Normen
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauRallg;
VwRallg;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauRallg;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Magistrat der Stadt Wien (Magistratsabteilung 37/13) erteilte dem Beschwerdeführer als Eigentümer der Baulichkeit auf der Liegenschaft in 1130 Wien, Veitingergasse 99, mit Bescheid vom 7. August 2006 nach § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) folgenden Auftrag:
"Der hinter dem Kleinhaus ohne baubehördliche Bewilligung errichtete Zubau in Massivbauweise im Ausmaß von ca. 2,8 m x 4,3 m und einer Höhe von ca. 3,2 m ist abtragen zu lassen.
Die Maßnahme ist binnen 3 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides durchzuführen."
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen gerichtete Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde Folgendes ausgeführt: Bei einer am 2. August 2006 an Ort und Stelle abgehaltenen mündlichen Verhandlung sei von einem bautechnischen Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 37/13 festgestellt worden, dass an der gartenseitigen Gebäudefront an der linken Grundgrenze ohne baubehördliche Bewilligung der genannte ebenerdige Zubau in Massivbauweise errichtet worden sei.
In der Berufung gegen den Bescheid der Baubehörde erster Instanz werde sinngemäß vorgebracht, dass ein den Zubau betreffendes Ansuchen bei der Baubehörde anhängig, aber nicht erledigt sei. Beim Einzug des Beschwerdeführers in das Wohnhaus sei der Zubau bereits vorhanden gewesen und dann nur mit anderem Material in Stand gesetzt worden. Das straßenseitige Stadtbild sei nicht verändert worden, die gartenseitige Fassade sei nicht dem örtlichen Stadtbild zuzurechnen.
In der Berufungsvorlage vom 1. September 2006 habe die Baubehörde erster Instanz ausgeführt, dass es sich nicht um eine Instandsetzung des ursprünglich in Holzbauweise errichteten Baukörpers handle, sondern dass dieser gänzlich entfernt und in Massivbauweise neu errichtet worden sei und hiefür keine Baubewilligung vorliege. Dazu habe der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 11. Oktober 2006 ausgeführt, dass der Zubau (wie schon erwähnt) bei seinem Einzug in das Haus auf der gegenständlichen Liegenschaft - damals noch in Holzbauweise ausgeführt - an der gartenseitigen Gebäudefront bereits vorhanden gewesen sei. Auf Grund der hohen Heizkosten und der Undichte des Zubaus habe der Beschwerdeführer die Holzkonstruktion entfernt und den Zubau in Massivbauweise neu errichtet. Ferner würde das Stadtbild durch diese Bauführung nicht gestört werden.
Laut den im Akt einliegenden Lichtbildern - so die belangte Behörde weiter - sei der Zubau an drei Seiten umschlossen an das bestehende Gebäude angebaut und somit als eine die Kubatur vergrößernde Erweiterung anzusehen. Die Herstellung des gegenständlichen Baukörpers bedürfe daher als Zubau gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO einer baubehördlichen Bewilligung. Selbst unter der Annahme einer baubehördlichen Bewilligung für den ursprünglich in Holz ausgeführten Zubau führe die vollständige Entfernung desselben jedenfalls dazu, dass der darauf bezogene Konsens untergehe. Die Abtragung und anschließende Neuerrichtung sei als Neubau iSd § 60 Abs. 1 lit. a BO zu qualifizieren und daher jedenfalls bewilligungspflichtig. Der Beschwerdeführer habe die raumbildende, die Kubatur des bestehenden Gebäudes vergrößernde Eigenschaft des Zubaus nicht bestritten. Dass für diesen Zubau die Erlangung einer Baubewilligung erforderlich und diese bislang noch nicht erlangt worden sei, sei ebenfalls nicht in Abrede gestellt worden. Im vorliegenden Bauauftragsverfahren sei die Frage der Bewilligungsfähigkeit einer Baulichkeit nicht zu prüfen. Ob eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden könne, sei keine für die Erlassung des Auftrages nach § 129 Abs. 10 BO zu lösende Vorfrage.
