VwGH 2007/01/0546

VwGH2007/01/054621.1.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des D A in I, vertreten durch Dr. Markus Altenweisl, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 21, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 22. März 2007, Zl. Ia-22.525/20-2007, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10;
StbG 1985 §20 Abs1;
StbG 1985 §20 Abs2;
VwRallg;
MRK Art8 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10;
StbG 1985 §20 Abs1;
StbG 1985 §20 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, hält sich seit August 1990 ununterbrochen in Österreich auf; er ist seit Juli 2003 als Lastkraftwagenfahrer beschäftigt. Am 27. Jänner 2005 stellte er einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. April 2005 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 20 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass er binnen zwei Jahren aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaats ausscheidet und gleichzeitig festgehalten, diese Zusicherung werde widerrufen, falls auch nur eine Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht mehr gegeben sei.

Nachdem der Beschwerdeführer am 31. Jänner 2007 den Beschluss des Ministeriums für Innere Angelegenheiten der Republik Serbien (vom 3. Jänner 2007) vorlegte, womit er aus der Staatsbürgerschaft der Republik Serbien entlassen wird, ersuchte die belangte Behörde die Bundespolizeidirektion Innsbruck um (neuerliche) Erhebungen. Auf Grund dieser Anfrage ergab sich, dass der Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung (im Jahr 2005) bestraft worden war.

Nach Einsicht in den diesbezüglichen Verwaltungsstrafakt und Führerscheinentzugsakt sowie Gewährung von Parteiengehör wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. März 2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, mit dem der (im April 2005 erlassene) Zusicherungsbescheid widerrufen wurde, bringt die Beschwerde nichts vor. Vielmehr wird zu diesem ausgeführt, in Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes sei zum Ausdruck gebracht worden, dass ein Widerruf der Zusicherung der Staatsbürgerschaft "im Zusammenhang mit der Begehung von Alkoholdelikten" zulässig sei; der Beschwerdeführer nehme das zur Kenntnis.

Der Beschwerdeführer wendet sich somit allein gegen die Abweisung seines Verleihungsantrages. Er bringt dazu vor, die von ihm begangenen Übertretungen seien aus den näher dargelegten Gründen nicht solche mit besonderem Unrechtsgehalt im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG (in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005). Da dieses Verleihungshindernis nicht vorliege, bestehe auch keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG. Er habe vielmehr versucht, eine konkrete Gefährdung zu verhindern; aus den festgestellten Rechtsbrüchen könne nicht gefolgert werden, dass er künftig derartige Gefährdungen verursachen werde. Die vorliegenden Verwaltungsübertretungen seien keine "schweren Vergehen im Sinne der Straßenverkehrsordnung". Als Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt er, die Behörde gehe "unsubstantiiert" davon aus, sein Vorbringen, er habe das Fahrzeug nur zu "Wärmungszwecken" in Betrieb gesetzt, sei eine Schutzbehauptung. In dieser Hinsicht habe die Behörde aber ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren unterlassen.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der angefochtene Bescheid wurde nach dem Inkrafttreten der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006, erlassen. Verfahren auf Grund eines vor dem Inkrafttreten dieser Novelle (das war der 23. März 2006) erlassenen Zusicherungsbescheides (das war hier im April 2005) sind jedoch nach den Bestimmungen des StbG in der vor der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 37/2006 geänderten Fassung zu Ende zu führen (vgl. das in einem vergleichbaren Beschwerdefall ergangene hg. Erkenntnis vom 23. September 2009, Zl. 2006/01/0738).

Wird der Zusicherungsbescheid widerrufen, so ist der Verleihungsantrag - da eine Verleihungsvoraussetzung fehlt - abzuweisen. Widerruf der Zusicherung und Abweisung des Verleihungsantrages stellen eine notwendige Einheit dar. Die Abweisung des Verleihungsgesuches ist daher nach derselben (hier: alten) Rechtslage zu beurteilen wie der Widerruf des Zusicherungsbescheides (vgl. insoweit das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 2008, Zl. 2008/01/0212).

Für den Beschwerdefall bedeutet das, dass die Abweisung des Verleihungsantrages (Spruchpunkt II.) nach der (alten) Rechtslage des StbG in der vor der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 37/2006 geänderten Fassung zu beurteilen war.

Das Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 wurde daher zu Unrecht im vorliegenden Fall herangezogen.

Diese unrichtige Beurteilung führt die Beschwerde jedoch im Ergebnis nicht zum Erfolg. Die belangte Behörde begründete die Abweisung des Verleihungsantrages zudem mit dem Vorliegen des eigenständigen Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG. Dabei hat die belangte Behörde - nach Spruchpunkt II. - das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 gleichfalls unrichtig in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 angewendet. Diese unrichtige Anwendung begründet aber keine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers, wurde diese Bestimmung doch durch die Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 nicht geändert, sodass die belangte Behörde auch bei Anwendung der Rechtslage vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 zu keinem anderen Ergebnis gelangt wäre.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG kann die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.

Bei der Prüfung dieser Verleihungsvoraussetzung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers, insbesondere auch von ihm begangene Straftaten, Bedacht zu nehmen. Maßgebend ist, ob es sich dabei um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten. In der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls negative - Einstellung des Betreffenden gegen den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen zum Ausdruck. Dabei ist es der Behörde nicht verwehrt, bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens des Einbürgerungswerbers - neben dem nach der Zusicherung gesetzten Fehlverhalten, das für das Vorliegen eines Einbürgerungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG den Ausschlag gibt - auch vor der Zusicherung begangene Übertretungen heranzuziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 2009, Zl. 2006/01/0738, mwN).

Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde im Beschwerdefall nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, das Fehlverhalten des Beschwerdeführers vom 25. September 2005, als dieser in einem durch Alkohol - in hohem Maß (der festgestellte Alkoholgehalt der Atemluft von 0,61 mg/l entspricht einem Blutalkohol von 1,2 ‰) - beeinträchtigten Zustand einen Pkw gelenkt hat, lasse in Zusammenschau mit den im Jahr 2000 begangenen Verwaltungsübertretungen, die gleichfalls das Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand betrafen, die Prognose künftigen Wohlverhaltens nicht mehr zu.

Die zuletzt gesetzte Verhaltensweise war ihrer Art und Schwere nach nämlich ausreichend gravierend für eine negative Prognose. Das Lenken eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand stellt ein die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer im besonderen Maß gefährdendes Verhalten dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 2009, Zl. 2006/01/0738, und die darin angegebene Judikatur).

Die Annahme der belangten Behörde, die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG sei im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr vorgelegen, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Soweit die Beschwerde auf die Behauptungen des Beschwerdeführers verweist, er habe das Fahrzeug nur zu "Wärmungszwecken" in Betrieb gesetzt, und in diesem Zusammenhang auch Ermittlungsfehler rügt, ist diesem Vorbringen zu erwidern, dass der Beschwerdeführer mit dem Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 16. November 2005 wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand rechtskräftig bestraft wurde. Der Sachverhalt, der diesem Straferkenntnis zu Grunde lag, wurde (auch) durch das Geständnis des Beschwerdeführers erwiesen. Die über ihn von der Bundespolizeidirektion Innsbruck verhängte Strafe nahm der Beschwerdeführer an, er verzichtete auf Berufung gegen das genannte Straferkenntnis.

Der behauptete Verfahrensfehler (dessen Relevanz die Beschwerde nicht darstellt) liegt daher nicht vor. Die belangte Behörde ging zu Recht von dem Sachverhalt aus, der dem rechtskräftigen Straferkenntnis vom 16. November 2005 zu Grunde lag.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 21. Jänner 2010

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