VwGH 2008/22/0018

VwGH2008/22/00189.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. März 2008, Zl. 317.453/2- III/4/2007, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §45 Abs3;
EMRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
AVG §13 Abs3;
AVG §45 Abs3;
EMRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines bosnischen Staatsangehörigen, vom 6. Februar 2007 auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung als Familienangehöriger einer Österreicherin gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassung- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei mit einem Visum C, gültig vom 9. bis 23. September 2003, in das Bundesgebiet eingereist, habe am 23. Dezember 2003 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und einen ersten Antrag auf Niederlassungsbewilligung eingebracht. (Laut unbestritten gebliebenen Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid wurde das diesen Antrag betreffende Verfahren nach Änderung des Aufenthaltszweckes auf "Schlüsselkraft" eingestellt.) Seit 2005 habe der Beschwerdeführer keinen gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Ehefrau, weil diese unbekannten Aufenthaltes sei. Nach der Trennung von seiner Ehefrau habe der Beschwerdeführer den gegenständlichen zweiten Antrag gestellt.

Der Beschwerdeführer halte sich (seit Ablauf seines Visums C am 23. September 2003) illegal im österreichischen Bundesgebiet auf und sei seit diesem Datum durchgehend im Bundesgebiet gemeldet. Während seines illegalen Aufenthaltes habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und persönlich "die beiden Anträge auf Niederlassungsbewilligung" eingebracht. Gemäß § 21 Abs. 1 NAG hätte er den gegenständlichen Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einbringen und die Entscheidung im Ausland abwarten müssen, weil er keine der für die Inlandsantragstellung genannten Voraussetzungen gemäß § 21 Abs. 2 NAG erfülle; § 21 Abs. 1 NAG stehe daher einer Bewilligung des gegenständlichen Antrages entgegen.

Gemäß § 74 NAG könne die Behörde von Amts wegen die Inlandsantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder die Heilung von sonstigen Verfahrensmängeln zulassen, wenn die Voraussetzungen des § 72 NAG erfüllt würden. Diesbezüglich wären der langjährige illegale Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin und seine Erwerbstätigkeit seit 2004 anzuführen. Es sei jedoch festzuhalten, dass der Beschwerdeführer seit Ablauf des Einreisetitels im Jahr 2003 illegal aufhältig sei und eine Ehegemeinschaft nicht vorliege. Humanitäre Gründe im Sinn der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 72 NAG habe die belangte Behörde daher nicht erkannt. Eine Inlandsantragstellung bzw. die daraus resultierende Entgegennahme des Aufenthaltstitels im Inland werde daher gemäß § 74 NAG von Amts wegen nicht zugelassen.

Letztlich sei ein Freizügigkeitssachverhalt im Sinn der §§ 51 ff NAG nicht erkennbar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass sich der Beschwerdeführer seit Ablauf der Gültigkeitsdauer seines Visums unrechtmäßig in Österreich aufhalte und entgegen der Bestimmung des § 21 Abs. 1 NAG seinen Antrag nicht im Ausland eingebracht und die Entscheidung darüber nicht im Ausland abgewartet habe. Unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes zog die belangte Behörde diese Bestimmung zu Recht zur Abweisung des gegenständlichen Antrages heran.

Daran ändert auch der vorgebrachte Umstand nichts, dass der Beschwerdeführer bereits einen Monat nach seiner Eheschließung persönlich einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt habe. Abgesehen davon, dass dieses Verfahren - was unbestritten blieb - eingestellt wurde, ist mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auch kein Aufenthaltsrecht verbunden.

Wenn die Beschwerde diesbezüglich rügt, die belangte Behörde führe in ihrer Begründung aus, "diese Anträge wurden (im angefochtenen Bescheid: wurde) von der oben bezeichneten Behörde mit Bescheid vom 11.06.2007 abgewiesen", und daraus erkennbar den Schluss zieht, Gegenstand des angefochtenen Bescheides sei sowohl der Antrag des Beschwerdeführers vom 14. Jänner 2004 als auch jener vom 6. Februar 2007, verkennt sie, dass sich der erstinstanzliche Bescheid ausschließlich auf den Antrag vom 6. Februar 2007 bezieht; dadurch wurde auch der Gegenstand des Berufungsverfahrens festgelegt. Bei der missverständlichen Formulierung im angefochtenen Bescheid "Diese Anträge wurde von der oben bezeichneten Behörden mit Bescheid vom 11.06.2007 abgewiesen." handelt es sich nur um ein offenkundiges Vergreifen im Ausdruck.

Die Inlandsantragstellung und der Verbleib im Inland sind gemäß § 74 NAG dann zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des § 72 NAG (jeweils in der Stammfassung) vorliegen. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen einen Aufenthaltstitel zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 2010, 2008/22/0670, mwN).

Das Ergebnis der Interessenabwägung der belangten Behörde nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist nicht als rechtswidrig zu beurteilen. Der Beschwerdeführer tritt nämlich der behördlichen Feststellung nicht entgegen, dass ein gemeinsamer Wohnsitz mit seiner Ehefrau seit 2005 - somit auch zum Zeitpunkt der Stellung des gegenständlichen Antrages - nicht bestehe und ein Familienleben nicht stattfinde. Dazu kommt, dass die Ehe zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, zu dem das Visum des Beschwerdeführers bereits abgelaufen war, und dieser trotzdem nicht aus Österreich ausgereist ist. Auch wenn der Beschwerdeführer seit etwa viereinhalb Jahren in Österreich aufhältig und hier auch berufstätig ist, weisen seine Bindungen im Bundesgebiet keinesfalls eine solche Intensität auf, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels geboten wäre.

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Bescheidbegründung wendet, dass ein "weiteres Eingehen" auf die persönlichen Verhältnisse im Hinblick auf Art. 8 EMRK entbehrlich sei, ist ihm zu entgegnen, dass die belangte Behörde durch die Anwendung der §§ 72 und 74 NAG ohnedies eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK vorgenommen hat. Dem zitierten Teil der Bescheidbegründung kommt somit im vorliegenden Fall kein eigenständiger Begründungswert zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2010, 2009/22/0022).

Bei dem Erfordernis nach § 21 Abs. 1 NAG handelt es sich - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - auch nicht um ein bloßes Formalerfordernis, sondern um eine Erfolgsvoraussetzung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2010, 2008/22/0202, mwN); eine solche ist einer Verbesserung gemäß § 13 Abs. 3 AVG nicht zugänglich.

Im Hinblick darauf, dass hier die Anwendung des von der belangten Behörde herangezogenen § 21 Abs. 1 NAG eine bloße Rechtsfrage darstellt, war die belangte Behörde auch nicht gemäß § 45 Abs. 3 AVG gehalten, dem Beschwerdeführer dazu Parteiengehör zu gewähren (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2010).

Schließlich kann auch keine Rede davon sein, dass der "angefochtene Bescheid nicht nachvollziehbar" sei.

Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 9. September 2010

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