Gegen diesen Bescheid richtete der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 26. Februar 2007, B 134/07). Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof begehrte der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheids wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Vorschriftswidrig im Sinne des § 129 Abs. 10 BO ist ein Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung ein baubehördlicher Konsens erforderlich war und weiterhin erforderlich ist, für den aber ein solcher Konsens nicht vorliegt. Bei Abweichungen von Bauvorschriften können nach § 129 Abs. 10 BO Bauaufträge sowohl für bewilligungspflichtige, anzeigepflichtige als auch bewilligungsfreie Bauvorhaben erteilt werden (vgl. dazu sowie zum Folgenden das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2010, Zl. 2009/05/0162, mwH). Der Grund für die Abweichung von der Bewilligung ist unerheblich. Die Frage der Bewilligungsfähigkeit der vorgenommenen Abweichungen von der Baubewilligung ist im Auftragsverfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen. Ob eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden kann, ist demnach auch keine für die Erlassung eines Abtragungsauftrages nach § 129 Abs. 10 BO zu lösende Vorfrage. Selbst ein allfälliges noch nicht erledigtes entsprechendes Baubewilligungsgesuch hindert die Erlassung eines solchen Auftrages nicht, wohl aber könnte ein solcher Auftrag während der Anhängigkeit eines entsprechenden Ansuchens um nachträgliche Bewilligung und nach der Erteilung einer nachträglichen Bewilligung nicht (mehr) vollstreckt werden.
Die an die Baubehörde gerichtete Anordnung, dass "gegebenenfalls Aufträge erteilt werden können", bedeutet, dass die Behörde von Amts wegen bei jeder Abweichung bzw. Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 129 Abs. 10 erster Satz BO einen Auftrag erteilen muss, sofern nicht der Verpflichtete selbst im Sinne der gesetzlichen Anordnung die Abweichung von den Bauvorschriften behebt oder den vorschriftswidrigen Bau beseitigt. Die Behörde ist nur insofern ein Gestaltungsspielraum bei der Durchführung des Bauauftragsverfahrens nach § 129 Abs. 10 BO eingeräumt, als ihr die Möglichkeit an die Hand gegeben ist, mit der Erlassung des Bauauftrages zuzuwarten und dieses - vorläufige -
Unterbleiben eines Auftrages sachlich gerechtfertigt ist. Die Beschwerdeführerin ist jedenfalls in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt, wenn die belangte Behörde auch ohne Vorliegen einer Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen durch die vorschriftswidrigen Bauten einen Auftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO erlassen hat.
2. Gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO sind Zubauten alle Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung, ausgenommen die Errichtung von Dachgauben. Nach der hg. Rechtsprechung ist ein Zubau gegeben, wenn die Kubatur des Gebäudes vergrößert wird (vgl. das bei Moritz, Bauordnung für Wien, 20094, S 153 zitierte hg. Erkenntnis vom 13. April 1993, Zl. 92/05/0324).
Ausgehend davon und von den im § 60 Abs. 1 lit. a BO enthaltenen Begriffsbestimmungen für ein Gebäude ("... eine raumbildende bauliche Anlage") und für einen Raum ("... wenn eine Fläche zumindest zur Hälfte ihres Umfanges von Wänden umschlossen und von einer Deckfläche abgeschlossen ist") hat die belangte Behörde die gegenständliche nunmehr in Massivbauweise ausgeführte Baulichkeit (im Einklang mit den bei den Verwaltungsakten befindlichen Fotos) zutreffend als bewilligungspflichtigen Zubau qualifiziert (vgl. dazu das hg. Erkenntnis 31. März 2005, Zl. 2004/05/0118).
Dass (worauf die Beschwerde hinweist) dieser Zubau gegenüber dem früheren in Holzbauweise ausgeführten Zubau keine Vergrößerung der Kubatur aufweist, vermag daran nichts zu ändern. Wenn der ursprünglich in Holzbauweise errichtete Zubau - wie die Beschwerde meint - "nicht mehr den ursprünglichen Anforderungen entsprochen hat (schadhaft, luftdurchlässig)" und deshalb abgetragen habe werden müssen, weil er "bereits baufällig" gewesen sei, vermag dies die für den vorliegenden Zubau in Massivbauweise erforderliche Baubewilligung nicht zu ersetzen. Vielmehr stellen die Motive des Beschwerdeführers für die Neuerrichtung des Zubaus keinen im Gesetz vorgesehenen Grund dar, vom vorliegenden Beseitigungsauftrag Abstand zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2006, Zl. 2005/05/0369).
Vor diesem Hintergrund geht die Verfahrensrüge fehl, die belangte Behörde habe bezüglich der Baufälligkeit des in Rede stehenden Zubaus nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen. Ebenso fehl geht der Hinweis, die ursprünglichen Materialien seien nicht vorhanden gewesen, weshalb der ursprüngliche Zustand nicht mehr habe hergestellt werden können und aus Gründen der Sicherheit ein Mauerwerk verwendet worden sei.
Soweit sich die Beschwerde gegen den Erstbescheid richtet, übersieht sie schließlich, dass der angefochtene Bescheid an die Stelle des Erstbescheides getreten ist (vgl. in diesem Sinn etwa das hg. Erkenntnis vom 14. April 2000, Zl. 2000/18/0036, mwH), weshalb dieses Vorbringen ins Leere geht.
3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
4. Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. September 2008, Zl. 2008/05/0093, mwH). Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Wien, am 25. März 2010
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