VwGH 2008/06/0226

VwGH2008/06/022618.5.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde der HP in T, vertreten durch Stolz & Schartner Rechtsanwälte Gesellschaft m.b.H. in 5550 Radstadt, Schernbergstraße 19, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 2. Oktober 2008, Zl. 205-07/120/4-2008, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. HM, 2. AM, beide in R, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Manfred Buchmüller GmbH in 5541 Altenmarkt im Pongau, Hauptstraße 65, und 3. Stadtgemeinde R), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauPolG Slbg 1997 §9 Abs1 Z2a;
BauPolG Slbg 1997 §9 Abs1 Z6;
BauRallg;
BauTG Slbg 1976 §20 Abs1;
BauTG Slbg 1976 §61;
BauTG Slbg 1976 §62 Z14;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §12 Abs3;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §14 Abs1 lita;
ROG Slbg 1998 §32;
ROG Slbg 1998 §33;
AVG §8;
BauPolG Slbg 1997 §9 Abs1 Z2a;
BauPolG Slbg 1997 §9 Abs1 Z6;
BauRallg;
BauTG Slbg 1976 §20 Abs1;
BauTG Slbg 1976 §61;
BauTG Slbg 1976 §62 Z14;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §12 Abs3;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §14 Abs1 lita;
ROG Slbg 1998 §32;
ROG Slbg 1998 §33;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und dem Erstmitbeteiligten und der Zweitmitbeteiligten gemeinsam EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde erklärte mit Bescheid vom 6. März 2008 das Grundstück Nr. 59, KG R., im Ausmaß von ca. 830 m2 zum Bauplatz. In II.2. wird insbesondere auf die im "obigen" bautechnischen Gutachten festgesetzten Bebauungsgrundlagen verwiesen. Gemeint war damit die diesem Bescheid als wesentlicher Bestandteil angeschlossene Verhandlungsschrift vom 28. Februar 2000 (umfassend I. allgemeine Feststellungen, II. Befund, III. Festsetzung von Bebauungsgrundlagen und IV. Festsetzungen zur Verkehrserschließung), in der das erstattete Gutachten des bautechnischen Sachverständigen festgehalten ist.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde erteilte in der Folge dem Erst- und der Zweitmitbeteiligten mit Bescheid vom 8. April 2008 die baurechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgarage und Kanalanschluss auf dem angeführten Grundstück nach Maßgabe der Baubeschreibung und der Pläne vom 17. Jänner 2008 unter Auflagen.

Die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Stadtgemeinde gab der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den angeführten Baubewilligungsbescheid mit Bescheid vom 26. Mai 2008 Folge, hob den erstinstanzlichen Bescheid vom 8. April 2008 auf und verwies die Angelegenheiten an die erste Instanz zurück.

Der Bürgermeister änderte in der Folge auf Antrag des Erst- und der Zweitmitbeteiligten vom 16. Mai 2008 die Bauplatzerklärung für das Baugrundstück mit Bescheid vom 11. Juni 2008 ab bzw. ergänzte sie. Diesem Bauplatzerklärungsbescheid lagen die Pläne des Vermessungsbüros TB C.M. vom 28. Mai 2008 zu Grunde. Im Spruchpunkt II.2. dieses Bescheides wurden jene Punkte des Bauplatzerklärungsbescheides vom 6. März 2008 angeführt (nämlich I. Pkt. 2, II. Pkte. 3 und 5, III. Pkte. 1-5, IV. A Pkt. 1 und VI. - gemeint waren damit die in der dem Bescheid angeschlossenen Verhandlungsschrift bestimmten Bebauungsgrundlagen), die geändert bzw. ergänzt wurden, deren neue geänderte Formulierungen sich aus der einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Verhandlungsschrift vom 3. Juni 2008 konkret ergeben. Gemäß III. Pkt. 3 dieser Verhandlungsschrift ist danach eine bauliche Ausnutzbarkeit gemäß § 32 Sbg. RaumordnungsG mit einer Geschoßflächenzahl von maximal 1,2 vorgesehen, gemäß III. Pkt. 4. ist als höchster Punkt (First) des Gebäudes maximal eine absolute Höhe von 867,50 m und ein oberstes Gesims bzw. eine oberste Dachtraufe von maximal 863,00 m absolute Höhe und in III. Pkt. 5 offene Bebauung festgesetzt.

