VwGH 2007/21/0404

VwGH2007/21/040422.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde 1.) des N,

2.) des P, und 3.) des T, alle vertreten durch Solicitor Edward

W. Daigneault in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4, gegen den mündlich verkündeten Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 5. September 2007, Zlen. 1.) UVS-02/11/3180/2006-55,

2.) UVS-02/11/3181/2006, und 3.) UVS-02/11/3182/2006, betreffend Beschwerden gemäß den §§ 88 und 89 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §62 Abs2;
AVG §62 Abs3;
AVG §67g Abs1 idF 1995/471;
AVG §67g Abs1;
AVG §67g Abs3;
SPG 1991 §88;
SPG 1991 §89;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §62 Abs2;
AVG §62 Abs3;
AVG §67g Abs1 idF 1995/471;
AVG §67g Abs1;
AVG §67g Abs3;
SPG 1991 §88;
SPG 1991 §89;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit an die belangte Behörde gerichteter Beschwerde vom 7. April 2006 bekämpften die Beschwerdeführer, Staatsangehörige von Georgien, einen sicherheitspolizeilichen Einsatz vom 26. Februar 2006. Der diesem zu Grunde liegende Verdacht des Vorliegens von Einbruchsdiebstählen sei nicht ausreichend - im Ergebnis ausschließlich mit ihrer ethnischen Herkunft aus Georgien - begründet und inhaltlich unrichtig gewesen. Im Zuge des polizeilichen Vorgehens sei es zu einem (näher beschriebenen) unzulässigen lebensgefährdenden Waffengebrauch gekommen, der ohne Abgabe eines Warnschusses eingeleitet und noch fortgesetzt worden sei, als der gemeinsam benutzte, vom Drittbeschwerdeführer gelenkte Pkw bereits fahrunfähig geworden und zum Stillstand gekommen sei. Der Erst- und Drittbeschwerdeführer seien durch die Schüsse der Sicherheitswachebeamten lebensbedrohlich verletzt worden, der Zweitbeschwerdeführer stehe noch immer in psychotherapeutischer Behandlung.

Mit dem angefochtenen, in der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2007 verkündeten Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde, soweit sie lebensgefährdenden Waffengebrauch geltend mache und "soweit sie das Vorbringen einer Richtlinienverletzung nach der Richtlinienverordnung, BGBl. Nr. 1993/266 zum Inhalt habe", "gemäß § 67c Abs. 3 AVG" als unbegründet ab. Sie verhielt die Beschwerdeführer anteilig zum Ersatz der Verfahrenskosten.

Als "Begründung" ist im Protokoll über die mündliche Verhandlung festgehalten:

"Der Verhandlungsleiter gibt auf Basis der vorliegenden und aufgenommenen Beweise eine kurze mündliche Begründung zu allen Spruchpunkten und wird die nähere Begründung der schriftlichen Ausfertigung, mit Zustimmung der Verfahrensparteien, vorbehalten."

Eine Ausarbeitung der vorbehaltenen Bescheidausfertigung erfolgte bislang nicht.

Gegen den mündlich verkündeten Bescheid vom 5. September 2007 richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie Äußerung der Beschwerdeführer zu dieser Gegenschrift erwogen hat:

§ 67g Abs. 1 AVG ordnet für das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten an, dass der Bescheid und seine wesentliche Begründung auf Grund der Verhandlung, und zwar - wenn möglich - sogleich nach deren Schluss zu beschließen und öffentlich zu verkünden sind. Gemäß § 67g Abs. 3 AVG ist den Parteien eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides zuzustellen. Diese Regelung stellt im Verhältnis zu § 62 Abs. 3 AVG für das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten eine Sonderregel mit der Bedeutung dar, dass der mündlich verkündete Bescheid allen Parteien - auch den bei der Verkündung anwesenden - zuzustellen ist, ohne dass dafür ein besonderes Verlangen der Parteien erforderlich wäre. Davon unberührt bleibt § 62 Abs. 2 AVG, wonach der Inhalt und die - im Rahmen der Verhandlung erfolgte - Verkündung des Bescheides am Schluss der Verhandlungsschrift zu beurkunden sind (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2005, Zl. 2002/20/0596 = VwSlg. 16.670/A).

Aus § 67g Abs. 1 erster Satz AVG ist weiters nach einhelliger Auffassung abzuleiten, dass Bescheide eines unabhängigen Verwaltungssenates auch dann, wenn es sich nicht um Berufungsbescheide handelt, stets zu begründen sind (vgl. dazu nur Hengstschläger/Leeb, AVG, § 67g, Rz 3 mwN).

Unabhängig von der Einhaltung dieser Verpflichtung ist der in Beschwerde gezogene Bescheid bereits mit seiner mündlichen Verkündung rechtlich existent geworden, sodass gegen ihn zulässigerweise eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben werden konnte. Das Fehlen einer Wiedergabe der Begründung im Protokoll über die Verkündung des Bescheides hat somit auf die Rechtsgültigkeit der (wenn auch inhaltlich fehlerhaften) Erlassung des Bescheides durch mündliche Verkündung keinen Einfluss (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. Februar 2003, Zl. 2002/02/0222, und vom 19. September 2006, Zl. 2005/05/0258;

Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, in ihren Anmerkungen zu § 67g AVG/E 4;

ebenfalls Hengstschläger/Leeb, AVG, § 67g, Rz 9, jeweils mwN).

Der (ohne Einwendungen im Sinn des § 14 Abs. 3 letzter Halbsatz AVG gebliebenen) Niederschrift über die zehnminütige Verhandlung vom 5. September 2007 ist zwar zu entnehmen, dass im Anschluss an die Prüfung der Identität und der Vertretungsbefugnisse der Anwesenden sowie Verkündung des (rund eine DIN A4-Seite ausfüllenden) detaillierten Spruches des angefochtenen Bescheides (samt drei Kostentiteln) noch zusätzlich "eine kurze mündliche Begründung zu allen Spruchpunkten" verkündet wurde. Dieser Niederschrift kann jedoch nicht entnommen werden, welchen Inhalt die Ausführungen der Begründung hatten. Da somit der angefochtene Bescheid entgegen der dargestellten Bestimmung des § 67g Abs. 1 AVG keine inhaltliche Begründung aufwies, waren die Beschwerdeführer an einer entsprechenden Geltendmachung ihrer Rechte vor dem Verwaltungsgerichtshof gehindert. Darin ist ein wesentlicher Mangel des Verfahrens vor der belangten Behörde zu erblicken, der bis zur vorliegenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes nicht geheilt worden war (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/05/0258; ebenso Hengstschläger/Leeb, AVG, § 67g, Rz 9 und 26, mwN).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. Jänner 2009

Stichworte