VwGH 2010/18/0306

VwGH2010/18/03063.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des N S in W, geboren am 10. April 1967, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 17. Juni 2010, Zl. E1/206.998/2010, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §50 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z5;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8 Abs2;
MRK Art8;
NAG 2005 §44 Abs4;
NAG 2005 §44;
FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §50 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z5;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8 Abs2;
MRK Art8;
NAG 2005 §44 Abs4;
NAG 2005 §44;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 17. Juni 2010 wurde der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer, dessen Identität nicht geklärt sei, am 28. Dezember 2002 illegal in das Bundesgebiet gelangt sei und einen Asylantrag gestellt habe, der am 27. Dezember 2009 in zweiter Instanz rechtskräftig abgewiesen worden sei. Jedenfalls seither sei der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet unrechtmäßig.

Der Beschwerdeführer sei verheiratet und für zwei Kinder sorgepflichtig; seine Ehefrau und die zwei Kinder lebten im Heimatstaat des Beschwerdeführers.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmungen des § 66 FPG - im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG gegeben seien.

Angesichts der festgestellten Umstände sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen; dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses hohe öffentliche Interesse verstoße jedoch gravierend, wer illegal in das Bundesgebiet gelange, hier einen Asylantrag stelle, der sich als nicht berechtigt erweise, und auch im Anschluss daran das Bundesgebiet nicht mehr verlasse. Die privaten Interessen des Beschwerdeführers hingegen wögen nicht schwer. Zunächst könne er auf keinerlei familiäre Bindungen im Bundesgebiet verweisen. Er habe keinen erlaubten Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt und gehe auch keiner Beschäftigung nach. Nach der Aktenlage sei der Beschwerdeführer mittellos bzw. außer Stande, seinen Lebensunterhalt aus Eigenem zu finanzieren.

Unter weiterer Bedachtnahme auf den Umstand, dass sich der bisherige Aufenthalt des Beschwerdeführers ausschließlich auf einen Asylantrag gestützt habe, sei dem Beschwerdeführer keine besondere Integration zuzuschreiben. Die Behauptung, der Beschwerdeführer habe "deutsche Sprachkenntnisse auf A2-Niveau", vermöge daran nichts zu ändern. Dass dem Beschwerdeführer eine Ausreise bzw. eine Rückkehr in seine Heimat nicht möglich sei, sei nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer sei ein erwachsener, offenbar gesunder Mann im arbeitsfähigen Alter, und es sei kein Grund ersichtlich, weshalb er sich in seiner Heimat, in der er offenbar über enge familiäre Bindungen verfüge, nicht reintegrieren könne. Keinesfalls wögen die dem Beschwerdeführer insgesamt zuzusprechenden privaten Interessen derart schwer, dass demgegenüber das genannte maßgebliche öffentliche Interesse in den Hintergrund zu treten habe. Die Erlassung der Ausweisung erweise sich daher auch im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG als zulässig.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde auch keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der Beschwerdeführer am 28. Dezember 2002 illegal nach Österreich eingereist ist, dass sein Asylantrag mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 27. Dezember 2009 rechtskräftig abgewiesen wurde und sich der Beschwerdeführer somit seitdem unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Im Hinblick darauf begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

1.2. Soweit die Beschwerde darauf hinweist, dass sich der Beschwerdeführer seit 28. Dezember 2002 mehr als überwiegend legal in Österreich aufhalte und somit einen Antrag nach § 44 Abs. 4 NAG stellen werde, so ist dazu anzumerken, dass auch derartige Anträge an der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG nichts zu ändern vermögen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2010, Zl. 2010/18/0195, mwN).

Aus diesem Grund geht auch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte die Antragstellung nach § 44 NAG abwarten müssen, ins Leere.

