VwGH 2008/09/0236

VwGH2008/09/023620.11.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des Bundesministers für Finanzen gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 17. Juni 2008, Zl. UVS 333.19-4/2007-10, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: KK in D, vertreten durch Bruckner & Emberger & Ullrich-Pansi, Rechtsanwälte OG in 8430 Leibnitz, Kadagasse 19, weitere Partei:

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §28;
AVG §1;
AVG §66 Abs4;
VStG §27 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §45 Abs1 Z3;
AuslBG §28;
AVG §1;
AVG §66 Abs4;
VStG §27 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §45 Abs1 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund einer Anzeige des Zollamtes Villach leitete die Bezirkshauptmannschaft (BH) Deutschlandsberg gegen den Mitbeteiligten ein Verwaltungsstrafverfahren ein. Als Verfolgungshandlung erliegt eine Aufforderung zur Rechtfertigung vom 16. März 2006 im Akt. Sie lautet (Anonymisierungen hier und in den folgenden Zitaten durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Herrn

KK (...)

S-Str.

D

...

Aufforderung zur Rechtfertigung

Es wird Ihnen zur Last gelegt, folgende

Verwaltungsübertretung begangen zu haben:

Zeit: 20.02.2006 bis 02.03.2006 10.00 Uhr

Ort: Baustelle 'S' in S,

B-Straße

Ihre Funktion: Arbeitgeber(in)

1. Übertretung

Sie haben nachstehend angeführte ausländische Staatsbürger es folgen sechs näher bezeichnete polnische und

slowakische Staatsangehörige

ohne das Vorliegen einer Bewilligung oder einer Erlaubnis beschäftigt, obwohl ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen darf, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung (Trockenausbau-arbeiten) gültige Arbeitserlaubnis, einen Befreiungsschein, eine 'Niederlassungsbewilligung-unbeschränkt', einen Aufenthaltstitel 'Dauerauf-enthalt-EG' oder einen Niederlassungsnachweis besitzt."

Zu dieser Verfolgungshandlung nahm der Mitbeteiligte inhaltlich Stellung. Mit Straferkenntnis vom 22. Oktober 2007 erkannte die BH Deutschlandsberg den Mitbeteiligten folgendermaßen schuldig:

"Herrn

KK

geb. am ...

S-Str.

D

...

Straferkenntnis

Tatzeit: 20.02.2006 bis 02.03.2006 10.00 Uhr

Tatort: Baustelle 'S' in S,

B-Straße

Ihre Funktion: Arbeitgeber

1.Übertretung

Sie haben nachstehend angeführte ausländische Staatsbürger

es folgen sechs näher bezeichnete polnische und

slowakische Staatsangehörige

ohne das Vorliegen einer Bewilligung oder einer Erlaubnis

beschäftigt, obwohl ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz

nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen darf,

wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung

als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine

Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine

für diese Beschäftigung (Trockenausbauarbeiten) gültige

Arbeitserlaubnis, einen Befreiungsschein, eine

'Niederlassungsbewilligung-unbeschränkt', einen Aufenthaltstitel

'Daueraufenthalt-EG' oder einen Niederlassungsnachweis besitzt."

In der Begründung stellte die Behörde erster Instanz u.a. als Sachverhalt fest, dass es sich beim Mitbeteiligten um den Inhaber des Unternehmens KK mit Standort in O (Anmerkung: O liegt im politischen Bezirk L), B 13, handle. Für dieses Unternehmen hätten die Ausländer gearbeitet.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Mitbeteiligte u. a. die Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz ins Treffen, weil sich der Sitz des Unternehmens, von dem aus er tatsächlich die Unternehmensleitung ausübe, in Graz befinde.

Mit dem Bescheid vom 17. Juni 2008 gab die belangte Behörde der Berufung Folge, behob das Straferkenntnis und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG ein. Die wesentliche Begründung lautet:

"Das bekämpfte Straferkenntnis enthält keine Tatortangabe. Ein Bauvorhaben ist kein Tatbestandselement einer Übertretung des AuslBG, das in einer Verfolgungshandlung notwendigerweise enthalten sein muss. Als Tatort ist vielmehr jener Ort anzusehen, an dem die Beschäftigung eingegangen wurde bzw. der Ort, von dem aus die erforderlichen Bewilligungen zu beantragen gewesen wären; dies ist im Falle von Übertretungen gegen § 28 AuslBG in aller Regel der Sitz der Unternehmensleitung. Hingegen dient die Angabe des Ortes, an dem die illegal beschäftigten Ausländer ihre Arbeitsleistung erbringen nur der näheren Individualisierung der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tathandlungen (siehe VwGH 09.10.2006, Zl.: 2005/09/0086 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Die Verjährung wird nur dann unterbrochen, wenn sich eine Verfolgungshandlung auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente bezieht, dazu zählt die Nennung des Tatortes, wofür jedoch die Erschließbarkeit des Unternehmenssitzes aus der Adressierung der jeweiligen behördlichen Erledigung nicht ausreicht (siehe VwGH 18.10.1996, Zl.: 95/09/0073; VwGH 13.07.1990, Zl.: 90/19/0088). Im Gegenstande ergibt sich nicht einmal aus der Adressierung der Unternehmenssitz, sondern lediglich die Wohnsitzadresse. Bei Übertretungen gegen § 28 AuslBG ist jedoch im Zweifel der Sitz des Unternehmens des Arbeitgebers Tatort.

Der Berufungswerber war im Tatzeitraum Inhaber der oben näher beschriebenen Gewerbeberechtigung mit dem Gewerbestandort B 13, Oberhaag.

