VwGH 2010/07/0098

VwGH2010/07/009818.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde

1. des HP und 2. der HP, beide in M, beide vertreten durch Dr. Günther Csar, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 35, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 6. Mai 2010, Zl. WA1-W-42803/001-2009, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Wasserrechtsgesetzes 1959 (mitbeteiligte Partei: CK GmbH & Co KEG, vertreten durch DI Christian Gäbler in 8674 Rettenegg, Feistritzwald 34), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §41 Abs2;
AVG §42 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §62;
VwRallg;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §105 Abs1;
WRG 1959 §105;
WRG 1959 §111;
WRG 1959 §12 Abs1;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §32;
AVG §41 Abs2;
AVG §42 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §62;
VwRallg;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §105 Abs1;
WRG 1959 §105;
WRG 1959 §111;
WRG 1959 §12 Abs1;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §32;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 23. Juni 2008 beantragte die mitbeteiligte Partei bei der Bezirkshauptmannschaft WN (BH) die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Kanalisationsanlage und einer biologischen Kläranlage auf dem Grst. Nr. 965/1, KG M., zur Reinigung der bei fünf Liegenschaften anfallenden häuslichen Abwässer mit anschließender Einleitung in den M.-Bach.

Die BH beraumte zu diesem Vorhaben für 8. Juni 2009 eine mündliche Verhandlung an.

Mit Schreiben vom 2. Juni 2009, bei der BH eingelangt am 4. Juni 2009, erhoben die Beschwerdeführer nachstehende Einwendungen gegen das Projekt der mitbeteiligten Partei:

"Wie uns zur Kenntnis erlangt, soll auf der Parzelle 965/1 in M. eine Kläranlage für fünf Liegenschaften der Gutsverwaltung M. mit mehreren Wohneinheiten errichtet werden.

Diese Parzelle befindet sich im Wohngebiet, die Hausnummern 167, 94, 91, 187, 184 und 293 sind nur 50 bis 150 m entfernt und bei der Größe der Liegenschaften der Gutsverwaltung wird des sicher eine größere Kläranlage mit Geruchsbelästigung. In unserer Gemeinde wird in Kürze mit den Bauarbeiten eines Abwasserkanals begonnen, auch bei der Gutsverwaltung und den Liegenschaften vorbei. Wie ist es da möglich, dass die Gutsverwaltung und deren Liegenschaften sich nicht anschließen müssen, sondern eine Kläranlage im Wohngebiet errichten. Da wir als Nachbarn (Haus Nr. 167) direkt von der Kläranlage betroffen sind (es sind ca. 100 m zur Parzelle 965/1, es ist nur eine Weide dazwischen) verstehe ich nicht warum wir keine Parteistellung in diesem Verfahren haben."

Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung erteilte die BH mit Bescheid vom 9. Juni 2009 der mitbeteiligten Partei die wasserrechtliche Bewilligung für "die Errichtung und den Betrieb einer Kanalisationsanlage (Fäkalkanal) und einer biologischen Kleinkläranlage auf Parz. Nr. 965/1, KG M., zur Reinigung der häuslichen Abwässer bei den Liegenschaften B. 93 (Gutsverwaltung), B. 97, der Liegenschaft Parz. Nr. 1669, KG M., und für ein zukünftiges Objekt auf Parz. Nr. 1686, KG M., mit anschließender Einleitung der gereinigten Abwässer in den Vorfluter M.-Bach".

Zudem wurde im Spruch dieses Bescheides das Maß der Wasserbenutzung näher festgelegt und der mitbeteiligten Partei die Einhaltung näher angeführter Ablaufwerte vorgeschrieben. Das Wasserbenutzungsrecht wurde unter Auflagen befristet "bis zum Anschluss an die komunale Abwasserbeseitigungsanlage bzw. maximal bis 30. Juni 2039 erteilt".

Die Einwendungen der Beschwerdeführer wurden abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid der BH erhoben die Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde. Begründend führten die Beschwerdeführer aus, dass "die Bestimmung der NÖ Bauordnung (§ 62) durch den Herrn Bürgermeister nicht im Sinne der Verordnung bzw. im Sinne der Bürger in diesem Verfahren angewendet" worden sei. Dies führe zu einer finanziellen Mehrbelastung für Bürger, Gemeinde und Land Niederösterreich. Zudem entstehe eine höhere Umweltbelastung in Bezug auf Verkeimung, Reinigungsleistung und Klärschlammentsorgung im Vergleich zum Projekt der Gemeinde M.

(Einleitung in die Großkläranlage O.).

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte

Behörde die Berufung der Beschwerdeführer als unzulässig zurück.

Begründend führte sie aus, dass es für die Errichtung der

verfahrensgegenständlichen Kanalisations- und Kleinkläranlage einer wasserrechtlichen Bewilligung nach § 32 WRG 1959 bedürfe. Im Bewilligungsverfahren habe die Behörde zu prüfen, ob das eingereichte Projekt den wasserrechtlichen Vorgaben entspreche.

Im vorliegenden Fall sei von den Beschwerdeführern "nur ein öffentliches Interesse geltend gemacht" worden. Die Berufung auf öffentliche Interessen allein vermittle indessen keine Parteistellung. Da somit keine zulässigen Einwendungen erhoben worden seien, mangle es den Beschwerdeführern an der Legitimation zur Einbringung einer Berufung. Diese sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Von der mitbeteiligten Partei wurde keine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die für den Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des § 12 und des § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 lauten auszugsweise:

"§ 12. (1) Das Maß und die Art der zu bewilligenden Wasserbenutzung ist derart zu bestimmen, dass das öffentliche Interesse (§ 105) nicht beeinträchtigt und bestehende Rechte nicht verletzt werden.

