VwGH 2008/10/0062

VwGH2008/10/006229.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des 1. L S und des 2. M S, beide in L, beide vertreten durch Dr. Axel Fuith, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Tschurtschenthalerstraße 4a, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 13. Februar 2008, Zl. U-9113/52, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
NatSchG Tir 1997 §1 Abs1;
NatSchG Tir 1997 §27 Abs1;
NatSchG Tir 1997 §27 Abs2;
NatSchG Tir 2005 §1 Abs1;
NatSchG Tir 2005 §29 Abs2;
NatSchG Tir 2005 §29 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
NatSchG Tir 1997 §1 Abs1;
NatSchG Tir 1997 §27 Abs1;
NatSchG Tir 1997 §27 Abs2;
NatSchG Tir 2005 §1 Abs1;
NatSchG Tir 2005 §29 Abs2;
NatSchG Tir 2005 §29 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid 28. August 1984 erteilte die Tiroler Landesregierung (im Folgenden: Landesregierung) - ua. - den Beschwerdeführern gemäß § 4 Abs. 1 lit. a, b und d iVm § 5 der Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 26. Juli 1983 über die Erklärung eines Teiles der Stubaier Alpen im Gebiet der Gemeinden Längenfeld, Neustift im Stubaital, St. Sigmund, Sölden und Umhausen zum Ruhegebiet und § 13 Abs. 1 lit. a des Tiroler Naturschutzgesetzes 1975 die naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für die Errichtung (ua.) einer Wasserkraftanlage am W-Bach samt den dazu erforderlichen Anlagen und Gebäuden unter Vorschreibung von Auflagen, die (auszugsweise) wie folgt lauten (Wiedergabe im Original):

"A) Auflagen des naturschutzfachlichen Amtssachverständigen:

...

b) Auflagen betreffend die Errichtung des Kraftwerkes:

  1. 1. Die Ausbauwassermenge ist mit 150 l/s beschränkt
  2. 2. Die Flügelmauern des Tiroler Wehres sowie die bachseitige Mauer des Entsanders sind mit Steinblöcken abzudecken.

    ...

    6. Allfällig erforderlich werdende Ufersicherungen im Bereich der Wasserfassung und des Unterwasserkanals sind in sehr grob geschichtetem Blockwerk auszuführen.

    ...

    B) Auflagen des limnologischen Sachverständigen:

    ...

    3. In den Monaten November bis April sind ständig mindestens 12 l/s an Pflichtwasser in die Entnahmestrecke abzugeben.

    In den Monaten Mai bis Oktober erhöht sich diese abzugebende Pflichtwassermenge auf 35 l/s.

    ..."

    In der Begründung führte die Landesregierung gestützt auf die von ihr eingeholten Stellungnahmen des naturkundlichen und limnologischen Sachverständigen (ua.) aus, der W-Bach sei ein vom Gletscher gespeister alpiner Wildbach mit sehr stark wechselnder Wasserführung, der im Mittel- und Oberlauf nicht von menschlichen Eingriffen berührt sei. Im Unterlauf seien vom Weiler W. bis zur Mündung in den F-Bach rechtsufrig Anlagen zur Verhinderung von Bachausbrüchen vorhanden (Erd- und Steindämme). Der Fußweg zur W-Seehütte führe ca. 150 m oberhalb der Wasserfassung und der Entnahmestrecke am rechten Talhang bergwärts. Dieser Hang sei unterhalb des Weges bewaldet, sodass sich von diesem Weg aus nur ganz geringe Ausblicke durch Bestandeslücken auf die Wasserentnahmestrecke und den Bereich der Wasserfassung ergeben. Auch das auf dem Wanderweg wahrnehmbare Bachrauschen werde durch die Wasserentnahme nur unwesentlich vermindert, weil in den Sommermonaten der Bach infolge der Schneeschmelze eine hohe Wasserführung aufweise und in den Wintermonaten ohnehin von einer Eis- und Schneedecke überzogen sei.

    Bei Einhaltung der vom naturkundlichen und limnologischen Sachverständigen vorgeschlagenen Auflagen würde das beantragte Vorhaben weder den Naturhaushalt, noch den Erholungswert der Landschaft, noch das Landschaftsbild, noch die Grundlagen der Lebensgemeinschaften von Tieren oder Pflanzen in einer Weise beeinträchtigen, die dem öffentlichen Interesse, das durch die Festsetzung einer Bewilligungspflicht geschützt werden solle, zuwiderlaufe.

    Mit Bescheid vom 22. Jänner 2001 erteilte die Landesregierung (ua.) den Beschwerdeführern die naturschutzrechtliche Bewilligung für den Einbau eines zweiten Maschinensatzes und für die Erhöhung der Ausbauwassermenge auf insgesamt 245 l/s unter Vorschreibung (ua.) der Auflage, dass in den Monaten November bis April eine Restwassermenge von mindestens 15 l/s und in den Monaten Mai bis Oktober eine solche von 35 l/s in die Entnahmestrecke des W-Baches abzugeben sei.

