VwGH 2007/08/0157

VwGH2007/08/015711.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerden des Ing. P in S, vertreten durch Dr. Christoph Naske, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 21, gegen die auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Kärnten vom 31. Mai 2007, Zl. LGS/SfA/05662/2007 (protokolliert zur hg. Zl. 2007/08/0157), sowie vom 25. Juli 2007, Zl. LGS/SfA/05662/2007 (protokolliert zur hg. Zl. 2007/08/0205), betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit der Arbeitslosenversicherung bzw. Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §59 Abs1;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §59 Abs1;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 991,20, zusammen daher EUR 1.982,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 13. April 2007 sprach das Arbeitsmarktservice Wolfsberg, regionale Geschäftsstelle (in der Folge: AMS Wolfsberg), aus, dass der Beschwerdeführer, der auf Grund seines Antrages vom 18. April 2006 im Bezug von Notstandshilfe stand, sein Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) für den Zeitraum 26. März bis 20. Mai 2007 verloren habe. In der Begründung wurde nach Wiedergabe der genannten Gesetzesstellen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine ihm vom Arbeitsmarktservice angebotene zumutbare Beschäftigung beim Unternehmen M. am 26. März 2007 dadurch vereitelt habe, dass er den vorgelegten Dienstvertrag nicht unterschrieben habe; berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht würden nicht vorliegen.

Der Beschwerdeführer stellte am 25. April 2007 einen weiteren Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe.

Das AMS Wolfsberg erließ am 26. April 2007 hinsichtlich des Beschwerdeführers einen weiteren, nachstehend wörtlich zitierten Bescheid:

"BESCHEID

Gemäß § 68 Abs.2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 in geltender Fassung, wird der nachstehend angeführte Bescheid behoben:

BESCHEID VOM 13.04.2007 - AUSSCHLUSSFRIST VOM 26.03.2007

BIS 24.04.2007

BEGRÜNDUNG

Die gesetzlichen Bestimmungen lauten:

Gemäß § 68 Abs.2 AVG können von Amts wegen Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, unter anderem von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, aufgehoben oder abgeändert werden.

Wie eine nochmalige Überprüfung ihres Falles ergeben hat, entspricht der oben angeführte Bescheid nicht den gesetzlichen Bestimmungen.

DER BESCHEID VOM 13.04.2007 WIRD HINSICHTLICH DER AUSSCHLUSSFRIST FÜR DEN ZEITRAUM VOM 26.03.2007 BIS 24.04.2007

DAHINGEHEND ABGEÄNDERT UND BERICHTIGT, WEIL DAS HÖCHSTAUSMASS DES

FIKTIVEN LEISTUNGSANSPRUCHES MIT 24.04.2007 ERREICHT WURDE.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

Mit einem weiteren Bescheid vom 26. April 2007 sprach das AMS Wolfsberg aus, dass der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 AlVG für den Zeitraum vom 25. April bis 20. Mai 2007 verloren habe. Die Begründung dazu war gleich lautend wie im oben genannten Bescheid vom 13. April 2007.

Mit (erstangefochtenem) Bescheid vom 31. Mai 2007 hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 13. April 2007 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, dass der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 68 Abs. 2 AVG seitens des AMS Wolfsberg mit Bescheid vom 26. April 2007 behoben und deshalb ein Rechtsmittel dagegen nicht möglich sei. Des Weiteren sei im aufhebenden Bescheid des AMS Wolfsberg vom 26. April 2007 ausgesprochen worden, dass der Beschwerdeführer für die Zeit vom 26. März bis 24. April 2007 keinen Anspruch auf Notstandshilfe habe; mit einem weiteren Bescheid vom 26. April 2007 sei ihm der Anspruch auf Notstandshilfe für die Zeit vom 25. April bis 20. Mai 2007 versagt worden; beiden Bescheiden lege als Begründung für den Leistungsausschluss die Vereitelung der Arbeitsaufnahme beim Unternehmen M. zu Grunde.

Mit (zweitangefochtenem) Bescheid der belangten Behörde vom 25. Juli 2007 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen die (beiden) Bescheide des AMS Wolfsberg vom 26. April 2007 keine Folge gegeben und ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß §§ 38, 9 und 10 Abs. 1 AlVG in der Zeit vom 26. März bis 24. April 2007 und vom 25. April bis 20. Mai 2007 keinen Anspruch auf Notstandshilfe habe, da er die vom AMS Wolfsberg angebotene zumutbare Beschäftigung beim Unternehmen M. nicht angenommen habe. In der Begründung führte die belangte Behörde eingangs aus, dass mit den angefochtenen erstinstanzlichen Bescheiden vom 26. April 2007 eine Sperre des Leistungsbezuges für die Zeit vom 26. März bis 24. April 2007 und vom 25. April bis 20. Mai 2007 verhängt worden sei; im Weiteren ging sie auf die in der Berufung vorgebrachten Argumente des Beschwerdeführers gegen die Annahme der von ihm gesetzten Vereitelungshandlung und der Zumutbarkeit der ihm angebotenen Beschäftigung ein.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, Gegenschriften erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat darüber erwogen:

1. Gemäß § 58 Abs. 1 AVG ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten. Bescheide sind zu begründen, wenn dem Standpunkt der Parteien nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird (§ 58 Abs. 2 leg. cit.).

Nach § 59 Abs. 2 AVG hat der Spruch die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst getrennter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen.

