VwGH 2009/16/0119

VwGH2009/16/011925.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der S A in B, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom 19. September 2006, Zl. RV/0225-K/06, betreffend Gewährung von Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Normen

FamLAG 1967 §3 Abs2 idF 2004/I/142;
FamLAG 1967;
PensionsharmonisierungsG 2005;
VwRallg;
FamLAG 1967 §3 Abs2 idF 2004/I/142;
FamLAG 1967;
PensionsharmonisierungsG 2005;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine russische Staatsangehörige, beantragte mit einem ausgefüllten, mit 4. Mai 2006 datierten und am 5. Mai 2006 beim Finanzamt eingelangten Formblatt "Beih1" Familienbeihilfe für ihre vier minderjährigen Kinder.

Im Antragsformular führte sie an, sie und ihr Ehemann, ebenso ein russischer Staatsangehöriger, seien am 16. Mai 2003 nach Österreich eingereist. Sie sei seit 26. Jänner 2006 bei einem näher genannten Dienstgeber beschäftigt.

In den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten befinden sich zwei Bescheide des Bundesasylamtes je vom 31. Oktober 2005, wonach der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann die befristete Aufenthaltsberechtigung "gemäß § 8 Absatz 3 iVm § 15 Absatz 2 AsylG" bis zum 31. Oktober 2006 erteilt werde, nachdem durch Bescheide des Bundesasylamtes vom 14. November 2003 die Asylanträge der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes vom 16. Mai 2003 "gemäß § 7 AsylG" abgewiesen worden seien und das Bundesasylamt festgestellt habe, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nicht zulässig sei.

Weiters ist den vorgelegten Verwaltungsakten ein nicht datierter "Dienstzettel nach AVRAG" enthalten, wonach der Ehemann der Beschwerdeführerin seit 26. Jänner 2006 auf unbestimmte Zeit in einem Dienstverhältnis mit dem dort bezeichneten Arbeitgeber stehe.

Mit Bescheid vom 14. Juni 2006 wies das Finanzamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung der Familienbeihilfe unter Hinweis auf die "seit 1.1.2006 lautende Fassung des § 3 Familienlastenausgleichsgesetz" ab, weil für die Beschwerdeführerin und ihre Kinder "noch keine positiven Asylbescheide" vorlägen.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin mit der Begründung, ihre gesamte Familie sei "nach § 15 Asylgesetz als Asylwerber subsidiär schutzberechtigt, was bedeutet, dass unser Asylverfahren abgeschlossen ist (ohne positiven Bescheid), wir aber zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind. Wir sind daher nicht gleichzustellen mit Asylwerbern § 19, die sich in einem laufenden Verfahren befinden, und deren Anträge mit positiven Asylbescheid enden können. Mit dem Status eines Subsidiär Schutzberechtigten (§ 15 Asylgesetz) sind mein Mann und ich nach einem Jahr vom Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgenommen und haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Mein Mann ist derzeit in einem aufrechten Dienstverhältnis. Wir gehen davon aus, dass wir aufgrund dieser Tatsachen einen vergleichbaren Aufenthalt haben, wie Personen mit einer Niederlassungsbewilligung (§ 8 und 9 NAG) und fühlen uns diesen Personen gegenüber ungleichbehandelt, da auch sie nur zu einem befristeten Aufenthalt berechtigt sind und nur eingeschränkt Zugang zum Arbeitsmarkt haben".

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe nach der Neuregelung der Ansprüche von Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, durch das Fremdenrechtspaket 2005, BGBl. I Nr. 100, nur mehr für die Personen, die auch zur Niederlassung in Österreich berechtigt seien, wobei diese Berechtigung nach den Bestimmungen des ebenfalls im Rahmen des Fremdenrechtspaketes 2005 erlassenen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes erteilt werde. Die Arten und Formen der Aufenthaltstitel seien in den §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes aufgezählt. Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin "(samt Familienangehörigen) über eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 2 iVm 3 15 Abs. 2 AsylG verfügt und als Asylwerber subsidiär schutzberechtigt und nicht gleichzustellen mit Asylwerbern nach § 19 AsylG sei," vermittle keinen Anspruch auf Familienbeihilfe. Auch aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann "nach einem Jahr vom Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgenommen sein sollen und sie freien Zugang zum Arbeitsmarkt haben werden", könne für die Berufung nichts gewonnen werden. Abgesehen davon, dass "dieser Umstand im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht eingetreten war", reiche eine Arbeitserlaubnis im Sinne des Ausländerbeschäftigungsgesetzes seit 1. Jänner 2006 nicht mehr aus, um einen Anspruch auf Familienbeihilfe zu vermitteln.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der vor ihm gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 11. Juni 2007, B 1804/06-12, abgelehnt und die Beschwerde über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 14. August 2007, B 1804/06- 14, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten.

In dem die Beschwerde ergänzenden Schriftsatz vom 25. September 2007 erachtet sich die Beschwerdeführerin im Recht auf Gewährung der Familienbeihilfe verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahren vor und reichte eine Gegenschrift ein, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die Beschwerdeführerin brachte mit Schriftsatz vom 14. Juli 2009 vor, ihr und ihren Kindern sei mit Bescheiden vom 11. Mai 2009 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden. Dieser Feststellung durch Bescheid komme nur deklarative Wirkung zu. Mit diesem Schriftsatz legte die Beschwerdeführerin einen Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. Mai 2009 vor, wonach ihr auf Grund ihres Asylantrages vom 16. Mai 2003 gemäß § 7 iVm § 10 Abs. 2 AsylG 1997 Asyl gewährt werde, weil ihrem Ehemann mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. Mai 2009 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Gleichzeitig werde gemäß § 12 AsylG 1997 festgestellt, dass ihr kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

Weiters legte die Beschwerdeführerin einen Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. Mai 2009 vor, wonach ihrem Ehemann auf Grund dessen Antrages vom 16. Mai 2003 Asyl gewährt werde.

Nach Abweisung der erwähnten Asylanträge vom 16. Mai 2003 durch Bescheide des Bundesasylamtes vom 14. November 2003 - so die Begründung der mit dem erwähnten Schriftsatz vorgelegten Bescheide des Bundesasylamtes vom 8. und 11. Mai 2009 - und nach dagegen erhobenen Berufungen habe der Asylgerichtshof mit Erkenntnissen jeweils vom 6. April 2009 die Bescheide des Bundesasylamtes vom 14. November 2003 aufgehoben und die Verfahren an das Bundesasylamt zurück verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 23. September 2009 führte die belangte Behörde in einer Stellungnahme aus, unabhängig von den erwähnten Bescheiden des Bundesasylamtes vom 8. und vom 11. Mai 2009 sei für die Zeit vom 1. Mai 2004 bis 30. Juni 2006 die Familienbeihilfe auf Grund der "neuen Rechtslage" nicht mehr zu gewähren gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die dort näher genannte Voraussetzungen erfüllen.

Die Familienbeihilfe wird nach § 10 Abs. 2 FLAG vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Die Familienbeihilfe wird nach § 10 Abs. 3 leg. cit. höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.

Die Frage, ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfeanspruchs für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. September 2004, 2000/13/0103, mwN, und den hg. Beschluss vom 21. September 2009, 2009/16/0082).

Die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen, zu denen auch die Familienbeihilfe zählt, ist ein zeitraumbezogener Abspruch. Ein derartiger Abspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren haben, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 2010, 2009/13/0083, mwN).

Im Antragsvordruck ist das vorgesehene Feld, ab wann die Familienbeihilfe beantragt wird, nicht ausgefüllt. Damit hat die Beschwerdeführerin die Möglichkeit einer rückwirkenden Beantragung nicht ausgeschöpft und ist - da auch im weiteren Verwaltungsverfahren der Antrag nach der Aktenlage nicht auf davor liegende Zeiträume ausgedehnt wurde - davon auszugehen, dass die Familienbeihilfe vom Tag der Antragstellung an begehrt wurde. Der Zeitraum, über den das Finanzamt mit Bescheid vom 14. Juni 2006 abgesprochen hat und über den die belangte Behörde somit abzusprechen hatte, beginnt sohin mit dem Monat Mai 2006. Für vor diesem Zeitraum gelegene Monate erfolgte kein Abspruch.

Die Befugnis der belangten Behörde, nach § 289 BAO in der Sache selbst zu entscheiden, erstreckte sich daher auf die Sache des erstinstanzlichen Bescheides, nämlich die Zuerkennung der Familienbeihilfe für den Zeitraum ab Mai 2006.

§ 3 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, lautet:

"§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauert. Kein Anspruch besteht außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens 60 Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt wurde.

(3) Ist der Elternteil, der den Haushalt überwiegend führt (§ 2a Abs. 1), nicht österreichischer Staatsbürger, genügt für dessen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn der andere Elternteil österreichischer Staatsbürger ist oder die Voraussetzungen nach Abs. 1 oder 2 erfüllt."

§ 3 FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl. I Nr. 100, ist auf Personen, die vor dem 1. Jänner 2006 einen Asylantrag gestellt haben und deren Asylverfahren am 31. Dezember 2005 noch anhängig war, noch nicht anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 2008, 2007/15/0170, und in seither ständiger Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2010, 2009/16/0128, mwN).

Da die Asylanträge der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes vor dem 1. Jänner 2006 gestellt wurden und deren Asylverfahren zufolge der Berufungen gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 14. November 2003 am 31. Dezember 2005 noch anhängig waren und erst durch die im zweiten Rechtsgang erlassenen Bescheide des Bundesasylamtes am 8. Mai 2009 und vom 11. Mai 2009 beendet wurden, ist im vorliegenden Beschwerdefall noch § 3 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes anzuwenden.

Die tatsächliche Asylgewährung mit den Bescheiden des Bundesasylamtes vom 8. und 11. Mai 2009 kann erst ab Mai 2009 bewirken, dass der entsprechende Tatbestand des § 3 Abs. 2 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes erfüllt ist, und führt zu keiner rückwirkenden Entstehung des Anspruches auf Familienbeihilfe (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 8. Februar 2007, 2006/15/0098, VwSlg 8.202/F, und vom 25. Juni 2008, 2008/15/0177).

Allerdings hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auf die im Beschwerdefall noch nicht anzuwendende Rechtslage des § 3 FLAG idF des Fremdenrechtspaketes 2005 gestützt und sich deshalb nicht mit dem im Verwaltungsverfahren erstatteten und im Hinblick auf § 3 Abs. 1 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes bedeutsamen Vorbringen und den dazu vorgelegten Unterlagen betreffend unselbständige Beschäftigungen der Beschwerdeführerin oder ihres Ehemannes konkret auseinander gesetzt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 25. März 2010

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