    Die Bescheide vom 28. August 1984 und vom 22. Jänner 2001 erwuchsen in Rechtskraft.

    Mit Schreiben jeweils vom 7. März 2006 beantragten die Beschwerdeführer die natur- und wasserrechtliche Bewilligung für die "Revitalisierung" der Wasserkraftanlage W-Bach. Geplant sei, die bestehende Wasserfassung um ca. 50 Höhenmeter bachaufwärts zu verlegen und die bestehende Druckrohrleitung DN 350 um ca. 250 lfm zu verlängern. Dadurch erhöhe sich die Bruttofallhöhe von 259,0 auf 309,2 m und steige die Turbinenleistung von 507 auf 598 kW. Das Einzugsgebiet verkleinere sich durch die Höherlegung der Wasserfassung von 15,2 auf 14,8 km2. Die Restwassermenge solle von 15 bzw. 35 l/s auf 25 bzw. 45 l/s erhöht werden. Das neue Fassungsbauwerk werde in der Nähe einer großen Felsplatte ca. 250 m oberhalb der bestehenden Wasserfassung auf 1.920 müA errichtet. Das in Stahlbetonweise geplante Wehrbauerk bestehe aus einem Tirolerwehr mit geneigtem Sohl-Grobrechen und einem anschließenden Zulaufkanal zum rechtsufrig gelegenen Entsanderbecken mit Spülmöglichkeit. Das Betriebswasser fließe vom 1,8 m breiten und 1,0 m langen Tirolerwehr mit Grundrechen durch einen ca. 5 m langen und 1,0 m breiten Zulaufkanal in das Entsanderbecken, welches eine Länge von 18,6 m und eine Breite von 1,1 m aufweise. Das abgelagerte Geschiebe könne über einen 0,5 m breiten und 0,6 m hohen Spülschutz in den W-Bach zurückgespült werden.

    Das gereinigte Triebwasser fließe durch den Feinrechen in die 2,6 m lange Druckkammer und von dort in die ca. 250 lfm lange, zur Gänze erdverlegte Druckrohrleitung DN 350. Diese quere kurz nach der Wasserfassung einen rechtsseitigen flachen Hangbereich und münde bei km 1,1 (gemessen vom Krafthaus) in einen bestehenden Steig, welchem sie bis zur bestehenden Wasserfassung folge. Bei km 0,89 werde die beantragte mit der bereits bewilligten Druckrohrleitung zusammengeschlossen. Mit Ausnahme der Erneuerung des Turbinenlaufrades im Krafthaus würden an der bereits bestehenden Wasserkraftanlage, insbesondere im Maschinenhaus, an der Druckrohrleitung, der elektromaschinellen Ausrüstung, der Energiefortleitung und der Steuerung keine Änderungen vorgenommen werden. Auch die Ausbauwassermenge von 245 l/s bleibe unverändert. Die bestehende Wasserfassung werde rückgebaut und dieser Bereich rekultiviert.

    Nach dem von den Beschwerdeführern vorgelegten Untersuchungsbericht der Ingenieurkonsulentin für Biologie Mag. S. vom Juli 2006 über die aquatische Bodenfauna (Makrozoobenthos), die Aufwuchsalgen (Phytobenthos) und die chemisch-physikalischen Wasserinhaltsstoffe handle es sich beim W-Bach um einen nährstoffarmen und unbelasteten Gebirgsbach. Zwischen den unmittelbar oberhalb der bestehenden Wasserfassung und den unterhalb derselben genommenen Proben bestünden keine wesentlichen Unterschiede im Chemismus der Wasserinhaltsstoffe. Die seit vielen Jahren bestehende Wasserausleitung zeige daher keine Auswirkungen auf die chemische Beschaffenheit des Bachwassers.

    Im Untersuchungsbericht wurde weiters (ua.) hervorgehoben, die Gesellschaft der Aufwuchsalgen, die als Indikator für den ökologischen Gewässerzustand herangezogen werden könne, sei als weitgehend charakteristisch für den vergletscherten Zentralalpenbach anzusehen. Ein großer Teil der nachgewiesenen Arten zähle zu den allgemeinen Referenzarten des Gebirgsbaches und sogar zu den Leitformen dieses Gewässertyps. Damit weise die vorgefundene Algengemeinschaft aus naturkundlicher Sicht zwar einen gewissen Stellenwert auf, sie stelle aber auf Grund der geringen Anzahl an allgemein seltenen bzw. Rote-Liste-Arten keine Besonderheit dar. Die Aufwuchsalgen befänden sich sowohl unmittelbar oberhalb der bestehenden Wasserfassung als auch unterhalb derselben in einem sehr guten Zustand. Demnach ließe die Wasserausleitung auch aus algologischer Sicht keine offensichtlichen negativen Auswirkungen erkennen.