Dieser Bescheid vom 11. Juni 2008 betreffend die Abänderung bzw. Ergänzung der bestehenden Bauplatzerklärung wurde dem Erst- und der Zweitmitbeteiligten am 13. Juni 2008 zugestellt. Diese Mitbeteiligten erklärten bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde am selben Tag einen Berufungsverzicht.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde erteilte mit Bescheid vom 17. Juni 2008 dem Erst- und der Zweitmitbeteiligten neuerlich die baurechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgarage und Kanalanschluss auf dem angeführten Grundstück nach Maßgabe der Baubeschreibung und der Pläne der Firma BM Ing. W.H. vom 26. Mai 2008 unter der Auflage, dass die im Befund und Gutachten des Sachverständigen enthaltenen Vorschreibungen eingehalten und erfüllt würden. Er führte zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin insbesondere aus, dass nach der ergänzenden Stellungnahme des bautechnischen Sachverständigen Dipl. Ing. B.Z. in den Einreichplänen eine Außenmauerstärke von 50 cm im Erdgeschoß, ersten und zweiten Obergeschoß und von 26 cm im Dachgeschoß dargestellt sei. Diese Darstellung sei nach Aussage des Planers BM H. das Rohbaumaß, was bedeute, dass noch eine Putzstärke von 2,5 cm dazuzurechnen sei. Auch unter Berücksichtigung der Putzstärke seien die gesetzlichen Mindestabstände eingehalten.

Zu dem in der Mitte der Ostfassade vorgesehenen Erker und der darüber geplanten Gaupe legte die erstinstanzliche Behörde wieder gestützt auf die ergänzende Stellungnahme des angeführten bautechnischen Sachverständigen dar, dass dieser Erker eine für den Abstand maßgebliche Höhe (Gesimse) von 8,965 m über dem natürlichen Gelände aufweise. Daraus ergebe sich ein gesetzlicher Mindestabstand von 6,72 m. Der vorhandene Abstand betrage 7,105 m. Das heiße, dass der gesetzliche Mindestabstand im Hinblick auf den Erker eingehalten sei. Bezüglich der über dem Erker und zurückgesetzt angeordneten Dachgaupe werde festgestellt, dass diese eine Breite von 3,33 m aufweise, während die gesamte Länge der Dachfläche ca. 20 m betrage. Diese Dachgaupe sei daher als untergeordnet anzusehen. Würde man jedoch - wie der Beschwerdevertreter anführe - mit einer Traufenhöhe von 11,7 m (die jedoch im gegenständlichen Plan die höchste Höhe der Gaupe und nicht die Traufenhöhe darstelle) den Abstand berechnen, würde ein Abstand von 8,78 m notwendig sein. Aus dem vorliegenden Plan gehe jedoch hervor, dass der Abstand von der Front der Gaupe zur Bauplatzgrenze mindestens 9,5 m betrage. Der gesetzliche Mindestabstand sei daher in diesem Bereich eingehalten.

Die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Stadtgemeinde wies mit ihrem Beschluss vom 31. Juli 2008 die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Gemäß § 62 Abs. 4 AVG berichtigte sie den erstinstanzlichen Bescheid auf Grund eines offensichtlichen Schreibfehlers dahin, dass die im erstinstanzlichen Bescheid angeführte Garagenordnung auf Garagen-Verordnung (LGBl. Nr. 1/2004) berichtigt wurde. Dieser Beschluss wurde mit Bescheid vom 1. August 2008 vom Bürgermeister "Für die Gemeindevertretung" ausgefertigt.

Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie führte dazu - soweit es beschwerderelevant ist - im Besonderen aus, dass der von der Beschwerdeführerin als befangen erachtete Bürgermeister T. - wie sich dies aus dem Sitzungsprotokoll der Gemeindevertretungssitzung vom 31. Juli 2008 ergebe - bei dem Tagesordnungspunkt 12 betreffend die Berufung der Beschwerdeführerin gegen das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben den Sitzungssaal verlassen und Vizebürgermeister W. den Vorsitz übernommen habe. Dem Spruch des Berufungsbescheides vom 1. August 2008 sei zu entnehmen, dass sich dieser auf den in der Sitzung vom 31. Juli 2008 gefassten Beschluss der Gemeindevertretung stütze. Die Fertigungsklausel laute "Für die Gemeindevertretung: Der Bürgermeister". Der Bescheid sei lediglich vom Bürgermeister T. unterfertigt worden. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes könne diese nach der Beschlussfassung über die Berufung vorgenommene Handlung des Bürgermeisters nicht als Mitwirkung im Berufungsverfahren angesehen werden. Die bloße Ausfertigung des letztinstanzlichen Bescheides der Gemeindevertretung durch den Bürgermeister sei zulässig (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juli 1992, Zl. 92/08/0018).

