VwGH 2007/05/0094

VwGH2007/05/00942.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie den Senatspräsidenten Dr. Kail und den Hofrat Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des UK in H, vertreten durch Dr. Günter Niebauer und Dr. Karl Hans Schaumüller, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Bauernmarkt 10/18, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 10. Jänner 2007, Zl. UVS-06//20/9892/2005-15, betreffend Bestrafung nach dem Wiener Veranstaltungsgesetz (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §62 Abs1;
VeranstaltungsstättenG Wr 1978 §3 Abs1;
VeranstaltungsstättenG Wr 1978 §30 Abs1 Z6;
VeranstaltungsstättenG Wr 1978 §32 Abs1 Z1;
VStG §40 Abs2;
VStG §42 Abs1;
VStG §44 Abs1;
VStG §44a Z1;
VStG §46 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwRallg;
AVG §62 Abs1;
VeranstaltungsstättenG Wr 1978 §3 Abs1;
VeranstaltungsstättenG Wr 1978 §30 Abs1 Z6;
VeranstaltungsstättenG Wr 1978 §32 Abs1 Z1;
VStG §40 Abs2;
VStG §42 Abs1;
VStG §44 Abs1;
VStG §44a Z1;
VStG §46 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde auf Grund dienstlicher Wahrnehmung zweier Exekutivbeamter am 14. Dezember 2005 angezeigt, er habe an diesem Tag um 15 Uhr 30 mit einer weiteren Person ein "Hütchenspiel" im Bereich M 96 veranstaltet. Wörtlich lautet die Anzeige: "J. M. und (Beschwerdeführer) veranstalteten zur angegebenen Zeit am oa. Ort ein entgeltliches 'Hütchenspiel'. Die beiden anderen Angezeigten ermunterten die vorübergehenden Passanten zum Mitspielen."

Bei einer noch am selben Tag um 16 Uhr 35 durchgeführten Strafverhandlung vor dem Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 36, wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten (Blatt 2 der Verhandlungsniederschrift):

"Sie haben am 14. Dezember 2005 um 15 Uhr 30 in Wien, M 96, Gehsteig, eine im Sinne des § 30 Abs. 1 Wiener Veranstaltungsgesetz verbotene Veranstaltung durchgeführt, indem Sie ein 'Hütchenspiel' (das ist ein entgeltliches Spiel bei dem erraten werden soll, unter oder in welchem der im Spiel verwendeten Hütchen oder sonstigen Behältnissen, welche im Spielablauf verschoben, gedreht oder sonst wie ortsverändert werden, sich ein Gegenstand (z.B.: Kugel, Münze usw.) befindet) veranstaltet haben. Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: § 32 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 Zif. 6 des Wiener Veranstaltungsgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 12/1971 i.d.g.F."

Der Beschwerdeführer gab zu seiner Rechtfertigung an, er habe, wie die anderen Passanten, nur zugeschaut. Entgelt habe er keines verlangt; in Zukunft werde er nicht mehr zuschauen.

Ohne weitere Beweisaufnahme wurde das Straferkenntnis, mit welchem eine Geldstrafe von EUR 7.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 6 Wochen) verhängt worden war, verkündet. Nach der im Akt befindlichen Niederschrift über die Verkündung wurde bezüglich des Tatvorwurfes auf die Verhandlungsniederschrift, Blatt 2, verwiesen, wurden wie dort die verletzten Rechtsvorschriften wiedergegeben und die verhängte Strafe ausgesprochen. Unter einem wurde die gegen das Straferkenntnis erhobene Berufung protokolliert, in der der Beschwerdeführer vorbrachte, dass er sich nicht schuldig fühle, da er nicht gespielt habe.

In der mündlichen Verhandlung vor der belangte Behörde, zu der der Beschwerdeführer nicht erschienen war, brachte sein Vertreter vor, die Voraussetzungen des § 62 AVG seien nicht erfüllt. Es sei kein erstinstanzliches Straferkenntnis ergangen, weshalb die Berufung zurückzuweisen wäre. In der Sache wurde vorgebracht, der Beschwerdeführer sei lediglich Zuschauer gewesen; dass er nicht Veranstalter war, ergebe sich schon daraus, dass ihm kein Geld abgenommen worden sei.

Die einvernommenen Exekutivbeamten konnten sich auf Grund der Vielzahl gleichartiger Einsätze an den gegenständlichen Vorfall nicht mehr genau erinnern; sie gaben Auskunft darüber, wie derartige Einsätze im Allgemeinen ablaufen würden und verwiesen auf die Niederschrift zum gegenständlichen Vorfall.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde in der Schuldfrage der Berufung keine Folge; die verhängte Geldstrafe wurde von EUR 7.000,-- auf EUR 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Wochen) herabgesetzt. In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, es bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Tatanlastung bei der niederschriftlichen Einvernahme und der mündlichen Verkündung des Straferkenntnisses; die Strafverhandlungsschrift enthalte bei der Tatumschreibung keinen weiteren Verweis, sondern sei der Sachverhalt, ausreichend umschrieben, in dieser Strafverhandlungsschrift wiedergegeben. Es liege ein dem § 62 Abs. 2 in Verbindung mit § 58 Abs. 1 AVG und § 44a Z. 1 VStG entsprechender, mündlich verkündeter Bescheid vor, weshalb die Berufung nicht zurückzuweisen, sondern in der Sache zu entscheiden gewesen sei.

Auf Grund der zeugenschaftlichen Aussagen der Exekutivbeamten im Zusammenhang mit deren Angaben in der Anzeige sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer Hütchenspiele durchgeführt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wiederholt zunächst sein Vorbringen hinsichtlich eines Verstoßes gegen § 62 AVG. Es sei nicht zweifelsfrei ersichtlich, welche Tat ihm konkret zur Last gelegt würde. Es befinde sich auf Seite 9 der Strafverhandlungsschrift vom 14. Dezember 2005, welche die Beurkundung des Straferkenntnisses darstellen solle, kein normativer Bescheidspruch. Es werde lediglich auf einen "Tatvorwurf laut Niederschrift (siehe Blatt 2)" verwiesen. Ob als "Niederschrift" die Strafverhandlungsschrift oder die Verhandlungsschrift gemeint sei könne nur erahnt werden, zumal kein ausdrücklich als "Niederschrift" bezeichnetes Schriftstück vorliege.

In der Sache wird geltend gemacht, dass sich keiner der einvernommenen Exekutivbeamten genau an den gegenständlichen Vorfall erinnern habe können. Es lägen keine eindeutigen Sachverhaltsfeststellungen vor, wonach der Beschwerdeführer auf seine Rechnung das Spiel veranstaltet habe.

Gemäß § 43 Abs. 1 VStG ist, wenn der Beschuldigte zur Vernehmung vor die erkennende Behörde geladen oder ihr vorgeführt wird, das Strafverfahren in mündlicher Verhandlung durchzuführen und nach der Aufnahme der erforderlichen Beweise womöglich sogleich der Bescheid (Straferkenntnis oder Einstellung) zu verkünden. Nach § 44 Abs. 1 VStG muss die Niederschrift über den Gang der mündlichen Verhandlung unter anderem den Spruch, die Begründung und die Rechtsmittelbelehrung des ergangenen Bescheides enthalten. Nach § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch des Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach dem gemäß § 24 VStG anwendbaren § 62 Abs. 2 AVG ist der Inhalt und die Verkündung eines mündlichen Bescheides, wenn die Verkündung bei einer mündlichen Verhandlung erfolgt, am Schluss der Verhandlungsschrift, in anderen Fällen in einer besonderen Niederschrift, zu beurkunden.

Der Beschwerdeführer vermag die Nichteinhaltung dieser Bestimmungen nicht aufzuzeigen. Dass die aus 12 Seiten bestehende, durchnummerierte Verhandlungsschrift als "Strafverhandlungsschrift" und nicht als "Niederschrift" betitelt wurde, widerspricht weder einem gesetzlichen Gebot noch war dies geeignet, Irrtümer oder Verwechslungen herbeizuführen, weil es mit dem Datum 14. Dezember 2005 nur eine solche Verhandlungsschrift gibt. Entsprechend § 62 Abs. 2 AVG wurde in der Verhandlungsschrift der Inhalt und die Verkündung des mündlichen Bescheides beurkundet; dass bezüglich des Spruchbestandteiles "die als erwiesen angenommene Tat" auf Seite 2 der Verhandlungsschrift verwiesen wurde, schadet nicht, weil es, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Jänner 1995, Zl. 94/02/0416, ausgeführt hat, nicht rechtswidrig ist, wenn die Behörde anlässlich der Abfassung der Niederschrift über die Verkündung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses hinsichtlich der Tatanlastung teilweise auf den Inhalt der Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter verweist. Nichts anderes kann gelten, wenn, wie hier, auf die in der Verhandlungsschrift weiter vorne enthaltene Bezeichnung des Verhandlungsgegenstandes verwiesen wird.

Der Verwaltungsgerichtshof geht somit von einem in erster Instanz gültig erlassenen Straferkenntnis aus, gegen welches zulässigerweise Berufung erhoben wurde.

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Wiener Veranstaltungsgesetzes (noch vor der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 64/2006) lauten:

"Veranstalter

§ 3. (1) Als Veranstalter gilt derjenige, für dessen Rechnung die Veranstaltung erfolgt, sowie jeder, der sich öffentlich als Veranstalter ankündigt oder den Behörden gegenüber als solcher auftritt. Bei Sportveranstaltungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Z. 5, die im Rahmen eines angemeldeten Betriebes von Sportstätten (§ 6 Abs. 1 Z. 6) durchgeführt werden, gilt jedoch immer die Person als Veranstalter, die Veranstalter des Sportstättenbetriebes ist. Veranstalter können natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes sein, sofern sie nicht von der Durchführung von Veranstaltungen ausgeschlossen wurden. Nach dem Tod des Veranstalters kann die Veranstaltung auf Rechnung der Verlassenschaft bis zu deren Beendigung durch einen gemäß § 4 bestellten Geschäftsführer weitergeführt werden.

Verbotene Veranstaltungen

§ 30. (1) Verboten sind folgende Veranstaltungen:

...

6. entgeltliche Spiele ('Hütchenspiele'), bei denen erraten werden soll, unter oder in welchem der im Spiel verwendeten Hütchen oder sonstigen Behältnissen, welche im Spielablauf verschoben, gedreht oder sonst wie ortsverändert werden, sich ein Gegenstand (zB Kugel, Münze usw.) befindet.

§ 32. (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 7 000 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen,

1. wer eine anmeldepflichtige Veranstaltung ohne rechtswirksame Anmeldung oder eine konzessionspflichtige Veranstaltung ohne behördliche Bewilligung durchführt, oder wer eine verbotene Veranstaltung - ausgenommen das Bettelmusizieren (§ 30 Abs. 1 Z 3) - durchführt."

Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer zur Tatzeit am Tatort ein Hütchenspiel durchgeführt hat und dass das Hütchenspiel auf Rechnung des Beschwerdeführers veranstaltet wurde. Als Beweise, auf Grund deren Würdigung die belangte Behörde zu diesen Feststellungen gelangte, standen ausschließlich die eingangs wiedergegebene Anzeige und die Aussagen der Meldungsleger in der Verhandlung vor der belangten Behörde zur Verfügung; der Beschwerdeführer war ja nicht erschienen. Die vernommenen Kriminalbeamten erklärten, sich nicht bzw. nur vage an den Vorfall erinnern zu können; übereinstimmend gaben sie an, dass der Hütchenspieler, also derjenige, der die Hütchen verschiebt, in der Anzeige als Erster vermerkt wird; die anderen Angezeigten würden Passanten zum Mitspielen animieren. Es kann nun dem Verhandlungsprotokoll nicht entnommen werden, ob den Zeugen der Text der Anzeige vorgehalten worden war, ob also ihre Aussage so zu verstehen ist, dass J. M. Spieler, der Beschwerdeführer als weitere Person aber Animateur war, oder ob der Beschwerdeführer und J. M. Spieler waren und andere Personen - im Akt findet sich nichts zu diesen anderen Angezeigten - Animateure waren.

In seinem zum Hütchenspiel ergangenen Erkenntnis vom 29. Jänner 2008, Zl. 2006/05/0298, hat der Verwaltungsgerichtshof klargelegt, dass eine Veranstaltung auch auf Rechnung mehrerer Personen erfolgen kann; entscheidend ist allein, auf wessen Rechnung die Veranstaltung durchgeführt wird. Ein Hütchenspiel werde bei typisierender Betrachtung auf die Rechnung desjenigen veranstaltet, der den finanziellen und materiellen Einsatz leistet und der an den lukrierten Gewinnen beteiligt ist.

In dem zitierten Fall stand allerdings fest, dass der damalige Beschwerdeführer nicht nur immer wieder Geld gesetzt hat, sondern das erspielte Geld auch an sich genommen hat und sich damit entfernen wollte. Daher wurde die Ansicht der belangten Behörde geteilt, wonach die Hütchenspiele auch auf Rechnung des damaligen Beschwerdeführers erfolgten.

Derartige Beweisergebnisse liegen hier nicht vor. Geht man entsprechend den Aussagen der vernommenen Zeugen davon aus, dass J. M. der Spieler war, so liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass, wie die belangte Behörde festgestellt hat, das Hütchenspiel "auch auf Rechnung des Beschwerdeführers" veranstaltet wurde. Es liegen keinerlei Wahrnehmungen über irgendwelche Geldflüsse vor.

Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 3 Abs. 2 der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 2. April 2009

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