VwGH 2007/01/0615

VwGH2007/01/061516.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des M Z in W, vertreten durch Dr. Aleksa Paunovic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 17/20, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 21. April 2007, Zl. MA 35/IV - Z 381/2005, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art6;
StbG 1985;
MRK Art6;
StbG 1985;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, vom 14. November 2005 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 in Verbindung mit § 10 Abs. 5 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei in Wien geboren, ledig und lebe seit seiner Geburt in Österreich. Er habe zehn Jahre die Schule in Österreich besucht. Auf Grund eines Augenleidens leide er seit etwa 13 Jahren an zunehmender Sehverschlechterung und sei seit etwa sieben Jahren praktisch blind. Wegen seiner schweren Sehbehinderung sei der Beschwerdeführer als begünstigter Behinderter (Grad der Behinderung 100 v.H.) anerkannt, nicht arbeitsfähig und beziehe Sozialhilfe. Seit 4. Juni 2004 habe der Beschwerdeführer laufend Sozialhilfe bezogen. In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, wegen des Sozialhilfebezuges sei der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers nicht gesichert. Das Einbürgerungshindernis des § 10 Abs. 1 Z. 7 in Verbindung mit § 10 Abs. 5 StbG liege daher vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist.

Gemäß § 10 Abs. 5 StbG ist der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z. 7) dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt für die letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen.

Die Beschwerde macht geltend, die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer vor Bescheiderlassung keine Gelegenheit gegeben, seinen Standpunkt darzulegen bzw. zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen.

Dieses Vorbringen ist aktenwidrig. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten kam der Beschwerdeführer am 27. Oktober 2006 (persönlich) zur belangten Behörde. Er wurde damals vom Ergebnis der Beweisaufnahme und dem im Bescheid herangezogenen Einbürgerungshindernis niederschriftlich informiert. Gleichzeitig wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme bis 17. November 2006 abzugeben. Der Beschwerdeführer machte davon mit Eingabe vom 30. Oktober 2006 Gebrauch. Der behauptete Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.

Der Beschwerdeführer räumt den festgestellten Sozialhilfebezug ein, er bringt aber gegen den angefochtenen Bescheid vor, die belangte Behörde habe seinen Antrag wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung abgelehnt. Zu seiner Blindheit sei es durch einen Ärztekunstfehler gekommen. Der Gleichheitsgrundsatz und der "Art. 6 auf ein faires Verfahren" seien verletzt worden, "weil sein Gesundheitszustand zu seinem Nachteil angewendet" worden sei, sodass auch "die EU-Normen verletzt wurden". Der "Art. 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) wurde verletzt, da ich durch die Zugehörigkeit zu meiner Familie, die mehrheitlich österreichische Staatsbürger sind, nicht abgewiesen werden dürfte, damit die Familie dadurch nicht getrennt und benachteiligt wird". Die Behörde hätte "ohne Rücksicht auf alles mir entsprechend der EU-Normen und der Menschenrechte die österreichische Staatsbürgerschaft erteilen müssen". Das Staatsbürgerschaftsgesetz stehe in "Widerspruch zu den Menschenrechten und den EU-Normen".

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer seit Juni 2004 durchgehend Sozialhilfeleistungen bezogen hat.

Mit der zwingenden Verleihungsvoraussetzung eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts gab der Gesetzgeber zu verstehen, dass er die Staatsbürgerschaft nur an Fremde verliehen wissen will, die ihren Lebensunterhalt in Österreich durch entsprechendes Einkommen (oder gleichzusetzende Leistungen) ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften hinreichend gesichert haben. Diese gesetzlichen Voraussetzungen müssen objektiv erfüllt sein; dass den Verleihungswerber am Fehlen eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts im Sinne der vorgenannten Bestimmungen kein Verschulden trifft, ist nicht von Belang (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. April 2008, Zl. 2007/01/1394, und die darin angegebene Judikatur). Die von der Beschwerde vorgetragene Auffassung widerspricht dem mit § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG verfolgten Zweck.

Insoweit eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander behauptet wurde, ist die Beschwerde auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 2007, B 1103/07, zu verweisen, in dem der Verfassungsgerichtshof zu der vom Beschwerdeführer gerügten Verletzung desselben Rechtes darauf verwiesen hat, dass es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liege, nur jenen Personen die österreichische Staatsbürgerschaft zu verleihen, die ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen das Auslangen finden (vgl. insoweit das hg. Erkenntnis vom 10. April 2008, Zl. 2007/01/1408).

Zu den behaupteten Verletzungen "in Menschenrechten" (insbesondere Art. 6 EMRK), ist darauf zu verweisen, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft vom Begriff der civil rights nicht erfasst wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. August 2007, Zl. 2007/01/0695, sowie die Zulassungsentscheidung des EGMR im Fall SOC vom 29. Juni 2000, Zl. 47863/99, RdZ 4). Mit dem befürchteten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ("damit die Familie nicht getrennt und benachteiligt wird") zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf, weil die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Abweisung des Begehrens auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft unter den gegebenen Umständen, den behaupteten Eingriff nicht bewirkte.

Für das in der Beschwerde gestellte Begehren, diese an den Verfassungsgerichtshof abzutreten, fehlt eine Rechtsgrundlage.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 16. Dezember 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte