittelbelehrung - vor Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges eingebracht, welche nach Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG Voraussetzung für die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ist.

2.2.4. Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

2.3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51, VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

2.4. Ungeachtet der Zurückweisung der Beschwerde sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zu folgender Ausführung veranlasst:

Die belangte Behörde hat zur Zl. MA 15-II-1-6057/2003 - wie in der Gegenschrift dargestellt - einen gemeinsamen "Sammelakt" bezüglich amtswegiger Verfahren nach § 62 ÄrzteG 1998 gegen mehrere Ärzte geführt. Die von der Akteneinsicht ausgenommenen Aktenteile (Aktenseiten 2-12, 18-35, 39-40, 42-43, 45, 50, 78) betreffen jeweils solche gegen andere Ärzte gerichtete Verfahren gemäß § 62 ÄrzteG 1998, die von dem gegen die Beschwerdeführerin geführten und mittlerweile eingestellten Verfahren zu unterscheiden sind. Der Beschwerdeführerin kommt in Bezug auf Aktenstücke, die die erwähnten Verfahren nach § 62 ÄrzteG 1998 gegen andere Ärzte betreffen, keine Parteistellung zu.

Wien, am 30. September 2011

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