VwGH 2008/22/0848

VwGH2008/22/084810.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des C, vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Claudiaplatz 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 11. August 2008, Zlen. uvs-2008/17/2224 und 2225-1, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

ARB1/80 Art14;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
AVG §1;
FrPolG 2005 §125 Abs3;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §62;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;
VwRallg;
ARB1/80 Art14;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
AVG §1;
FrPolG 2005 §125 Abs3;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §62;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung eines auf fünf Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes ab. Die Bezirkshauptmannschaft Schwaz habe - so die belangte Behörde in ihrer Begründung - mit Bescheid vom 7. August 2002 in erster Instanz das Aufenthaltsverbot erlassen. Dagegen habe der Beschwerdeführer erfolglos Berufung erhoben. Der Verwaltungsgerichtshof habe jedoch mit Erkenntnis vom 30. November 2005 den angefochtenen zweitinstanzlichen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. In der Folge habe die belangte Behörde mit Ersatzbescheid vom 11. Jänner 2007 die Berufung als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit Beschluss vom 22. April 2008 die Behandlung der dagegen gerichteten Beschwerde abgelehnt.

Am 7. Mai 2008 habe der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gestellt. Dieser Antrag sei mit erstinstanzlichem Bescheid vom 13. Juni 2008 abgewiesen worden.

Seit April des Jahres 2008 - so die weitere Bescheidbegründung bezugnehmend auf den Zeitpunkt des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 2008 - seien "nunmehr knappe vier Monate vergangen" und es sei eine positive Prognose für den Beschwerdeführer keinesfalls zu treffen, weil sich dieser "auch nach dem erstmalig ergangenem Aufenthaltsverbot im Jahr 2002 einiges zu schulden kommen lassen hat". Diesbezüglich werde auf den ausführlichen (zweitinstanzlichen) Aufenthaltsverbotsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol verwiesen und ergänzend angeführt, dass das Strafurteil des Bezirksgerichtes Schwaz vom 24. Oktober 2005 am 12. Mai 2006 in Rechtskraft erwachsen sei. Die Erstbehörde sei zu Recht davon ausgegangen, dass sich seit "Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom April 2008" die Umstände nicht geändert hätten und es sei auch dieser Zeitraum zu kurz, um eine günstige Prognose für den Beschwerdeführer abzugeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist das Aufenthaltsverbot oder das Rückkehrverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der hg. Judikatur kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Da bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann, ist für den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nur zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegen einer Änderung der Umstände zu Gunsten des Fremden weggefallen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2009, 2008/22/0587).

In der Beschwerde wird zusammengefasst die Meinung vertreten, dass die im Jahr 2002 gesetzte "ursprüngliche Befristung des Aufenthaltsverbotes bereits überschritten wurde" und sich der Integrationsgrad des Beschwerdeführers in der Zeit zwischen der Verhängung des Aufenthaltsverbotes im Jahr 2002 und dem Datum der angefochtenen Entscheidung massiv verfestigt habe. Demgegenüber hätten die bezirksgerichtlichen Verurteilungen, denen allen keine gravierenden Taten zu Grunde gelegen seien, bei der Entscheidung über die Berufung zurücktreten müssen.

Mit diesen Ausführungen verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Maßgeblich für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes und demzufolge für die dabei zu treffende Prognose ist der Zeitpunkt der rechtskräftigen Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Im Fall des Beschwerdeführers sind somit nicht die Umstände, die im Jahr 2002 geherrscht haben, von Bedeutung, sondern jene bei Erlassung des zweitinstanzlichen Bescheides der belangten Behörde zu Beginn des Jahres 2007. Auf diesen Zeitpunkt bezogen hat die belangte Behörde die relevante Gefährlichkeitsprognose unter Berücksichtigung aller bis dahin eingetretenen relevanten Umstände getroffen. Von dieser Prognose - und nicht von jener im Jahr 2002 -

ist bei der Beurteilung auszugehen, ob sich die Umstände, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, maßgeblich zu Gunsten des Beschwerdeführers geändert haben. Auch wenn die belangte Behörde irrtümlich den Zeitpunkt der Ablehnung der verwaltungsgerichtlichen Beschwerde als maßgeblich erachtet hat, ist ihr doch zuzustimmen, dass der Zeitraum zwischen der rechtskräftigen zweitinstanzlichen Erlassung des Aufenthaltsverbotes und der nunmehrigen (ebenfalls zweitinstanzlichen) Entscheidung über den Aufhebungsantrag viel zu kurz ist, um eine Änderung in den Umständen annehmen zu können. Eine solche Änderung wird vom Beschwerdeführer zwar behauptet, dies aber unter der unrichtigen Ausgangslage, es wären die Umstände der Jahre 2002 und 2007 miteinander zu vergleichen. Dies würde darauf hinauslaufen, die rechtskräftige Verhängung des Aufenthaltsverbotes zu überprüfen. Der Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes kann aber nicht dazu dienen, eine (behauptete) Rechtswidrigkeit des Aufenthaltsverbotsbescheides geltend zu machen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, 2006/18/0174). Es ist allein zu prüfen, ob sich gegenüber den Umständen zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Erlassung des Aufenthaltsverbotes (allenfalls erst in zweiter Instanz) eine relevante Änderung ergeben hat. Dazu ist im vorliegenden Fall - wie erwähnt - der Zeitraum bis zur zweitinstanzlichen Entscheidung über den Aufhebungsantrag viel zu kurz.

Soweit der Beschwerdeführer eine Berechtigung aus dem Beschluss des - durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten - Assoziationsrates vom 19. September 1980, Nr. 1/80, über die Entwicklung der Assoziation (ARB), anspricht, ist ihm zu entgegnen, dass Art. 14 des ARB eine Beschränkung dieser Rechte vorsieht und somit die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch gegen einen assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen ermöglicht. Auch an dieser Stelle sei betont, dass die Frage des Eingriffes in die Assoziationsberechtigung durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht mehr im Verfahren über den Antrag auf Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes releviert werden kann.

Eine derartige Berechtigung aus dem ARB würde gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 FPG die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates als Berufungsbehörde zur Folge haben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. November 2006, 2006/18/0314).

Da der Beschwerdeführer eine derartige Position aber jedenfalls durch die rechtskräftige Verhängung des Aufenthaltsverbots verloren hat (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis 2006/18/0314), hat die belangte Behörde vorliegend ihre Zuständigkeit zu Unrecht in Anspruch genommen.

In amtswegiger (vgl. Mayer B-VG4 § 42 VwGG III.1.) Wahrnehmung dieser Unzuständigkeit war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 10. November 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte