VwGH 2008/15/0109

VwGH2008/15/01092.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Salzburg-Stadt in 5010 Salzburg, Aignerstraße 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom 17. Dezember 2007, Zl. RV/0197-K/05, betreffend Umsatzsteuer 2003 (mitbeteiligte Partei: C B in S, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Erzabt-Klotz-Straße 21a), zu Recht erkannt:

Normen

31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art17 Abs7;
61999CJ0409 Metropol Treuhand VORAB;
62001CJ0155 Cookies World VORAB;
62005CJ0228 Stradasfalti VORAB;
UStG 1994 §1 Abs1 Z2 litd;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art17 Abs7;
61999CJ0409 Metropol Treuhand VORAB;
62001CJ0155 Cookies World VORAB;
62005CJ0228 Stradasfalti VORAB;
UStG 1994 §1 Abs1 Z2 litd;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen von 1.106,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Mitbeteiligte, ein in Österreich ansässiger Unternehmer, leaste einen Pkw von einem Unternehmer, der in Freilassing (Deutschland) sein Unternehmen betreibt. Im Zeitraum von April bis Dezember 2003 fielen Leasingraten in Höhe von 7.379,28 EUR plus (deutsche) Umsatzsteuer an. In Deutschland erhielt der Mitbeteiligte diese Umsatzsteuer als Vorsteuer vergütet.

In Österreich erachtete das Finanzamt bei Erlassung des Umsatzsteuerbescheides 2003 den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit d UStG 1994 als erfüllt. Es bezog daher die Leasingraten in Höhe von 7.379,28 EUR in die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage ein, woraus sich eine (zusätzliche) Umsatzsteuerbelastung von 1.475,85 EUR ergab.

In der Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 2003 wandte der Mitbeteiligte ein, die Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Z 2. lit. d UStG 1994 widerspreche der Sechsten MwSt-Richtlinie 77/388/EWG . Der Mitbeteiligte verwies insbesondere auf das auf Grund eines Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtshofes ergangene Urteil des EuGH vom 11. September 2003, C-155/01 , Cookies World, ÖStZB 2004/280.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, § 1 Abs. 1 Z. 2 lit d UStG 1994 stelle sowohl in der Stammfassung aber auch in der von 29. März 2003 bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung einen Besteuerungstatbestand dar, der in der Sechsten Richtlinie nicht vorgesehen sei. Zwar erlaube es Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie jedem Mitgliedstaat, unter bestimmten Voraussetzungen Gegenstände zu besteuern, die der Steuerpflichtige selbst hergestellt oder im Inland erworben oder eingeführt habe. Beim streitgegenständlichen "Pkw-Auslandsleasing" handle es sich jedoch nicht um einen vom Steuerpflichtigen selbst hergestellten, im Inland erworbenen oder eingeführten Gegenstand.

Zudem könnte eine Besteuerungsmaßnahme, die sich auf Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie stütze, nur zulässig sein, wenn sie vorübergehender Natur wäre und dem Zweck diente, einer bestimmten konjunkturellen Lage zu begegnen (Hinweis auf das Urteil des EuGH Cookies World).

§ 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994, mit welcher Bestimmung das "Pkw-Auslandsleasing" als Eigenverbrauch der Umsatzsteuer unterzogen werde, sei zwischen dem 6. Jänner 1995 und dem 28. März 2003 ohne zeitliche Befristung in Kraft gewesen. Mit BGBl. I Nr. 10/2003 sei diese Bestimmung auch für die Zeit ab dem 29. März 2003 aufrecht erhalten und durch eine zeitliche Befristung (zunächst bis zum 31. Dezember 2005) ergänzt worden. Später sei diese Befristung mit BGBl. I Nr. 103/2005 bis zum 31. Dezember 2007 verlängert worden. Schon die insgesamt lange Geltungsdauer dieser Bestimmung vom 6. Jänner 1995 bis zum Ablauf des Streitzeitraumes 2003 und darüber hinaus spreche gegen einen vorübergehenden, konjunkturell bedingten Charakter dieser Regelung.

