VwGH 2008/22/0412

VwGH2008/22/041218.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. März 2007, Zl. 147.890/2- III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
MRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 17. September 2004 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 21 Abs. 1 und 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 30. August 2003 illegal nach Österreich eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug am 3. Mai 2004 rechtskräftig negativ beschieden worden sei, wodurch das vorläufige Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers nach dem Asylgesetz 1997 geendet habe.

Am 8. September 2004 habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und am 17. September 2004 - entgegen der Bestimmung des § 21 Abs. 1 NAG - im Inland einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eingebracht. Somit liege der Versagungsgrund der unzulässigen Inlandsantragstellung vor.

Die belangte Behörde habe auch keine humanitären Gründe im Sinn des § 72 NAG erkennen können. Es sei nicht einsehbar, warum der Beschwerdeführer nicht zwecks Einbringung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in sein Heimatland zurückkehren könne, sei doch schon in der rechtskräftigen Abweisung des Asylantrages das Vorliegen von asylrechtlich relevanten Gründen, die eine Rückkehr ins Heimatland unmöglich gemacht hätten, bzw. eines Refoulement-Verbotes eindeutig verneint worden.

Auch der langjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, der nach Verlust der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz illegal gewesen sei, vermöge keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Sinn des § 72 NAG darzustellen. Die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin und die Lebensgemeinschaft, die nur während des illegalen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Inland geführt worden sei, könnten ebenfalls keinen Anspruch auf Familiennachzug begründen. Eine Inlandsantragstellung bzw. die daraus resultierende Entgegennahme des Aufenthaltstitels im Inland werde daher gemäß § 74 NAG von Amts wegen nicht zugelassen. Auch ehemalige Asylwerber hätten einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Ausland zu stellen. Gemäß § 21 Abs. 1 und 2 NAG hätte der Beschwerdeführer daher seinen Antrag im Ausland abwarten müssen.

Der Beschwerdeführer erfülle auch nicht die in der Richtlinie 2004/38/EG festgelegten Voraussetzungen und könne kein Recht auf Freizügigkeit gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in Anspruch nehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass auf das gegenständliche Verfahren auf Grund des Zeitpunktes der Erlassung des angefochtenen Bescheides das NAG idF BGBl. I Nr. 99/2006 anzuwenden ist.

Gemäß § 81 Abs. 1 NAG sind Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes (das war der 1. Jänner 2006) anhängig sind, nach den Bestimmungen des NAG zu Ende zu führen. Da der verfahrensgegenständliche Antrag noch vor In-Kraft-Treten des NAG gestellt wurde, über diesen aber bis dahin nicht entschieden worden war, zog die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung zutreffend die Bestimmungen des NAG heran.

Der Beschwerdeführer bringt unter Hinweis auf seine Antragstellung am 17. September 2004 - somit vor In-Kraft-Treten des NAG - und seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin vor, er sei zur Inlandsantragstellung berechtigt gewesen. Mit der Gesetzesänderung sei für den Beschwerdeführer eine erhebliche Schlechterstellung verbunden.

Dem ist zunächst mit der ständigen hg. Rechtsprechung zu erwidern, dass dem NAG weder ein Rückwirkungsverbot noch eine Regelung zu entnehmen ist, der zufolge auf vor dessen In-Kraft-Treten verwirklichte Sachverhalte etwa Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 - FrG anzuwenden wären. Der Gerichtshof hat auch ausgesprochen, dass die Übergangsbestimmungen des § 81 Abs. 1 iVm § 82 Abs. 1 NAG verfassungsrechtlich unbedenklich sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 2008, 2008/22/0645, mwN).

Die Beschwerde bestreitet nicht, dass die Erledigung des gegenständlichen Antrages im Inland abgewartet wurde. Beim gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Angehöriger" nach § 47 Abs. 2 NAG handelt es sich um einen Erstantrag (§ 2 Abs. 1 Z. 13 NAG) im Sinn des § 21 Abs. 1 NAG. Dem in dieser Bestimmung verankerten Grundsatz der Auslandsantragstellung folgend hätte der Beschwerdeführer jedenfalls die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels im Ausland abwarten müssen.

Gemäß § 74 NAG kann die Behörde von Amts wegen die Inlandsantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zulassen, wenn die Voraussetzungen des § 72 NAG erfüllt werden. Nach § 72 Abs. 1 NAG kann den im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses (§ 11 Abs. 1 NAG), ausgenommen bei Vorliegen eines Aufenthaltsverbotes (§ 11 Abs. 1 Z. 1 und 2 NAG), in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden.

Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG vor, so ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei diese Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 2008, Zl. 2008/22/0127, mwN).

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, es lägen fallbezogen keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe vor, nicht zu beanstanden. Der bisherige (etwa dreieinhalbjährige) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und der Umstand, dass er stets auf die Bewilligung seines Aufenthaltstitels vertraut habe, stellen entgegen seiner Ansicht keine derartigen Gründe dar, zumal sein Aufenthaltsstatus auch während des anhängigen Asylverfahrens unsicher und seit rechtskräftigem negativem Abschluss des Asylverfahrens am 3. Mai 2004 unrechtmäßig war. Auch der während des unrechtmäßigen Aufenthaltes geschlossenen Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin kommt fallbezogen mit Blick auf die kurze Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers kein entscheidendes Gewicht zu. Weitere Anhaltspunkte, die für eine besonders starke Integration des Beschwerdeführers sprechen würden, wurden auch in der Beschwerde nicht vorgebracht.

Im Übrigen obliegt es dem Fremden, zu behaupteten humanitären Gründen ein konkretes und substanziiertes Vorbringen zu erstatten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 2009, 2008/22/0338, mwN). Weder der Berufung noch dem sonstigen Verwaltungsakt ist ein diesbezügliches Vorbringen zu entnehmen. Im Hinblick darauf ist das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe den Beschwerdeführer nicht zur Konkretisierung allfälliger humanitärer Gründe aufgefordert, nicht berechtigt, zumal auch die Beschwerde nicht darlegt und konkretisiert, was der Beschwerdeführer vorgebracht hätte und zu welchen für ihn günstigen Feststellungen die belangte Behörde in der Folge hätte gelangen müssen.

Die belangte Behörde hat somit fallbezogen zutreffend das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Falls verneint, die Inlandsantragstellung nicht zugelassen und den Antrag des Beschwerdeführers zu Recht abgewiesen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 18. März 2010

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