Der Spruch des Bescheides gibt den Inhalt der mit dem Bescheid erlassenen Norm wieder und ist somit der wichtigste Bestandteil des Bescheides. Nur der Spruch erlangt rechtliche Geltung (Verbindlichkeit), nur er kann daher allenfalls rechtsverletzend sein. Nur die im Spruch angeordnete Rechtsfolge ist gegebenenfalls vollstreckbar; sie muss daher entsprechend bestimmt sein (VwSlg. 10.463A/1981; siehe auch Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I. Band, 2. Auflage, E 61 zu § 59 AVG).

Der Inhalt des angefochtenen Bescheides ist anhand seines Spruches zu ermitteln; bei der Auslegung ist jenes Deutungsschema zu beachten, das die gesetzlichen Vorschriften vermitteln, auf denen der Bescheid beruht. Nur eine sodann noch gegebene Unklarheit des Bescheidspruches könnte es gebieten, zur Auslegung die Bescheidbegründung heranzuziehen (vgl. unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 5. März 1990, Zl. 89/15/0015, und vom 25. April 1996, Zl. 95/07/0216). Spruch und Begründung eines Bescheides bilden eine Einheit, sodass für die Ermittlung des Sinnes eines Bescheides auch die Begründung heranzuziehen ist, insbesondere dann, wenn wegen der Unklarheit des Spruches an seinem Inhalt Zweifel bestehen. Die Begründung eines Bescheides kann daher als Auslegungshilfe herangezogen werden, wenn der Spruch eines rechtskräftigen Bescheides für sich allein betrachtet Zweifel an seinem Inhalt offen lässt (vgl. unter anderem VwSlg. 9.112A/1976).

2. Für den zweitangefochtenen Bescheid bedeutet dies:

Der in Berufung gezogene, erstinstanzliche "gemäß § 68 Abs. 2 AVG erlassene" Bescheid vom 26. April 2007 erfüllt nicht die Bestimmtheitserfordernisse nach § 59 AVG. Soweit die Formulierung des Spruches, wonach der mit "BESCHEID VOM 13.04.2007 - AUSSCHLUSSFRIST VOM 26.03.2007 BIS 24.04.2007" angeführte Bescheid behoben wird, als (Total)Aufhebung dieses Bescheides verstanden werden könnte, steht dieser Auslegung entgegen, dass der (gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufgehobene) Bescheid vom 13. April 2007 eine Ausschlussfrist vom 26. März bis 20. Mai 2007 umfasste. Auch die Heranziehung der Bescheidbegründung vermag kein Klärung herbeizuführen, da der einzige, einen relevanten Ansatz bietende vorletzte Satz der Begründung ("DER BESCHEID VOM 13.04.2007 WIRD HINSICHTLICH DER AUSSCHLUSSFRIST FÜR DEN ZEITRAUM VOM 26.03.2007 BIS 24.04.2007 DAHINGEHEND ABGEÄNDERT UND BERICHTIGT, WEIL DAS HÖCHSTAUSMASS DES FIKTIVEN LEISTUNGSANSPRUCHES MIT 24.04.2007 ERREICHT WURDE") sprachlich unvollständig ist und daher unverständlich bleibt, vor allem aber jedenfalls im Widerspruch zum Spruch dieses Bescheides steht: die Begründung (Arg.: "abgeändert und berichtigt") trägt nicht die im Spruch vorgenommene Behebung, die sich noch dazu auf den Zeitraum vom 26. März bis 24. April 2007 bezieht, für den die Begründung aber eine Ausschlussfrist verhängen möchte.

Die von der belangten Behörde vorgenommene Auslegung, indem sie offenkundig diesen erstinstanzlichen Bescheid als Abänderung des Bescheides vom 13. April 2007 in Richtung einer Einschränkung des Zeitraumes der Ausschlussfrist auf 26. März bis 24. April 2007 wertet und diesen gemeinsam mit dem weiteren erstinstanzlichen Bescheid vom 26. April 2007, worin "neuerlich" eine Sperre des Leistungsbezuges für den ("verbliebenen") Zeitraum vom 25. April bis 20. Mai 2007 verhängt wird, einer inhaltlichen Erledigung zuführt, erweist sich daher als verfehlt.

Die belangte Behörde hätte daher den "gemäß § 68 Abs. 2 AVG erlassenen" Bescheid vom 26. April 2007 mangels ausreichender Bestimmtheit aufzuheben gehabt. Damit hätte auch der weitere Bescheid vom gleichen Datum wegen Nichtbeachtung der res iudicata aufgehoben werden müssen, zumal über dessen Gegenstand bereits im früheren Bescheid vom 13. April 2007 mitabgesprochen worden war. Res iudicata hat die belangte Behörde selbst herbeigeführt, indem sie die Berufung gegen den Bescheid vom 13. April 2007 mittels des erstangefochtenen Bescheides vom 31. Mai 2007 zurückgewiesen hat.

Der zweitangefochtene Bescheid leidet schon deshalb an inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

3. Durch die Aufhebung des zweitangefochtenen Bescheides tritt die Rechtsache gemäß § 42 Abs. 3 VwGG in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat. Dies bedeutet für den erstangefochtenen Bescheid, dass die Behebung des Bescheides vom 13. April 2007 nicht länger in Rechtskraft erwachsen ist und daher kein Grund vorliegt, die Berufung des Beschwerdeführers zurückzuweisen. Durch die Aufhebung des "gemäß § 68 Abs. 2 AVG erlassenen" Bescheides vom 26. April 2007 wird eine inhaltliche Behandlung der Berufung durch die belangte Behörde erforderlich.

Beide angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidungen über den Aufwandersatz stützen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 11. September 2008

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