Aus dem Kommentar von Kolacny/Mayer, UStG2 (1997), § 1 Anm. 45 b, und den dort erläuterten Gesetzesmaterialien ergebe sich für den mit Wirksamkeit vom 6. Jänner 1995 eingeführten Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 folgende Begründung: Nach § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. b UStG 1994 sei für Leistungen im Zusammenhang mit der Miete von Pkw der Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Nehme ein Unternehmer derartige Leistungen in Österreich in Anspruch, sei er mit österreichischer Umsatzsteuer belastet und habe kein Recht zum Vorsteuerabzug. Mit dem in Rede stehenden Steuertatbestand solle erreicht werden, dass Unternehmer, die aus dem Ausland derartige Leistungen in Anspruch nähmen (gemeint: Anmieten eines Pkw für die Verwendung in Österreich bei einem ausländischen Vermieter) und solcherart im Ausland die darauf entfallende ausländische Vorsteuer abziehen könnten, mit österreichischer Umsatzsteuer belastet würden.

An diesem Regelungszweck habe sich nach Ansicht der belangten Behörde durch die Ergänzung des Tatbestandes des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 um eine Befristung nichts geändert. Grund für die Aufrechterhaltung des Tatbestandes, ergänzt durch die Befristung, sei es, massive Verlagerungen des Leasings und des Kaufes von Pkw in das Ausland zu verhindern. Dies ergebe sich aus den Erläuterungen zum Initiativantrag der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn u.a. vom 23. Jänner 2003, der zum BGBl. I Nr. 10/2003 geführt habe.

Ohne den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 wäre der Vorsteuerausschluss für Pkw nach § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. b UStG 1994 in wesentlichen Belangen seiner Wirkung beraubt. Es seien somit strukturelle Gründe, aber nicht vorübergehende, konjunkturelle Gründe, die der Gesetzgeber mit dem seit 6. Jänner 1995 in Geltung stehenden Steuertatbestand verfolge.

Somit sei diese Bestimmung auch in der ab 29. März 2003 für den Streitzeitraum geltenden Fassung nicht durch die Sechste Richtlinie gedeckt.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf § 292 BAO gestützte Beschwerde des Finanzamtes.

Das Finanzamt bringt vor, Österreich habe bei der 66. Sitzung des Mehrwertsteuerausschusses am 20. November 2002 das erste Konsultationsverfahren gemäß Art 29 der Sechsten Richtlinie eingeleitet und die konjunkturellen Gründe sowie die beabsichtigte Maßnahme iSd Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie dargelegt. Diese Konsultation sei bei der 67. Sitzung des Mehrwertsteuerausschusses zur Kenntnis genommen worden. Mit der - durch BGBl. I Nr. 10/2003 erfolgten - Einführung einer Befristung hinsichtlich der Anwendung des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 sei die weitere Voraussetzung für die Anwendung des Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie erfüllt worden.

Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie postuliere die "Wahrung gleicher Wettbewerbsverhältnisse". Das werde im gegenständlichen Fall durch § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 erreicht. Werde die Leasingleistung aus dem Ausland bezogen, stelle die Regelung die gleiche steuerliche Belastung (in Bezug auf die Umsatzsteuer) wie beim Inlandsleasing sicher.

Bei § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 handle es sich nicht um eine Maßnahme, die bereits länger bestanden und mit BGBl. I Nr. 10/2004 lediglich eine zeitliche Begrenzung erfahren habe. Die ursprüngliche Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 sei nämlich durch das Urteil des EuGH vom 11. September 2003, C- 155/01 , Cookies World, als nicht richtlinienkonform angesehen worden, weshalb sie rückwirkend nicht mehr habe angewendet werden können. Somit sei für den Zeitraum von 1995 bis 28. März 2003 eine Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 nicht vorzunehmen gewesen. Die Regelung sei daher tatsächlich erstmalig am 29. März 2003 in Kraft getreten. Schließlich werde darauf verwiesen, dass die Kommission der EG durch das Konsultationsverfahren Kenntnis von der österreichischen Regelung erlangt habe; dass es in der Folge kein durch die Kommission betriebenes Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich vor dem EuGH gegeben habe, spreche für die Unbedenklichkeit der Regelung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG lautet:

"Vorbehaltlich der im Artikel 29 vorgesehenen Konsultationen kann jeder Mitgliedstaat aus Konjunkturgründen die Investitionsgüter oder bestimmte Investitionsgüter oder andere Gegenstände von der Vorsteuerabzugsregelung teilweise oder ganz ausschließen. Die Mitgliedstaaten können zur Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen - anstatt den Vorsteuerabzug abzulehnen - die Gegenstände, welche der Steuerpflichtige selbst hergestellt oder im Inland erworben oder auch eingeführt hat, in der Weise besteuern, dass diese Steuer die Mehrwertsteuer nicht überschreitet, die beim Erwerb entsprechender Gegenstände zu entrichten wäre."

§ 3a Abs. 12 des UStG 1994 lautet:

"In den übrigen Fällen wird eine sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, so gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung."

Auf der Grundlage dieser Bestimmung ergibt sich für den Streitzeitraum, dass Pkw betreffende Leasingumsätze, auch wenn das Fahrzeug überwiegend in Österreich genutzt wird, als in jenem Mitgliedstaat ausgeführt gelten, von dem aus der Leasinggeber sein Unternehmen betreibt.

Mit BGBl. Nr. 21/1995 wurde § 1 Abs. 1 Z. 2 mit Wirksamkeit vom 6. Jänner 1995 um die lit. d ergänzt. § 1 Abs. 1 UStG 1994 idF BGBl. 21/1995 normiert:

"§ 1. (1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

  1. 1. ...
  2. 2. der Eigenverbrauch im Inland. Eigenverbrauch liegt vor,
    1. a) ...
    2. d) soweit ein Unternehmer Ausgaben (Aufwendungen) tätigt, die Leistungen im Ausland betreffen, die, wären sie im Inland an den Unternehmer ausgeführt worden, den Unternehmer nach § 12 Abs. 2 Z. 2 nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hätten; dies gilt nur insoweit, als der Unternehmer im Ausland einen Anspruch auf Vergütung der ausländischen Vorsteuer hat.

      ..."

      Mit der Regelung des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994, welche mit 6. Jänner 1995 in Kraft getreten ist, soll den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (26 BlgNR XIX. GP) zufolge erreicht werden, dass österreichische Unternehmer, die im Ausland die in der Vorsteuerausschlussbestimmung des § 12 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 angeführten Vorleistungen (unter anderem die Anmietung von Pkw) in Anspruch nehmen und im Ausland die darauf entfallende ausländische Vorsteuer abziehen können, mit österreichischer Umsatzsteuer belastet werden. Damit solle eine Gleichstellung mit jenen Unternehmern erfolgen, die derartige Leistungen im Inland beziehen und für die sich ein Vorsteuerausschluss aus § 12 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 ergibt (vgl. hiezu den hg Beschluss vom 29. März 2001, 2000/14/0155).

      Mit BGBl. I Nr. 10/2003 wurde in § 1 Abs. 1 Z. 2 UStG 1994 folgender Satz angefügt (mit Wirksamkeit nach Art. 49 Abs. 1 B-VG ab 29. März 2003):

      "Lit. d ist auf Umsätze anzuwenden, die vor dem 1. Jänner 2006 ausgeführt werden;"

      Die Regelung wurde mit BGBl. I Nr. 134/2003 (mit Wirksamkeit ab 2004) inhaltsgleich von der lit. d in die lit. b des § 1 Abs. 1 Z. 2 UStG 1994 überführt.

      Mit BGBl. I Nr. 103/2005 wurde die zeitliche Beschränkung verlängert auf Umsätze, die vor dem 1. Jänner 2008 ausgeführt werden.

