VwGH 2005/05/0335

VwGH2005/05/033531.3.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerden

1.) (zur hg. Zl. 2005/05/0335) des K in Wien, vertreten durch Dr. Josef Wolfgang Deitzer, Rechtsanwalt in 2320 Schwechat, Wiener Straße 36-38/1/24 (mitbeteiligte Partei: Ing. N in Wien, vertreten durch Dr. Philipp Millauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, An der Hülben 1), 2) (zur hg. Zl. 2005/05/0341) des Ing. N in Wien, vertreten durch Dr. Philipp Millauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, An der Hülben 1 (mitbeteiligte Partei: K in Wien, vertreten durch Dr. Josef Wolfgang Deitzer, Rechtsanwalt in 2320 Schwechat, Wiener Straße 36-38/1/24), gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 27. September 2005, Zl. BOB-211/05, betreffend eine Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3 idF 2003/010;
BauO Wr §134 Abs5;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauO Wr §60;
BauO Wr §62 Abs1;
BauO Wr §62 Abs4;
BauO Wr §62a Abs1 Z25;
BauO Wr §85 Abs4;
BauRallg;
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3 idF 2003/010;
BauO Wr §134 Abs5;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauO Wr §60;
BauO Wr §62 Abs1;
BauO Wr §62 Abs4;
BauO Wr §62a Abs1 Z25;
BauO Wr §85 Abs4;
BauRallg;

 

Spruch:

1. Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen.

Der Erstbeschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 sowie dem Mitbeteiligten (dem Zweitbeschwerdeführer) in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. Der angefochtene Bescheid wird auf Grund der Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers in seinem Spruchpunkt I Z. 3 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird auch die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt Wien hat diesem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer ist Bauwerber und Bestandnehmer des Wohnungseigentumsobjektes Top 1 und Top 2 des Hauses 1210 Wien, Pius-Parsch-Platz 7-12, welches dem F. H. gehört. Der Zweitbeschwerdeführer ist ein weiterer Wohnungseigentümer. Der Konsens ergibt sich aus dem Bescheid vom 12. April 1984, wonach gemäß § 70 der BauO für Wien die Zusammenlegung des Geschäftslokales Top Nr. 1 und der Wohnung Top Nr. 2 unter Herstellung einer Durchgangsöffnung und die Verwendung der früheren Zimmer der Wohnung Top 2 als Lagerraum für das Geschäftslokal bewilligt worden war.

Mit einem beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 (MA 37), am 22. April 2004 eingelangten Schreiben erstattete der Erstbeschwerdeführer eine Bauanzeige unter Vorlage von Plänen. Danach soll das bestehende Eingangsportal um ca. 40 cm zurückversetzt werden, im Lagerraum sollen Sanitäreinrichtungen geschaffen werden und der Lagerraum als "Gastraum 2" Verwendung finden. Außerdem ist in der Mittelmauer, in der sich der schon 1984 bewilligte Durchgang befindet, eine Durchreiche vorgesehen. Vorgelegt wurde auch ein Plan vom Keller, ohne dass dort Baumaßnahmen geplant gewesen wären; allerdings befindet sich bei einem WC neben der Waschküche im Keller die Eintragung "Zugänglichkeit für Bedienstete".

Beigelegt wurde auch ein mit "Gutachten gemäß § 63 Abs. 1 lit. h BO" überschriebenes Formular, welches die vorgedruckte Erklärung enthält:

"Es wird festgestellt, dass für das in diesen Plänen dargestellte Bauvorhaben auf Grund der nachstehenden Tatsachen (Zutreffendes bitte ankreuzen) aus statischen Belangen keine Gefährdung des Lebens, der Gesundheit von Menschen oder des Eigentums gegeben ist."

Angekreuzt wurde der Punkt "Verwendung von Gipsständerwänden oder gleichwertigem" und der Punkt "Verwendung von Fertigteilüberlagern für Wanddurchbrüche", wobei dieser Punkt handschriftlich durch das Wort "Wanddurchreiche" ergänzt wurde. Ausgefüllt wurde das Schreiben durch Einfügung des Datums (22. April 2004), der Bezeichnung des Vorhabens als "Umbau" samt Adresse und dem Namen des Erstbeschwerdeführers als Bauwerber. Dieses Formular trägt eine Unterschrift, die jener bei den Firmenstampiglien des Planverfassers und des Bauführers (S. Bau- und Handelsges.m.b.H) auf dem Bauplan entspricht; beim Formularpunkt "Verfasser:" am Seitenbeginn findet sich keine Eintragung (was möglicherweise durch den Kopiervorgang erklärt werden kann), es wird aber darauf verwiesen, dass der Bauplan von der S. Bau- und Handelsges.m.b.H verfasst wurde.

