VwGH 2007/21/0064

VwGH2007/21/00648.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des G, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 18. Jänner 2007, Zl. UVS- 01//40/298/2007-3, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36;
FrPolG 2005 §125 Abs3;
FrPolG 2005 §126 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36;
FrPolG 2005 §125 Abs3;
FrPolG 2005 §126 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde eine vom Beschwerdeführer, einem armenischen Staatsangehörigen, eingebrachte Schubhaftbeschwerde gemäß § 83 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) in Verbindung mit § 67c Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) als unbegründet ab und stellte unter einem fest, dass im Zeitpunkt dieser Entscheidung die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorlägen. Weiters verpflichtete sie den Beschwerdeführer zum Kostenersatz.

Begründend führte die belangte Behörde - zusammengefasst und soweit hier wesentlich - aus, der Beschwerdeführer sei in der Nacht vom 21. Dezember 2001 auf den 22. Dezember 2001 unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Am 22. Dezember 2001 sei gegen ihn ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes (bis 22. Dezember 2006 gültiges) Aufenthaltsverbot erlassen worden. In weiterer Folge habe der Beschwerdeführer am 23. Dezember 2001 einen Asylantrag gestellt. Das Verfahren über diesen sowie jenes über einen später eingebrachten Asylantrag sei eingestellt worden. Am 19. August 2002 habe der Beschwerdeführer einen dritten Asylantrag gestellt. Infolge einer im Jahr 2003 gegen den Beschwerdeführer ergangenen strafgerichtlichen Verurteilung sei von der Bundespolizeidirektion Wien gegen ihn ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden, wobei ihm der diesbezügliche Aufenthaltsverbotsbescheid am 18. März 2003 zugestellt worden sei. Mit Bescheid vom 8. September 2003 sei der Asylantrag des Beschwerdeführers vom Bundesasylamt abgewiesen worden, gleichzeitig habe das Bundesasylamt die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Armenien für zulässig erklärt. Einer dagegen gerichteten Berufung habe der unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 30. November 2006, welcher am 6. Dezember 2006 in Rechtskraft erwachsen sei, keine Folge gegeben.

Der Beschwerdeführer sei auf Grund eines von der Bundespolizeidirektion Wien erlassenen Schubhaftbescheides ab 9. Jänner 2007 in Schubhaft angehalten worden. Die Bundespolizeidirektion Wien habe den Schubhaftbescheid auf § 76 Abs. 1 FPG gestützt und damit begründet, dass die Anhaltung des Beschwerdeführers zur Sicherung seiner Abschiebung erfolge.

Das von der Bundespolizeidirektion Wien erlassene, am 2. April 2003 in Rechtskraft erwachsene Aufenthaltsverbot, welches nach dem Fremdengesetz 1997 (FrG) ergangen sei, gelte - so die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Begründung - gemäß § 125 Abs. 3 FPG als Aufenthaltsverbot nach diesem Gesetz. Es liege daher ein durchsetzbarer Titelbescheid vor. Sohin sei die maßgebliche Voraussetzung dafür, dass die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt werden dürfe, nämlich das Bestehen eines rechtskräftigen Titelbescheides (Ausweisung oder Aufenthaltsverbot) gegeben. Im Weiteren legte die belangte Behörde dar, weshalb ihrer Ansicht nach auf Grund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers dessen Anhaltung in Schubhaft notwendig und verhältnismäßig gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei In-Kraft-Treten des FPG (das war gemäß § 126 Abs. 1 FPG der 1. Jänner 2006) noch nicht abgelaufen sind, gelten nach § 125 Abs. 3 FPG als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer. Besteht gegen einen Fremden, der am 1. Jänner 2006 Asylwerber ist, ein Aufenthaltsverbot, so gilt dieses Aufenthaltsverbot als Rückkehrverbot.

Die belangte Behörde erachtet die Anhaltung des Beschwerdeführers zur Sicherung seiner Abschiebung auf Grund des gegen ihn nach dem FrG erlassenen (unbefristeten) Aufenthaltsverbots für zulässig, weil dieses gemäß § 125 Abs. 3 (erster Satz) FPG auch nach Inkrafttreten des FPG als Aufenthaltsverbot weiter gelte. Dabei beachtete die belangte Behörde aber nicht, dass gemäß § 125 Abs. 3 zweiter Satz FPG dieses Aufenthaltsverbot auf Grund dessen, dass der Beschwerdeführer am 1. Jänner 2006 unstrittig Asylwerber war (nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid war das Asylverfahren des Beschwerdeführers am 1. Jänner 2006 anhängig und wurde erst am 6. Dezember 2006 rechtskräftig beendet), nicht als Aufenthaltsverbot, sondern als Rückkehrverbot weiter galt. Dieses Rückkehrverbot durfte nicht in ein - zumal durchsetzbares - Aufenthaltsverbot umgedeutet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2009, Zl. 2008/21/0647). Feststellungen dahingehend, dass gegen den Beschwerdeführer eine Ausweisung erlassen worden wäre, wodurch sich das Rückkehrverbot (wieder) in ein Aufenthaltsverbot gewandelt hätte (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. Februar 2007, Zl. 2006/21/0164, vom 17. Juli 2008, Zl. 2008/21/0050, und vom 18. September 2008, Zl. 2007/21/0491), enthält der angefochtene Bescheid nicht. Derartiges ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten Verwaltungsakten (wobei im Übrigen nach Ausweis der Verwaltungsakten von der Fremdenpolizeibehörde ein Ausweisungsverfahren nicht einmal eingeleitet wurde, sondern von dieser lediglich Schritte zur Durchführung der Abschiebung gesetzt wurden).

Zutreffend erkannte die belangte Behörde, dass gemäß § 46 Abs. 1 FPG Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Abschiebung das Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung oder eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes ist. Solche Maßnahmen lagen hier jedoch nicht vor. Die Existenz eines Rückkehrverbotes, das für sich genommen keine Ausreiseverpflichtung in sich trägt (vgl. § 67 FPG; siehe auch das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2007, Zl. 2006/21/0164), berechtigt nicht zur Durchführung einer Abschiebung nach § 46 Abs. 1 FPG. Da somit die Durchführung einer Abschiebung im hier relevanten Zeitraum von vornherein nicht zulässig war, folgte daraus, dass es auch nicht zulässig war, den Beschwerdeführer zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft anzuhalten.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 8. September 2009

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