VwGH 2008/10/0169

VwGH2008/10/016926.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des MW in G, vertreten durch Dr. Georg Prantl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mahlerstraße 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 24. Juni 2008, Zl. Senat-MD-07-0080, betreffend Übertretung des LMSVG, zu Recht erkannt:

Normen

LMSVG 2006 §16 Abs1 Z3;
LMSVG 2006 §90 Abs1 Z5;
LMSVG 2006 §93;
VStG §5 Abs1;
LMSVG 2006 §16 Abs1 Z3;
LMSVG 2006 §90 Abs1 Z5;
LMSVG 2006 §93;
VStG §5 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich (UVS) vom 24. Juni 2008 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der P. HandelsgesmbH zu verantworten, dass am 6. März 2006 Backformen - 3 Stück Packung - Bezeichnung "Cucina-Non-Stick-Silikon, 3 PCS" in einer Diskontfiliale der erwähnten Gesellschaft in St. Veit/Glan feilgeboten und damit in Verkehr gesetzt worden seien, obwohl bei diesen Backformen die Abgabe an flüchtigen organischen Bestandteilen 1,57 % (für die Rundform SZ 2) bzw. 1,09 % (für die Napfkuchenform SZ 3) betragen habe und somit deutlich über dem als Maximalwert festgesetzten Wert von 0,5 % gelegen sei. Da beim Einsatz dieser Backformen - bei den üblicherweise sehr hohen Backtemperaturen - die flüchtigen Stoffe in die Backwaren übergehen, seien die Backformen geeignet, Lebensmittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nachteilig zu beeinflussen. Es sei daher gemäß § 16 Abs. 1 Z. 3 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) verboten gewesen, diese Backformen in Verkehr zu setzen. Wegen dieser Übertretung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von EUR 500,-- (25 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe den zu Grunde liegenden Sachverhalt nicht bestritten, sondern vorgebracht, es sei ihm nicht zumutbar, ein Sortiment von tausenden Artikeln persönlich zu überprüfen und zu kontrollieren, ob der Hersteller eine Konformitätserklärung iSd § 8a der Kunststoffverordnung beigefügt habe. Die zuständigen Mitarbeiter hätten die Eignung der Backformen, Lebensmittel nachteilig zu beeinflussen, lediglich ausnahmsweise nicht erkannt, weil auf den Backformen und auf der Verpackung die Symbole für Lebensmitteleignung, Mikrowellentauglichkeit, Gefriertauglichkeit und Backofenfestigkeit bis 230 Grad sowie weitere Symbole durch den Hersteller angebracht gewesen seien. Die P. HandelsgesmbH verfüge weiters über ein grundsätzlich wirksames Kontrollsystem, um Artikel, die in Verkehr gesetzt werden, auf ihre Rechtskonformität zu prüfen und nötigenfalls eine Konformitätserklärung des Herstellers einzufordern. Die betreffenden Mitarbeiter seien genau instruiert.

Mit diesem Vorbringen habe der Beschwerdeführer jedoch weder ein bestehendes Kontrollsystem dargestellt, noch dessen konkrete Ausgestaltung. Auch sei die in Rede stehende Übertretung des LMSVG keineswegs durch eine Sichtkontrolle zu verhindern gewesen, sondern allenfalls durch die Einholung einer entsprechenden Erklärung des Herstellers bzw. durch die Vornahme einer Untersuchung in einer geeigneten Untersuchungseinrichtung. Ein derartiges Vorgehen habe der Beschwerdeführer aber nicht einmal behauptet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 3 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (LMSVG), ist es verboten, Gebrauchsgegenstände, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch geeignet sind, Lebensmittel oder kosmetische Mittel nachteilig zu beeinflussen, in Verkehr zu bringen.

Wer Gebrauchsgegenstände, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch geeignet sind, Lebensmittel derart zu beeinflussen, dass diese für den menschlichen Verkehr ungeeignet oder wertgemindert sind, in Verkehr bringt, begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt - gemäß § 90 Abs. 1 Z. 5 LMSVG eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu EUR 20.000,--, im Wiederholungsfall bis zu EUR 40.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen) zu bestrafen ist.

Gemäß § 93 LMSVG bestimmt sich die Verantwortlichkeit nach § 9 VStG.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der Beschwerdeführer sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer der erwähnten Gesellschaft dafür verantwortlich, dass von dieser in Gestalt der oben beschriebenen Backformen Gebrauchsgegenstände verbotenerweise in Verkehr gebracht worden seien, weil diese bei bestimmungsgemäßem Gebrauch geeignet seien, Lebensmittel nachteilig zu beeinflussen.