(2) Als bestehende Rechte im Sinne des Abs. 1 sind rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum anzusehen.

...

§ 102. (1) Parteien sind:

...

b) diejenigen, die zu einer Leistung, Duldung oder Unterlassung verpflichtet werden sollen oder deren Rechte (§ 12 Abs. 2) sonst berührt werden, sowie die Fischereiberechtigten (§ 15 Abs. 1) und die Nutzungsberechtigten im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, sowie diejenigen, die einen Widerstreit (§§ 17, 109) geltend machen;"

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Parteistellung im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren gemäß § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 voraus, dass eine Berührung geltend gemachter wasserrechtlich geschützter Rechte durch die projektsgemäße Ausübung des mit der behördlichen Bewilligung verliehenen Rechtes der Sachlage nach nicht auszuschließen ist. Aus der Umschreibung jener Umstände, die die Parteistellung im Sinn des § 102 Abs. 1 lit. b leg. cit. im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren begründen, ergibt sich der Rahmen jener Einwendungen, die in einem solchen Verfahren von diesen Parteien mit Erfolg geltend gemacht werden können. Solche Einwendungen haben sich auf eine Verletzung jenes Rechtes zu beziehen, aus welchem die Parteistellung abgeleitet wird. Demnach liegt eine Einwendung immer nur dann vor, wenn die Partei die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muss jedenfalls entnommen werden können, dass überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend gemacht wird und ferner, welcher Art dieses Recht ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2001, Zl. 2001/07/0074, mwN).

Entscheidend ist demnach, ob von den Beschwerdeführern die Verletzung subjektiver, wasserrechtlich geschützter Rechte geltend gemacht wurde.

Zum einen befürchten die Beschwerdeführer eine Geruchsbelästigung durch das Vorhaben der mitbeteiligten Partei.

Bei Geruchsbelästigungen durch ein wasserrechtlich zu bewilligendes Vorhaben handelt es sich jedoch nicht um die Verletzung wasserrechtlich geschützter Rechte im Sinne des § 12 Abs. 2 WRG 1959. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, setzt nämlich eine wasserrechtlich relevante Berührung des Grundeigentums im Sinne des § 12 Abs. 2 WRG 1959 einen projektsgemäß vorgesehenen Eingriff in dessen Substanz voraus, der durch Geruchsimmissionen nicht bewirkt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. November 2007, Zl. 2006/07/0124, mwN).

Zum anderen gehen die Beschwerdeführer in ihren Einwendungen vor der BH von einer Anschlusspflicht der Objekte der mitbeteiligten Partei an den "in Kürze" zu errichtenden öffentlichen Kanal aus. In diesem Zusammenhang sehen sie in ihrer Berufung an die belangte Behörde die Bestimmung des § 62 NÖ BauO 1996 als unrichtig angewandt.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes dokumentiert die Bestimmung des § 62 NÖ BauO 1996 über die Anschlusspflicht ein grundsätzliches öffentliches Interesse am Anschluss und damit daran, dass Abwässer aus Liegenschaften über einen öffentlichen Kanal abgeleitet werden. Dieses öffentliche Interesse kann auch bei der Prüfung der öffentlichen Interessen nach § 105 WRG 1959 von Bedeutung sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2008, Zl. 2007/07/0095).

Die Wahrung der öffentlichen Interessen des § 105 WRG 1959 ist Sache der Behörde. Parteien des wasserrechtlichen Verfahrens können aus § 105 WRG 1959 keine subjektiven Rechte ableiten (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 25. September 2008, Zl. 2007/07/0085, mwN). Somit liegt auch mit diesem Vorbringen keine taugliche Einwendung der Beschwerdeführer vor. Dies hat auch für das Berufungsvorbringen einer höheren Umweltbelastung in Bezug auf Verkeimung, Reinigungsleistung und Klärschlammentsorgung im Vergleich zum Projekt der Gemeinde M. zu gelten. Auch damit werden von der Behörde zu wahrende öffentliche Interessen angesprochen.

Das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführer bewegt sich im Übrigen außerhalb des Rahmens jener Einwendungen, welche die Parteistellung im Sinn des § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 im Wasserrechtsverfahren begründen. Diese Berufungsausführungen sind somit unzulässig (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1997, Zl. 97/07/0009).

In der Beschwerde wird vorgebracht, dass es sich im Bereiche der geplanten Kläranlage der mitbeteiligten Partei, in welchem sich auch das Wohnhaus der Beschwerdeführer befinde, "um Überschwemmungsgebiet handle". Die Beschwerdeführer müssten damit rechnen, dass im Falle einer Undichtheit "der unterirdisch geplanten" Kläranlage der mitbeteiligten Partei trotz vorgesehener Verschraubung "durch Hochwasser bedingt" Fäkalien aus der Kläranlage austreten würden. Damit sei das Einfamilienhaus der Beschwerdeführer nicht nur einer Geruchsbelästigung ausgesetzt, sondern komme auch "direkt mit Fäkalien" in Kontakt.

Dieses Vorbringen wurde zum ersten Mal in der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof erstattet. Damit liegt jedoch eine gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung vor.

Die belangte Behörde hat daher die Berufung der Beschwerdeführer zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 18. November 2010

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