VwGH 2009/12/0030

VwGH2009/12/003016.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma, Dr. Pfiel und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. Helmut Kientzl Rechtsanwalt GmbH in 2700 Wiener Neustadt, Rudolf Diesel-Straße 26, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. Dezember 2008, Zl. LAD2-DR-39/14-2008, betreffend Zurückweisung einer Berufung als verspätet, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
AVG §71 Abs1;
DVG 1984 §1 Abs1;
DVG 1984 §14 Abs2;
DVG 1984 §15;
EMRK Art6 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
AVG §71 Abs1;
DVG 1984 §1 Abs1;
DVG 1984 §14 Abs2;
DVG 1984 §15;
EMRK Art6 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand bis 30. Juni 2008 als Landeslehrer in einem provisorischen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich.

Mit Bescheid des Landesschulrates für Niederösterreich vom 19. März 2008 wurde das provisorische Dienstverhältnis des Beschwerdeführers gemäß § 9 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 302/1984, wegen pflichtwidrigen Verhaltens mit 30. Juni 2008 gekündigt.

Die erstinstanzliche Dienstbehörde verfügte die Zustellung dieses Bescheides an den Beschwerdeführer zu eigenen Handen.

Nach Maßgabe des über die Zustellung ausgestellten Rückscheines erfolgte am 25. März 2008 ein Zustellversuch. Die Verständigung über die Hinterlegung wurde in das Hausbrieffach eingelegt. Sodann wurde die Sendung beim Postamt W hinterlegt.

Beginn der Abholfrist war der 26. März 2008.

Die Sendung wurde nach Ablauf der Hinterlegungsfrist an die

erstinstanzliche Dienstbehörde als nicht behoben zurückgestellt.

Mit Eingabe vom 20. Mai 2008, zur Post gegeben am

21. Mai 2008, führte der Beschwerdeführer aus, der in Rede stehende Bescheid vom 19. März 2008 sei ihm am 19. Mai 2008 über seine Dienststelle, die Landesberufsschule S, zugestellt worden. Eine Zustellung davor sei nicht erfolgt. Ihm sei nicht bekannt, ob die Post Verständigungen in den Briefkasten geworfen habe bzw. Hinterlegungen vorgenommen habe oder nicht.

Es lägen daher die Voraussetzungen des § 71 AVG zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor, da der Beschwerdeführer glaubhaft gemacht habe, durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (Nichtdurchführung der Zustellung durch die Post bzw. keine Kenntnisnahme von einer Hinterlegungsanzeige durch ihn) verhindert gewesen wäre, Fristen einzuhalten oder entsprechende Handlungen zu setzen. Er beantrage seine Einvernahme und die der Postzustellerin.

Unter diesen Umständen treffe ihn kein oder - wenn überhaupt -

nur ein minderer Grad des Versehens.

Der Wegfall des Hindernisses sei erst am 19. Mai 2008 durch die Kenntnis des Bescheides eingetreten.

Der Beschwerdeführer beantrage daher die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Unter einem erhob er Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 19. März 2008.

Die Behörde erster Instanz richtete sodann eine Anfrage an die zuständige Zustellbasis, von welcher erklärt wurde, es sei ein dem Zustellgesetz entsprechender Zustellversuch erfolgt. Die Hinterlegungsanzeige sei in dem dafür vorgesehenen Briefkasten an der Abgabestelle zurückgelassen worden. Interne Aufzeichnungen gebe es nicht. Ergänzend wurde ausgeführt, die "ständige Zustellerin" habe "dort" zugestellt. Es sei daher ausgeschlossen, dass keine Hinterlegungsanzeige in den Briefkasten eingelegt worden wäre. Der Beschwerdeführer hebe nur einmal wöchentlich seinen Briefkasten aus. Er habe vermutlich die Hinterlegungsanzeige im zahlreichen Werbematerial übersehen.