2.1. Die Beschwerde wendet sich auch gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass der Beschwerdeführer in Österreich "aufenthaltsverfestigt" sei, weil er sich während seines Asylverfahrens in Österreich sozial und wirtschaftlich integriert und "deutsche Sprachkenntnisse auf A2- Niveau" habe. Der Beschwerdeführer habe sich mit Österreichern angefreundet und "die Kultur übernommen"; er lebe wie ein Österreicher.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Die belangte Behörde hat bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 66 FPG den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit Dezember 2002 sowie den Umstand, dass er deutsche Sprachkenntnisse auf A2-Niveau habe, berücksichtigt. Die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch an Gewicht insoweit zu relativieren, als dieser Aufenthalt nur aufgrund eines Asylantrages, der in der Folge rechtskräftig abgewiesen wurde, erlaubt war und seit der rechtskräftigen Abweisung des Asylantrages unrechtmäßig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2010, Zl. 2010/18/0209, mwN).

Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er zu seinem "ehemaligen Heimatland" keine "ausreichende Bindung" habe, ist - schon weil es nicht weiter substantiiert wird - nicht geeignet, das Gewicht seiner persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich zu verstärken (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2010, Zl. 2010/18/0195). Zudem verfügt der Beschwerdeführer - was in der Beschwerde nicht bestritten wird - durch seine Ehefrau und Kinder, welche in Indien leben, jedenfalls über gewisse Bindungen zu seinem Heimatstaat (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 5 FPG).

Soweit die Beschwerde ausführt, dass sich der Beschwerdeführer in Österreich "wirtschaftlich seit mehr als 8 Jahren bewege" und dem Staat nicht finanziell zu Last gefallen sei, macht sie auch mit diesem Vorbringen keine Umstände geltend, die die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich maßgeblich verstärken könnten, zumal die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, dass der Beschwerdeführer nicht selbsterhaltungsfähig sei, nicht bestritten wurden.

Den - somit relativierten - persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er sich trotz rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages - unrechtmäßig - weiterhin im Bundesgebiet aufhält, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften darstellt, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 2009, Zl. 2009/18/0324, mwN).

Entgegen der Beschwerdeansicht erscheint die Ausweisung des Beschwerdeführers auch nach den vom EGMR in dessen Rechtsprechung zu Art. 8 EMRK aufgestellten Kriterien nicht als unzulässig. In diesem Zusammenhang wird beispielsweise auf die Entscheidung des EGMR vom 11. April 2006, Nr. 61292/00 (Useinov gegen die Niederlande), hingewiesen, der ein Fall zugrunde lag, in dem ein Fremder, der mit einer Inländerin zwei gemeinsame minderjährige Kinder hatte und bereits mehrere Jahre in den Niederlanden lebte, aber nicht damit rechnen durfte, sich auf Dauer in diesem Staat niederlassen zu dürfen, ausgewiesen wurde; in dieser Entscheidung erachtete der EGMR die Bestimmung des Art. 8 EMRK durch die Ausweisung des Fremden nicht als verletzt (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2010, Zl. 2010/18/0209, mwN).

Bei Abwägung des angeführten großen öffentlichen Interesses und der gegenläufigen - wie oben dargestellt - relativierten Interessen des Beschwerdeführers begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 66 FPG zulässig sei, auch dann keinem Einwand, wenn man - mit dem Beschwerdevorbringen - berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer verwaltungsstrafrechtlich und strafgerichtlich unbescholten sei.

2.3. Aufgrund des Gesagten gehen auch die in der Beschwerde im Zusammenhang mit der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung erhobenen Verfahrensrügen ins Leere.

3. Soweit die Beschwerde vorbringt, dass es dem Beschwerdeführer nicht zumutbar sei, in sein Heimatland auszureisen, weil er dort politisch verfolgt werde, ist dem zu entgegnen, dass die Frage des allfälligen Vorliegens von Gründen im Sinn des § 50 Abs. 1 oder 2 FPG nicht im Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung, sondern in einem gesonderten Verfahren, etwa in einem asylrechtlichen Verfahren, zu beurteilen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2010, Zl. 2007/18/0028, mwN).

4. Schließlich ist auch die Verfahrensrüge, dass die Feststellung des angefochtenen Bescheides, wonach die Identität des Beschwerdeführers nicht geklärt, aus dem gesamten Akteninhalt nicht abzuleiten und somit aktenwidrig sei, wegen der Unerheblichkeit dieses Umstandes für die vorliegende Ausweisung nach § 53 FPG verfehlt.

5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 3. November 2010

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