VwGH 2009/05/0290

VwGH2009/05/029025.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der Mag. S M in Wien, vertreten durch Dr. Klaus Gossi, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 66/1/6, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 29. Juli 2009, Zl. MA 64-2520/2009, betreffend Kostenvorschreibung nach dem VVG, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
VVG §10 Abs2;
VVG §11 Abs1;
VVG §4 Abs1;
VVG §4 Abs2;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
VVG §10 Abs2;
VVG §11 Abs1;
VVG §4 Abs1;
VVG §4 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610.60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 24. März 2006 wurde der Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Wohnung Nr. 6 des Hauses B, R-Gasse 14, gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien (BO) aufgetragen, binnen drei Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides die ohne erforderliche Baubewilligung auf der Terrasse aufgestellte Blechhütte im Ausmaß von ca. 3 m x 1,50 m sowie eine auf der Dachterrasse im Bereich des Entlüftungsschachtes aufgestellte weitere Gerätehütte im Ausmaß von ca. 1,50 m x 2,20 m zu entfernen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64, vom 11. März 2008 wurde die Durchführung der beauftragten Arbeiten im Wege der Ersatzvornahme angeordnet.

Auf Grund einer Erhebung eines Amtsorganes am 26. Februar 2009 an Ort und Stelle wurde festgestellt, dass die beiden vom Bauauftrag erfassten Gerätehütten "mit unverändertem Standort vorhanden" seien.

Die Beschwerdeführerin wurde sodann mit Schreiben der Magistratsabteilung 25 vom 2. März 2009 aufgefordert, die im Zuge der Ersatzvornahme zu entfernenden Gerätehütten von allen Fahrnissen zu räumen und am 23. April 2009 in der Zeit von 9 - 17 Uhr den ungehinderten Zugang zu den gegenständlichen Gerätehütten zu ermöglichen.

A. M., der Vater der Beschwerdeführerin, teilte der Magistratsabteilung 25 mit Schreiben vom 17. April 2009 mit, im "Auftrag" der Beschwerdeführerin "die 'Blechhütte', richtigerweise Gerätekasten, am 3.4.2009 bereits 'abgetragen'" zu haben. Das Einschreiten der Behörde sei somit nicht mehr notwendig. Er teile aber zugleich mit, dass er in seiner Verantwortung "diese Kästen am 6.4.2009 neuerlich zusammengeschraubt und aufgestellt habe, da ich in dieser Wohnung Fruchtgenussrecht habe."

Am 23. April 2009 erfolgte unter Aufsicht eines Behördenorganes die von der Behörde angeordnete zwangsweise Durchführung der Arbeiten.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 25, vom 4. Juni 2009 wurden der Beschwerdeführerin gemäß § 11 Abs. 1 und 3 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VVG) die mit EUR 1.474,-

bestimmten Kosten der Ersatzvornahme zur Zahlung vorgeschrieben.

In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, dass A. M. in ihrem Auftrag auf Grund der Aufforderung der Behörde vom 2. März 2009 die vom Bauauftrag erfassten Objekte am 3. April 2009 abgetragen habe. Sie sei somit ihrer aufgetragenen Verpflichtung nachgekommen. Für die "Demontage der am 6.4.2009 aufgestellten Gerätekästen" gebe es keine Rechtsgrundlage.

Die Magistratsabteilung 25 gab zur Berufung am 25. Juni 2009 eine Stellungnahme ab, in der ausgeführt wurde, dass sich die vom Bauauftrag betroffenen Gerätehütten vor Beginn der behördlichen Abbrucharbeiten "exakt an den selben Standorten und mit gleicher Grundrissfläche wie im Bauauftrag" befunden hätten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde hiezu ausgeführt, der Behauptung, infolge nachträglicher Änderung des Sachverhaltes liege eine Unzulässigkeit der Vollstreckung vor, sei entgegenzuhalten, "dass sich auch durch das Demontieren und wieder Zusammenschrauben der verfahrensgegenständlichen Hütten zum Zeitpunkt der Durchführung der Ersatzvornahme kein anderer Sachverhalt darstellt, wie schon zum Zeitpunkt der Erlassung des für die Durchführung der Ersatzvornahme maßgebenden rechtskräftigen und vollstreckbaren Entfernungsauftrages". In diesem Auftrag sei klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei den beiden Hütten um Bauwerke im Sinne der BO handle, für deren Errichtung eine Baubewilligung erforderlich gewesen wäre. Die Gesetzeslage habe sich seit Erlassung des Titelbescheides diesbezüglich nicht geändert.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 VVG kann, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.

Bezüglich der Kosten des Vollstreckungsverfahrens ordnet § 11 VVG an:

"(1) Die Kosten der Vollstreckung fallen dem Verpflichteten zur Last und sind gemäß § 3 einzutreiben.

(2) Im Fall der Uneinbringlichkeit sind sie von der Partei zu tragen, auf deren Antrag und in deren Interesse die Vollstreckungshandlungen vorgenommen wurden. Hierüber ist von der Vollstreckungsbehörde nach dem AVG zu entscheiden. Die Berufung geht an die nach § 10 Abs. 3 zuständige Behörde, die endgültig entscheidet.

