VwGH 2008/13/0072

VwGH2008/13/007218.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf in 1153 Wien, Ullmannstraße 54, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 6. März 2008, Zl. RV/0297- W/08, betreffend Familienbeihilfe für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2006 (mitbeteiligte Partei: B in W), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §26 Abs2;
FamLAG 1967 §5 Abs3;
BAO §26 Abs2;
FamLAG 1967 §5 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Mitbeteiligte, ein rumänischer Staatsbürger, lebt seit September 2005 mit seiner Ehefrau und der im Dezember 1986 geborenen Tochter in Österreich. Die Tochter studiert sei Oktober 2005 an der Webster Universität in Wien. Sie erhielt im Dezember 2005 eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 des Fremdengesetzes 1997.

Strittig ist der Anspruch des Mitbeteiligten auf Familienbeihilfe für seine Tochter für den Zeitraum von Jänner 2006 bis Dezember 2006 (vor dem EU-Beitritt Rumäniens).

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten gegen einen seinen Antrag auf Familienbeihilfe für den Zeitraum ab Jänner 2006 abweisenden Bescheid des Finanzamtes Folge. Sie hob den erstinstanzlichen Bescheid auf und sprach aus, für die Tochter des Mitbeteiligten bestehe für den Zeitraum 1. Jänner 2006 bis 31. Dezember 2006 Anspruch auf Familienbeihilfe.

In der Begründung dieser Entscheidung setzte sich die belangte Behörde mit den Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 und 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/2005 im Einzelnen auseinander und bejahte deren Vorliegen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die vorliegende Amtsbeschwerde ausschließlich unter dem Gesichtspunkt, dass der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 3 FLAG vorliege. Die Tochter des Mitbeteiligten verfüge nur über eine Aufenthaltsbewilligung als Studierende. Derartige Aufenthaltstitel würden jeweils nur für ein Jahr gewährt, die Verlängerung sei von einem gewissen Ausbildungserfolg abhängig und bis zum Abschluss der Ausbildung möglich. Es bestehe jedoch kein Rechtsanspruch auf den Erhalt eines weiteren Aufenthaltstitels. Der Aufenthalt der Tochter des Mitbeteiligten sei daher "unabhängig davon, dass sich ein Studium naturgemäß über mehrere Jahre erstreckt," ein bloß vorübergehender. Dies bedeute, dass sie sich während des verfahrensgegenständlichen Zeitraums im Sinne des § 5 Abs. 3 FLAG "ständig im Ausland" aufgehalten habe. Ihr physischer Aufenthalt im Inland wird in der Amtsbeschwerde nicht in Frage gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG besteht "für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten", kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Der ständige Aufenthalt im Sinne dieser Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs. 2 BAO zu beurteilen. Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Diese nicht auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen abstellende Beurteilung ist nach objektiven Kriterien zu treffen. Ein Aufenthalt in dem genannten Sinne verlangt grundsätzlich körperliche Anwesenheit. Daraus folgt auch, dass eine Person nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann. Um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrecht zu erhalten, ist aber keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. April 2009, Zl. 2008/15/0323, mit weiteren Hinweisen).

Die Amtsbeschwerde macht nicht geltend, den objektiven Umständen nach sei von einem bloß einjährigen Studienaufenthalt auszugehen gewesen. Sie vertritt - unter ausdrücklicher Einräumung der üblicherweise mehrjährigen Dauer eines Studiums - vielmehr die Auffassung, der Inlandsaufenthalt sei wegen der Beschränkung des Aufenthaltszweckes auf das Studium ein bloß vorübergehender. Träfe dies zu, so würde dies - im Sinne der Amtsbeschwerde - nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeuten, dass der "Zustand des Verweilens" in Rumänien auch durch ein mehrjähriges Studium der Tochter des Mitbeteiligten in Österreich nicht unterbrochen und sie sich während des Studiums im Inland "ständig im Ausland" aufhalten würde.

Erstreckt sich ein Aufenthalt über einen "längeren Zeitraum", so liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber "jedenfalls" ein "nicht nur vorübergehendes Verweilen" vor (vgl. in diesem Sinn etwa das hg. Erkenntnis vom 28. November 2007, Zl. 2007/15/0055). Ein Aufenthalt ist demnach nicht schon dann "vorübergehend" im Sinne dieser Rechtsprechung, wenn er zeitlich begrenzt ist. Dass sich die Tochter des Mitbeteiligten für einen "längeren Zeitraum" im Inland aufhält, ist auch unter Bedachtnahme auf die Ausführungen in der Amtsbeschwerde nicht zweifelhaft. Damit steht aber fest, dass der "Zustand des Verweilens" in Rumänien während des strittigen Zeitraumes unterbrochen war und sich die Tochter des Mitbeteiligten nicht ständig im Ausland aufhielt (vgl. zum Besuch eines Gymnasiums in Österreich das hg. Erkenntnis vom 21. September 2009, Zl. 2009/16/0178; zum umgekehrten Fall eines Schulbesuchs oder Studiums im Ausland etwa die Erkenntnisse vom 20. Juni 2000, Zl. 98/15/0016, vom 28. November 2002, Zl. 2002/13/0079, vom 2. Juni 2004, Zl. 2001/13/0160, vom 27. April 2005, Zl. 2002/14/0050, und vom 15. November 2005, Zl. 2002/14/0103; zur Unschädlichkeit des Fehlens eines zu dauerndem Aufenthalt berechtigenden Aufenthaltstitels zuletzt die hg. Erkenntnisse vom 12. Oktober 2009, Zl. 2009/16/0208, sowie - darauf verweisend - vom 5. November 2009, Zl. 2009/16/0215 und Zl. 2009/16/0239).

Die Amtsbeschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 18. November 2009

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