VwGH 2008/18/0250

VwGH2008/18/025024.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des E H in L, geboren am 25. Dezember 1978, vertreten durch Dr. Georg Minichmayr, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 12/Arkade, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 23. Jänner 2008, Zl. St 63/07, betreffend Entziehung eines Reisepasses und eines Personalausweises, zu Recht erkannt:

Normen

PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §15 Abs1;
PaßG 1992 §19 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §15 Abs1;
PaßG 1992 §19 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 23. Jänner 2008 wurden gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. b und f und Abs. 3 und § 19 Abs. 2 Passgesetz 1992, BGBl. Nr. 839 (im Folgenden: PassG), dem Beschwerdeführer der ihm vom Magistrat der Landeshauptstadt Linz am 11. Juni 2003 ausgestellte und bis 10. Juni 20013 (gemeint offenbar: 2013) gültige österreichische Reisepass und der ihm vom Magistrat der Landeshauptstadt Linz am 13. Juli 2006 ausgestellte und bis 12. Juli 2016 gültige österreichische Personalausweis mit der entzogen.

Begründend stellte die belangte Behörde im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 16. April 1998 wegen der Vergehen nach § 28 Abs. 1 und 2 Z. 2 erster Fall Suchtmittelgesetz - SMG unter Anwendung der §§ 28 StGB und 5 JJG (gemeint offenbar: JGG) nach § 27 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei, und zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je öS 150,-- rechtskräftig verurteilt worden sei.

Gemäß § 494a Abs. 1 Z. 2 StPO sei vom Widerruf einer am 1. Februar 1996 bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert worden.

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 12. Oktober 1998 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs. 1 StGB und des Vergehens nach § 27 Abs. 1 Z. 2 erster Fall SMG unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei, und zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je öS 150,-- rechtskräftig verurteilt worden.

Gemäß § 494a Abs. 1 Z. 2 erster Fall StPO sei aus Anlass dieses Urteils vom Widerruf der am 16. April 1998 verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert worden.

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 24. Oktober 2006 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 vierter Fall SMG und der Vergehen nach § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG unter Anwendung des § 28 StGB nach § 28 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer in L. den bestehenden Vorschriften zuwider

1) ein Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt habe, indem er am 9. Juni 2006 etwa 99 Gramm Kokain um EUR 3.500,--

von einem Unbekannten mit dem Rufnamen "J" angekauft und davon am 12. Juni 2006 98,7 Gramm Kokain um EUR 4.000,-- an V.A. übergeben habe und

2) Suchtgift von einem Unbekannten mit dem Rufnamen "J", und zwar

a) im Zeitraum Frühling 2005 bis Mitte August 2006 in etwa zehn Angriffen insgesamt ca. zehn Gramm Kokain zu einem Grammpreis von EUR 60,-- und

b) am 9. Juni 2006 0,2 bis 0,3 Gramm Kokain,

erworben und bis zum Eigenkonsum besessen habe.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 15 Abs. 1, 19 Abs. 2 und 14 Abs. 1 Z. 3 lit. a bis f und Z. 4, PassG - im Wesentlichen aus, dass nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Begehung eines nach § 28 SMG zu ahndenden Suchtgiftdeliktes die Versagung eines Reispasses rechtfertige. Der durch die rechtskräftige gerichtliche Verurteilung festgestellte Handel mit Suchtgiften in einer größeren Menge stelle sowohl eine Tatsache im Sinn des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG als auch eine solche im Sinn des § 14 Abs. 1 Z. 4 PassG dar. Für die Frage, ob der Passversagungsgrund des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG vorliege, könne auch das bereits getilgten oder der beschränkten Auskunft unterliegenden Verurteilungen zugrunde liegende Fehlverhalten der Partei herangezogen werden. Es sei eine Erfahrungstatsache, dass bei Delikten, die mit Suchtgiften im Zusammenhang stünden, die Wiederholungsgefahr besonders groß sei.

Die belangte Behörde führte weiter aus, dass es nicht darauf ankomme, ob der Beschwerdeführer seinen Reisepass im Zusammenhang mit dem ihm zur Last liegenden Suchtgifthandel verwendet habe. Vielmehr stehe im Vordergrund, dass er in Hinkunft seinen Reisepass für diesen Zweck verwenden könne. Es sei nicht von Bedeutung, dass der Beschwerdeführer das Suchtgift nicht selbst aus dem Ausland nach Österreich geschafft bzw. bei der Tatbegehung seinen Reisepass nicht verwendet habe.

Sowohl das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK als auch das Recht auf Freizügigkeit gemäß Art. 2 Abs. 2 des 4. ZPEMRK stünden unter einem Gesetzesvorbehalt, der jeweils einen gesetzlich vorgesehenen Eingriff zur Verhinderung von Straftaten und zum Schutz der Gesundheit rechtfertige. Die vorliegend ausgesprochene Entziehung des Reisepasses und des Personalausweises diene gerade diesen Zwecken. Bei der Versagung bzw. Entziehung des Reisepasses sei der Behörde kein Ermessen eingeräumt. Bei Versagung eines Reisepasses nach dem PassG sei auf persönliche oder wirtschaftliche Interessen des Betroffenen keine Rücksicht zu nehmen. Die Passentziehung stelle eine administrativ-rechtliche Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Ordnung und keine Strafe dar.