    Auch die aquatische Bodenfauna in den untersuchten Abschnitten des W-Baches sei für einen solchen charakteristisch. Ein Vergleich der oberhalb und unterhalb der bestehenden Wasserentnahmestelle genommenen Proben habe nur geringe Abweichungen ergeben. Nennenswerte Unterschiede beträfen zunächst die Besiedelungsdichten, die in der bestehenden Restwasserstrecke deutlich höher seien. Artenspektrum und Artendominanzen wiesen oberhalb und unterhalb der bestehenden Wasserfassung nur geringe Abweichungen auf. Ziehe man die aquatische Bodenfauna als Indikator für den ökologischen Gewässerzustand heran, so sei oberhalb der bestehenden Wasserfassung von einem sehr guten und unterhalb derselben von einem guten Zustand auszugehen, wobei die schlechtere Einstufung der Restwasserstrecke nur aus dem leicht erhöhten Saprobitätsindex resultiere.

    Auf Grund der untersuchten abiotischen und biologischen Faktoren und des gleich bleibenden Ausbaugrades von 245 l/s werde vorgeschlagen, die derzeitige Restwasserabgabe von 15 l/s bzw. 35 l/s auf mindestens 25 l/s bzw. 45 l/s zu erhöhen.

    Mit Bescheid vom 31. Mai 2007 erteilte der Landeshauptmann von Tirol (im Folgenden: Landeshauptmann) den Beschwerdeführern die wasserrechtliche Bewilligung für den Ausbau der bestehenden, mit den Bescheiden des Landeshauptmannes vom 16. Juli 1984, 3. März 1997 und 8. Oktober 1998 wasserrechtlich bewilligten Wasserkraftanlage am W-Bach entsprechend den vorgelegten Planunterlagen (Spruchpunkt I.)

    Unter Spruchpunkt III. wurde vorgeschrieben, dass in der Zeit vom 1. November bis zum 30. April eine Restwassermenge im Ausmaß von mindestens 25 l/s und in der Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober eine Restwassermenge im Ausmaß von mindestens 45 l/s in das Bachbett des W-Baches abzugeben sei.

    In der Begründung führte der Landeshauptmann (ua.) gestützt auf die Stellungnahme des gewässerökologischen Amtssachverständigen aus, dass die Beschwerdeführer einen Untersuchungsbericht vom Juli 2006 vorgelegt hätten, in welchem umfangreiche Untersuchungen zur Restwassermenge durchgeführt worden seien. Nach dem Ergebnis dieses Untersuchungsberichtes werde bei Abgabe der im Vorhaben vorgesehenen Restwassermengen eine Verschlechterung des ökologischen Zustandes des W-Baches, der im Sommer im Bereich der Wasserfassung immer Überwasser führe, weitgehend ausgeschlossen. Diesen Untersuchungsergebnissen habe sich der gewässerökologische Amtssachverständige angeschlossen.

    Die Landesregierung holte das Gutachten des naturkundlichen Amtssachverständigen Mag. L. vom 6. Juli 2007 ein. Diesem zufolge seien die Uferböschungen im Bereich zwischen der bestehenden und der geplanten Wasserfassung im unteren Bereich stärker und weiter bachaufwärts nur mehr vereinzelt mit Latschen bewachsen. Die geplante Wasserfassung liege in etwa an der Waldgrenze, wobei bachaufwärts nur mehr vereinzelte Lärchen stockten. Die Schuttfächer, die sich auf beiden Hangflanken hinaufziehen, seien teilweise stark mit Latschen bewachsen. Die geplante erdverlegte Druckrohrleitung verlaufe zwischen km 0,89 und 1,10 entlang eines stark verwachsenen und nur mäßig begangenen Steiges.

    Während der Bauarbeiten würde der Naturhaushalt und der Erholungswert der Landschaft durch Lärm beeinträchtigt werden. Längerfristige Schäden wären dadurch aber nicht zu erwarten. Durch die Errichtung der Wasserfassung samt den dazugehörigen Bauwerken wie Entsander sowie Zulauf- und Entsanderkammer würde die bisher unberührte Teilstrecke des W-Baches in ein technisch stark geprägtes Gebiet umgewandelt werden. Die geplante Wasserfassung könne auf Grund der gut einsehbaren offenen Lage der Anlagenteile nicht zufriedenstellend in das Urgelände eingebaut werden und stelle somit einen Fremdkörper dar. Durch die im Ruhegebiet geplante Verlängerung der Wasserentnahmestrecke um ca. 250 lfm würde zusätzlich in das Ökosystem des W-Baches eingegriffen werden, indem Parameter wie benetzte Fläche, Fließgeschwindigkeit und Wassertiefe sich änderten. Zwar könnten durch die Abgabe einer adäquaten Restwassermenge diese Änderungen in Grenzen gehalten werden, sodass die Charakter- und Leitarten des Gewässertyps noch entsprechende Lebensbedingungen vorfänden, jedoch gingen durch die Reduktion der benetzten Fläche gewässerspezifische Lebensräume im Übergangsbereich zwischen Wasser und Land verloren. Die Beeinträchtigungen durch die geplante Verlängerung der Entnahmestrecke bei erhöhter Restwassermenge seien größer als die Beeinträchtigungen bei einem Belassen der bestehenden Entnahmestrecke. Durch die geplante Verlängerung der Ausleitungsstrecke komme es somit zu starken Beeinträchtigungen von Lebensgemeinschaften heimischer Tiere und Pflanzen sowie des Naturhaushaltes. Dies betreffe besonders die Ufervegetation, die Vernetzungszone Wasser-Land, hygrophile Lebensräume wie Spritzwasserzonen und übersiedelte Gesteinsblöcke. Auch führe die geplante Wasserentnahme zu einer deutlichen Dämpfung der akustischen Eindrücke (Rauschen und Getöse) und werde die Weißwasserbildung reduziert. Dadurch sinke der Erholungswert dieses naturnahen Gewässers, welches zu den höchstrangigen Landschaftselementen zähle. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass nicht sämtliche Anlagenteile im Bereich der bestehenden Wasserfassung vollständig rückgebaut würden, weil die Trinkwasserversorgungsanlage bestehen bleiben solle.

    Der Landesumweltanwalt sprach sich in seiner Stellungnahme vom 22. August 2007 unter Hinweis auf das Gutachten des naturkundlichen Amtssachverständigen vom 6. Juli 2007 gegen den beantragten Ausbau der Wasserkraftanlage aus.

    Im Rahmen des Parteiengehörs zum Gutachten des naturkundlichen Amtssachverständigen vom 6. Juli 2007 wiesen die Beschwerdeführer in ihrer Stellungnahme vom 22. August 2007 darauf hin, dass ungeachtet der seit 20 Jahren bestehenden Wasserkraftanlage im Bereich der Ausleitungsstrecke keine signifikanten Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes eingetreten seien. Nunmehr sei sogar geplant, die Restwassermenge auf 25 l/s bzw. 35 l/s (gemeint wohl: 45 l/s) zu erhöhen, wodurch der gewässerökologische Zustand noch weiter verbessert werde. Auch verlaufe der Wanderweg zur W-Seehütte etwa 80 Höhenmeter oberhalb der geplanten Wasserfassung und Rohrleitungstrasse und werde die Sicht auf diese Objekte von einem dazwischen liegenden Wald verdeckt. Überhaupt könnten die geplanten Anlagenteile deutlich besser in das umgebende Gelände eingebaut werden als die bestehende Wasserfassung, welche ohnehin weitgehend rückgebaut werde. Die Errichtung der geplanten Anlage könne auch außerhalb der Wanderzeit binnen 3 bis 4 Monaten durchgeführt werden.

    Ohne eine ergänzende Stellungnahme eines naturkundlichen Amtssachverständigen einzuholen versagte die Landesregierung mit Bescheid vom 13. Februar 2008 den Beschwerdeführern die beantragte Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für den Ausbau der Wasserkraftanlage W-Bach gemäß § 7 Abs. 1 lit. a, b und c, Abs. 2 lit. a Z. 1 und 2 und § 29 Abs. 8 des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 (im Folgenden: Tir NatSchG 2005).

    In der Begründung führte die Landesregierung gestützt auf das Gutachten des naturkundlichen Amtssachverständigen vom 6. Juli 2007 aus, durch das beantragte Vorhaben würden die Interessen des Naturschutzes gemäß § 1 Abs. 1 Tir NatSchG 2005 beeinträchtigt. Auch fehle es an anderen langfristigen öffentlichen Interessen an der Erteilung der Bewilligung, welche die Interessen des Naturschutzes überwiegen, weil der durch den geplanten Ausbau der Wasserkraftanlage zu erwartende jährliche Mehrerlös nur EUR 24.000,-- betrage und dieser erst nach annähernd 14 Jahren die geschätzten Gesamtinvestitionskosten für den Ausbau der Anlage decken würde. Das mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 31. Mai 2007 eingeräumte Wasserbenutzungsrecht sei allerdings nur bis zum 30. Juni 2014 befristet.

    Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

    Die belangte Behörde hat Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Beschwerdeführer erstatteten eine Replik.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des TirNatSchG 2005 in der Fassung LGBl. Nr. 57/2007 lauten (auszugsweise) wie folgt:

"1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

§ 1

Allgemeine Grundsätze

(1) Dieses Gesetz hat zum Ziel, die Natur als Lebensgrundlage des Menschen so zu erhalten und zu pflegen, dass

  1. a) ihre Vielfalt, Eigenart und Schönheit,
  2. b) ihr Erholungswert,
  3. c) der Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume und

    d) ein möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt bewahrt und nachhaltig gesichert oder wiederhergestellt werden. Die Erhaltung und die Pflege der Natur erstrecken sich auf alle ihre Erscheinungsformen, insbesondere auch auf die Landschaft, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in ihrem ursprünglichen Zustand befindet (Naturlandschaft) oder durch den Menschen gestaltet wurde (Kulturlandschaft). Der ökologisch orientierten und der die Kulturlandschaft erhaltenden land- und forstwirtschaftlichen Nutzung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Die Natur darf nur so weit in Anspruch genommen werden, dass ihr Wert auch für die nachfolgenden Generationen erhalten bleibt.

    ...

    2. Abschnitt

    Landschaftsschutz

    ...

    § 7

    Schutz der Gewässer

(1) Außerhalb geschlossener Ortschaften bedürfen im Bereich von fließenden natürlichen Gewässern und von stehenden Gewässern mit einer Wasserfläche von mehr als 2.000 m2 folgende Vorhaben einer naturschutzrechtlichen Bewilligung:

  1. a) das Ausbaggern;
  2. b) die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen;
  3. c) die Ableitung oder Entnahme von Wasser zum Betrieb von Stromerzeugungsanlagen;

    d) die Änderung von Anlagen nach lit. b und c, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden.

(2) Außerhalb geschlossener Ortschaften bedürfen im Bereich

a) der Uferböschung von fließenden natürlichen Gewässern und eines fünf Meter breiten, von der Uferböschungskrone landeinwärts zu messenden Geländestreifens ...

...

1. die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden, und

2. Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen außerhalb eingefriedeter bebauter Grundstücke

einer naturschutzrechtlichen Bewilligung.

...

§ 11

Ruhegebiete

(1) Die Landesregierung kann außerhalb geschlossener Ortschaften gelegene Gebiete, die für die Erholung in der freien Natur dadurch besonders geeignet sind, dass sie sich wegen des Fehlens von lärmerregenden Betrieben, von Seilbahnen für die Personenbeförderung sowie von Straßen mit öffentlichem Verkehr durch weitgehende Ruhe auszeichnen, durch Verordnung zu Ruhegebieten erklären, wenn die Erhaltung dieser Gebiete für die Erholung von besonderer Bedeutung ist oder voraussichtlich sein wird.

(2) In Ruhegebieten sind verboten:

  1. a) die Errichtung von lärmerregenden Betrieben;
  2. b) die Errichtung von Seilbahnen für die Personenbeförderung;

    ...

(3) In Verordnungen nach Abs. 1 sind, soweit dies zur Erhaltung des Ruhegebietes erforderlich ist, entweder für den gesamten Bereich des Ruhegebietes oder für Teile davon an eine naturschutzrechtliche Bewilligung zu binden:

a) die Errichtung, Aufstellung und Anbringung aller oder bestimmter Arten von Anlagen, soweit sie nicht unter Abs. 2 lit. a oder b fallen, sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden;

...

d) Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen außerhalb eingefriedeter bebauter Grundstücke;

...

4. Abschnitt

Schutz der Pflanzen- und Tierwelt und der unbelebten Natur

...

§ 29

Naturschutzrechtliche Bewilligungen, aufsichtsbehördliche

Genehmigungen

(1) ...

(2) Eine naturschutzrechtliche Bewilligung

  1. a) ... für Vorhaben nach den §§7 Abs.1 und 2 ...
  2. b) für Vorhaben, für die in Verordnungen nach den §§10 Abs.1 oder 11 Abs.1 eine Bewilligungspflicht festgesetzt ist,

    ...

    darf nur erteilt werden,

    1. wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder

    2. wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen. ...

    ...

(5) Eine Bewilligung ist befristet, mit Auflagen oder unter Bedingungen zu erteilen, soweit dies erforderlich ist, um Beeinträchtigungen der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1, in den Fällen des Abs. 2 Z. 2 und Abs. 3 insbesondere unter Berücksichtigung des betreffenden Schutzzweckes, zu vermeiden oder auf ein möglichst geringes Ausmaß zu beschränken.

...

(8) Eine Bewilligung ist zu versagen, wenn eine Voraussetzung für ihre Erteilung nicht vorliegt.

...

7. Abschnitt

Behörden, Verfahren, Straf-, Schluss- und Übergangsbestimmungen

§ 42

Behörden

(1) Für die Vollziehung dieses Gesetzes sind in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörden zuständig, soweit im Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist.