Mit Bescheid vom 29. April 2004 wurde durch die MA 37 nach Maßgabe des mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Planes, der einen wesentlichen Bestandteil bildete, die Bauanzeige im Umfang der dargestellten Baumaßnahmen gemäß § 62 BauO für Wien zur Kenntnis genommen. Das Geschäftslokal Top Nr. 1 und 2 im Erdgeschoß solle durch den Einbau einer Abortanlage in ein Gastlokal umgewandelt werden.

Der Bescheid erging an den Erstbeschwerdeführer sowie in Abschrift an die S. Bau- und Handels GesmbH. Vom zuletzt genannten Unternehmen stammt auch die mit 14. Juli 2004 datierte Fertigstellungsanzeige.

Mit Bescheid vom 10. Mai 2004 stellte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 21. Bezirk, fest, dass die Beschaffenheit der gegenständlichen Betriebsanlage, in welcher der Erstbeschwerdeführer das Gastgewerbe in der Betriebsart eines Cafehauses auszuüben beabsichtige, die Voraussetzungen des § 359b Abs. 1 und 2 Gewerbeordnung erfülle. Dort wird darauf hingewiesen, dass für Arbeitnehmer im Kellerbereich ein eigenes WC vorhanden sei.

Mit Schreiben vom 2. Juli 2004 erstattete der Zweitbeschwerdeführer (gemeinsam mit einem weiteren Wohnungseigentümer; beide bezeichneten sich als Wohnungseigentümer und Sprecher der Eigentümergemeinschaft) Berufung gegen den Bescheid vom 29. April 2004. Sie führten darin aus, dass sie "zumindest" als übergangene Nachbarn im Sinne des § 134 Abs. 4 BO anzusehen seien, da ein formelles Baubewilligungsverfahren nicht durchgeführt worden sei. Auf diese Weise seien sie um ihre Parteistellung gebracht worden und es sei gegen die Verpflichtung der Wahrung des Parteiengehörs verstoßen worden. Sie machten geltend, dass die Umwidmung des Lagerraumes in einen Aufenthaltsraum bewilligungspflichtig sei. Der Durchbruch durch eine tragende Mauer sei, da statische Veränderungen möglich seien, nicht gemäß § 62 BauO für Wien zur Kenntnis zu nehmen, sondern bewilligungspflichtig. Gleiches gelte für die Auflassung von Küche, Bad und WC. Die Wohnungseigentümer seien auch nicht mit der Benützung des WC im Keller durch das Personal des Betreibers einverstanden. Über den Eingang zum Lokal sei eine groß dimensionierte Klimaanlage angebracht worden, die, weil zu weit in den Luftraum reichend, eine Baubewilligung erforderlich gemacht hätte.

Mit Schreiben vom 25. April 2005, gerichtet an die belangte Behörde, beantragte der Zweitbeschwerdeführer unter Hinweis auf § 73 Abs. 2 AVG, die Oberbehörde wolle die Sache an sich ziehen und über die eingebrachte Berufung entscheiden.

Über Aufforderung der belangten Behörde, eine technische Beschreibung abzugeben, teilte die MA 37 mit Schreiben vom 13. Mai 2005 mit, dass nachstehende Bauführungen vorgenommen worden seien:

"Bei dem gegenständlichen Bauvorhaben innerhalb des Geschäftslokales TOP Nr. 1 und 2 im Erdgeschoss des bestehenden Wohn- und Betriebsgebäudes Pius-Parsch-Platz ONr. 11, wurden folgende bauliche Maßnahmen durchgeführt:

o Umwidmung Geschäftsraum (43,91 m2) straßenseitig und Lagerraum (32,95 m2) hofseitig jeweils in einem Gastraum.

o Änderung der Raumaufteilung der Sanitäranlage, - Herstellung einer ausreichenden Be-und Entlüftung der Aborte, - Ausbildung einer Feuchtigkeitsisolierung im Bodenbereich mit Wandhochzug, - Aufstellen von nichttragenden Scheidwänden in Gipskarton-Ständerbauweise.

o Herstellung einer Durchreiche in Mittelmauer

('Sichtkontakt' zwischen den beiden Gasträumen) der nicht von

Einfluss auf die statischen Verhältnisse der Baulichkeit ist.