Für die Argumentation des Berufungswerbers, dass er vom Standort in der W-Straße 88, 8020 Graz aus gehandelt habe, ergeben sich aus dem Akteninhalt keine Anhaltspunkte und ist im Hinblick auf das Ergebnis des gegenständlichen Verfahrens diese Frage nicht mehr entscheidungswesentlich."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift, in der er sich im Wesentlichen der Rechtsauffassung der belangten Behörde anschloss.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - im Spruch des Bescheides der Behörde erster Instanz ein Tatort ausdrücklich genannt. Allerdings handelt es sich dabei um jene Baustelle in Spittal an der Drau, auf der die Ausländer arbeitend angetroffen wurden.

Nach § 27 Abs. 1 VStG ist die Behörde für die Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen wurde. Ist nach Abs. 2 der genannten Bestimmung die Zuständigkeit mehrerer Behörden begründet oder ist es ungewiss, in welchem Sprengel die Übertretung begangen worden ist, so ist die Behörde zuständig, die zuerst eine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 VStG) vorgenommen hat.

Auch im Falle von Übertretungen gegen § 28 AuslBG ist im Zweifel der Sitz des Unternehmens des Arbeitgebers der Tatort, denn dort wird in der Regel die gegebenenfalls nach diesem Gesetz verpönte Beschäftigung eingegangen und von dort aus wäre die allenfalls fehlende Beschäftigungsbewilligung zu beantragen gewesen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1994, Zl. 94/09/0140, und die dort angeführte Vorjudikatur). Wird die tatsächliche Leitung eines Unternehmens jedoch an einem anderen Ort als an dem im Firmenbuch eingetragenen Sitz des Unternehmens ausgeübt, so hat dies zur Folge, dass als Ort der Beschäftigung dieser tatsächliche Sitz der Unternehmensleitung und auch dieser Ort als jener Ort, von welchem aus die allenfalls erforderlichen Beschäftigungsbewilligungen hätten beantragt werden müssen, anzunehmen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2002, Zl. 2000/09/0147).

Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass die Leitung eines Unternehmens tatsächlich an der Baustelle, auf der die Ausländer arbeitend angetroffen werden, ausgeübt werden könnte. Im gegenständlichen Fall gibt es aber keine Anhaltspunkte dafür, dass dies so gewesen sei. Die Baustelle befindet sich in Spittal an der Drau, jedoch wurde die Anzeige vom Zollamt Villach an die BH Deutschlandsberg/Steiermark (entsprechend der Wohnadresse des Mitbeteiligten) übersendet. Weder der Mitbeteiligte noch die Behörden gingen in der Folge davon aus, dass der Ort der Unternehmensleitung tatsächlich an der Baustelle in Spittal an der Drau/Kärnten gewesen sei.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, als Tatort käme nur die Baustelle in Frage, da sich "keiner der angeführten Ausländer jemals in W-Straße Graz oder in S-Straße D aufgehalten" habe, verkennt, dass dieser Umstand nichts darüber aussagt, wo die verpönten Beschäftigungen seitens des Mitbeteiligten eingegangen wurden bzw. von wo aus er die notwendigen arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen zu beantragen gehabt hätte.

Der Umstand allein, dass im erstinstanzlichen Bescheidspruch der Ort, von dem aus die Unternehmensleitung erfolgte, als Tatort nicht genannt wurde, rechtfertigt die von der belangten Behörde verfügte Einstellung des Verfahrens noch nicht; auch ist es grundsätzlich nicht nur das Recht, sondern die Pflicht der Berufungsbehörde, einen allenfalls fehlerhaften Abspruch der ersten Instanz richtig zu stellen oder zu ergänzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. April 1993, Zl. 92/09/0377, mwN).

Derartige Überlegungen, wie sie naturgemäß auch der Beschwerde zu Grunde liegen, können indes dann nicht zielführend sein, wenn es nach der Lage des Falles bereits an einer tauglichen, den Eintritt der Verfolgungsverjährung unterbrechenden Verfolgungshandlung fehlt. Bereits eine derartige Verfolgungshandlung muss einen bestimmten (strafbaren) Sachverhalt zum Gegenstand haben; dies erfordert, dass sie sich auf alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente bezieht. Dazu zählt auch die Nennung des Tatortes, wofür jedoch die Erschließbarkeit des Unternehmenssitzes aus der Adressierung der jeweiligen behördlichen Erledigung nicht ausreicht (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 22. April 1993, Zl. 92/09/0377, mwN). Die belangte Behörde hat diese Rechtsprechung zu Recht auf den gegenständlichen Fall angewendet, weil die Anschrift des Mitbeteiligten in D lediglich in der Adressierung der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 16. März 2006 und im Straferkenntnis aufschien, nicht aber im Tatvorwurf. Zudem handelt es sich dabei um die Wohnadresse des Mitbeteiligten; als Gewerbestandort war diese Anschrift erst nach der gegenständlichen Tatzeit gemeldet.

Da es - wie ausgeführt - keinen Hinweis auf einen Tatort, der an der Baustelle gelegen gewesen wäre (zudem hätte in einem solchen Fall eine unzuständige Behörde erster Instanz entschieden, weil die Baustelle im Bereich der BH Spittal an der Drau liegt), gibt und andererseits die einzige innerhalb der gemäß § 28 Abs. 2 AuslBG einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist ergangene Verfolgungshandlung, nämlich die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 16. März 2006, keinen anderen Tatort als die genannte Baustelle enthielt, sodass die belangte Behörde auch nicht berechtigt gewesen wäre, den Tatort in ihrem Berufungsbescheid richtig zu stellen oder zu ergänzen, wurde die Einstellung des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG von der belangten Behörde im Ergebnis zu Recht verfügt (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 22. April 1993, Zl. 92/09/0377), ohne dass es der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bedurft hätte (§ 51e Abs. 2 Z. 1 VStG).

Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz an die mitbeteiligte Partei gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. November 2008

Stichworte