Der Beschwerdeführer wendet dagegen - wie bereits im Verwaltungsstrafverfahren - ein, es sei nicht zu erkennen gewesen, dass die Backformen bei bestimmungsgemäßem Gebrauch geeignet gewesen seien, Lebensmittel nachteilig zu beeinflussen. Auf den Backformen selbst seien nämlich ebenso wie auf der Verpackung die Symbole für Lebensmitteleignung, Mikrowellen- und Gefriertauglichkeit, Backofenfestigkeit bis 230 Grad und weitere Symbole durch den Hersteller angebracht gewesen. Mit einer Sichtkontrolle, mit der man sich "ausnahmsweise begnügt" habe, sei daher nicht zu erkennen gewesen, dass die Backformen nicht in Verkehr gebracht werden dürften. Andererseits bestehe keine Norm, die einen Einzelhändler verpflichte, eine Konformitätserklärung des Herstellers oder Vertreibers gemäß § 8a der Kunststoffverordnung einzuholen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen auf die in Form von Symbolen auf der Ware und auf ihrer Verpackung angebrachten Hinweise des Herstellers nicht hätte vertraut werden dürfen. Selbst wenn jedoch eine Konformitätserklärung iSd § 8a Kunststoffverordnung einzuholen gewesen wäre, könnte der Umstand, dass dies unterblieben sei, nicht dem Beschwerdeführer zur Last gelegt werden. Im Unternehmen bestehe nämlich ein "grundsätzlich wirksames Kontroll- und Weisungssystem der Warenprüfung hinsichtlich ihrer Lebensmitteltauglichkeit". Die Mitarbeiter seien vom Beschwerdeführer auch angewiesen, nötigenfalls eine Konformitätserklärung einzuholen. Auf Grund des sorgfältig organisierten und konsequent betriebenen Kontrollsystems sei bisher noch nie ein Produkt in einer Filiale der P. HandelsgesmbH wegen eines Verstoßes gegen das LMSVG beanstandet worden. Freilich könne aber auch das beste Kontrollsystem nicht 100 %ig gewährleisten, dass ein einzelnes Produkt nicht dennoch Grund zur Beanstandung gebe. Jedenfalls sei aber die Schuld des Beschwerdeführers an der Verwirklichung des in Rede stehenden Tatbestandes, wenn überhaupt gegeben, so gering, dass die belangte Behörde von der Verhängung einer Strafe hätte absehen müssen.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf:

Im vorliegenden Fall wurden von der P. HandelsgesmbH unbestrittenermaßen Gebrauchsgegenstände entgegen dem Verbot des § 16 Abs. 1 Z. 3 LMSVG in Verkehr gebracht, weil sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch geeignet sind, Lebensmittel nachteilig zu beeinflussen. Die belangte Behörde konnte daher zu Recht davon ausgehen, dass die dem Beschwerdeführer als dem handelsrechtlichen Geschäftsführer der P. HandelsgesmbH iSd § 93 LMSVG iVm § 9 VStG zur Last gelegte Verwaltungsübertretung gemäß § 90 Abs. 1 Z. 5 LMSVG in objektiver Hinsicht erfüllt ist.

Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, genügt nach § 5 Abs. 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wobei Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandlung gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen ist, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

§ 90 Abs. 1 LMSVG enthält weder eine Bestimmung über das Verschulden, noch gehört zum Tatbestand des Inverkehrbringens von Gebrauchsgegenständen, die bei bestimmungemäßem Gebrauch geeignet sind, Lebensmittel derart zu beeinflussen, dass diese für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder wertgemindert sind, der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr; es handelt sich somit um ein so genanntes Ungehorsamsdelikt. Die Annahme einer Fahrlässigkeit des Beschwerdeführers bestünde daher nur dann zu Unrecht, hätte der Beschwerdeführer glaubhaft gemacht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Diese Glaubhaftmachung ist ihm aber nicht gelungen.

Soweit er sich darauf beruft, im Rahmen einer "Sichtkontrolle" habe man den in Rede stehenden Mangel nicht erkennen können, vielmehr habe man den auf den Backformen angebrachten Symbole vertraut und daher angenommen, dass diese den lebensmittelrechtlichen Bestimmungen entsprächen, hat er nicht dargelegt, dass die P. HandelsgesmbH alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen gesetzt habe, um sicher zu stellen, dass mit den Backformen Waren in Verkehr gebracht werden, die den gesetzlichen Vorschriften entsprechen.