(siehe Gutachten ausführende Fa. (S.) Bau- u. Handelsges.m.b.H.).

o Bestehendes Eingangsportal Pius-Parsch-Platz wird um

ca. 40 cm, ohne Änderung der äußeren Gestaltung der Baulichkeit zurückversetzt."

Die belangte Behörde hielt mit Schreiben vom 26. Juli 2005 dem Erstbeschwerdeführer vor, dass gegen den Bescheid vom 29. April 2004 Berufung erhoben worden sei. Unter Hinweis auf § 45 Abs. 3 BauO für Wien wurde mitgeteilt, dass durch das Zurückversetzen des bestehenden Eingangsportals um ca. 40 cm der Umfang einer Bauanzeige gemäß § 62 der BauO für Wien überschritten worden sei, indem eine Veränderung an der Außenwand erfolgt sei, wodurch gemeinsame Teile der Baulichkeit in Anspruch genommen worden seien und das äußere Ansehen des Gebäudes verändert worden sei. Insofern wäre eine Baubewilligung zu erwirken.

Dazu nahm der Erstbeschwerdeführer mit Schreiben vom 4. August 2005 Stellung. Die Zurückversetzung des Portals sei von der Gewerbebehörde verlangt worden, um die Ausgangstüre in Fluchtrichtung herzustellen; damit sei keine Änderung der äußeren Gestaltung bewirkt worden, da sich bloß die Aufgehrichtung der Türe verändert habe und ansonsten die im Bescheid vom 12. April 1984 ausgewiesene Glaskonstruktion beim Eingang im Prinzip unverändert geblieben sei. Die Maßnahme sei daher zu Recht nach § 62 BauO für Wien beurteilt worden.

Mit dem hier von beiden Beschwerdeführern angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid auf Grund der Berufung des Zweitbeschwerdeführers dahingehend ab, dass sein Spruch wie folgt zu lauten hatte:

"I. Gemäß § 62 der Bauordnung für Wien (BO) wird die Anzeige folgender in dem mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen und einen integrierten Bestandteil dieses Bescheides bildenden Plan dargestellten Baumaßnahmen innerhalb des Geschäftslokals Top Nr. 1 und 2 im Erdgeschoß des auf der im Betreff angeführten Liegenschaft bestehenden Wohn- und Betriebsgebäudes zur Kenntnis genommen:

1. Die Umwidmung des straßenseitigen Geschäftsraumes mit einer Fläche von 43,91 m2 sowie des hofseitigen Lagerraumes mit einer Fläche von 32,95 m2 in Gasträume;

2. die Änderung der Raumaufteilung der Sanitäranlage unter der Herstellung einer ausreichenden Be- und Entlüftung der Aborte, die Ausbildung einer Feuchtigkeitsisolierung im Bodenbereich mit Wandhochzug sowie das Aufstellen von nichttragenden Scheidewänden in Gipskarton-Ständerbauweise;

3. die Herstellung einer Durchreiche in der Mittelmauer zur Schaffung eines Sichtkontaktes zwischen den beiden Gasträumen, die nicht von Einfluss auf die statischen Verhältnisse des Gebäudes ist.

II. Gemäß derselben Bestimmung wird die Kenntnisnahme der Bauanzeige für folgende in dem mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen und einen integrierten Bestandteil dieses Bescheides bildenden Plan dargestellten Baumaßnahmen auf der im Betreff angeführten Liegenschaft verweigert:

Das Zurückversetzen des bestehenden Eingangsportals in der an der Baulinie zum Pius-Parsch-Platz gelegenen Außenmauer um 40 cm."

Die belangte Behörde verwies auf die Bestimmung des § 134 Abs. 3 BauO für Wien, wonach im Baubewilligungsverfahren außer dem Antragsteller unter anderem auch die Miteigentümer der Liegenschaft Parteien seien. Weder auf dem Plan noch sonst aus dem Akt lasse sich ein Hinweis auf die Zustimmung des Zweitbeschwerdeführers als Liegenschaftsmiteigentümer zu den Bezug habenden baulichen Maßnahmen erkennen. Auf Grund der nachvollziehbaren Angaben des Zweitbeschwerdeführers sei davon auszugehen, dass ihm der verfahrensgegenständliche Bescheid der Baubehörde erster Instanz nicht zugestellt worden sei, er jedoch Kenntnis von dessen Inhalt erlangt habe, sodass die Berufung als zulässig anzusehen sei.