Über Vorhalt dieser Auskunft erklärte der Beschwerdeführer am 14. Juli 2008 (Einlangen bei der erstinstanzlichen Behörde), es sei richtig, dass er nur einmal wöchentlich an seiner Adresse ortsanwesend sei und dann auch die Post ausleere. Dabei sei sein Briefkasten immer voll von Werbesendungen, sodass die Hinterlegungsanzeige offensichtlich zwischen Prospekten versteckt gewesen sei und er daher aus einem entschuldbaren Versehen vom Zustellvorgang keine Kenntnis erlangt habe. Die Wiedereinsetzung sei daher zu bewilligen.

Mit Bescheid des Landesschulrates für Niederösterreich vom 25. Juli 2008 wurde der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers gemäß § 71 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. Dezember 2008 wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid ist Gegenstand der zur hg. Zl. 2009/12/0031 protokollierten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom gleichen Datum wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 19. März 2008 als verspätet zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der in Rede stehende Bescheid des Landesschulrates für Niederösterreich vom 19. März 2008 sei am 25. März 2008 beim Zustellpostamt hinterlegt und ab 26. März 2008 zur Abholung bereitgestellt worden. Gemäß § 17 Abs. 3 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 5/2008, gälten hinterlegte Dokumente mit dem ersten Tag, an dem sie erstmals zur Abholung bereitgehalten werden, als zugestellt. Gemäß § 63 Abs. 5 AVG sei eine Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen habe. Die Frist beginne für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung. Die vorliegende Berufung sei nicht innerhalb der Frist des § 63 Abs. 5 AVG eingebracht. Die Berufung sei daher als verspätet zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zur hg. Zl. 2009/12/0030 protokollierte Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides mit dem Antrag geltend, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der vorliegenden Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird keine Verfahrensrüge erhoben. Insbesondere wird die Relevanz allfälliger der belangten Behörde unterlaufener Verfahrensmängel nicht aufgezeigt.

Die Beschwerde wendet sich ausschließlich unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dagegen, dass die belangte Behörde den vorliegenden Zurückweisungsbescheid erlassen hat, ehe ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gegen den Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 29. Dezember 2008 betreffend die im Instanzenzug erfolgte Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages entschieden wurde.

Allein mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Nach herrschender Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1997, Zl. 97/17/0162, mit weiteren Hinweisen) ist das Vorliegen einer (rechtskräftigen) Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag infolge Versäumung der Berufungsfrist vor Zurückweisung der Berufung als verspätet keinesfalls geboten. Wäre die belangte Behörde aber nicht einmal gehalten gewesen, mit der Zurückweisung der Berufung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Wiedereinsetzungsantrages zuzuwarten (was vorliegendenfalls infolge der zeitgleichen Entscheidung aber ohnedies geschehen ist), so ist umso mehr die Frage zu verneinen, ob vor Zurückweisung der Berufung ein Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof über den die Wiedereinsetzung im Instanzenzug versagenden Bescheid der belangten Behörde vom 29. Dezember 2008 abzuwarten gewesen wäre. Im - gedachten (vgl. jedoch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag zur Zl. 2009/12/0031) - Fall einer Stattgebung des Wiedereinsetzungsantrages in einem weiteren Rechtsgang als Folge der Aufhebung des diesbezüglichen Bescheides vom 29. Dezember 2008 würde gemäß § 14 Abs. 2 iVm § 15 DVG der neue (in der Sache ergehende) Berufungsbescheid an die Stelle des früheren (zurückweisenden) Berufungsbescheides treten. Der angefochtene Bescheid würde diesfalls ohnedies obsolet.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ. Art. 6 Abs. 1 MRK steht dem nicht entgegen, weil eine zurückweisende Entscheidung (hier Zurückweisung einer Berufung als verspätet), in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 MRK fällt. Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" nach dieser Bestimmung kommt daher nicht zur Anwendung, wenn Prozesshindernisse - wie etwa die Versäumung der Rechtsmittelfrist - entgegenstehen (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 2003, B 1019/03 = VfSlg. 17.063, sowie des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. September 2007, Zl. 2006/07/0066). Darüber hinaus war vorliegendenfalls lediglich eine Rechtsfrage (Frage des Erfordernisses des Zuwartens mit der zurückweisenden Entscheidung bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über eine allfällige Beschwerde gegen die im Instanzenzug erfolgte Abweisung der Wiedereinsetzung) strittig.

Wien, am 16. Dezember 2009

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