Normen
EStG 1988 §5 Abs1;
EStG 1988 §9 Abs1 idF 1993/818;
EStG 1988 §9 Abs3 idF 1993/818;
HVertrG 1993 §24;
EStG 1988 §5 Abs1;
EStG 1988 §9 Abs1 idF 1993/818;
EStG 1988 §9 Abs3 idF 1993/818;
HVertrG 1993 §24;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Anlässlich einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, dass vom geprüften Unternehmen "seit 2000 (erstmalig!) neben einer Rückstellung für Provisionen aus den Lieferungen des Monates Dezember auch eine Rückstellung für den Auftragsstand" dotiert werde, der zum jeweiligen Bilanzstichtag gegeben sei "(also wenn noch keine Lieferungen vorliegen)".
Der Prüfer vertrat die Ansicht, dass Rückstellungen für Provisionsverpflichtungen erst dann zulässig seien, wenn der Gewinn aus dem vermittelten Geschäft (Hauptgeschäft) realisiert werde. Eine Rückstellungsbildung wäre nur dann zulässig, wenn aus dem Hauptgeschäft vor Gewinnrealisierung ein Gesamtverlust in Höhe dieses Verlustes unter Einschluss der Provisionsverpflichtung drohe. Dies scheine aber im vorliegenden Fall nicht gegeben zu sein. Es sei daher eine außerbilanzmäßige Zurechnung für jenen Teil vorzunehmen, der auf die Rückstellung aus dem Auftragsstand stamme.
In einer dagegen erhobenen Berufung rügte die Beschwerdeführerin, dass der lediglich allgemein gehaltene Hinweis, wonach Rückstellungen für Provisionsverpflichtungen erst dann zulässig seien, wenn der Gewinn aus dem vermittelten Geschäft (Hauptgeschäft) realisiert werde, ohne Angabe einer gesetzlichen Grundlage und auch ohne Angabe eines Hinweises auf Richtlinien, Judikatur bzw. Literatur erfolgt sei, sodass es der Beschwerdeführerin verwehrt sei, darauf "im Detail" einzugehen. Die von den Steuererklärungen in diesem Punkt abweichend ergangenen Körperschaftsteuerbescheide seien ohne jegliche Begründung, auch ohne Hinweis auf den "BP-Bericht", ergangen. In der Folge vertritt die Beschwerdeführerin in umfangreichen Ausführungen unter anderem die Ansicht, dass im gegenständlichen Fall ein schwebendes Geschäft hinsichtlich des Vermittlungsvertrages nicht mehr gegeben sei, weil der Handelsvertreter seine Leistungsverpflichtung bereits vor dem Bilanzstichtag erfüllt habe, indem er seine Vermittlungsleistung zur Gänze an die Beschwerdeführerin erbracht habe, wofür ihm die Beschwerdeführerin ein Provisionsentgelt schulde, "welches in der Bilanz durch Bildung einer Rückstellung zu passivieren" gewesen sei. Zu den Bilanzstichtagen im Prüfungszeitraum seien daher unzweifelhaft bereits eingetretene Verpflichtungen der Beschwerdeführerin vorgelegen, an den Handelsvertreter eine dem Grunde nach bereits feststehende, "der Höhe nach noch geringfügig variable Provision" für die von ihm noch vor dem Bilanzstichtag erbrachte Vermittlungsleistung zu bezahlen. Es liege somit zweifelsfrei eine Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit vor, die gemäß den einschlägigen handelsrechtlichen Vorschriften zu passivieren sei. Mangels einschränkender steuerlicher Norm sei diese Rückstellung gemäß § 5 EStG auch steuerlich anzuerkennen.
"Vertreter der Betriebsprüfung" hätten in mündlicher Form darauf hingewiesen, dass § 9 HVertrG festlege, dass der Provisionsanspruch erst bei Ausführung des Auftrages durch die Beschwerdeführerin an ihren Kunden entstünde. Dem hielt die Beschwerdeführerin entgegen, dass die Vermittlungstätigkeit nach den abgeschlossenen Handelsvertreterverträgen wohl spätestens mit der Auftragserteilung seitens des Kunden und mit der Bestätigung der Auftragsannahme durch die Beschwerdeführerin erfüllt sei, sodass die Provisionsverpflichtung spätestens im Zeitpunkt der rechtsgültigen Auftragsbestätigung entstanden und daher insoweit eine Rückstellung für Provisionsverpflichtungen für die bis zum Bilanzstichtag vermittelten Verkaufsaufträge zu bilden sei. Für den Fall, dass unterstellt würde, dass in den abgeschlossenen Verträgen das Entstehen des Provisionsanspruches nicht gesondert geregelt worden sei, werde festgehalten, dass aus § 9 HVertrG auch nicht die von der Betriebsprüfung vertretene zeitliche Verschiebung des Provisionsanspruches zu entnehmen sei. Vielmehr bestätige der Wortlaut dieser Bestimmung, dass "der Anspruch auf Provision mit der Rechtswirksamkeit des vermittelten Geschäftes zwischen dem Unternehmen und dem Dritten" entstehe, der Nebensatz beinhalte lediglich eine aufschiebende Bedingung, die den Provisionsanspruch für den Handelsvertreter endgültig entstehen lasse, wenn der Unternehmer das Geschäft tatsächlich ausführe. Faktum sei, dass die Beschwerdeführerin hinsichtlich der bis zum Bilanzstichtag erteilten und bestätigten Aufträge ohne Schadenersatzverpflichtung unausweichlich verpflichtet sei, diese termingerecht auszuführen. Damit sei zum Bilanzstichtag die Provisionsverpflichtung bereits unausweichlich, unabdingbar und - abgesehen von der gegebenen rechtlichen Verpflichtung auf Grund der bestehenden Handelsvertreterverträge - auch faktisch entstanden, sodass die Rückstellung für Provisionen auch auf Grund dieser faktischen Verbindlichkeit zum Bilanzstichtag bereits zu bilden sei. Es bedürfe keiner weitergehenden Erläuterung, dass das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 1963, 2255/61, auf den vorliegenden Sachverhalt in keiner Weise übertragbar sei. Abgesehen vom völlig unterschiedlichen Sachverhalt hinsichtlich des Handelsvertretervertrages sei es ganz offenkundig, dass auf Grund der im vorliegenden Fall gegebenen § 5 EStG-Gewinnermittlung sowie der zwischenzeitlichen Änderungen des Handelsrechts, insbesondere Rechnungslegungsgesetz 1990, eine im Vergleich "zum Erkenntnis 1963" völlig andere Ausgangsbasis bestehe. Inzwischen liege eine völlig andere Gesetzeslage vor. Das damals anzuwendende Einkommensteuergesetz 1958 und auch mehrere Nachfolge-Einkommensteuergesetze seien inzwischen außer Kraft gesetzt worden, zuletzt durch das Einkommensteuergesetz 1988.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Strittig sei im vorliegenden Fall ausschließlich, ob der Unternehmer Provisionsrückstellungen für Geschäfte bilden könne, die vom Handelsvertreter zwar bereits vermittelt worden seien, bei denen aber eine Abwicklung des Hauptgeschäftes zwischen Geschäftsherr und Drittem noch nicht stattgefunden habe. Der Verwaltungsgerichtshof gehe in ständiger Rechtsprechung von einem eigenständigen steuerrechtlichen Rückstellungsbegriff aus, dessen Auslegung sich am Leistungsfähigkeitsprinzip und am Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ausrichte. Diese Rechtsansicht habe der Gerichtshof schon vor Inkrafttreten des § 9 EStG in der Fassung BGBl. Nr. 818/1993 vertreten.
Verbindlichkeitsrückstellungen seien nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein "Gewinnkorrektivum, welches in der Höhe steuerrechtlich anzuerkennen sei, in der der Erfolg des betreffenden Wirtschaftsjahres voraussichtlich mit künftigen Ausgaben belastet werde, wobei dieser Aufwand ernsthaft drohen müsse. Die wirtschaftliche Verursachung müsse aber im Abschlussjahr gelegen sein, einer wirtschaftlichen Verursachung in der Vergangenheit stehe entgegen, "wenn die Verpflichtung erst mit den dem Unternehmer in der Zukunft erwachsenen Vorteilen verknüpft ist". Das Realisationsprinzip stehe damit keineswegs im Widerspruch zur Nichtanerkennung von Rückstellungen für Ausgleichsansprüche von Handelsvertretern, sondern bilde vielmehr die Grundlage für die in der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. November 2001, 2001/14/0081, geäußerte Rechtsansicht. Gerade weil ein Zusammenhang der Ausgleichsansprüche weder mit bereits geleisteten Tätigkeiten noch mit bereits realisierten Erträgen herzustellen sei, komme eine Rückstellungsbildung nicht in Frage.
Im Steuerrecht greife das Realisationsprinzip und regle vom Handelsrecht abweichende Voraussetzungen für die Rückstellungsbildung. Für Verbindlichkeitsrückstellungen sei eine wirtschaftliche Verursachung der Kosten mit Erfolgen des abgelaufenen Wirtschaftsjahrs gefordert. Sei dagegen der Aufwand mit künftigen Gewinnen verknüpft, so fehle es an der wirtschaftlichen Verursachung in der abgelaufenen Periode. Eine Rückstellung bedeute nämlich weder die Bildung eines Fonds, aus dem später Ausgaben bestritten werden sollten, noch eine echte Schuld gegenüber dem Gläubiger. Es handle sich lediglich um eine Korrektur des bilanzierten Gewinnes, die buchtechnisch als Schuld ausgewiesen werden müsse. Es bezeichne der Verwaltungsgerichtshof die Bildung von (Verbindlichkeits)Rückstellungen als "Gewinnkorrektivum, das steuerlich in der Höhe anzusetzen ist, in welcher der Erfolg des betreffenden Wirtschaftsjahres voraussichtlich mit künftigen Ausgaben belastet wird". Verpflichtungen aus schwebenden Geschäften seien nicht durch Verbindlichkeitsrückstellungen zu erfassen, vielmehr kämen hiefür Rückstellungen für drohende Verluste in Betracht. Auch in Hofstätter/Reichel, § 9 Tz 45 werde die Ansicht vertreten, dass Verbindlichkeitsrückstellungen nur für solche Verbindlichkeiten gebildet werden könnten, die außerhalb der Gegenleistungsbeziehungen eines schwebenden Geschäftes stünden. Ein Erfüllungsrückstand (der Beschwerdeführerin gegenüber dem Handelsvertreter) liege zudem entgegen der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin nicht vor, weil Provisionsanspruch und Geschäftsausführung gesetzlich gekoppelt seien und der Handelsvertreter vor der Lieferung keinen Provisionsanspruch habe. Die Verknüpfung mit künftigen Erfolgen ergebe sich im Falle von Vermittlungsleistungen eines Handelsvertreters aus § 9 Handelsvertretergesetz, nach dem die Provision dem Vertreter erst zustehe, wenn der Geschäftsherr das Geschäft ausgeführt habe. Sei diese Bestimmung im Handelsvertretervertrag nicht modifiziert worden, so sei - wie auch im Falle des Ausgleichsanspruches des Handelsvertreters - ein Zusammenhang mit künftigen Erträgen gegeben. Eine Rückstellung könne nicht vorzeitig gebildet werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 EStG 1988 idF SteuerreformG 1993, BGBl. 818/1993, dürfen Rückstellungen unter anderem gebildet werden für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten.
Zutreffend hat die belangte Behörde aufgezeigt, dass die Verbindlichkeitsrückstellung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Gewinnkorrektivum darstellt, welches steuerrechtlich in der Höhe anerkannt wird, in der der Erfolg des betreffenden Wirtschaftsjahres voraussichtlich mit künftigen Ausgaben belastet wird. Voraussetzung einer steuerrechtlich anzuerkennenden Rückstellung ist stets, dass ein die Vergangenheit betreffender Aufwand bestimmter Art ernsthaft droht. Die wirtschaftliche Verursachung muss im Abschlussjahr gelegen sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. November 2001, 2001/14/0081).
Im zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof - den Ausgleichsanspruch eines Handelsvertreters nach § 24 HVertrG 1993 betreffend - zum Ausdruck gebracht, dass es einer wirtschaftlichen Verursachung in der Vergangenheit entgegensteht, wenn die Verpflichtung mit den dem Unternehmer erst in der Zukunft erwachsenden Vorteilen verknüpft ist. Der Ausgleichsanspruch hängt davon ab, dass der Unternehmer mit hoher Wahrscheinlichkeit nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile aus den Geschäftsverbindungen mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden erzielen wird. Solcherart ist der Zusammenhang mit künftigen Erträgen des Unternehmers gegeben. Die wirtschaftliche Verursachung liegt daher nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft, weshalb die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung ausgeschlossen ist.
Gleiches gilt aber im vorliegenden Fall, in welchem die Zulässigkeit der Bildung von Rückstellungen für Provisionsansprüche der Handelsvertreter für zwar schon vermittelte, aber noch nicht ausgeführte und erst in späteren Jahren Erfolge abwerfende Geschäfte strittig sind (siehe auch Hofstätter/Reichel, § 9 Tz 66).
Soweit die Beschwerdeführerin meint, dass das im angefochtenen Bescheid zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 1963, 2255/61, wonach Provisionsverpflichtungen erst rückstellbar sind, wenn der Gewinn aus dem Hauptgeschäft ausgewiesen wird, insbesondere vor dem Hintergrund der zwischenzeitigen Gesetzesänderungen und der gegenständlich durchgeführten Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1988 auf den Beschwerdefall in keiner Weise übertragbar sei, wird ebenfalls auf das zitierte Erkenntnis vom 27. November 2001 hingewiesen, wonach der vom EStG vorgegebene Rückstellungsbegriff auch für die Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG 1988 maßgebend ist (vgl. auch das dort zitierte hg. Erkenntnis vom 25. September 2001, 95/14/0098).
Bei dieser Beurteilung kann dahingestellt bleiben, ob die von der Beschwerdeführerin behaupteten Verfahrensmängel zur Frage, ob eine Berechnung der Rückstellung exakt möglich war, vorliegen.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 17. April 2008
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