VwGH 2007/05/0071

VwGH2007/05/007127.5.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des G H in Z, vertreten durch Mag. Roland Heindl, Rechtsanwalt in 7400 Oberwart, Schulgasse 11, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Güssing vom 28. November 2006, Zl. GS-02-04- 6-2, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde Z, 2. N Bau-, Wohn- und SiedlungsgesmbH. in X, vertreten durch Hajek & Boss & Wagner, Rechtsanwälte OG in 7000 Eisenstadt, Blumengasse 5), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BauG Bgld 1997 §5 Abs1;
BauG Bgld 1997 §5 Abs3;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §52;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BauG Bgld 1997 §5 Abs1;
BauG Bgld 1997 §5 Abs3;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die zweitmitbeteiligte Bauwerberin ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 74 der Liegenschaft EZ 97, KG Z. Dieses Grundstück ist im Flächenwidmungsplan im Bereich der nördlich gelegenen G-Gasse als Bauland-Wohngebiet und im Bereich der südlich gelegenen G-Straße als Bauland-Mischgebiet gewidmet. Im Bereich des Grundstückes bestehen weder Bebauungs- /Teilbebauungspläne noch Bebauungsrichtlinien.

Mit Eingabe vom 16. Februar 2005 beantragte die mitbeteiligte Bauwerberin die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer aus zwei Blöcken bestehenden Wohnhausanlage mit 6 und 13 Wohneinheiten sowie 18 Garagenplätzen und 12 Autoabstellplätzen im Freien auf dem genannten Baugrundstück. Im Block 1 (G-Straße) sind 13 Wohneinheiten, unterteilt in Erdgeschoss, Obergeschoss und Dachgeschoss, im Block 2 (G-Gasse) 6 Wohneinheiten (Erdgeschoss und Obergeschoss), vorgesehen.

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des an der G-Straße im Westen an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes Nr. 75/2. Er wendete in der am 10. März 2005 durchgeführten mündlichen Bauverhandlung ein, das geplante Bauvorhaben der mitbeteiligten Bauwerberin widerspreche wegen seiner Höhe, seiner Länge und bezüglich des Ortsbildes dem Burgenländischen Baugesetz. Auch sei mit zusätzlichem Verkehrsaufkommen zu rechnen. Er fürchte, durch die projektierten Bauausführungen werde es zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Lichteinfalles auf seinem Grundstück kommen, da die Feuermauer 12 m Höhe aufweisen solle. Es werde durch die Absicht der Zweitmitbeteiligten, bis an die Grundgrenzen der benachbarten Grundstücke anzubauen, auch gegen § 5 Abs. 2 Bgld. BauG verstoßen. Weiters weise er ausdrücklich auf das Recht der Baubehörde hin, in Ausnahmefällen dem Anrainerschutz besondere Berücksichtigung schenken und bei der Baugestaltung im Hinblick auf die Abstandsvorschriften abweichende Abstände feststellen zu können.

Eingeholt wurde ein Gutachten des Bausachverständigen Ing. F. H. zum Bewilligungsprojekt, in welchem dieser bezüglich Wohnblock 1 feststellte:

"Aufgrund der vorhandenen Bebauungssituation in dieser Straßenzeile stellt daher die Gebäudehöhe des Wohnblockes 1 keinen Widerspruch zum Bgld. BauG und zur Bgld. Bauverordnung dar. Nachdem in der G-Straße die zur Südseite (Hauptplatz-Burgseite) vorhandenen Wohn- und Geschäftshäuser durchwegs städtebaulich aneinandergebaut sind und jeweils auch aus mehreren Geschossen (bis zu 6 Geschossen) bestehen, die bestehenden Gebäude an der Straßenzeile nördlich (geplantes Baugrundstück) ebenfalls bereits durch zahlreiche Wohnhäuser an die Grundstücksgrenze angebaut sind, sowie die Wohnhäuser 23 und 25 einseitig an der Grundgrenze errichtet sind, wurde aus dieser Situation heraus und um eine zukunftswirksame städtebauliche Verbauung zu sichern, für diese Baugrundstücksfläche die geschlossene Bebbauung festgelegt."