Die im Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides angeführte Maßnahme sei als bewilligungspflichtig anzusehen, weil in der Außenwand des Geschäftslokals das Eingangsportal um 40 cm versetzt worden sei, wodurch eine Inanspruchnahme von allgemeinen Teilen des Hauses erfolgt sei. Dadurch sei der gesetzlich bestimmte Rahmen einer Bauanzeige überschritten worden. Diese Maßnahme wäre nach § 60 Abs. 1 lit. c BauO für Wien bewilligungspflichtig.

Bezüglich des Vorbringens des Zweitbeschwerdeführers zu dem zur Waschküche gehörenden WC im Kellergeschoß führte die belangte Behörde aus, dass dieses WC zwar im Einreichplan dargestellt sei, aber eine Raumwidmung nicht ausgewiesen sei, weshalb es vom Vorhaben nicht umfasst sei. Die Klimaanlage sei von der gewerberechtlichen Genehmigung erfasst; daher bedürfe sie auf Grund der Subsidiarität des § 61 BauO für Wien keiner Bewilligung.

Die belangte Behörde bezeichnete das Schreiben der MA 37 vom 13. Mai 2005 als Stellungnahme des bautechnischen Amtssachverständigen, wonach lediglich Änderungen der Raumaufteilung der Sanitäranlage in der Betriebseinheit, die Herstellung einer ausreichenden Be- und Entlüftung der Aborte, die Ausbildung einer Feuchtigkeitsisolierung im Bodenbereich mit Wandhochzug sowie das Aufstellen von nichttragenden Scheidewänden in Gipskarton-Ständer-Bauweise und schließlich eine Umwidmung des bestehenden Geschäftsraumes und des Lagerraumes in einen Gastraum erfolgen sollte. Die Durchreiche in der Mittelmauer sei nicht von Einfluss auf die statischen Verhältnisse der Baulichkeit, wie auch dem Gutachten des ausführenden Professionisten entnommen werden könne. Alle diese Maßnahmen seien daher vom Umfang der Bauanzeige erfasst gewesen.

Eine Entscheidung über den gesondert gestellten Devolutionsantrag sei nicht erforderlich, weil durch die vorliegende Berufungsentscheidung den Rechtsschutzinteressen des Zweitbeschwerdeführers Rechnung getragen worden sei.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Erstbeschwerdeführers richtet sich erkennbar nur gegen den Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides; der Erstbeschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf "Unterbleiben unnötiger und in der Wiener Bauordnung nicht vorgesehener Auflagen sowie auf Zuerkennung der Kenntnisnahme über die Bauführung auf Grund Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen" verletzt. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Zweitbeschwerdeführer erachtet sich in seiner Beschwerde in seinem Recht auf Verweigerung der Kenntnisnahme der Bauanzeige bezüglich der unter Punkt I des angefochtenen Bescheides angeführten Maßnahmen und in seinem Recht auf meritorische Entscheidung bezüglich der Klimaanlage und des Bediensteten-WC verletzt. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete zu beiden Beschwerden eine Gegenschrift. Die beiden Beschwerdeführer erstatteten auf Grund ihrer Stellung als Mitbeteiligte jeweils eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und erwogen:

Gemäß § 134 Abs. 3 BauO für Wien (hier in der Fassung LGBl. Nr. 10/2003; BO) sind im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften außer dem Antragsteller die Eigentümer bzw. Miteigentümer der Liegenschaften Partei. Für das Verfahren zur Erwirkung der Kenntnisnahme einer Bauanzeige sieht § 134 Abs. 5 BO vor, dass (nur) der Bauwerber Partei ist; lediglich im Falle der Zusammenlegung von aneinander angrenzenden Wohnungen oder Betriebseinheiten oder Teilen davon in Wohnungseigentum sind auch deren Eigentümer Partei.

Mit der Frage des Ausschlusses des Grundeigentümers bzw. des Eigentümers einer Wohnung, die nicht an die verfahrensgegenständliche Einheit angrenzt, hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. November 1996, Zl. 95/05/0180, befasst. Dort wurde betont, dass dann, wenn die Baubehörde zu Unrecht das Vorliegen einer bloß anzeigepflichtigen Baumaßnahme angenommen hat, im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung dem Miteigentümer in dem Verfahren, in dem dann zu Unrecht ein Bescheid gemäß § 62 Abs. 4 BO ergangen ist, Parteistellung eingeräumt werden muss.