(2) Erstreckt sich ein Vorhaben auf das Gebiet mehrerer Bezirke oder bedarf es neben der naturschutzrechtlichen Bewilligung auch einer Bewilligung nach

a) einer bundesrechtlichen Vorschrift, für deren Erteilung

... der Landeshauptmann zuständig ist, ...

...

so kommt die Zuständigkeit zur Entscheidung über ein Ansuchen

um die Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung der Landesregierung zu. ...

..."

1.2. Die im Beschwerdefall maßgebende Bestimmungen des § 3 der Verordnung der Landesregierung vom 2. Mai 2006 über die Erklärung eines Teiles der Stubaier Alpen in den Gemeinden Längenfeld, Neustift im Stubaital, St. Sigmund im Sellrain, Sölden und Umhausen zum Ruhegebiet, LGBl. Nr. 45/2006, lautet (auszugsweise) wie folgt:

"(1) Im Ruhegebiet bedürfen folgende Vorhaben einer naturschutzrechtlichen Bewilligung, soweit im Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist:

a) die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen, soweit sie nicht unter lit. b oder c fallen, sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 berührt werden,

...

d) Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen außerhalb eingefriedeter bebauter Grundstücke ...

..."

1.3. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 (im Folgenden: WRG 1959) in der Fassung BGBl. I Nr. 82/2003 lauten (auszugsweise) wie folgt:

"ELFTER ABSCHNITT.

Von den Behörden und dem Verfahren

Zuständigkeit.

...

Zuständigkeit des Landeshauptmannes.

§ 99. (1) Der Landeshauptmann ist, sofern nicht § 100 Anwendung findet (diese Bestimmung findet im Beschwerdefall keine Anwendung), in erster Instanz zuständig

...

b) für Wasserkraftanlagen mit mehr als 500 kW Höchstleistung ...

..."

2. Die Beschwerde ist begründet.

2.1. Vorauszuschicken ist, dass sich die Anträge vom 7. März 2006 auf Erteilung einer natur- und wasserrechtlichen Bewilligung auf eine Wasserkraftanlage mit mehr als 500 kW Höchstleistung bezogen. Da es neben der naturschutzrechtlichen Bewilligung für das verfahrensgegenständliche Vorhaben auch einer Bewilligung nach einer bundesrechtlichen Vorschrift bedurfte, für deren Erteilung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b WRG 1959 der Landeshauptmann zuständig war, war im vorliegenden Beschwerdefall die Landesregierung gemäß § 42 Abs. 2 lit. a TirNatSchG 2005 zur Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung zuständig.

2.2.1. Der angefochtene Bescheid beruht auf der auf das Gutachten des naturkundlichen Amtssachverständigen vom 6. Juli 2007 gestützten Auffassung, dass es durch den geplanten Ausbau der Wasserkraftanlage zu einer starken Schädigung der Natur komme. Durch die Verringerung der benetzten Fläche, die herabgesetzte Fließgeschwindigkeit und die geänderte Wassertiefe würden der natürliche Lebensraum der Tier- und Pflanzenwelt, der Naturhaushalt und der Erholungswert der Natur geschädigt. Zwar könnten durch die Abgabe einer adäquaten Restwassermenge die Charakter- und Leitarten des Gewässertyps noch entsprechende Lebensbedingungen vorfinden, jedoch seien auch bei Abgabe der geplanten Erhöhung der Restwassermenge die Beeinträchtigungen durch den Kraftwerksausbau größer einzustufen als die bereits durch die bestehende Wasserkraftanlage entstandenen Schäden. Auch komme es durch die geplante Wasserentnahme zu einer deutlichen Dämpfung der akustischen Eindrücke (Rauschen und Getöse) und zu einer Reduzierung der Weißwasserbildung. Zudem würde die an der Waldgrenze geplante Errichtung der Wasserfassung die in diesem Bereich des W-Baches bisher unberührte Natur in ein stark technisch geprägtes Gebiet umwandeln und in der Landschaft einen Fremdkörper darstellen. Im Übrigen werde die bestehende Wasserfassung nicht vollständig rückgebaut.

2.2.2. Die Beschwerdeführer wenden unter Hinweis auf den Untersuchungsbericht vom Juli 2006, die im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren erstattete Stellungnahme des naturkundlichen Amtssachverständigen und ihre eigene Stellungnahme vom 22. August 2007 ein, durch den beantragten Ausbau der Wasserkraftanlage würden Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 Tir NatSchG 2005 nicht beeinträchtigt.

2.2.3. Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde zum Erfolg.