      Mit BGBl. I Nr. 99/2007 wurde die zeitliche Beschränkung verlängert auf Umsätze, die vor dem 1. Jänner 2011 ausgeführt werden.

      Dem Initiativantrag vom 23. Jänner 2003, auf welchen die mit BGBl. I Nr. 10/2003 vorgenommene Novellierung zurückgeht (GP XXII, IA 34/A) weist folgende Begründung auf (siehe Bericht des Budgetausschusses GP XXII, AB 16 S):

      "Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wurde die Ortsbestimmung bei der Vermietung von Kraftfahrzeugen entsprechend der 6. EG Richtlinie dahingehend geändert, dass der Ort der Vermietung dort liegt, wo der Vermieter den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat.

      Um den Vorsteuerausschluss im bisherigen Ausmaß beibehalten zu können, wurde der Steuertatbestand des § 1 Abs 1 Z 2 lit d geschaffen. Danach wird die Vermietung (das Leasing) mit einer Steuer belegt, soweit der Vermietungsumsatz gemäß Art 9 Abs 1 der

      6. EG-Richtlinie im Ausland liegt und dieser Umsatz dort zum Vorsteuerabzug führt, das Kraftfahrzeug jedoch im Inland verwendet bzw. genutzt wird.

      Die Richtlinienkonformität des § 1 Abs 1 Z 2 lit d wurde vom Verwaltungsgerichtshof bezweifelt und von diesem ein Vorabentscheidungsersuchen beim Europäischen Gerichtshof gestellt. Dieses Verfahren ist derzeit unter der Rechtssache C-155/01 anhängig.

      In den Schlussanträgen kommt der Generalanwalt aus verschiedenen Gründen zu dem Ergebnis, dass die Bestimmung des § 1 Abs 1 Z 2 lit d nicht den Bestimmungen der 6. EG-Richtlinie entspricht.

      Folgt der Europäische Gerichtshof der Argumentation des Generalanwaltes würde das bereits ab Beginn 2003 massive Verlagerungen des Inlandsleasings und des Inlandskaufes (Substituierung durch Leasing) ins Ausland bedeuten. Damit wären Einnahmenausfälle in Höhe von ca 350 Mio EUR verbunden.

      Gemäß Art 17 Abs 7 der 6. EG-Richtlinie kann ein Mitgliedstaat aus konjunkturellen Gründen das Recht auf Vorsteuerabzug ausschließen bzw., wenn keine Mehrwertsteuerbelastung stattgefunden hat, in der Weise eine Besteuerung durchführen, dass diese Steuer die Mehrwertsteuer nicht überschreitet, die beim entsprechenden Erwerb zu entrichten wäre. Eine solche Bestimmung muss zeitlich beschränkt sein und ist nur nach der in Art. 29 der 6. EG-Richtlinie geregelten Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses zulässig.

      Die bestehende Regelung des § 1 Abs 1 Z 2 lit d soll daher unter Bezugnahme auf Art 17 Abs 7 der 6. EG-Richtlinie bis Ende 2005 beibehalten werden.

      Österreich hat bei der 66. Sitzung des Mehrwertsteuerausschusses am 20. November 2002 das Konsultationsverfahren gemäß Art 29 der 6. EG-Richtlinie eingeleitet und die konjunkturellen Gründe sowie die beabsichtigte Maßnahme im Sinne des Art 17 Abs 7 der 6. EG-Richtlinie dargelegt. Die Konsultation Österreichs wurde bei der 67. Sitzung des Mehrwertsteuerausschusses am 8. Jänner 2003 zur Kenntnis genommen.

      Ergeht ein negatives Urteil des Europäischen Gerichtshofes, ist das Urteil auf Sachverhalte nach dem Inkrafttreten der Befristung des § 1 Abs 1 Z 2 lit d nicht mehr anzuwenden.

      Es ist zu erwarten, dass es auf Grund der Initiativen der Europäischen Kommission (Richtlinienvorschlag betreffend grenzüberschreitender Vorsteuerabzug bzw. betreffend Änderung von Art 9 der 6. EG-Richtlinie - Ort der sonstigen Leistung) in ein bis zwei Jahren zu der bisher von Österreich praktizierten Besteuerung am Verbrauchsort kommen wird."

      Der Verwaltungsgerichtshof hatte mit Beschluss vom 29. März 2001, 2000/14/0155, dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

      "Ist es mit der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, insbesondere deren Artikel 5 und 6, vereinbar, dass ein Mitgliedstaat folgenden Vorgang als steuerpflichtigen Umsatz behandelt: das Tätigen von Ausgaben, die Leistungen im Ausland betreffen, die, wären sie im Inland an den Unternehmer ausgeführt worden, den Unternehmer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten?"

      Der EuGH ist daraufhin im Urteil vom 11. September 2003, C- 155/01 , Cookies World, ÖStZB 2004/280, zum Ergebnis gekommen, dass die Sechste Richtlinie einer Bestimmung wie § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 entgegensteht, mit der ein Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat erbrachte Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterwirft, indem er das Vorliegen eines Eigenverbrauchs annimmt, soweit ein Unternehmer Ausgaben (Aufwendungen) tätigt, die Leistungen im Ausland betreffen, die, wären sie im Inland an den Unternehmer ausgeführt worden, den Unternehmer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hätten, wobei diese Unterwerfung unter die Mehrwertsteuer insoweit gilt, als der Unternehmer im Ausland einen Anspruch auf Vergütung der ausländischen Vorsteuer hat.

      In Rz 67 führt der EuGH aus:

      "Was Art 17 Abs 7 der Sechsten Richtlinie betrifft, auf den sich die österreichische Regierung mittelbar beruft, so steht - ohne dass die Frage beantwortet zu werden braucht, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Maßnahmen vorübergehender Natur sind und ob sie einer bestimmten konjunkturellen Lage begegnen sollen - fest, dass die österreichischen Behörden vor Erlass des § 1 Abs 1 Z 2 lit d UStG 1994 nicht den Mehrwertsteuerausschuss konsultiert haben. Die österreichische Regierung kann sich daher nicht zu Lasten der Steuerpflichtigen auf Art 17 Abs 7 der Sechsten Richtlinie berufen (siehe Urteil vom 11. Juli 1991 in der Rechtssache C-97/90 , Lennartz, Slg. 1991, I-3795, Rn 34, analog zu Art 27 Abs 1 und 5 der Sechsten Richtlinie)."

      In Punkt 2 des Urteilstenors des EuGH-Urteils vom 8. Januar 2002, C-409/99 , Metropol Treuhand WirtschaftstreuhandgmbH, ÖStZB 2002/768, wird ausgeführt, Art. 17 Abs. 7 Satz 1 der Sechsten Richtlinie sei so auszulegen, dass diese Bestimmung einen Mitgliedstaat nicht ermächtige, ohne vorherige Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses Gegenstände vom Vorsteuerabzug auszuschließen. Diese Bestimmung ermächtige einen Mitgliedstaat auch nicht, zum Ausschluss von Gegenständen vom Vorsteuerabzug Maßnahmen zu erlassen, die keine Angaben zu ihrer zeitlichen Begrenzung enthielten und/oder zu einem Paket von Strukturanpassungsmaßnahmen gehörten, mit denen bezweckt ist, das Haushaltsdefizit zu verringern und eine Rückzahlung der Staatsschulden zu ermöglichen.

      Im Urteil vom 14. September 2006, C-228/05 , Stradasfalti Srl, ÖStZB 2007/471, führt der EuGH in Rn 50 aus, Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie habe die vorherige Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses zur Voraussetzung. Die Konsultation dieses Ausschusses sei eine Vorbedingung für den Erlass jeder auf dieser Bestimmung beruhenden Maßnahme.

      In den Rn 53 und 54 dieses Urteils führt der EuGH aus, Art .17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie ermächtige einen Mitgliedstaat, zeitlich begrenzte Maßnahmen zu erlassen, um einer konjunkturellen Lage gegenzusteuern, in der sich seine Wirtschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt befinde. Daher müsse die Anwendung der Maßnahmen, auf die sich diese Bestimmung beziehe, zeitlich begrenzt sein. Es dürfe sich dabei nicht um strukturelle Maßnahmen handeln. Art. 17 Abs. 7 Satz 1 der Sechsten Richtlinie ermächtige einen Mitgliedstaat nicht, Maßnahmen zu erlassen, die keine Angaben zu ihrer zeitlichen Begrenzung enthielten und/oder zu einem Paket von Strukturanpassungsmaßnahmen gehörten, mit denen bezweckt sei, das Haushaltsdefizit zu verringern und eine Rückzahlung der Staatsschulden zu ermöglichen.

      Die im gegenständlichen Fall strittige Regelung des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 ist schon vor dem Inkrafttreten des BG BGBl. I Nr. 10/2003 in Kraft getreten und hat mit eben diesem Gesetz nichts anderes als lediglich erstmalig eine Befristung erfahren. Da aber Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie als Voraussetzung, der die Mitgliedstaaten genügen müssen, um sich auf die Ausnahmeregelung berufen zu können, die dem Erlass der Regelung vorangehende Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses enthält, ist es bereits aus diesem Grund ausgeschlossen, dass die Regelung des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 durch Art. 17 Absatz 7 der Sechsten Richtlinie gedeckt ist.

      Das beschwerdeführende Finanzamt bringt in diesem Zusammenhang vor, bei § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 handle es sich deshalb nicht um eine Maßnahme, die bereits länger (also vor dem 29. März 2003) bestanden habe, weil auf Grund des Urteils des EuGH vom 11. September 2003, Cookies World, für den Zeitraum von 1995 bis 28. März 2003 eine Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 nicht vorzunehmen gewesen sei, sodass die Regelung erstmalig am 29. März 2003 in Kraft getreten sei.

      Mit diesem Vorbringen verkennt das Finanzamt, dass § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 idF BGBl. 21/1995 auch für den Zeitraum vom 6. Jänner 1995 bis zum 28. März 2003 Teil der österreichischen Rechtsordnung ist, auch wenn die Regelung wegen des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts nicht zu Lasten der Steuerpflichtigen angewendet werden darf. Solcherart liegt hinsichtlich der Struktur des zeitlichen Anwendungsbereiches eine Vergleichbarkeit mit der dem Urteil des EuGH Stradasfalti Srl zu Grunde liegenden italienischen Regelung vor. In Rn 48 jenes Urteils führt der EuGH aus, dass die strittige italienische Regelung schon vor den betroffenen Streitjahren in Kraft getreten und in der Folge verlängert worden sei und bloß dem Ergehen der die Streitjahre betreffenden Verlängerungsregelung Konsultationen des Mehrwertsteuerausschusses vorausgegangen seien. Auch zu dieser italienischen Regelung zeigt der EuGH in Rn 50 seines Urteils auf, dass gemäß Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie ihrem Erlass Konsultationen des Mehrwertsteuerausschusses hätten vorausgehen müssen.

      Wie bereits dargestellt, hat der EuGH im Urteil Metropol sowie im Urteil Stradasfalti Srl zum Ausdruck gebracht, Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie ermächtige nicht zu Maßnahmen, die keine Angaben zu ihrer zeitlichen Begrenzung enthielten und/oder zu einem Paket von Strukturanpassungsmaßnahmen gehörten, mit denen bezweckt sei, das Haushaltsdefizit zu verringern und eine Rückzahlung der Staatsschulden zu ermöglichen.

