VwGH 2008/03/0099

VwGH2008/03/009929.10.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des CO in L, vertreten durch Dr. Robert Müller und Mag. Gregor Riess, Rechtsanwälte in 3170 Hainfeld, Hauptstraße 35, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 2. Juni 2008, Zl. E1/7914/2008, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1996 §25 Abs2;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z1;
WaffG 1996 §8 Abs1;
WaffG 1996 §8 Abs3;
WaffG 1996 §25 Abs2;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z1;
WaffG 1996 §8 Abs1;
WaffG 1996 §8 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 12. März 2008 entzog die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld dem Beschwerdeführer gemäß §§ 25 Abs 2 und 3 iVm § 8 Abs 1 des Waffengesetzes 1996 (WaffG) die ihm am 24. August 2007 unter der Nr A-01 für zwei Stück genehmigungspflichtige Schusswaffen ausgestellte Waffenbesitzkarte.

Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe keine Folge, dass sich die Entziehung auf §§ 8 Abs 1 Z 1 und 2 und § 25 Abs 2 und 3 WaffG stützt.

Begründend wurde Folgendes ausgeführt: Die Erstbehörde habe ihre Entscheidung damit begründet, der Beschwerdeführer wäre nach dem Abschlussbericht der Polizeiinspektion Hainfeld vom 6. Februar 2008 für den Bezirksanwalt des Bezirksgerichts Lilienfeld verdächtig, dass er am 31. Jänner 2008 um 13.55 Uhr in einem näher bezeichneten Wald (am Fuße der A-Burg) mit seiner Faustfeuerwaffe, Glock 17, geschossen hätte. Danach hätte er eine Zielscheibe an einem Baum montiert und neun Schüsse auf die Scheibe abgefeuert. Das Waldstück wäre nicht eingefriedet und für jedermann zugänglich. Der Beschwerdeführer hätte also seine Waffe an einem frei zugänglichen Ort nicht nur geführt, sondern sie auch benützt, obwohl er lediglich im Besitz einer Waffenbesitzkarte wäre und ihn dieses Dokument nicht zum Führen einer Waffe berechtigt hätte. Daraus habe die Erstbehörde geschlossen, dass beim Beschwerdeführer die waffenrechtliche Verlässlichkeit iSd § 8 WaffG nicht mehr vorläge.

Die dagegen gerichtete Berufung sei im Wesentlichen damit begründet worden, dass für die Schießübungen des Beschwerdeführers ein ausreichender Kugelfang vorhanden gewesen und deshalb niemand gefährdet worden wäre. Außerdem hätte er die Munition von der Waffe getrennt transportiert, weshalb kein Führen der Waffe vorgelegen wäre. Selbst wenn ein Führen anzunehmen wäre, würde dies für sich alleine nicht rechtfertigen, die Verlässlichkeit zu verneinen, ohne sämtliche Umstände, insbesondere auch den vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Armeeeinsatz, zu berurteilen.

Unstrittig sei, dass der Beschwerdeführer seine Faustfeuerwaffe ungeladen von sich zu Hause zu dem besagten Waldstück transportiert habe, dass dieses Grundstück nicht eingefriedet und somit für jedermann zugänglich sei. Nach seinen eigenen Angaben habe der Beschwerdeführer aus einer Entfernung von ca 20 m neun Schüsse auf eine Zielscheibe abgegeben, die er zuvor auf einem Baum befestigt habe. Damit stehe fest, dass der Beschwerdeführer seine Faustfeuerwaffe unberechtigt geführt habe. Das Zielschießen setze denklogisch voraus, dass der Beschwerdeführer die Waffe geladen und damit auch Schüsse abgegeben habe. Nachdem dies auf einem frei zugänglichen und in keiner Weise eingefriedeten Grundstück erfolgt sei, habe er seine Waffe auch iSd § 7 Abs 1 WaffG geführt, ohne im Besitz eines Waffenpasses gewesen zu sein.

