VwGH 2008/05/0268

VwGH2008/05/026815.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde 1. der Dr. MK und 2. des VK, beide in Maria Enzersdorf, beide vertreten durch Schenz & Haider Rechtsanwälte OG in 2340 Mödling, Enzersdorfer Straße 4, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 30. Oktober 2008, Zl. RU1-BR-971/001-2008, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. BS in 2392 Dornbach, vertreten durch Mondl Trummer Thomas & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Freyung 4/Top 17, und 2. Gemeinde Wienerwald), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs1;
AVG §42 Abs1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1973 §61;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §37;
AVG §39 Abs1;
AVG §42 Abs1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1973 §61;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer des Grundstückes Nr. 73 EZ 255 KG Dornbach. Die mitbeteiligte Partei ist Eigentümerin des im Südosten angrenzenden Grundstückes Nr. 74 EZ 226 KG Dornbach.

Das Grundstück der Beschwerdeführer wurde zum Bauplatz erklärt; es liegt nach dem rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde Wienerwald teilweise im Bauland-Agrargebiet, teilweise im Grünland. Für das gegenständliche Gebiet besteht keine Bebauungsplan.

Mit rechtskräftigem Bescheid vom 7. Februar 2006 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Beschwerdeführern die Bewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses und eines Abstellplatzes auf dem Baugrundstück. Nach dem einen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Einreichplan vom 11. November 2005 (OZ 2) verläuft eine als "Baufluchtlinie" bezeichnete Linie, bis zu der das bewilligte Bauwerk reichen sollte, in einer Tiefe von 43,47 m gemessen von der - nach einer geplanten Grundabtretung etwas anders geführten, neuen - Grenze zur öffentlichen Verkehrsfläche.

Auf Grund einer Anzeige der mitbeteiligten Partei stellte sich in weiterer Folge heraus, dass das bewilligte Bauvorhaben nicht konsensgemäß errichtet wurde, weil vor allem das Einfamilienhaus nicht am bewilligten Standort, sondern um mehr als 3 Meter nach Südwesten verschoben errichtet wurde.

In weiterer Folge wurde das gegenständliche Bauvorhaben zum Gegenstand zweier weiterer Baubewilligungsverfahren und eines Abbruchverfahrens. Im Zuge dieser Verfahren erstellte der staatlich befugte und beeidete Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen Dipl. Ing. Erich B. einen Lage-Höhenplan im Maßstab von 1:200, datiert mit 18. Oktober 2006 (OZ 21), in dem eine von ihm als "Baulandgrenze" (Grenze zwischen Bauland-Agrargebiet und Grünland) bezeichnete Linie mitten durch das errichtete Gebäude der Bauwerber verläuft. Der Abstand zwischen dieser Linie und der Grenze zur öffentlichen Verkehrsfläche (offenbar ohne Berücksichtigung der Grundabtretung) beträgt auf diesem Plan 41,72 m; die südwestliche Begrenzung der Terrasse befindet sich nach diesem Plan in einer Entfernung von 48,10 m von der öffentlichen Verkehrsfläche.

In einem weiteren Lage-Höhenplan des Dipl. Ing. Erich B. im gleichen Maßstab vom 8. November 2006 (OZ 24) verläuft die Baulandgrenze ebenfalls mitten durch das Gebäude der Bauwerber und im Abstand von 41,72 m von der öffentlichen Verkehrsfläche.

In einem weiteren Exemplar dieses Planes vom 8. November 2006 (OZ 25), das offenbar mit Schreiben der Beschwerdeführer vom 10. November 2006 vorgelegt wurde, wurde diese Linie der Baulandgrenze entfernt; anhand der unverändert belassenen Angabe der Lage des "Schnittes Ansicht C-D" und des Vergleichs mit dem vollständigen Plan (OZ 24) ergibt sich aber, dass diese Linie lediglich entfernt, die Abmessungen aber nicht verändert wurden.