2.2.3.1. Im Verfahren über eine Bewilligung gemäß § 27 Abs. 2 TirNatSchG 1997 (nunmehr: § 29 Abs. 2 TirNatSchG 2005) ist in einem ersten Schritt zu prüfen, welches Gewicht der Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 TirNatSchG 1997 (nunmehr: § 1 Abs. 1 TirNatSchG 2005) - Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Natur, Erholungswert, Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume, möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt - durch das Vorhaben zukommt. Dem sind die langfristigen öffentlichen Interessen, denen die Verwirklichung des Vorhabens dienen soll, gegenüberzustellen. Den Anforderungen an eine gesetzmäßige Begründung entspricht ein auf Grund dieser Interessenabwägung ergangener Bescheid nur dann, wenn er in qualitativer und quantitativer Hinsicht nachvollziehbare Feststellungen über jene Tatsachen enthält, von denen Art und Ausmaß der verletzten Interessen im Sinne des § 1 Abs. 1 Tir NatSchG 2005 abhängt, über jene Auswirkungen des Vorhabens, in denen eine Verletzung dieser Interessen zu erblicken ist, und über jene Tatsachen, die das langfristige öffentliche Interesse ausmachen, dessen Verwirklichung die beantragte Maßnahme dienen soll (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2006, Zl. 2005/10/0023).

2.2.3.2. Was die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes anlangt, erlaubt erst eine auf hinreichenden Ermittlungsergebnissen - insbesondere auf sachverständiger Basis - beruhende großräumige und umfassende Beschreibung der verschiedenartigen Erscheinungen der Landschaft, aus der Vielzahl jene Elemente herauszufinden, die der Landschaft ihr Gepräge geben und daher vor einer Beeinträchtigung bewahrt werden müssen. Für die Lösung der Frage, ob das solcherart ermittelte Bild der Landschaft durch das beantragte Vorhaben nachteilig beeinflusst wird, ist dann entscheidend, wie sich dieses Vorhaben in das vorgefundene Bild einfügt (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 99/10/0222). Diese Beurteilung hatte im Beschwerdefall vom Vergleich jenes Landschaftsbildes, das durch die auf Grund der Bescheide vom 28. August 1984 und 22. Jänner 2001 errichtete bzw. modifizierte Wasserkraftanlage geprägt wird, mit dem Landschaftsbild auszugehen, das sich unter Einbeziehung des mit Schreiben vom 7. März 2006 beantragten Ausbaus der Wasserkraftanlage zeigen würde. Maßstab in der Frage einer Beeinträchtigung ist somit die das Landschaftsbild verändernde Wirkung, die vom optischen Eindruck der Verlängerung der Druckwasserleitung und der beantragten Wasserfassung samt den dafür notwendigen Anlagen ausgeht (vgl. dazu das zu § 5 Abs. 1 des Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982 ergangene hg. Erkenntnis vom 9. März 1998, Zl. 95/10/0107).

Am Maßstab der dargestellten hg. Rechtsprechung lässt der angefochtene Bescheid Darlegungen vermissen, denen nachvollziehbar entnommen werden könnte, inwiefern die das Bild der Landschaft prägenden Elemente durch den geplanten Ausbau der Wasserkraftanlage optisch verändert würden. Vielmehr beschränkt er sich zur Begründung der angenommenen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes auf den Hinweis, durch die Errichtung der Wasserfassung (Tiroler Wehr) samt den dazu gehörigen Anlagen würde die bisher unberührte Teilstrecke des W-Baches in ein technisch stark geprägtes Gebiet umgewandelt werden und würde diese Anlage einen Fremdkörper in der Landschaft darstellen (vgl. neuerlich die bereits erwähnten hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 2000 und vom 15. Dezember 2006 sowie das hg. Erkenntnis vom 30. September 2002, Zl. 2000/10/0065).

Auch mit der im Rahmen des Parteiengehörs erstatteten Stellungnahme der Beschwerdeführer vom 22. August 2007, wonach die geplante Wasserfassung, welche deutlich besser als die bereits bestehende Anlage in das umgebende Gelände eingebaut werden könne, vom Wanderweg zur W-Seehütte auf Grund eines dazwischen liegenden Waldes nicht einsehbar sei, hat sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt. Dies wäre aber insbesondere vor dem Hintergrund der auf die Stellungnahme eines naturkundlichen Amtssachverständigen gestützten - von der belangten Behörde ebenfalls unberücksichtigt gebliebenen - Feststellung im Bescheid vom 28. August 1984, wonach die Sicht vom Wanderweg auf die bisherige Wasserfassung durch einen Wald weitgehend verdeckt sei, unter dem Gesichtspunkt der Eingriffsintensität geboten gewesen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Bescheid vom 28. August 1984 auf der Auffassung beruhte, Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes könnten (ua.) durch die Vorschreibung von Auflagen vermieden werden, wonach die Flügelmauern des Tiroler Wehres sowie die bachseitige Mauer des Entsanders mit Steinblöcken abzudecken und allfällig erforderliche Ufersicherungen im Bereich der Wasserfassung und des Unterwasserkanals in sehr grob geschichtetem Blockwerk auszuführen seien.

