VwGH 2009/05/0112

VwGH2009/05/011223.7.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde 1.) des W D und 2.) der R D, beide in Wolfsbach, beide vertreten durch Mag. Andreas Pazderka, Rechtsanwalt in 2460 Bruck an der Leitha, Höfleinerstraße 36, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 17. März 2009, Zl. RU1-BR-917/002-2009, betreffend Ausnahme von der Anschlusspflicht (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Wolfsbach, 3354 Wolfsbach 118), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs5 impl;
AVG §63 Abs5;
BauO NÖ 1996 §62 Abs3 Z1;
BauO NÖ 1996 §62 Abs3;
BauO NÖ 1996 §62 Abs4;
VStG §49 Abs1 impl;
VwGG §26 Abs1 impl;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs5 impl;
AVG §63 Abs5;
BauO NÖ 1996 §62 Abs3 Z1;
BauO NÖ 1996 §62 Abs3;
BauO NÖ 1996 §62 Abs4;
VStG §49 Abs1 impl;
VwGG §26 Abs1 impl;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde fasste in seiner ordentlichen Sitzung vom 24. April 2007 den Grundsatzbeschluss, die Schmutzwässer näher genannter Liegenschaften laut Abwasserplan über eine öffentliche Kanalanlage zu entsorgen. Dieser Beschluss wurde vom 31. Mai 2007 bis 13. Juli 2007 (sechs Wochen) an der Amtstafel der Gemeinde kundgemacht und den Haushalten, die sich im Anschlussbereich der geplanten Kanalisationsanlage befinden, in den amtlichen Nachrichten bekannt gegeben.

Die Beschwerdeführer beantragten innerhalb der Kundmachungsfrist die Ausnahme von der Anschlussverpflichtung und begründeten dies mit der geplanten Errichtung einer Pflanzenkläranlage. Im Übrigen seien sie als Kleinlandwirte gemeldet und bezahlten auch als solche Abgaben. Ihr Anwesen liege mehr als die geforderten 50 m vom Kanal entfernt und befände sich nicht im verbauten Siedlungsgebiet.

Mit Bescheid vom 24. August 2007 gab der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde diesem Ansuchen gemäß § 62 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (NÖ BauO 1996) keine Folge. Eine dagegen erhobene Berufung wurde mit (im zweiten Rechtsgang ergangenen) Bescheid des Gemeindevorstandes dieser Gemeinde vom 25. November 2008 als unzulässig zurückgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass das Ansuchen der Beschwerdeführer um Ausnahme von der Anschlussverpflichtung bei der mitbeteiligten Gemeinde innerhalb der sechswöchigen Kundmachungsfrist und somit zu früh eingebracht worden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet ab. Dabei ging sie davon aus, dass die Beschwerdeführer den Antrag um Ausnahme von der Anschlussverpflichtung bereits am 20. Juni 2007, und somit bereits innerhalb der sechswöchigen Kundmachungsfrist des § 62 Abs. 3 NÖ BauO 1996, gestellt hätten. Anträge vor Ablauf der Kundmachungsfrist seien aber als unzulässig zurückzuweisen. Eine Antragstellung vor Ablauf der Kundmachungsfrist sei nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen, was zur Folge habe, dass die Berufung abzuweisen sei, weil keine Ausnahme von der Anschlussverpflichtung (Ausnahmebescheid) vorliege. Der angefochtene Bescheid lasse erkennen, dass der Gemeindevorstand eine Sachentscheidung getroffen habe. Der Umstand, dass sich der Gemeindevorstand im Bescheidspruch seiner Berufungsentscheidung des Ausdruckes "zurückgewiesen" statt "abgewiesen" bedient habe und es sich lediglich um ein Vergreifen im Ausdruck gehandelt habe, sei jedenfalls nicht geeignet, eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführer darzutun.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 62 Abs. 3 NÖ BauO 1996 hat folgenden Wortlaut:

§ 62 ...

(3) Von dieser Anschlussverpflichtung sind Liegenschaften ausgenommen, wenn die anfallenden Schmutzwässer über eine Kläranlage abgeleitet werden, für die eine wasserrechtliche Bewilligung erteilt wurde oder erteilt gilt, und

1. die Bewilligung dieser Kläranlage vor der Kundmachung der Entscheidung der Gemeinde, die Schmutzwässer der Liegenschaften über eine öffentliche Kanalanlage zu entsorgen (Grundsatzbeschluss), erfolgte und noch nicht erloschen ist und

2. die Reinigungsleistung dieser Kläranlage dem Stand der Technik entspricht und zumindest gleichwertig ist mit der Reinigungsleistung jener Kläranlage, in der die Schmutzwässer aus der öffentlichen Anlage gereinigt werden, und

3. die Ausnahme die Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Anlage nicht gefährdet.

Die Entscheidung der Gemeinde nach Z. 1 ist nach Beschlussfassung durch den Gemeinderat durch mindestens sechs Wochen an der Amtstafel der Gemeinde kundzumachen und den Haushalten, die sich im Anschlussbereich der geplanten Kanalisationsanlage befinden, durch eine ortsübliche Aussendung bekannt zu geben.

Innerhalb von vier Wochen nach Ablauf der Kundmachungsfrist hat der Liegenschaftseigentümer einen Antrag um Ausnahme von der Anschlussverpflichtung bei der Baubehörde einzubringen. Diesem Antrag sind der Nachweis der wasserrechtlichen Bewilligung der Kläranlage und wenn diese schon betrieben wird, ein Befund über deren Reinigungsleistung, erstellt von einer hiezu befugten Stelle (staatlich autorisierte Anstalt, in einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat akkreditierte Stelle, Sachverständiger), anzuschließen.

...

(4) Von der Anschlussverpflichtung sind auf Antrag des Liegenschaftseigentümers weiters ausgenommen:

1. landwirtschaftliche Liegenschaften mit aufrechter Güllewirtschaft (§ 3 Z. 14 NÖ Bodenschutzgesetz, LGBl. 6160), die die darauf anfallenden Schmutzwässer gemeinsam mit Gülle, Jauche und sonstigen Schmutzwässern aus Stallungen, Düngerstätten, Silos für Nasssilage und anderen Schmutzwässern, die nicht in die öffentlichen Kanalanlagen eingebracht werden dürfen, entsorgen und

2. Liegenschaften, welche die anfallenden Schmutzwässer über einen Betrieb mit aufrechter Güllewirtschaft entsorgen, der im selben räumlich zusammenhängenden Siedlungsgebiet liegt.

Die Entsorgung der Schmutzwässer muss unter Einhaltung der Bestimmungen des § 10 NÖ Bodenschutzgesetz bereits vor der Kundmachung des Gemeinderatsbeschlusses erfolgen, die Schmutzwässer der betroffenen Liegenschaften über eine öffentliche Kanalanlage zu entsorgen (Grundsatzbeschluss).

Für das Verfahren betreffend die Kundmachung und Bekanntgabe des Grundsatzbeschlusses gelten die Bestimmungen des Abs. 3 sinngemäß.

Der Antrag muss unter Nachweis der ordnungsgemäßen Entsorgung entsprechend den Bestimmungen des § 10 NÖ Bodenschutzgesetz innerhalb von vier Wochen nach Ablauf der Kundmachungsfrist eingebracht werden.

Die Einstellung der Güllewirtschaft bzw. der Entsorgung der Schmutzwässer über einen Betrieb mit Güllewirtschaft ist vom Liegenschaftseigentümer der Baubehörde unverzüglich anzuzeigen. Wird die Güllewirtschaft eingestellt, hat die Baubehörde den Ausnahmebescheid aufzuheben.

(5) ..."

Im vorliegenden Fall wurde der Antrag der Beschwerdeführer auf Ausnahme von der Anschlusspflicht deshalb nicht in Behandlung gezogen sondern von der letztinstanzlichen Gemeindebehörde zurückgewiesen, weil in dem Umstand der "zu früh", nämlich innerhalb der Kundmachungsfrist des Grundsatzbeschlusses erfolgten Antragstellung eine Unzulässigkeit des Antrages erblickt wurde. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Antrag fand infolgedessen im Verfahren nicht statt.