Schon in Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität - insbesondere des Suchtgifthandels - sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden dringend geboten, weil das maßgebliche öffentliche Interesse in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiege als das gegenläufige private Interesse des Fremden. Schon in Hinblick auf den Schutz der Gesellschaft und vor allem der Jugendlichen, die diesen Gefahren aufgrund ihrer mangelnden Reife vermehrt ausgesetzt seien, sei eine derartige - sicherlich in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreifende - Maßnahme dringend geboten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 14 Abs. 1 PassG ist u.a. die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn (Z. 3 lit. f) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen.

Nach § 15 Abs. 1 PassG ist ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.

Gemäß § 19 Abs. 2 PassG sind auf die Entziehung von Personalausweisen die diesbezüglichen, die gewöhnlichen Reisepässe betreffenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes einschließlich der §§ 9 Abs. 7 und 15 Abs. 5 PassG mit der Maßgabe anzuwenden, dass Entziehungsverfahren auf gültige Personalausweise beschränkt sind.

2.1. In der Beschwerde bleibt unbestritten, dass der Beschwerdeführer die im angefochtenen Bescheid festgestellten Straftaten begangen hat und deshalb in der dort festgestellten Weise verurteilt worden ist.

Unbestritten ist somit, dass der bereits mehrfach einschlägig vorbestrafte Beschwerdeführer u.a. Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt hat, indem er am 9. Juni 2006 etwa 99 Gramm Kokain um EUR 3.500,-- von einem Unbekannten gekauft und davon am 12. Juni 2006 98,7 Gramm Kokain um EUR 4.000,-- an V.A. übergeben hat. Überdies hat der Beschwerdeführer von einem Unbekannten im Zeitraum Frühling 2005 bis Mitte August 2006 in etwa zehn Angriffen insgesamt ca. zehn Gramm Kokain zu einem Grammpreis von EUR 60,-- und am 9. Juni 2006 0,2 bis 0,3 Gramm Kokain erworben und bis zum Eigenkonsum besessen.

In Hinblick auf das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung des Erfahrungswissens, dass gerade bei solchen Suchtgiftdelikten die Wiederholungsgefahr - die sich beim Beschwerdeführer durch den mehrfachen Rückfall eindrucksvoll manifestiert hat - besonders groß ist, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde zum Ergebnis gelangt ist, dass die in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. Februar 2008, Zl. 2006/18/0487, und vom 11. Mai 2009, Zl. 2009/18/0081, jeweils mwN).

Daran vermag auch der Hinweis in der Beschwerde auf das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2006, Zl. 2005/18/0486, nichts zu ändern, hat doch der Beschwerdeführer - im Unterschied zu dem dem zitierten Erkenntnis zugrunde liegenden Sachverhalt - nicht ausschließlich zum Eigenkonsum Hanfpflanzen erzeugt oder zu erzeugen versucht und Cannabisprodukte erworben, sondern vielmehr Kokain gekauft, verkauft und besessen. Auch wenn er seinen Reisepass und seinen Personalausweis bei der Begehung der seinen Verurteilungen zugrunde liegenden Straftaten bisher nicht verwendet hat, ist dieser Umstand nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung, ist es doch eine Erfahrungssache, dass der inländische Drogenmarkt und Drogenhandel in den meisten Fällen mit Suchtgiftimporten aus dem Ausland verknüpft ist. Ein Reisedokument würde einen (weiteren) Handel mit Suchtgift jedenfalls erleichtern (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 2. April 2009, Zl. 2009/18/0095, mwN, und vom 4. Juni 2009, Zl. 2006/18/0204).

Vor diesem Hintergrund ist für die Beschwerde auch mit dem Vorbringen, dass sich der Beschwerdeführer vor der letzten Verurteilung mehr als zehn Jahre lang wohlverhalten und er die "alten Delikte" an der "Schwelle zum Erwachsenwerden" verübt habe, nichts gewonnen.

2.2. Soweit die Beschwerde vorbringt, dass die dem Beschwerdeführer ursprünglich zur Last gelegte "gewerbsmäßige Begehung" vom Strafgericht fallen gelassen worden sei und das Strafgericht gerade nicht davon ausgehe, dass beim Beschwerdeführer die Gefahr der wiederholten Begehung zu befürchten sei, ist dem zu entgegnen, dass die Behörde die Frage des Vorliegens eines Grundes für die Entziehung eines Reisepasses bzw. Personalausweises nach den hiefür vom Gesetz vorgegebenen Kriterien eigenständig zu beurteilen hat, ohne an gerichtliche Erwägungen gebunden zu sein (vgl. in diesem Zusammenhang etwa wiederum das zum Fall der bedingten Nachsicht der verhängten Strafe ergangene hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2009, mwN).

2.3. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann auch der Umstand, dass ihm während seiner Untersuchungshaft von seiner langjährigen Lebensgefährtin eine Tochter geboren worden sei und die damit verbundene zusätzliche Verantwortung aufgrund der Änderung der Lebenssituation ein zukünftiges rechtstreues Handeln erwarten lasse, am Ergebnis der von der belangten Behörde angesichts der schwerwiegenden Straftaten des Beschwerdeführers zutreffend erstellten Zukunftsprognose nichts ändern.

3. In Hinblick auf den durch den Verwaltungsgerichtshof zu überprüfenden angefochtenen Bescheid (§ 41 Abs. 1 erster Satz VwGG) ist es schließlich unerheblich, ob der erstinstanzliche Bescheid lediglich die Rechtsgrundlagen für die Entziehung des Reisepasses des Beschwerdeführers angeführt hat.

4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 24. September 2009

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