Die mitbeteiligte Gemeinde führte am 13. Dezember 2006 eine mündliche Verhandlung durch; aus der Verhandlungsschrift (OZ 30) ergibt sich, dass die Beschwerdeführer einen vom Vermessungsbüro Dipl. Ing. M. verfassten Lageplan vom Dezember 2006 vorlegten (dieser findet sich nicht im Akt). Demzufolge liegt die Baulandgrenze in einer Tiefe von 44,44 m.

Dipl. Ing. Erich B. stellte in einem Schreiben vom 12. März 2007 fest, dass laut § 3 Abs. 1 der NÖ Planzeichenverordnung der Flächenwidmungsplan im Maßstab von 1:5000 herzustellen sei. Die Lageungenauigkeit sei wegen der Darstellung mittels 0,5 bis 0,6 mm starker Linien mit +/- 3 m anzugeben. Wegen der in analogen Flächenwidmungsplänen verwendeten Strichstärken von bis zu 1 mm sei die Lagetoleranz von Baulandgrenzen auf 5 m zu erweitern.

Mit Antrag vom 22. bzw. 27. März 2007 ersuchten die Beschwerdeführer erneut um die Erteilung der baurechtlichen Genehmigung für das gegenständliche Einfamilienhaus mit der südwestseitigen Terrasse, wobei bei der Plandarstellung auf die Lage des bereits zum größten Teil errichteten Bauwerkes in der Natur Rücksicht genommen wurde. Auf dem Einreichplan (Grundriss Untergeschoss) findet sich eine "Baufluchtlinie" in einer Tiefe von 49,00 m, gerechnet von der Grenze zur öffentlichen Verkehrsfläche ohne Grundabtretung (OZ 40).

Aus einer Niederschrift im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens vom 10. Mai 2007 geht hervor, dass teilweise ein Widerspruch zur festgelegten Widmungsart - Lage der Baulandgrenze gegeben sei, da nach dem vorliegenden Lageplan die Baulandgrenze bei ca. 46 m liege, jedoch der digitale Flächenwidmungsplan der Gemeinde Wienerwald auch im Maßstab 1:5000 eine Baulandtiefe von 43 m unter Berücksichtigung der Strichtoleranzen ergebe. Der anwesende Vermessungstechniker Dipl. Ing. Erich B. sei von einer Lage der Baulandgrenze von "ca. 43 m plus/minus Toleranzgrenze von 3,00 m" ausgegangen. Die mitbeteiligte Partei habe eingewendet, dass eine Strichstärkentoleranz nicht nur an der Baufluchtlinie, sondern auch bei der Straßenfluchtlinie zu berücksichtigen gewesen wäre. Sie habe zusätzlich alle bereits in einer Verhandlung vom 20. September 2006 erhobenen Einwände (zu große Höhe des Gebäudes/der Mauer an der Grundgrenze, Einschränkung des Lichteinfalles, Wertminderung) aufrecht erhalten.

Mit Schreiben vom 2. August 2007 erstattete der bautechnische Amtssachverständige des NÖ Gebietsbauamtes ein Gutachten im Zusammenhang mit den Bestimmungen der §§ 54 und 56 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (NÖ BauO 1996) und gelangte im Ergebnis zur Ansicht, dass das gegenständliche Bauvorhaben diesen Bestimmungen nicht widerspreche.

Ein weiterer Plan von Dipl. Ing. Erich B. vom 29. August 2007 (1:500) weist die Baulandgrenze in einer Tiefe von 43,89 m, gemessen von der "neuen" Grundgrenze zur öffentlichen Verkehrsfläche, aus (OZ 55).

In einer weiteren mündlichen Verhandlung vom 5. September 2007 sprach sich die mitbeteiligte Partei neuerlich u. a. gegen die Höhe der Gebäude aus und machte die Beeinträchtigung des Lichteinfalls geltend. Sie zog auch die Zulässigkeit der nachträglichen Feststellung der Baulandgrenze in Zweifel, erhob Einwände gegen das Gutachten vom 2. August 2007 und verwies auf sämtliche bereits erstattete Einwendungen.

Der Antrag vom 27. März 2007 wurde schließlich mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 30. Juni 2008 abgewiesen; eine Berufung dagegen blieb erfolglos (Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. Oktober 2008).