Hier hat der zweitbeschwerdeführende Miteigentümer die Bewilligungspflicht der angezeigten Maßnahmen behauptet, weshalb ihm insofern Parteistellung zukommt.

Gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO sind unter anderem Änderungen von Gebäuden und baulichen Anlagen bewilligungspflichtig, wenn diese von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektiv öffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird.

Bloß anzeigepflichtige Baumaßnahmen sind in § 62 BO geregelt.

Diese Bestimmung lautet:

"§ 62.

(1) Die Kenntnisnahme einer Bauanzeige genügt für

1. den Einbau oder die Abänderung von Badezimmern, auch unter Inanspruchnahme gemeinsamer Teile der Baulichkeit, soweit dies für eine ausreichende Be- und Entlüftung des Raumes und für die Herstellung einer Feuchtigkeitsisolierung erforderlich ist;

2. den Einbau oder die Abänderung von Sanitäranlagen, auch unter Inanspruchnahme gemeinsamer Teile der Baulichkeit, soweit dies für eine ausreichende Be- und Entlüftung des Raumes und für die Herstellung einer Feuchtigkeitsisolierung erforderlich ist;

3. Loggienverglasungen;

3a. den Austausch von Fenstern gegen solche anderen

Erscheinungsbildes (Konstruktion, Teilung, Profilstärke, Farbe und

dergleichen) sowie den Austausch von Fenstern in Schutzzonen;

4. alle Bauführungen in Wohnungen oder

Betriebseinheiten, die nicht von Einfluss auf die statischen Verhältnisse der Baulichkeit sind, keine Änderung der äußeren Gestaltung der Baulichkeit bewirken, gemeinsame Teile der Baulichkeit oder der Liegenschaft nicht in Anspruch nehmen und nicht die Umwidmung von Wohnungen auf Arbeitsräume, Büroräume, Verkaufsräume, Versammlungsräume, Gaststätten und Räume mit ähnlicher Funktion sowie Lagerräume betreffen.

(2) Der Bauanzeige sind Baupläne in dreifacher Ausfertigung anzuschließen; sie sind vom Bauwerber, vom Planverfasser und vom Bauführer oder deren bevollmächtigten Vertretern zu unterfertigen.

(3) Die Kenntnisnahme einer Bauanzeige hat innerhalb einer Frist von sechs Wochen ab Einlangen bei der Behörde mit schriftlichem Bescheid zu erfolgen oder ist mit schriftlichem Bescheid zu verweigern, wenn die zur Anzeige gebrachten Baumaßnahmen nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprechen oder Gründe dafür sprechen, dass die Baumaßnahmen einer Baubewilligung bedürfen.

(4) Nach Erlassung des Bescheides, mit dem eine Bauanzeige zur Kenntnis genommen wird, darf mit den Baumaßnahmen begonnen werden.

(5) Im Falle des Wohnungseigentums gelten die Abs. 1 bis 4 auch bei Zusammenlegung aneinander grenzender Wohnungen oder Betriebseinheiten oder Teilen davon mit der Maßgabe, dass die Baupläne auch von den betreffenden Wohnungseigentümern dieser Wohnungen oder Betriebseinheiten zu unterfertigen sind."

Nicht zur Kenntnis genommen und damit der Bewilligungspflicht nach § 60 Abs. 1 lit. c BO unterstellt wurde von der belangten Behörde die angezeigte Maßnahme "bestehendes Eingangsportal ca. 40 cm zurückversetzt". Dazu bringt der Erstbeschwerdeführer vor, es seien durch diese Maßnahme sogar allgemeine Teile des Hauses freigegeben worden. Bei diesem Geschäftsportal handle es sich um einen reinen Ziergegenstand ohne bauliche Wirkung, was sich schon aus § 85 Abs. 4 und 6 BO ergebe. Die gegenständliche Veränderung hätte vielmehr unter § 62a Abs. 1 Z. 25 BO subsumiert werden müssen, wonach Bewilligungsfreiheit für Bauführungen im Hinblick auf Ziergegenstände gegeben sei.

