VwGH 2007/18/0028

VwGH2007/18/00288.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der FC, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Dezember 2006, Zl. SD 1594/06, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §50 Abs2;
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §50 Abs2;
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. Dezember 2006 wurde die Beschwerdeführerin, eine marokkanische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die belangte Behörde führte aus, die Beschwerdeführerin sei nach eigenen Angaben am 12. Juli 2003 mit einem "bis 1. Jänner 2004" gültigen Visum nach Österreich eingereist. (Nach Ausweis der Akten hat die Beschwerdeführerin im August 2006 schriftlich angegeben, dass das Visum bis 1. April 2004 gültig gewesen sei. In einer gegen die Beschwerdeführerin wegen unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet von der Bundespolizeidirektion Wien am 3. November 2006 erhobenen Anzeige wurde einerseits ausgeführt, dass sich im Reisepass der Beschwerdeführerin ein abgelaufenes, bis 1. Jänner 2004 gültiges Schengen-Visum C der italienischen Botschaft in Dubai befinde, andererseits angemerkt, dass sich die Beschwerdeführerin "somit" seit 2. April 2004 unerlaubt im Schengen-Raum bzw. im Bundesgebiet aufhalte.)

Am 29. März 2006 habe die Beschwerdeführerin einen österreichischen Staatsbürger geehelicht. Sie habe zu keiner Zeit über einen Aufenthaltstitel oder eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG verfügt, sei auch nach Ablauf ihres Visums in Österreich verblieben und halte sich somit seither unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, sodass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG vorlägen. In einem solchen Fall könnten Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 Abs. 1 FPG entgegenstehe.

Die Beschwerdeführerin verfüge im Bundesgebiet über familiäre Bindungen zu ihrem Ehegatten. Mit der vorliegenden fremdenpolizeilichen Maßnahme sei daher ein Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin verbunden. Dieser Eingriff erweise sich jedoch als dringend geboten, weil der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukomme. Diese Regelungen seien von der Beschwerdeführerin angesichts der Tatsache, dass sie sich seit dem 2. Jänner 2004 unrechtmäßig in Österreich aufhalte, in gravierender Weise missachtet worden. Die Beschwerdeführerin habe nicht einmal versucht, ihren bisherigen Aufenthalt zu legalisieren. Dieses Hinwegsetzen über maßgebliche fremdenrechtliche Normen bewirke eine Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens und sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise der Beschwerdeführerin aus dem Bundesgebiet. Dem genannten öffentlichen Interesse laufe es grob zuwider, wenn ein Fremder bloß auf Grund von Tatsachen, die von ihm geschaffen worden seien -

Nichtausreise trotz Ablauf des Visums - den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet erzwingen könnte.

Zum Berufungsvorbringen sei festzuhalten, dass mit der vorliegenden Ausweisung nicht darüber abgesprochen werde, dass die Beschwerdeführerin in einen bestimmten Staat auszureisen habe bzw. (allenfalls) überhaupt abgeschoben werde.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf das Fehlen besonderer zugunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände könne ihr weiterer Aufenthalt auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah allerdings von der Erstattung einer Gegenschrift ab und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Weder der Beschwerde noch den Verwaltungsakten ist ein Hinweis darauf zu entnehmen, dass der österreichische Ehegatte der Beschwerdeführerin von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat. Die Beschwerdeführerin stellt nicht in Abrede, über keine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich zu verfügen. Auf dem Boden der insoweit unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid begegnet die (nicht bekämpfte) Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerdeführerin bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel des § 66 Abs. 1 FPG und bringt vor, dass sie am 29. März 2006 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet habe und mit diesem zusammenlebe. Der Ehegatte sei berufstätig. Es sei daher von einer erheblichen Integration auszugehen. Ferner habe die Beschwerdeführerin schon in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vorgebracht, deshalb nach Österreich gekommen zu sein, weil ihr Vater sie in ihrer Heimat hätte "zwangsverheiraten" wollen. Aus diesem Grund sei sie zuerst nach Dubai und dann nach Österreich geflüchtet. Im Fall der Abschiebung oder Rückkehr nach Marokko habe die Beschwerdeführerin mit massivsten Problemen mit ihrer Familie zu rechnen, wobei sie auch befürchten müsse, dass sie in letzter Konsequenz von der Familie ermordet würde, weil sie die "Ehre" der Familie "beschmutzt" hätte.

2.2. In Anbetracht der genannten familiären Interessen der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet ist die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen, dass mit der vorliegenden Ausweisung ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben iSd § 66 Abs. 1 FPG verbunden ist. Das Gewicht der aus dem mehrjährigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich resultierenden persönlichen Interessen wird allerdings maßgeblich dadurch relativiert, dass sie sich lediglich für den kurzen Zeitraum von einigen Monaten auf Grund eines Visums rechtmäßig in Österreich aufhielt und - nach den in der Beschwerde nicht bestrittenen Ausführungen der belangten Behörde - seit 2. Jänner 2004 (gegebenenfalls - vgl. die Ausführungen unter I.1. - seit 2. April 2004) über keine Berechtigung zum Aufenthalt mehr verfügt.

Durch ihren unrechtmäßigen Aufenthalt in der Dauer von somit mehr als zweieinhalb Jahren hat die Beschwerdeführerin das öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. April 2010, Zl. 2010/18/0057, mwN), gravierend beeinträchtigt.

Ihre Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger vermag nicht maßgeblich zu Gunsten der Beschwerdeführerin ins Gewicht zu fallen, wurde sie doch zu einem Zeitpunkt geschlossen, als sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig in Österreich aufhielt und damit rechtens nicht mit einem weiteren Aufenthalt in Österreich rechnen durfte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2010, Zl. 2008/18/0332).

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend die ihr drohenden Gefahren in ihrem Heimatland ist entgegenzuhalten, dass die Frage des allfälligen Vorliegens von Gründen im Sinn des § 50 Abs. 1 oder 2 FPG nicht im Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung, sondern in einem gesonderten Verfahren, so etwa in einem Verfahren gemäß § 51 FPG oder in einem asylrechtlichen Verfahren, zu beurteilen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. April 2010, Zl. 2008/18/0555).

3. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 8. Juni 2010

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