VwGH 2008/20/0448

VwGH2008/20/044811.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke sowie die Hofrätin Dr. Pollak und den Hofrat Mag. Dr. Wurdinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hahnl, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den mündlich verkündeten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. Juni 2008, Zl. 220.321/0/32Z-I/02/00, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §62 Abs2;
AVG §62 Abs3;
AVG §67g Abs1;
AVG §67g Abs3;
B-VG Art129c Abs1;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
SPG 1991 §88;
SPG 1991 §89;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §62 Abs2;
AVG §62 Abs3;
AVG §67g Abs1;
AVG §67g Abs3;
B-VG Art129c Abs1;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
SPG 1991 §88;
SPG 1991 §89;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2008 "samt wesentlicher Begründung, Rechtsmittelbelehrung und Hinweis" verkündeten Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 1. Dezember 2000, mit dem sein Asylantrag abgewiesen und ihm Refoulementschutz verweigert worden war, gemäß §§ 7 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab.

Eine Begründung dieses Bescheides ist im Verhandlungsprotokoll vom 20. Juni 2008 nicht enthalten und es erfolgte bisher keine Bescheidausfertigung.

Gegen den mündlich verkündeten Bescheid vom 20. Juni 2008 richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Für das im Beschwerdefall noch maßgebliche Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat galten vorrangig - wie sich aus

Artikel 129c Abs. 1 B-VG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 2/2008 und aus Artikel II Abs. 2 Z 43a EGVG idF vor dem Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, ergibt - die besonderen Bestimmungen der §§ 67a ff AVG über das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten.

Gemäß § 67g Abs. 1 AVG sind der Bescheid und seine wesentliche Begründung auf Grund der Verhandlung, und zwar - wenn möglich - sogleich nach deren Schluss zu beschließen und öffentlich zu verkünden. Gemäß § 67g Abs. 3 AVG ist den Parteien eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides zuzustellen. Diese Regelung stellt im Verhältnis zu § 62 Abs. 3 AVG für das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten (und damit auch für jenes des unabhängigen Bundesasylsenates) eine Sonderregel mit der Bedeutung dar, dass der mündlich verkündete Bescheid allen Parteien - auch den bei der Verkündung anwesenden - zuzustellen ist, ohne dass dafür ein besonderes Verlangen der Parteien erforderlich wäre. Davon unberührt bleibt § 62 Abs. 2 AVG, wonach der Inhalt und die - im Rahmen der Verhandlung erfolgte - Verkündung des Bescheides am Schluss der Verhandlungsschrift zu beurkunden sind (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2005, Zl. 2002/20/0596).

Unabhängig von der Einhaltung dieser Verpflichtung ist der in Beschwerde gezogene Bescheid bereits mit seiner mündlichen Verkündung rechtlich existent geworden, sodass gegen ihn zulässigerweise eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben werden konnte. Das Fehlen einer Wiedergabe der Begründung im Protokoll über die Verkündung des Bescheides hat somit auf die Rechtsgültigkeit der (wenn auch inhaltlich fehlerhaften) Erlassung des Bescheides durch mündliche Verkündung keinen Einfluss (vgl. die Nachweise im hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2009, Zl. 2007/21/0404).

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 67 AVG ist von der Berufungsbehörde der Spruch des Bescheides aber auch dann zu begründen, wenn dem Berufungsantrag stattgegeben wird. Gemäß § 60 leg. cit. sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Der Niederschrift über die Verhandlung vom 20. Juni 2008 ist zwar zu entnehmen, dass die Verkündung des Spruches des angefochtenen Bescheides "samt wesentlicher Begründung, Rechtsmittelbelehrung und Hinweis" erfolgte, nicht jedoch, welchen Inhalt die Begründung hatte. Da der angefochtene Bescheid entgegen der dargestellten Bestimmung des § 67g Abs. 1 AVG keine inhaltliche Begründung aufwies, war der Beschwerdeführer an einer entsprechenden Geltendmachung seiner Rechte vor dem Verwaltungsgerichtshof gehindert. Darin ist ein wesentlicher Mangel des Verfahrens vor der belangten Behörde zu erblicken, der bis zur vorliegenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes nicht geheilt worden ist (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/05/0258; ebenso das zitierte Erkenntnis vom 22. Jänner 2009).

Schon deshalb war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 11. November 2010

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