Diese Rechtsansicht hält einer näheren Prüfung aber nicht stand.

Dabei kann dahinstehen, ob der gegenständliche Antrag auf die Bewilligung einer Ausnahme nach § 62 Abs. 3 oder Abs. 4 NÖ BauO 1996 gerichtet war. Für beide Arten von Ausnahmeanträgen ist im Gesetz vorgesehen, dass diese "innerhalb von vier Wochen nach Ablauf der Kundmachungsfrist" unter Anschluss entsprechender Nachweise eingebracht werden müssen. Damit ist jedenfalls das Ende der Frist (4 Wochen nach dem Ende der Kundmachung) festgelegt.

So hat der Verwaltungsgerichtshof zur Berufungsfrist des § 63 Abs. 5 AVG ("binnen zwei Wochen") ausgesprochen, dass der Sinn der ausdrücklichen Regelung des Beginnes der Rechtsmittelfrist in § 63 Abs. 5 AVG darin liegt, das Ende der Frist, nicht aber einen frühesten Zeitpunkt für die Erhebung der Berufung gegen einen Bescheid zu bestimmen, da der Zweck der Normierung einer Rechtsmittelfrist darin liegt, dass sich daraus der späteste Zeitpunkt der zulässigen Einbringung eines Rechtsmittels ergibt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 4. Juli 1989, Zl. 88/05/0225, und vom 22. Juni 1988, Zl. 87/03/0263, sowie den Beschluss vom 11. März 1988, 88/11/0031).

Dieser Grundgedanke ist auch auf den hier liegenden Fall der Zulässigkeit der Antragstellung zu übertragen. Die Regelungen der Abs. 3 und 4 des § 62 NÖ BauO, die die Vierwochenfrist für die Antragstellung festlegen, haben ebenfalls nicht den Zweck, den frühest möglichen Zeitpunkt für die Antragstellung zu bestimmen, sondern legen - rechnerisch ausgehend vom Ende der Kundmachungsfrist - das Ende der Frist für die Zulässigkeit einer Antragstellung fest.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zudem bereits mit der Länge des Zeitraumes beschäftigt, in welchem ein Antrag auf Ausnahme zulässigerweise gestellt werden kann. So hat er im hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2008, 2007/05/0124 - wenn auch in anderem Zusammenhang - ausgesprochen, dass nach dem Grundsatzbeschluss des Gemeinderates (die Schmutzwässer eines bestimmten Gemeindeteils über eine öffentliche Kanalanlage zu entsorgen) innerhalb von spätestens zehn Wochen (sechs Wochen Dauer der Kundmachung und vier Wochen nach Ablauf der Kundmachung) ein Antrag auf Ausnahme zu stellen ist.

Dass sachliche Gründe für die Reduzierung der Zulässigkeit der Antragstellung auf die im Gesetz vorgesehenen vier Wochen sprechen würden, ist ebenfalls nicht erkennbar. Mit der Kundmachung der Entscheidung der Gemeinde nach § 62 Abs. 3 Z. 1 NÖ BauO 1996 (Grundsatzbeschluss) tritt dieser Beschluss nach außen in Erscheinung, wird den Gemeindebürgern inhaltlich bekannt und verschafft ihnen die notwendigen Informationen, auf Grund deren sie entscheiden können, ob sie einen Antrag nach § 62 Abs. 3 oder Abs. 4 leg. cit. stellen wollen. Umgekehrt ist die Befristung der Antragsstellungsmöglichkeit von dem Gedanken getragen, der Gemeinde möglichst früh Informationen darüber zu verschaffen, welche Liegenschaften eine Ausnahmebewilligung anstreben, um bereits in der Planungsphase darauf entsprechend reagieren zu können (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2008), was ebenfalls für die Zulässigkeit einer frühe(re)n Antragstellung spricht. Mit dem Ablauf der Kundmachungsfrist sind zudem auch keine besonderen Rechtswirkungen verknüpft, die es nahe legen würden, eine Antragstellung erst ab diesem Zeitpunkt als zulässig erscheinen zu lassen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 23. Juli 2009

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