(3) Wenn die Vollstreckungsbehörde im Fall einer Ersatzvornahme Leistungen erbringt, für die der Verpflichtete, würden sie durch einen von der Behörde beauftragten Dritten erbracht, Barauslagen zu ersetzen hätte, so zählt zu den Kosten auch ein angemessener Beitrag zum Personal- und Sachaufwand der Vollstreckungsbehörde. Dieser darf 10% der bei der Vollstreckung im übrigen anfallenden Barauslagen nicht übersteigen.

(4) Soweit der Verpflichtete die Kosten der Vollstreckung für Maßnahmen nach § 4 nicht vor der Durchführung der Ersatzvornahme entrichtet hat (§ 4 Abs. 2) und die Durchführung der Ersatzvornahme unaufschiebbar ist, zählen zu den Kosten der Vollstreckung auch angemessene Finanzierungskosten, die ab dem Zeitpunkt entstanden sind, in dem die Behörde in Vorlage getreten ist. Diese Kosten sind jedenfalls angemessen, wenn sie jährlich den jeweils geltenden Basiszinssatz um nicht mehr als 2% übersteigen. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Erlassung der Vollstreckungsverfügung durch die Behörde erster Instanz."

Die Vorschreibung der Kosten bei der Ersatzvornahme ist ein verfahrensrechtlicher Bescheid im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens und keine Vollstreckungsverfügung im Sinne des § 10 VVG. Die Berufung ist daher nicht auf die in § 10 Abs. 2 VVG bezeichneten Gründe beschränkt. Die Berufungsbehörde muss sich daher mit dem Berufungsvorbringen, soweit es auf die Vorschreibung der Kosten bezug nimmt, auseinandersetzen und allenfalls notwendige Ermittlungen von Amts wegen durchführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2007, Zl. 2006/05/0085).

Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass sie im Beschwerdefall nicht verpflichtet sei, die Kosten für die Durchführung der Ersatzvornahme zu tragen, weil sie bereits vor der Vollstreckung des Bauauftrages ihrer Verpflichtung nachgekommen sei. Die neuerliche Aufstellung der vom Bauauftrag betroffenen Gerätekästen durch den Fruchtgenussberechtigten ihrer Wohnung stelle einen völlig neuen Sachverhalt dar, der eine eigenständige Beurteilung dahingehend bedürfe, ob eine baubehördliche Bewilligung erforderlich sei. Eine solche sei jedoch nicht erforderlich, da kein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben vorliege. Auf Grund der Größe der beiden Gerätehütten sei keine Begehbarkeit gegeben. Auch liege keine kraftschlüssige Verbundenheit mit dem Wohngebäude vor. Für das Aufstellen der Gerätekästen, die ohne weiteres entfernt werden könnten und als Möbelstücke zu qualifizieren seien, bestehe keine Bewilligungspflicht. Die belangte Behörde habe auch keine Feststellung getroffen, dass diese Kästen vor Durchführung der Zwangsmaßnahme entfernt worden seien, und ob an derselben Stelle dieselben Kästen wieder aufgestellt worden seien.

Dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin zielt darauf ab, dass die Vollstreckung unzulässig war, weil der Bauauftrag vor Durchführung der angeordneten Ersatzvornahme vollständig erfüllt worden sei.

Eine Vollstreckung ist auch unzulässig, wenn sich nach der Entstehung des Exekutionstitels die rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse in einem wesentlichen Punkt geändert haben und damit die objektiven Grenzen der Bescheidwirkungen andere geworden sind. Eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes ist die Erfüllung des Titelbescheides, hier: des Bauauftrages (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juli 2009, Zl. 2009/05/0193). Wurde einem Beseitigungsauftrag, der einen näher konkretisierten ohne Baubewilligung errichteten Bau betroffen hat, durch Entfernung dieses Baus entsprochen, so besteht keine rechtliche Möglichkeit der Vollstreckung mehr.

Im Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin dem Bauauftrag jedoch nicht entsprochen.

Die Beschwerdeführerin hat der Behörde im Zeitraum ab der Feststellung, dass der Bauauftrag noch nicht erfüllt worden ist (26. Februar 2009) bzw. der Aufforderung zur Vorbereitung der Ersatzvornahme durch Ausräumen der Gerätehütten (2. März 2009), bis zur zwangsweisen Durchführung der Arbeiten am 23. April 2009 nicht mitgeteilt, dass sie den Bauauftrag erfüllt hätte. Tatsächlich waren die beiden Gerätehütten noch an den im Bauauftrag bezeichneten Orten aufgestellt.

Auch wenn die Behauptung zutreffen sollte, dass der Vater - wie von ihm mitgeteilt - der Beschwerdeführerin die beiden Gerätehütten am 3. April 2009 entfernt hat, ist im Beschwerdefall keine Änderung der Sachlage zum Bauauftrag eingetreten, weil - wie sich aus dem Berufungsvorbringen ergibt - diese Gerätehütten am 6. April 2009 am selben Ort neuerlich entgegen diesem Auftrag aufgestellt worden sind. Schon im Hinblick auf den zeitlichen Zusammenhang des Abtragens und Wiederaufstellens dieser Gerätehütten kann daher im Beschwerdefall von einer Erfüllung des Bauauftrages nicht ausgegangen werden (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 20. Februar 2003, Zl. 2002/06/0177, und vom 8. Juli 2004, Zl. 2004/07/0050, VwSlg. 16.406/A).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 25. März 2010

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