In seiner Aussage vor der Polizeiinspektion Hainfeld und bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Erstbehörde habe der Beschwerdeführer angegeben, er hätte sich vergewissert, dass sich in der Umgebung, wo er geschossen hätte, keine Personen oder Tiere anwesend gewesen wären und dass er einen ausreichenden Kugelfang gehabt hätte. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Kugelfang ausreichend gewesen sei, liege diesem Verhalten eine grobe Fahrlässigkeit zugrunde. Der Beschwerdeführer habe es nämlich definitiv unterlassen, Sicherungsposten im Bereich des Schussfeldes aufzustellen. Ein derartiges Vorgehen stelle (unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. September 1991, Zl 91/01/0049) mit Sicherheit einen Verstoß gegen das Gebot dar, mit Waffen sorgfältig und sachgemäß umzugehen.

Durch das unbefugte Führen seiner Faustfeuerwaffe habe der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, der unter die Bestimmung des § 50 Abs 1 Z 1 WaffG zu subsumieren sei. Unbefugt führe nämlich eine genehmigungspflichtige Schusswaffe, wem die hiezu waffenrechtlich erforderliche Befugnis fehle, wobei sich diese Befugnis entweder unmittelbar aus dem Gesetz (vgl etwa §§ 14 und 46 WaffG) oder aus individuell erteilten öffentlichrechtlichen Berechtigungen (vgl insbesondere § 21 Abs 2 WaffG) ergeben könne. Dass die vom Beschwerdeführer geführte Schusswaffe der Marke Glock 17 eine genehmigungspflichtige Schusswaffe darstelle, stehe fest.

Der Beschwerdeführer habe durch das widerrechtliche Führen seiner genehmigungspflichtigen Schusswaffe und die Durchführung von Schießübungen außerhalb eines behördlich genehmigten Schießplatzes, nämlich auf einem allgemein zugänglichen, nicht eingefriedeten Gelände, den Tatbestand des § 8 Abs 1 Z 1 WaffG, und ferner dadurch, dass er Schießübungen auf einem allgemein zugänglichen, nicht eingefriedeten Grundstück durchgeführt habe, ohne einen Sicherungsposten aufzustellen, den Tatbestand nach § 8 Abs 1 Z 2 WaffG verwirklicht. Eine Zusammenschau dieser Fakten ergebe, dass beim Beschwerdeführer die unbedingt erforderliche waffenrechtliche Verlässlichkeit nicht mehr vorliege.

In der Berufung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, er sei Korporal der Reserve und werde im Rahmen eines AUCON-Einsatzes von April bis September im Kosovo tätig und dort mit halbgeladenen Waffen (konkret StG 77, Pistole, Unterlaufgranatwerfer) ausgestattet sein, weshalb schon allein deshalb von einer waffenrechtlichen Zuverlässigkeit auszugehen sei. Damit vermöge der Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil das Führen von Dienstwaffen durch das WaffG gemäß seinem § 47 nicht erfasst werde; im Übrigen sei es keine Seltenheit, dass jemandem die "zivile" waffenrechtliche Verlässlichkeit entzogen werde, und er in Ausübung seines Dienstes oder Amtes dennoch zum Tragen einer Waffe berechtigt sei.

Der bezüglich des Beschwerdeführers festgestellte Sachverhalt - missbräuchliches und leichtfertiges Verwenden einer Waffe, unvorsichtiges Umgehen mit der Waffe - sei derart gravierend, dass er als Grundlage für die Annahme, der Beschwerdeführer sei waffenrechtlich nicht mehr verlässlich, ausreiche.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Nach § 25 Abs 2 WaffG hat die Behörde die Verlässlichkeit des Inhabers einer waffenrechtlichen Urkunde zu überprüfen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist. Gemäß § 25 Abs 3 WaffG hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich ergibt, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist. Bezüglich der Verlässlichkeit ordnet § 8 Abs 1 leg cit insbesondere Folgendes an:

"Verläßlichkeit

§ 8. (1) Ein Mensch ist verläßlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß er

  1. 1. Waffen mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
  2. 2. mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;

    3. Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind.

    ...".

    Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Wertung einer Person als "verlässlich" iSd WaffG ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart ins Auge zu fassen, weil der Begriff der Verlässlichkeit der Ausdruck ihrer Wesenheit, nicht aber ein Werturteil über ihr Tun und Lassen im Einzelfall ist. Bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften einer Person können demnach die Folgerung rechtfertigen, dass die vom WaffG geforderte Verlässlichkeit nicht gewährleistet ist. Der Gerichtshof hat auch in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelung des WaffG bei der Prüfung der Verlässlichkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist. Die solcherart anzustellende Verhaltensprognose kann dabei bereits auf der Grundlage eines einzigen Vorfalles wegen besonderer Umstände den Schluss rechtfertigen, der vom Entzug waffenrechtlicher Urkunden Betroffene biete keine hinreichende Gewähr mehr, dass er von Waffen keinen missbräuchlichen oder leichtfertigen Gebrauch machen werde (vgl etwa das Erkenntnis vom 14. November 2006, Zl 2005/03/0072, mwH).

    Nach § 7 Abs 1 WaffG führt eine Waffe, wer sie bei sich hat. Eine Waffe führt gemäß § 7 Abs 2 leg cit jedoch nicht, wer sie innerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder eingefriedeten Liegenschaften mit Zustimmung des zu ihrer Benützung Berechtigten bei sich hat. Weiters führt eine Waffe nach § 7 Abs 3 leg cit nicht, wer sie - in den Fällen einer Schußwaffe ungeladen - in einem geschlossenen Behältnis und lediglich zu dem Zweck, sie von einem Ort zum anderen zu bringen, bei sich hat (Transport).

    2. Unstrittig ist vorliegend, dass der Beschwerdeführer seine Faustfeuerwaffe in der im bekämpften Bescheid beschriebenen Weise zu Schießübungen im freien Gelände verwendete. Die belangte Behörde hat die Unzuverlässigkeit des Beschwerdeführers darauf gestützt, er sei selbst unter der Annahme, dass (wie von ihm vorgebracht) bei diesen Schießübungen ausreichender Kugelfang vorhanden gewesen sei, infolge des Unterlassens des Aufstellens von Sicherungsposten im Bereich des Schussfeldes mit der Waffe nicht sorgfältig und sachgemäß umgegangen (vgl § 8 Abs 1 Z 2 WaffG). Zudem habe der Beschwerdeführer seine Schusswaffe auf einem allgemein zugänglichen, nicht eingefriedeten Gelände geführt (vgl § 8 Abs 1 Z 1 WaffG).

    Diese Beurteilung kann nicht als rechtswidrig eingestuft werden. Der Beschwerdeführer vermag die Ausführungen der belangten Behörde, dass er beim Vorgang der Abgabe der Schüsse seine Faustfeuerwaffe jedenfalls geführt habe, nicht wirksam zu entkräften, zumal sein Vorbringen, die Waffe zum Platz der Schießübungen ungeladen und getrennt von der Munition transportiert zu haben, an diesem Führen der Waffe nichts zu ändern vermag. Durch das Unterlassen des Aufstellens von Sicherungsposten hat der Beschwerdeführer ferner der mit dem Besitz von Waffen verbundenen Pflicht des vorsichtigen und sachgemäßen Umganges mit denselben, an die ein strenger Maßstab anzulegen ist, maßgeblich zuwidergehandelt. Dies vor dem Hintergrund, dass im freien Gelände mangels gegenläufiger Anhaltspunkte - solche sind vorliegend nicht gegeben, auch der Beschwerdeführer hat solche nicht konkret behauptet - immer die Gefahr gegeben ist, dass unbeteiligte Personen oder auch Tiere völlig unvorhergesehen in das Schussfeld geraten können (vgl das zum Waffengesetz 1986 ergangene, aber insofern einschlägige hg Erkenntnis vom 18. September 1991, Zl 91/01/0049).

    Da das WaffG auf Menschen hinsichtlich jener Waffen und Munition, die ihnen auf Grund eines öffentlichen Amtes oder Dienstes von ihrer vorgesetzten österreichischen Behörde oder Dienststelle als Dienstwaffe zugeteilt worden sind, nicht anzuwenden ist (vgl § 47 Abs 1 Z 2 lit a leg cit), vermag der Beschwerdeführer schließlich mit seinem Hinweis auf einen Einsatz als Angehöriger des Bundesheeres im Kosovo, bei dem er mit Waffen ausgestattet sei, nichts zu gewinnen.

    3. Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

    4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

    Wien, am 29. Oktober 2009

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