2.2.3.3. Zudem fehlen dem angefochtenen Bescheid auch in Ansehung der angenommenen Verringerung des Erholungswertes in qualitativer und quantitativer Hinsicht ausreichende Feststellungen, weil diese sich in der bloßen Behauptung erschöpfen, durch die geplante Wasserentnahme komme es zu einer "deutlichen Dämpfung" des Rauschens und Getöses des W-Baches und werde die Weißwasserbildung "reduziert" (vgl. dazu neuerlich das erwähnte hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000 und das hg. Erkenntnis vom 31. März 2003, Zl. 2001/10/0092).

Auch in diesem Zusammenhang geht der angefochtene Bescheid auf die Feststellungen des Bescheides vom 28. August 1984, wonach das vom Wanderweg zur W-Seehütte aus wahrnehmbare Bachrauschen durch die Wasserentnahme nur unwesentlich vermindert werde, weil in den Sommermonaten der Bach eine hohe Wasserführung aufweise und er in den Wintermonaten von einer Eis- und Schneedecke überzogen sei, nicht ein. Dass der W-Bach in den Sommermonaten Überwasser führe, wird auch in den auf die Stellungnahme des gewässerökologischen Amtssachverständigen gestützten Feststellungen des Bescheides des Landeshauptmannes vom 31. Mai 2007 ausgeführt.

2.2.3.4. Was die Beeinträchtigung der natürlichen Lebensräume der heimischen Tier- und Pflanzenwelt anlangt, beschränkte sich die belangte Behörde auf die nicht näher begründete Feststellung, dass es durch die Verlängerung der Wasserentnahmestrecke um ca. 250 lfm zu einer Verringerung der vom W-Bach benetzten Fläche komme und daher starke Beeinträchtigungen der Lebensgemeinschaften heimischer Tiere und Pflanzen sowie des Naturhaushaltes zu befürchten seien. Es fehlen somit konkrete, auf die qualitativen und quantitativen Aspekte des vorliegenden Beschwerdefalles bezogene Darlegungen, denen sowohl Art als auch Ausmaß der angenommenen Beeinträchtigungen nachvollziehbar entnommen werden könnten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 31. März 2005, Zl. 2004/07/0016 (zum WRG 1959), und vom 22. November 2006, Zl. 2003/10/0266, sowie das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2006).

Diese Darlegungen wären aber insbesondere vor dem Hintergrund des Untersuchungsberichtes vom Juli 2006, welcher detaillierte Angaben zu den Auswirkungen der seit mehr als 20 Jahren bestehenden Wasserkraftanlage auf die aquatische Bodenfauna, die Aufwuchsalgen und die chemisch-physikalischen Wasserinhaltsstoffe des von der Wasserausleitung betroffenen Abschnittes des W-Baches enthält, geboten gewesen. Auch vertrat der gewässerökologische Amtssachverständige im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren für den Ausbau der Wasserkraftanlage gestützt auf diesen Untersuchungsbericht die Auffassung, dass bei einer Restwasserabgabe von 25 l/s bzw. 45 l/s eine Verschlechterung des ökologischen Zustandes des W-Baches weitgehend ausgeschlossen sei.

Dem angefochtenen Bescheid fehlt es somit auch in diesem Zusammenhang an entsprechend nachvollziehbaren Tatsachenfeststellungen, ob und inwieweit es durch das Vorhaben der Beschwerdeführer zu Beeinträchtigungen der natürlichen Lebensräume der heimischen Tier- und Pflanzenwelt sowie des Naturhaushaltes komme, die auch durch die Vorschreibung von Bedingungen und Auflagen im Sinne des § 29 Abs. 5 TirNatSchG 2005 nicht vermieden werden können (vgl. dazu neuerlich die erwähnten hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 2000 und vom 31. März 2003).

2.2.3.5. Die Feststellung der belangten Behörde, durch das Vorhaben der Beschwerdeführer würden Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 TirNatSchG 2005 beeinträchtigt, beruht somit nicht auf einem mängelfreien Verfahren. Die aufgezeigten Verfahrensmängel sind auch relevant, weil nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei deren Vermeidung zum Ergebnis gelangt wäre, eine Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes durch das Vorhaben der Beschwerdeführer sei gegebenenfalls bei Vorschreibung von Bedingungen und Auflagen nicht zu erwarten (vgl. wiederum das erwähnte hg. Erkenntnis vom 31. März 2003).

2.4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Auf das übrige Beschwerdevorbringen, wonach das langfristige öffentliche Interesse an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes überwiege, brauchte daher nicht mehr eingegangen zu werden.

3. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 29. September 2010

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