Der Beschwerdeführer hat im Gegenteil nicht einmal behauptet, dass überprüft worden sei, ob den in Rede stehenden Gebrauchsgegenständen eine "Konformitätserklärung" iSd § 8a Abs. 1 Kunststoffverordnung 2003 beigefügt gewesen bzw. im Falle ihres Fehlens dem Lieferanten abverlangt worden wäre.

Gebrauchsgegenständen aus Kunststoff muss nämlich gemäß § 8 Abs. 1 Kunststoffverordnung 2003 auf allen Vermarktungsstufen, außer im Einzelhandel, eine schriftliche Erklärung beigefügt sein, in welcher bescheinigt wird, dass sie den für sie geltenden Vorschriften entsprechen. Wenn der Beschwerdeführer daher vorbringt, ein Einzelhändler sei nicht verpflichtet, eine solche Erklärung einzuholen, so räumt er zum Einen selbst ein, dass von der Möglichkeit, an Hand der Konformitätserklärung die Übereinstimmung der Backformen mit den gesetzlichen Vorschriften zu überprüfen, kein Gebrauch gemacht wurde. Zum Anderen übersieht er, dass ihm nicht zur Last gelegt wurde, die Einholung einer solchen Erklärung unterlassen zu haben. Vielmehr ging es darum, ob er seiner Pflicht, sich laufend zu vergewissern, dass die von der P. HandelsgesmbH vertriebenen Waren den geltenden Bestimmungen entsprechen, vollinhaltlich nachgekommen ist und ihm daher im vorliegenden Fall kein Vorwurf gemacht werden kann. Dass dies so wäre, kann jedoch auf Grund des Hinweises auf die Vornahme einer "Sichtkontrolle", bei der sogar offen blieb, ob sie sich auf die Beifügung vorgeschriebener Unterlagen erstreckte, ebenso wenig angenommen werden wie auf Grund der Behauptung, man habe - offenbar ohne weiteres und ungeachtet des Fehlens vorgeschriebener Unterlagen - auf die auf den Backformen angebrachten Symbole vertraut.

Zum Beschwerdevorbringen, es bestehe in der P. HandelsgesmbH ein "grundsätzlich wirksames Kontroll- und Weisungssystem der Warenprüfung hinsichtlich ihrer Lebensmitteltauglichkeit" ist der Beschwerdeführer auf die hg. Judikatur zu verweisen, wonach dem strafrechtlich Verantwortlichen zwar zuzubilligen ist, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf mögliche und zumutbare Maßnahmen zu beschränken, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit guten Grund erwarten lassen. Es trifft ihn aber die Obliegenheit, durch die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems sicher zu stellen, dass seinen Anordnungen entsprochen wird, wobei er der Behörde bei einem Verstoß gegen die entsprechenden Vorschriften dieses System im Einzelnen darzulegen hat. Davon, dass der Verantwortliche das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems glaubhaft gemacht hat, kann aber nur dann gesprochen werden, wenn konkret dargelegt wird, in welcher Weise im Unternehmen sichergestellt wird, dass Verletzungen der in Rede stehenden Vorschriften vermieden bzw. Verstöße wahrgenommen und abgestellt werden; insbesondere ist darzulegen, auf welche Weise der Verantwortliche seiner Verpflichtung zur Überwachung der von ihm beauftragten Personen nachgekommen ist und wieso er dessen ungeachtet die in Rede stehende Übertretung nicht verhindern konnte. Der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen genügt den dargelegten Anforderungen nicht (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2002), S. 105 f, dargestellte hg. Judikatur).

Der Beschwerdeführer beschränkte sich sowohl im Verwaltungsstrafverfahren als auch in der vorliegenden Beschwerde auf den Hinweis, er kontrolliere die Einhaltung des LMSVG durch seine Mitarbeiter und er halte zu diesem Zweck insbesondere mit Frau S., der Leiterin der Abteilung betreffend Einkauf, "Kontakt" und lasse sich "laufend informieren". Frau S. kümmere sich "nötigenfalls selbst um die Einholung einer Konformitätserklärung". Letztlich kontrolliere der Beschwerdeführer Frau S. selbst.

Mit diesem Vorbringen wird nicht konkret dargetan, dass in der P. HandelsgesmbH ein adäquates Kontrollsystem besteht. Dieses Vorbringen beschränkt sich nämlich auf die Behauptung eines Kontrollsystems, ohne jedoch dessen Funktion und Wirkungsweise konkret darzustellen.

Die belangte Behörde ist daher zu Recht zur Auffassung gelangt, es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihn an der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe. Es besteht auch keinerlei Anhaltspunkt für die Annahme, das Verschulden des Beschwerdeführers sei so geringfügig, dass - bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen - gemäß § 21 Abs. 1 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen hätte werden können.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 26. April 2010

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