Zum Block 2, G-Gasse, wurde festgestellt:

"Die Baugrundstücksgrenze für Block 2 ist im Flächenwidmungsplan als "Bauland-Wohngebiet" ausgewiesen. Die Gebäudehöhe (Erdgeschoss und ein Obergeschoss) soll 5,73 m betragen, die Bauwerkshöhe (Giebelhöhe) beträgt im ungünstigsten Fall 6,36 m. In der Straßenzeile, in der sich die Baugrundstücksfläche befindet, bestehen bereits Wohngebäude mit ähnlicher Gebäudehöhe und sogar teilweise höher". Auch für diesen Bereich liegen weder Bebauungs-, Teilbebauungspläne noch Bebauungsrichtlinien vor. Weiters wird festgestellt, dass die umliegende Bebauung der G-Gasse eine Bebauungsstruktur aufweist, die eindeutig eine offene Bebauungsweise ist. Die gegenüber des geplanten Wohnblockes 2 vorhandenen Wohnblocks sind in offener Bebauungsweise je an eine Grundstücksgrenze aneinandergebaut ("gekuppelte Bebauungsweise"). Sämtliche übrigen Bauten in der G-Gasse bestehen in offener Bebauung (nicht gekuppelt). Aufgrund dieser bereits gegebenen Bebauungssituation ist für die Baugrundstücksfläche des Wohnblockes 2 die offene Bebauungsweise zwingend gegeben."

Insgesamt stelle das Bauvorhaben weder eine negative Beeinträchtigung des Ortsbildes noch eine wesentliche Veränderung der vorhandenen Ortsstruktur dar. Eine das örtlich zumutbare Maß übersteigende Gefährdung oder Belästigung der Nachbarn oder eine übermäßige Belastung des Straßenverkehrs sei ebenfalls nicht zu erwarten.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 12. August 2005 wurde die beantragte baubehördliche Bewilligung auf Grundlage der mit dem Bewilligungsvermerk versehenen Baubeschreibung und der Planunterlagen unter Auflagen erteilt. Unter dem Punkt "A. Baubeschreibung" wurde u.a. Folgendes festgelegt:

"Aufgrund des Bgld. BauG § 5 wird für den Bereich G-Gasse (Block 2) die offene Bebauungsweise und für den Bereich G-Straße (Block 1) die geschlossene Bebauungsweise festgelegt."

Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden gemäß § 21 Abs. 4 Bgld. BauG 1997 als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde mit Hinweis auf die §§ 3 und 5 Bgld. BauG ausgeführt, dass im Falle des Nichtvorliegens von Bebauungs-/Teilbebauungsplänen oder Bebauungsrichtlinien die Baubehörde, wie in § 5 Abs. 1 leg. cit. geregelt, von sich aus diesen Regelungsgegenstand bei Beachtung des Baubestandes und des Ortsbildes zu behandeln habe. Im gegenständlichen Fall werde dies durch die Festlegung der Bebauungsweisen (offene Bebauungsweise für den Bereich G-Gasse Block 2, bzw. geschlossene Bebauungsweise für den Bereich G-Gasse Block 1), die Bewilligung der projektmäßigen Bauhöhe und die Beachtung der Abstandsregelungen (mindestens 3 m Seitenabstand bei offener Bebauung Block 2, Anbau an die seitlichen Grundstücksgrenzen bei geschlossener Bebauung Block 1) vorgenommen. Der beigezogene Sachverständige Herr OAR Ing. F. H. sei Sachverständiger sowohl für Bautechnik als auch für Orts- und Landschaftsbild, er sei in seinem widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Gutachten zum Ergebnis gekommen, dass für Block 1 die geschlossene und für Block 2 die offene Bebauungsweise gelte. Bezüglich der Abweichung von der Bauplatzerklärung vom 6. Februar 1978 werde ausgeführt, dass das frühere Rechtsinstitut der Bauplatzerklärung nicht mehr Teil des derzeit gegebenen Rechtsbestandes sei und daher in diesem Verfahren keine Anwendung mehr finden könne. Die gesetzlichen Abstandsvorschriften würden eingehalten.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 2. März 2006 wurde der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z wurde der Vorstellung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. In der Begründung wurde dazu entscheidungswesentlich ausgeführt, der Amtssachverständige habe ein Gutachten erstellt, in dem er ausgehend von der in der G-Straße und in der G-Gasse bezüglich Gebäudehöhe, Geschossanzahl und Bebauungsweise gegebenen Baustruktur die Ansicht vertrete, dass das geplante Bauvorhaben von dieser Struktur nicht wesentlich abweiche und eine wesentliche Beeinträchtigung der Ortsbildes nicht zu erwarten sei. Hinsichtlich des Aufbaues des Gutachtens sei anzumerken, dass teilweise eine Vermischung von rechtlicher Grundlage, Befund und Gutachten im engeren Sinn gegeben sei. Das Ergebnis des Gutachtens sei trotzdem logisch schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Es ergebe sich aus der Bestimmung des § 5 Bgld. BauG nicht, dass für ein Grundstück nur eine einzige Bebauungsweise festzulegen sei. Darin, dass die Stadtgemeinde der Begründung des Sachverständigen F.H. gefolgt sei und für den in der G-Straße gelegenen Wohnblock 1 die geschlossene Bebauungsweise festgelegt habe, sei keine Rechtswidrigkeit zu erblicken.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er erachtet sich in seinem Recht auf Nichtbewilligung des Bauvorhabens verletzt und führt aus, mit der Baubewilligung würden für ein Grundstück verschiedene Bauweisen iSd § 5 Bgld BauG zugelassen. Die Baubehörde habe die Bebauungsweise mittels Bescheides festzustellen. Als Begründung habe die belangte Behörde lapidar festgehalten, die "Gemeinde folgt der Begründung des Ing. H. und legt für den in der G-Straße gelegenen Wohnblock 1 die geschlossene Bauweise fest. In der Festlegung vermag die Vorstellungsbehörde keine Rechtswidrigkeit zu entdecken". Damit übersehe die belangte Behörde allerdings, dass es für die im Einzelfall für ein bestimmtes Baugrundstück zugelassene Bebauungsweise einer nachvollziehbaren Begründung bedürfe, welche insbesondere bei Fragen des Ortsbildes grundsätzlich ein schlüssiges Gutachten eines Sachverständigen erfordere. Diese Begründung sei unterblieben. Weiters werde von der belangten Behörde nicht berücksichtigt, dass eine geschlossene Bebauung iSd § 5 Abs. 1 Z 1 Bgld. BauG erfordere, dass bereits an das Baugrundstück an der Straßenfront angebaut sei bzw. aufgrund des Baubestandes und des Ortsbildes ebenfalls angebaut werden müsse. Diese Voraussetzung seien ebenfalls nicht gegeben und daher sei die Festlegung der geschlossenen Bebauung für den Block 1 jedenfalls unzulässig. Als unmittelbarer Anrainer werde der Beschwerdeführer durch die ihm zugewandte Gebäudefront an der Grundstücksgrenze in seinen von ihm geltend gemachten Rechten verletzt. Derzeit stünde auf demselben Platz ein Einfamilienhaus, welches nicht einmal halb so hoch sei wie das Planungsprojekt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Die mitbeteiligten Parteien erstatteten ebenfalls Gegenschriften und beantragten die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer vertritt vor dem Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass für das Baugrundstück nur die Festlegung einer der in § 5 Abs. 1 Bgld. BauG genannten Bebauungsweisen zulässig sei, diese mit Bescheid zu erfolgen habe und begründet werden müsse.

Gemäß § 21 Abs. 1 Z 3 Bgld. BauG sind Parteien im Bauverfahren unter anderem die Eigentümer jener Grundstücke, die von den Fronten des Baus weniger als 15 Meter entfernt sind (Nachbar).

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung kann ein Nachbar gegen die Erteilung einer Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, dass er durch das Vorhaben in seinen Rechten verletzt wird.

Gemäß Abs. 4 leg. cit. können zulässige öffentlichrechtliche Einwendungen der Nachbarn auf die behauptete Verletzung von Vorschriften dieses Gesetzes oder von sonstigen bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften (zB Bauverordnung, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Bebauungsrichtlinien), die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse des Nachbarn dienen, gestützt werden.

Angesichts der vom Beschwerdeführer erhobenen Einwendungen sind nachstehende Bestimmungen des Burgenländischen Baugesetzes 1997 (in der Folge: Bgld. BauG) i.d.g.F. relevant:

"Zulässigkeit von Bauvorhaben (Baupolizeiliche Interessen)

§ 3.

(1) Bauvorhaben sind nur auf für die Bebauung geeigneten Grundstücken zulässig, wenn sie

1. dem Flächenwidmungsplan, dem Bebauungsplan/Teilbebauungsplan oder den Bebauungsrichtlinien nicht widersprechen,

2. den Bestimmungen dieses Gesetzes und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen entsprechen,

3. nach Maßgabe des Verwendungszwecks dem Stand der Technik, insbesondere bezüglich

  1. a) Mechanische Festigkeit und Standsicherheit,
  2. b) Brandschutz,
  3. c) Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz,
  4. d) Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit,
  5. e) Schallschutz,
  6. f) Energieeinsparung und Wärmeschutz

    entsprechen.