      In Rn 65 des Urteils Stradasfalti Srl betont der EuGH, dass der dort betroffene Ausgangsrechtsstreit zwar nur die im Lauf der Jahre 2000 bis 2004 entrichtete Mehrwertsteuer betreffe und dies Jahre seien, in denen die Anfragen zur Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses vor dem Ergehen der nationalen Verlängerungsmaßnahme erfolgt seien, dass allerdings die Maßnahmen schon vor diesen Jahren in Kraft getreten und systematisch verlängert worden seien. Der EuGH führt dann in Rn 67 u.a. aus:

      "Im Ausgangsverfahren steht fest - und zwar obwohl die italienische Regierung vorträgt, dass die Anfragen zur Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses in den Jahren 1999 und 2000 dem Erlass der nationalen Maßnahme vorausgegangen seien, die die vom Grundsatz des Vorsteuerabzugs abweichende Vorschrift verlängert habe -, dass diese Vorschrift, sieht man von Änderungen mit geringerer Bedeutung ab, seit 1980 durch die italienische Regierung systematisch beibehalten wurde. Unter diesen Umständen kann sie keinen zeitlich begrenzten Charakter haben und nicht mehr als durch Konjunkturgründe gerechtfertigt angesehen werden. Folglich muss diese Maßnahme als Bestandteil eines Pakets von Strukturanpassungsmaßnahmen angesehen werden, die nicht in den Anwendungsbereich von Art 17 Abs 7 der Sechsten Richtlinie fallen."

      Aus den gleichen Überlegungen, wie sie Rn 67 des Urteils Stradasfalti Srl zu Grunde liegen, mangelt auch der im gegenständlichen Fall zu prüfenden Regelung des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 der Charakter einer zeitlich begrenzten Maßnahme.

      Die Deckung durch Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie ist aber auch aus dem von der belangten Behörde angeführten Grund ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber die konkreten konjunkturellen Gründe nicht benennt. Wenn sich Gesetzesmaterialien darauf beschränken, einen Teil des Tatbestandes des Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie ("aus konjunkturellen Gründen") zu referieren, die konkreten Konjunkturgründe aber nicht erkennen lassen, erweist sich dies als für die Anwendung des Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie nicht ausreichend.

      Das beschwerdeführende Finanzamt bringt in der Beschwerde auch vor, dass durch § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 die "Wahrung gleicher Wettbewerbsverhältnisse" erreicht werde, weil dadurch sichergestellt sei, dass Leasingleistungen stets zur gleichen umsatzsteuerlichen Belastung führen. Hiezu ist darauf zu verweisen, dass auch dieser Umstand nicht die Schaffung von durch die Sechste Richtlinie nicht vorgesehenen Umsatzsteuertatbeständen erlaubt. Wettbewerbsunterschiede bei grenzüberschreitenden Leistungen sind im gegenständlichen Fall auf den - gemeinschaftsrechtlich derzeit hingenommenen - Mangel der Harmonisierung des Umfanges der Vorsteuerausschlüsse in den Mitgliedstaaten zurückzuführen.

      Schon aus den angeführten Gründen kommt es nicht in Betracht, dass die Regelung des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 durch Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie gedeckt ist (vgl. auch Beiser, Steuern6, 285). Es braucht daher nicht geprüft zu werden, ob die Festlegung dieses Steuertatbestandes, der die Steuerpflicht an das Tätigen von bestimmten Ausgaben (Aufwendungen) knüpft, überhaupt ihrer Art nach eine Maßnahme iSd Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie darstellen kann (siehe hiezu Tumpel, SWK 2003, S 232 (S 236)).

      Aus den im Urteil des EuGH Cookies World dargestellten Überlegungen ergibt sich daher, dass die Regelung des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 nicht anzuwenden ist.

      Auf die - im Übrigen unsubstanziierte - Beschwerdebehauptung betreffend die Beurteilung der Regelung des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften braucht nicht eingegangen zu werden, zumal eine Bindung an eine allfällige Beurteilung durch die Kommission nicht besteht.

      Die Beschwerde des Finanzamtes erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

      Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

      Wien, am 2. September 2009

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