Mit einem weiteren (dritten) Antrag vom 9. November 2007 beantragten die Beschwerdeführer der Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses, diesmal ohne südwestseitige Terrasse. Dieser Antrag ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Dem Einreichplan (Tekturplan vom 5. November 2007) ist im Gegensatz zum Plan vom 22. März 2007 keine Darstellung einer "Baufluchtlinie" mehr zu entnehmen.

Im Bezug auf den (dritten) Bewilligungsantrag von 9. November 2007 führte die Baubehörde erster Instanz ein Vorprüfungsverfahren durch und verständigte mit Schreiben vom 22. November 2007 die Nachbarn davon, dass nach dem Ergebnis dieser Prüfung ihre Rechte nicht berührt würden, daher eine Bauverhandlung entfallen könne und sie Einwendungen erheben könnten.

Solche Einwendungen erhob die mitbeteiligte Partei mit Schreiben vom 4. Dezember 2007, in dem sie sich gegen den Entfall einer Bauverhandlung aussprach und gegen die nachträgliche Bewilligung des bereits errichteten Einfamilienhauses samt Lager und Carport Einwendungen erhob. So wandte sie sich u.a. gegen zu befürchtende Immissionen und erachtete sich durch die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, und den Bauwich ebenso beschwert wie durch eine unzureichende Belichtung der Hauptfenster ihrer zulässigen, bestehenden bewilligten und zukünftig bewilligungsfähigen Gebäude. Diese Einwendungen wurden in einem weiteren Schreiben vom 11. Dezember 2007, dem die mitbeteiligte Partei auch Fotos beilegte, erneut bekräftigt; in diesem Schreiben wies die mitbeteiligte Partei ausdrücklich auf die Problematik der Festlegung der Baulandgrenze hin und meinte, die Beschwerdeführer hätten in ihrer neuerlichen Einreichung auf diesen Umstand keine Rücksicht genommen.

Am 9. Jänner 2008 führte die Baubehörde erster Instanz eine mündliche Verhandlung durch. Dabei wurde festgestellt, dass ein Einreichplan vorliege, der grundsätzlich das Bauvorhaben innerhalb der Baulandgrenze und im Bereich des gewidmeten Bauland-Agrargebietes (Wohnbauland) darstelle. Damit sei die Frage geklärt, ob sich das Bauvorhaben innerhalb des Baulandbereiches befinde. Weiters wurde festgehalten, dass sich die Baubehörde dem Gutachten des Gebietsbauamtes Mödling vom 2. August 2008 im Bezug auf das Nichtvorliegen eines Widerspruches zu §§ 54 und 56 NÖ BauO 1996 anschließe. Die schriftlichen Einwendungen der mitbeteiligten Partei wurden zum Akt genommen; die Mitbeteiligte erhob noch weitere Einwendungen. Schließlich wurde seitens des bautechnischen Amtssachverständigen das Gebäude unter Vorschreibung bestimmter Auflagen als bewilligungsfähig erachtet.

Mit Bescheid vom 19. März 2008 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde als Baubehörde erster Instanz den Beschwerdeführern auf Grund der Gutachten des Gebietsbauamtes vom 2. August 2007 und der Ergebnisse der Verhandlung vom 9. Jänner 2008 die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses, Abstellraumes, Abstellplatzes sowie einer Stiege Richtung Wohngebäude auf dem Baugrundstück unter Einhaltung mehrerer Auflagen und unter Zugrundelegung der Planunterlagen vom 5. November 2007. In der Begründung ihres Bescheides befasste sich die Baubehörde erster Instanz mit den Einwendungen der mitbeteiligten Partei und legte näher dar, aus welchen Gründen diesen nicht zu folgen sei. Die Baubehörde erster Instanz ging dabei davon aus, dass sich das gesamte verfahrensgegenständliche Gebäude (ohne südwestseitige Terrasse) im Bauland befinde.

Gegen den Baubewilligungsbescheid vom 19. März 2008 erhob die mitbeteiligte Partei Berufung. Mit Bescheid vom 21. April 2008 wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung der mitbeteiligten Partei ab.