    4. das Orts- oder Landschaftsbild nicht wesentlich beeinträchtigen,

    5. durch ihre bestimmungsgemäße Benützung eine Gefährdung oder das ortsübliche Ausmaß übersteigende Beeinträchtigungen der Nachbarn nicht erwarten lassen sowie

    6. verkehrsmäßig erschlossen sind und ihre Ver- und Entsorgung gewährleistet ist.

    ...

    Bebauungsweisen und Abstände

§ 5.

(1) Sofern Bebauungspläne/Teilbebauungspläne oder Bebauungsrichtlinien nicht vorliegen, hat die Baubehörde unter Berücksichtigung des Baubestandes und des Ortsbildes für ein Baugrundstück eine der folgenden Bebauungsweisen zuzulassen:

1. geschlossene Bebauung, wenn die Hauptgebäude in geschlossener Straßenfront beidseitig an die seitlichen Grundstücksgrenzen anzubauen sind,

2. halboffene Bebauung, wenn die Hauptgebäude an einer seitlichen Grundstücksgrenze anzubauen sind und gegen die andere seitliche Grundstücksgrenze ein Abstand von mindestens 3 m einzuhalten ist,

3. offene Bebauung, wenn gegen beide seitlichen Grundstücksgrenzen ein Abstand von mindestens 3 m einzuhalten ist. Für die offene Bebauungsweise ist eine Grundstücksbreite von mindestens 15 m erforderlich.

(2) Bei allen Bebauungsweisen ist vom Hauptgebäude gegen die hintere Grundstücksgrenze ein Mindestabstand von 3 m einzuhalten. In der seitlichen und hinteren Abstandsfläche sind Nebengebäude und andere untergeordnete Bauten bis zu einer Außenwandhöhe von 3 m, bezogen auf das verglichene Gelände, und mit einer Dachneigung von höchstens 45 Grad zulässig, sofern die maßgeblichen baupolizeilichen Interessen nicht verletzt werden.

(3) Die Baubehörde kann in Ausnahmefällen unter besonderer Berücksichtigung des Anrainerschutzes, der Baugestaltung und der örtlichen Gegebenheiten abweichend von den Bestimmungen der Abs. 1 und 2 die Abstände von Bauten zu den Grundstücksgrenzen durch die Festlegung von vorderen, seitlichen und hinteren Baulinien bestimmen, die auch als zwingende Baulinien festgelegt werden können. Baulinien sind die Grenzlinien, innerhalb derer Bauten errichtet werden dürfen; zwingende Baulinien sind jene Grenzlinien, an die anzubauen ist.

(4) Wenn das Ortsbild und die Sicherheit von Personen und Sachen nicht beeinträchtigt werden, kann die Baubehörde das Vorspringen untergeordneter Bauteile, wie zB Erker, Balkone, Dachvorsprünge, Schutzdächer, Freitreppen, Terrassen und dergleichen über die Baulinie genehmigen. Fallen Straßenfluchtlinie und Baulinie zusammen, dürfen

1. Hauptgesimse, Dachvorsprünge und dergleichen nur bis 0,50 m und

2. Erker, die nicht breiter als ein Drittel der Gebäudefrontlänge sind, und Sonnenschutzeinrichtungen und dergleichen bis 1,50 m über die Baulinie vorspringen.

(5) Die Bauteile nach Abs. 4 müssen

1. im Bereich des Gehsteiges bis zu 0,60 m vor Beginn der Fahrbahn mindestens 2,80 m über dem Gehsteig, 2. im Bereich von 0,60 m bis zu Beginn der Fahrbahn mindestens 4,50 m über dem Niveau der Fahrbahn und 3. im Bereich der Verkehrsfläche mindestens 4,50 m über dem Niveau der Fahrbahn liegen."

Liegen somit keine (Teil-) Bebauungspläne oder Bebauungsrichtlinien vor, hat die Baubehörde gemäß § 5 Abs. 1 Bgld. BauG für das eingereichte Bauvorhaben die Bebauungsweise konkret durch Bescheid festzulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2005/05/0125), ferner ist die Baubehörde verpflichtet, diese Festsetzung zu begründen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2008, Zl. 2007/05/0195).

Im gegenständlichen Fall bestehen für das zu bebauende Grundstück weder ein Bebauungsplan/Teilbebauungsplan noch Bebauungsrichtlinien. Aus der erteilten Baubewilligung und den dieser zu Grunde liegenden Plänen ergibt sich, dass die Baubehörden für den Teil des Baugrundstückes, auf dem Block 2 errichtet werden soll (G-Gasse), die offene Bebauungsweise, und für den Teil des Baugrundstückes, auf dem Block 1 errichtet werden soll (G-Straße), die geschlossene Bebauungsweise zugelassen haben, eine schlüssige und nachvollziehbare Begründung hiefür wurde von den Baubehörden jedoch unterlassen.

Die Baubehörden stützen ihre Festlegung der Bebauungsweisen auf das Gutachten des von der Baubehörde erster Instanz beigezogenen bautechnischen Sachverständigen. Dieses Gutachten ist jedoch für den hier maßgeblichen Bereich des Baugrundstückes, der - so wie auch das Nachbargrundstück des Beschwerdeführers - an die öffentliche Verkehrsfläche G-Straße grenzt, nicht nachvollziehbar. Die getroffenen Schlussfolgerungen stützen sich auf keinen überprüfbaren Befund und ein daraus ableitbares, schlüssiges Gutachten.

Um eine der Bebauungsweisen gemäß § 5 Abs. 1 Bgld. BauG festlegen zu können, wäre im Beschwerdefall vom Sachverständigen ein Beurteilungsgebiet auszuwählen und darzulegen gewesen, auf Grund welcher Umstände er die Eingrenzung des Beurteilungsgebietes gewählt hat; der in diesem Beurteilungsgebiet vorhandene Baubestand einschließlich der Abstände zu den Grundgrenzen wäre im Befund zu beschreiben gewesen. Nur nach einer eingehenden Darstellung des Beurteilungsgebietes (allenfalls mit Bilddokumentation) ist für die Gemeindebehörden, die Aufsichtsbehörde, aber auch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und den Verwaltungsgerichtshof eine Überprüfung der von den Baubehörden festgelegten Bebauungsweise möglich.

Die belangte Behörde hat zwar das Sachverständigengutachten bemängelt und festgehalten, dass "teilweise eine Vermischung von rechtlicher Grundlage, Befund und Gutachten im engeren Sinn gegeben ist", das Ergebnis des Gutachtens aber trotzdem als logisch schlüssig und nachvollziehbar bezeichnet. Sie hat sich in diesem Zusammenhang aber nicht ausreichend mit den diesem Gutachten widersprechenden Beweisen, insbesondere dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Privatgutachten, auseinander gesetzt. Auch das vom Beschwerdeführer vorgelegte Luftbildphoto, welches mit einer aktuellen, im Internet abrufbaren Luftbildaufnahme von Z offenkundig übereinstimmt, gebietet eine umfassende Darstellung und Beschreibung des noch festzulegenden Beurteilungsgebietes.

Auch in der rechtlichen Begründung der Bescheide der Baubehörden fehlen nachvollziehbare Ausführungen zur Festlegung der für das Baugrundstück unterschiedlich festgelegten Bebauungsweisen. Allein der Hinweis auf die Ausführungen des Gutachters kann als Begründung nicht genügen, zumal nicht erkennbar ist, worin der Unterschied in der bestehenden Bebauungsweise entlang der G-Straße und der G-Gasse liegt. Für die im Einzelfall für ein bestimmtes Baugrundstück zugelassene Bebauungsweise bedarf es - ebenso wie für die Anordnung der Baulinien gemäß § 5 Abs. 3 Bgld. BauG - einer nachvollziehbaren Begründung, die insbesondere bei Fragen des Ortsbildes grundsätzlich ein schlüssiges Gutachten eines Sachverständigen erfordert (vgl. dazu hg. Erkenntnis vom 30. Juli 2002, Zl. 2000/05/0220, und Pallitsch/ Pallitsch, Burgenländisches Baurecht, 2. Auflage, S. 142).

Da die Bestimmungen über die Abstände von Grundstücksgrenzen auch dem Interesse der Nachbarn dienen und die Festsetzung von Baulinien gemäß § 5 Abs. 3 Bgld. BauG insbesondere auch den Anrainerschutz im Auge hat, werden die Baubehörden aufgrund der Einwände des Beschwerdeführers jedenfalls auch prüfen und begründen müssen, ob ein Ausnahmefall im Sinne des § 5 Abs. 3 leg. cit. vorliegt.

Da die belangte Behörde den aufgezeigten Ermittlungsfehler der Baubehörden nicht aufgegriffen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/ 2008.

Wien, am 27. Mai 2009

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