Weiters komme dem Nachbarn im Bauplatzerklärungsverfahren keine Parteistellung zu. Nachbarn könnten Verletzungen der im Bebauungsgrundlagengesetz enthaltenen materiell rechtlichen Vorschriften lediglich im Rahmen des § 9 Abs. 1 Z. 6 Sbg. BaupolizeiG (BauPolG) geltend machen (Hinweis auf das Erkenntnis vom 23. März 2000, Zl. 98/06/0089). Es sei daher richtig, dass die Berufungsbehörde nicht auch über die Berufung gegen die Bauplatzerklärung abgesprochen habe. Dass die festgestellten Mängel der Bauplatzerklärung vom 6. März 2008 mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 11. Juni 2008 richtiggestellt bzw. ergänzt worden seien, sei rechtlich geboten gewesen. Der Baubewilligung sei somit die Bauplatzerklärung vom 11. Juni 2008 zu Grunde gelegen.

Die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 61 Sbg. BautechnikG (BauTG) sei im vorliegenden Fall nicht rechtswidrig. Gemäß § 61 i.V.m. § 62 BauTG könne der Nachbar in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sein, sofern es sich um die Gewährung von Bauerleichterungen handle, die Ausnahmen von Vorschriften darstellten, die subjektiv-öffentliche Rechte der Nachbarn berührten. Die Verminderung der Raumhöhen stelle jedoch keine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes dar.

Im Hinblick auf die Abstandseinwendung betreffend den Erker und die Gaupe an der Ostfront führte die belangte Behörde aus wie die erstinstanzliche Behörde, indem auch sie sich auf die Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. B.Z. stützten.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie der Erst- und die Zweitmitbeteiligte - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall war das Sbg. BaupolizeiG (BauPolG), LGBl. Nr. 40/1997, in der Fassung LGBl. Nr. 65/2004 anzuwenden.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 BauPolG bedürfen, soweit sich aus den Abs. 2 und 3 nicht anderes ergibt, folgende Maßnahmen unbeschadet der nach anderen Rechtsvorschriften erforderlichen behördlichen Bewilligungen udgl. einer Bewilligung der Baubehörde:

"1. die Errichtung von oberirdischen und unterirdischen Bauten einschließlich der Zu- und Aufbauten".

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 lit. a BauPolG sind Nachbarn bei den in § 2 Abs. 1 Z. 1 angeführten baulichen Maßnahmen die Eigentümer jener Grundstücke, die von den Fronten des Baues nicht weiter entfernt sind als die nach § 25 Abs. 3 BebauungsgrundlagenG maßgebenden Höhen der Fronten betragen.

Gemäß § 9 Abs. 1 BauPolG ist die Baubewilligung zu versagen, wenn die bauliche Maßnahme vom Standpunkt des öffentlichen Interesses unzulässig erscheint. Dies ist der Fall, wenn

"6. durch die bauliche Maßnahme ein subjektiv-öffentliches Recht einer Partei verletzt wird; solche Rechte werden durch jene baurechtlichen Vorschriften begründet, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch den Parteien; hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über die Höhe und die Lage der Bauten im Bauplatz".

Weiters ist das Sbg. BebauungsgrundlagenG (BGG), LGBl. Nr. 69/1968, in der Fassung LGBl. Nr. 65/2004 anzuwenden.

Gemäß § 12 Abs. 1 BGG dürfen Baubewilligungen für Bauführungen (§ 1 Abs. 1 BauPolG), abgesehen von den im Baupolizeigesetz geregelten Voraussetzungen, nur erteilt werden, wenn die Grundfläche zur Bebauung geeignet und zum Bauplatz erklärt ist. Inhalt der Bauplatzerklärung sind außerdem die Festlegung der Bauplatzgröße und -grenzen und der erforderlich erscheinenden Bebauungsgrundlagen, soweit diese Festlegungen nicht im Bebauungsplan getroffen sind, sowie die Konkretisierung der Grundabtretungsverpflichtungen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes. Besteht kein Erfordernis nach derartigen Festlegungen oder keine Verpflichtung zur Grundabtretung, beschränkt sich die Bauplatzerklärung auf die Feststellung der Bebaubarkeit.

Gemäß § 13 Abs. 1 BGG ist um die Bauplatzerklärung bei der Baubehörde unter Anschluss näher angeführter Unterlagen anzusuchen.

Gemäß § 14 Abs. 1 lit. a BGG ist die Bauplatzerklärung u.a. zu versagen, wenn die Grundfläche vom Standpunkt des öffentlichen Interesses für die Bebauung ungeeignet erscheint. Dies ist der Fall, wenn

"a) die Bebauung der Grundfläche den Flächenwidmungsplan- oder dem Bebauungsplan widersprechen würde oder für die Grundflächen kein Bebauungsplan der Grundstufe und soweit erforderlich auch der Aufbaustufe besteht. Das Fehlen eines Bebauungsplanes stellt dann keinen Versagungsgrund dar, wenn

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