(Ebenfalls mit Bescheid vom 21. April 2008 erteilte die Baubehörde erster Instanz den Beschwerdeführern einen Abbruchauftrag für die südwestlich der Baulandgrenze befindliche Terrasse, den der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit seinem Berufungsbescheid vom 30. Juni 2008 bestätigte. Dieser Bescheid wurde in Vorstellung gezogen; eine Entscheidung über diese Vorstellung ist nicht aktenkundig. Dieses Abbruchverfahren ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.)

Gegen den ihre Berufung abweisenden Bescheid vom 21. April 2008 erhob die mitbeteiligte Partei Vorstellung, in der sie im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholte. Unter anderem verwies sie darauf, dass die Grenze zwischen Bauland und Grünland nicht eindeutig festgestellt worden sei. Das vorliegende Bauvorhaben verstoße gegen § 19 Abs. 4 NÖ ROG 1976. Nach dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde Wienerwald würde für das Grundstück der Beschwerdeführer für den als Bauland-Agrargebiet ausgewiesenen Teil eine Verbauungstiefe von 40 m gelten, die Verbauungstiefe des gegenständlichen Bauvorhabens betrage aber 48,10 m, womit fast die Hälfte des Haupthauses des Bauvorhabens, das eine Gesamtlänge von rund 17,5 m aufweise, im Grünland liege. Da es auch keiner der in § 19 Abs. 2 NÖ ROG 1976 genannten Bestimmungen diene, sei das Bauvorhaben nicht genehmigungsfähig. Die gemeindebehördlichen Bauinstanzen hätten ihrer Entscheidung auch ein Sachverständigengutachten des Bezirksbauamtes vom 2. August 2007 zugrunde gelegt, welches wiederum vom Plan des Dipl. Ing. Erich B. vom 18. August 2006 über die Grünlandgrenze ausginge. Dieser lege die Grünlandgrenze bei einer Verbauungstiefe von 41,72 m statt bei 40 m fest. Jedenfalls zeige sich daraus, dass nicht nur die Terrassen vom Abbruchauftrag umfasst sein müssten, sondern dass weitere rund 6 m der Baulichkeit im Grünlandbereich lägen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. Oktober 2008 gab die belangte Behörde der Vorstellung Folge, behob den angefochtenen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde zurück.

Dies wurde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der Bestimmung des § 61 Abs. 4 NÖ Gemeindeordnung 1973 damit begründet, dass der angefochtene Gemeindebescheid hinsichtlich der Festlegung der Grünlandgrenze Widersprüchlichkeiten aufweise und daher nicht ausreichend begründet sei. Obwohl die mitbeteiligte Partei erst in ihrem Vorstellungsschreiben und damit verspätet Einwendungen gegen die Festlegung der Baulandgrenze erhebe, habe die belangte Behörde diesen Umstand in ihre Erwägungen einzubeziehen. Es fänden sich im Akt zwei verschiedene Darstellungen der Baulandgrenze. Es sei dies der Lage-Höheplan 1:200 vom 18. Oktober 2006, in dem die Baulandgrenze durch das geplante Haus verlaufe, und der Lageplan 1:500 vom 29. August 2007, bei dem die Baulandgrenze entlang der südwestlichen Wand des gegenständlichen Hauses verlaufe. Im Abbruchverfahren hinsichtlich der Terrasse finde sich noch der Einreichplan Beilage A, auf dem die Baulandgrenze knapp vor der südwestlichen Wand des geplanten Hauses und nicht ganz parallel zu dieser verlaufe. Zu diesen Plänen gäbe es keine Erläuterungen mit Ausnahme des Schreibens vom 12. März 2007 hinsichtlich der Lageungenauigkeiten durch die im Flächenwidmungsplan verwendete Strichstärke und die Erweiterung der Lagetoleranz von Baulandgrenzen von 5 m. Weitere Erläuterungen zu den Darstellungen der Baulandgrenzen fänden sich weder in den vorgelegten Verwaltungsakten zum gegenständlichen Verfahren noch in jenem zum Abbruchverfahren hinsichtlich der Terrasse. Auf Grund der Tatsache, dass in den vorgelegten Verwaltungsakten jegliche Erläuterungen darüber fehlten, woraus sich die dem Verfahren zugrunde gelegten Lagepläne ableiteten, warum diese die Baulandgrenze in unterschiedlichen Positionen zeigten und warum die Baubehörden ihren Entscheidungen einen bestimmten Plan zugrunde gelegt hätten, könne die belangte Behörde mangels einer ausreichenden Begründung die Entscheidungen der Baubehörden nicht nachvollziehen. Da der angefochtene Bescheid daher keine Überprüfung auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zulasse, sei er von der belangten Behörde zu beheben und zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen gewesen. Die Berufungsbehörde werde im fortgesetzten Verfahren begründend darzulegen haben, wo die von ihr angenommene Baulandgrenze exakt verlaufe und woraus sie dies ableite. Sie werde darüber hinaus die Lagetoleranz zu berücksichtigen und darzustellen haben. Gegebenenfalls werde sie dazu erläuternde Stellungnahmen des Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen und des bautechnischen Amtssachverständigen einzuholen und ihrer neuerlichen Entscheidung zugrunde zu legen haben. Basierend darauf werde sie auszusprechen haben, ob das in der Natur bereits errichtete gegenständliche Vorhaben bewilligungsfähig sei.

In weiterer Folge legte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides dar, dass es die mitbeteiligte Partei verabsäumt habe, rechtzeitig Einwendungen gegen die Festlegung der Baulandgrenze in den oben dargestellten Plänen zu erheben, dass sie diesbezüglich ihre Parteistellung verloren habe und weshalb den anderen, rechtzeitig erhobenen Einwänden der mitbeteiligten Partei nicht zu folgen sei; insbesondere seien die Voraussetzungen des § 54 bzw. § 51 NÖ BauO 1996 eingehalten worden, das auf gleicher fachlicher Ebene unwidersprochen gebliebene Gutachten des Gebietsbauamtes vom 2. August 2007 sei schlüssig und Rechte der Mitbeteiligten im Sinne des § 6 Abs. 2 NÖ BauO 1996 seien nicht verletzt worden.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde machen die Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Im Wesentlichen bringen sie vor, selbst unter Zugrundelegung der Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach die mitbeteiligte Gemeinde nähere Erläuterungen zu den widersprüchlichen Angaben in Bezug auf die Baulandgrenze unterlassen habe, handle es sich nicht um einen wesentlichen Verfahrensfehler, der die Vorstellungsbehörde zur Bescheidaufhebung berechtige. Die Prüfungsbefugnis der Vorstellungsbehörde sei auf die Rechtsverletzung der Vorstellungswerber beschränkt. Es berechtige keineswegs jeder Verfahrensfehler zur Aufhebung des Bescheides, sondern nur ein solcher, der einen Vorstellungswerber in seinen Rechten verletze. Eine sonstige Rechtswidrigkeit ohne Verletzung der Rechte der Vorstellungswerberin rechtfertige die Aufhebung des bekämpften Gemeindebescheides nicht. Der festgestellte Begründungsmangel betreffe die Festlegung der Baulandgrenze, somit eine Frage der Widmungsarten einer Liegenschaft. Auf die Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien besitze der Nachbar jedoch gemäß § 6 Abs. 2 NÖ BauO 1996 kein subjektiv-öffentliches Recht, sodass der Nachbar in diesen Rechten nicht verletzt sein könne, wenn die Behörde die Regelungen über die Grünlandwidmung nicht beachtet haben sollte. Die mitbeteiligte Partei als Vorstellungswerberin hätte daher auch bei einer tragfähigen Begründung des Berufungsbescheides für die Annahme der Baulandgrenze mangels Vorliegens eines subjektiv-öffentlichen Rechtes in diesem Punkt keine Möglichkeit gehabt, die Überprüfung der Begründung durch die Aufsichtsbehörde zu verlangen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die mitbeteiligte Gemeinde verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Die Beschwerdeführer erstatteten mit Schriftsatz vom 3. April 2009 eine Stellungnahme zu den vorliegenden Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 61 NÖ Gemeindeordnung 1973 lautet auszugsweise:

"§ 61. (1) Wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen, von der Zustellung des Bescheides an gerechnet, dagegen eine mit einem begründeten Antrag versehene Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erheben. Ein letztinstanzlicher Bescheid eines Gemeindeorganes hat den Hinweis zu enthalten, daß gegen den Bescheid innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung eine mit einem begründeten Antrag versehene Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erhoben werden kann. Der Hinweis muß sich auch auf das Erfordernis der Schriftlichkeit und die zulässigen Einbringungsstellen erstrecken.

(2) ...

(3) Die Aufsichtsbehörde kann nötige Erhebungen selbst vornehmen oder durch die Gemeindebehörden vornehmen lassen. Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage vor einem Gericht oder Verwaltungsbehörde ein Verfahren anhängig, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Vorstellung ist, so kann die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgeblichen Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Parteien entgegenstehen. Nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens, das Anlaß zur Aussetzung gegeben hat, ist das ausgesetzte Vorstellungsverfahren von amtswegen fortzusetzen.

(4) Die Aufsichtsbehörde hat den Bescheid, wenn durch ihn Rechte des Einschreiters verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen.

(5) Die Gemeinde ist bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden."

Im vorliegenden Fall war der einzige Grund für die Aufhebung des Berufungsbescheides der von der belangten Behörde festgestellte Begründungsmangel im Zusammenhang mit der genauen Lage der Trennlinie zwischen Bauland und Grünland. Diesbezüglich wurde den Gemeindebehörden der Auftrag erteilt, ein weiteres Ermittlungsverfahren durchzuführen und ihre beweiswürdigenden Argumente für die Festlegung einer konkreten bestimmten Grenzlinie offen zu legen. Gleichzeitig führte die belangte Behörde über weite Strecken ihres Bescheides aus, aus welchen Gründen die Einwände der mitbeteiligten Partei, auch in Bezug auf die Lage der "Baulandlinie", nicht berechtigt bzw. präkludiert seien.

In der Gegenschrift wies die belangte Behörde schließlich darauf hin, dass Aufhebungsgrund nicht der Einwand der mitbeteiligten Partei hinsichtlich der behaupteten Lage des zu bewilligenden Hauses im Grünland gewesen sei, sondern allein die mangelnde Überprüfbarkeit der Entscheidung der Baubehörden hinsichtlich der Frage, ob Rechte der mitbeteiligten Partei verletzt worden seien oder nicht.

Dem angefochtenen Bescheid kann diese Differenzierung aber nicht entnommen werden.

Im Vorstellungsverfahren kann der gemeindebehördliche Bescheid im Falle einer Verletzung der subjektiven Rechte des Vorstellungswerbers nur aufgehoben werden. Bei der Prüfung des gemeindebehördlichen Bescheides ist die Aufsichtsbehörde nicht an den von der Gemeindebehörde angenommenen Sachverhalt gebunden, vielmehr kann sie durch eigene Ermittlungen die Voraussetzungen für die endgültige Lösung der Frage, ob eine Verletzung des Vorstellungswerbers in materiellen Rechten eingetreten ist, prüfen. Die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens durch die Vorstellungsbehörde hat somit den Zweck, sich selbst darüber Gewissheit zu verschaffen, ob ein Vorstellungswerber infolge einer falschen oder unzureichenden Sachverhaltsermittlung durch den Bescheid des obersten Gemeindeorganes in einem Recht verletzt wurde (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2008, Zl. 2007/06/0072).

Ein solches Ermittlungsverfahren hat die Vorstellungsbehörde aber nicht selbst geführt und auch nicht durch die Gemeindebehörden vornehmen lassen, wie es § 61 Abs. 3 erster Satz NÖ Gemeindeordnung 1976 vorsehen würde. Der von der Vorstellungsbehörde zutreffenderweise erblickte Ermittlungsmangel wurde nicht im Vorstellungsverfahren saniert, sondern als (einziger) Grund für die Aufhebung des letztinstanzlichen Gemeindebescheides herangezogen.

Nun hat der Verwaltungsgerichtshof zu gleichartigen aufsichtsrechtlichen Regelungen anderer Länder (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 3. November 1999, Zl. 98/06/0231, vom 20. März 2003, Zl. 99/06/0010, und vom 21. Februar 2007, Zl. 2006/06/0213) ausgesprochen, dass die Gemeindeaufsichtsbehörde im Vorstellungsverfahren nicht verpflichtet, sondern nur berechtigt ist, selbst den maßgebenden Sachverhalt zu klären; es gibt keine Verpflichtung der Aufsichtsbehörde, die Mangelhaftigkeit eines vorangegangenen Ermittlungsverfahrens selbst zu sanieren.

Auch das Vorliegen einer Sanierungsbedürftigkeit des Verfahrens auf Gemeindeebene kann daher zur Aufhebung des letztinstanzlichen Gemeindebescheides führen. Dies ist immer dann zulässig, wenn wegen des Verfahrensmangels nicht ausgeschlossen werden kann, dass Rechte des Vorstellungswerbers durch den angefochtenen Bescheid verletzt wurden.

Schließt die Vorstellungsbehörde aber - wie im vorliegenden Fall - dezidiert aus, dass eine solche Rechtsverletzung des Vorstellungswerbers überhaupt hervorkommen könnte (zB weil der Vorstellungswerber diesbezüglich seine Parteistellung verloren hat), so fehlt ihr ungeachtet der unzureichenden Sachverhaltsfeststellungen im letztinstanzlichen gemeindebehördlichen Bescheid die Befugnis, den in Vorstellung gezogenen Bescheid aufzuheben.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid ausdrücklich darauf hingewiesen, dass "die Vorstellungswerberin erst in ihrem Vorstellungsschreiben - und damit verspätet - Einwendungen gegen die Festlegung der Baulandgrenze erhebt" (Seite 15 Mitte des angefochtenen Bescheides). Sie hat dies auf den Seiten 18 und 19 des angefochtenen Bescheides noch bekräftigt und neuerlich ausgeführt, dass die Vorstellungswerberin weder bis zur Bauverhandlung schriftlich, noch in dieser mündlich noch in der Berufung Einwendungen gegen einen der Pläne (und der dort verzeichneten Trennlinien) erhoben hätte. Erst in ihrem Vorstellungsschreiben habe sie Einwendungen im Zusammenhang mit der Trennlinie Bauland/Grünland vorgebracht, sodass sie hinsichtlich dieser Einwendungen auf die Bestimmungen des § 42 Abs. 1 AVG zu verweisen sei. Da die Vorstellungswerberin (= mitbeteiligte Partei) die rechtzeitige Erhebung solcher Einwendungen unterlassen habe, habe sie diesbezüglich die Parteistellung verloren.

Trifft diese Begründung zu und hat die mitbeteiligte Partei tatsächlich ihre Parteistellung in diesem Zusammenhang bereits verloren, so kann sie durch die mangelhafte Festlegung der konkreten Lage der Trennlinie zwischen Bauland und Grünland in keinen Rechten verletzt sein. Selbst die Sanierung dieses Verfahrensmangels könnte daher nicht dazu führen, dass sich im Ergebnis eine Verletzung von Rechten der Mitbeteiligten herausstellte, weil diese keine Rechte mehr im Zusammenhang mit der Festlegung dieser Linie hätte.

Ausgehend von der Annahme der belangten Behörde, die mitbeteiligte Partei habe ihre Parteistellung im Zusammenhang mit der Festlegung der Grenzlinie Bauland/Grünland verloren, erweist sich die Aufhebung des letztinstanzlichen Gemeindebescheides daher als rechtswidrig.

Bemerkt wird, dass der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der vorliegenden Beschwerde die die Aufhebung nicht tragenden Rechtsausführungen (siehe zur Präklusion aber den Schriftsatz vom 11. Dezember 2007) im angefochtenen Bescheid nicht zu prüfen hatte.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 15. Juni 2010

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