Dem ist zu entgegnen, dass nach § 85 Abs. 4 BO Portale, Geschäfts- und Firmenschilder, Werbezeichnungen und Lichtreklamen so beschaffen sein müssen, dass durch sie das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtigt wird. Nach dem Abs. 6 dieser Bestimmung darf durch die Errichtung, Veränderung oder Beseitigung baulicher Ziergegenstände in Schutzzonen die äußere Gestaltung, der Charakter und Stil des betroffenen Gebäudes bzw. des den baulichen Ziergegenstand benachbarten örtlichen Bereiches in seiner Wirkung im örtlichen Stadtbild nicht verändert werden.

Die Bestimmung, die der Erstbeschwerdeführer für die behauptete Bewilligungs- bzw. Anzeigefreiheit herangezogen wissen will, lautet:

"§ 62 a

(1) Bei Bauführungen, die folgende Anlagen betreffen, ist weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich:

25. Skulpturen, Zierbrunnen sowie Ziergegenstände und dergleichen bis zu einer Höhe von 3 m außerhalb von Schutzzonen;"

Weder aus der Bestimmung, dass Portale das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtigen dürfen, noch aus der Bestimmung, dass bauliche Ziergegenstände die äußere Gestaltung nicht verändern dürfen, lässt sich für die vom Erstbeschwerdeführer gewünschte Bewilligungs- und Anzeigefreiheit etwas gewinnen; ein Geschäftsportal, welches wie hier dem Publikum die Möglichkeit einräumt, von der Straße aus das Cafehaus des Erstbeschwerdeführers zu betreten, ist jedenfalls kein "Ziergegenstand" nach der vom Erstbeschwerdeführer genannten Bestimmung des § 62a Abs. 1 Z. 25 BO. Es kann daher der Auffassung der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, dass ein Zurückversetzen des - laut Plan 2,58 m breiten - Eingangsportals um 40 cm eine Änderung des äußeren Ansehens im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. c BO bewirkt. Da keiner der Tatbestände des § 62 Abs. 1 BO erfüllt ist, hat die belangte Behörde zu Recht die Kenntnisnahme der Bauanzeige diesbezüglich verweigert.

Soweit der Erstbeschwerdeführer eine Verletzung des rechtlichen Gehörs behauptet, ist ihm entgegen zu halten, dass ihm die belangte Behörde diese ihre Rechtsauffassung kundgetan hat und er sich dazu auch geäußert hat.

In Rechte des Zweitbeschwerdeführers könnte nur dadurch eingegriffen worden sein, dass die im Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides angeführten Maßnahmen bewilligungspflichtig wären; dem Wortlaut des Bescheidspruches nach betrifft Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides aber weder eine Klimaanlage noch ein Bediensteten-WC noch einen Mauerdurchbruch ins Stiegenhaus; schon deshalb steht dem Zweitbeschwerdeführer ein Recht auf "meritorische Entscheidung" nicht zu.

Die Umwandlung eines Lagerraumes in einen Gastraum ist durch § 62 Abs. 1 Z. 4 BO gedeckt, weil diese Maßnahme innerhalb einer Betriebseinheit erfolgt und keine Umwidmung einer Wohnung beinhaltet. § 60 Abs. 1 lit. c BO käme nur dann zur Anwendung, wenn kein Tatbestand nach §§ 62 (oder auch 62a) erfüllt wäre (Moritz, BauO Wien2, 136). Da nach § 62 Abs. 3 BO die Kenntnisnahme einer Bauanzeige auch dann zu verweigern ist, wenn die zur Anzeige gebrachten Baumaßnahmen nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprechen, hätte die Anzeige hier auch dann verweigert werden müssen, wenn etwa der umgewidmete Lagerraum nicht den Anforderungen an einen Gastraum (§ 87 Abs. 3 BO) entsprochen hätte; Derartiges ergibt sich weder aus den Akten noch wurde diesbezüglich irgendeine Behauptung aufgestellt.

Ohne weiteres lassen sich auch die unter Spruchpunkt I Z. 2 angeführten Maßnahmen dem § 62 Abs. 1 Z. 2 und 4 BO unterordnen. Soweit der Zweitbeschwerdeführer auf die Feuchtigkeitsisolierung im Bodenbereich mit Wandhochzug verweist, die, da die Bestandobjekte im unterkellerten Erdgeschoß situiert seien, eine Inanspruchnahme gemeinsamer Teile der Baulichkeit darstellten, ist ihm der Wortlaut der durch LGBl. Nr. 10/2003 geänderten Fassung des § 62 Abs. 1 Z. 2 BO entgegen zu halten, der gerade diese auch hier gegenständliche Feuchtigkeitsisolierung erfasst (siehe die bei Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften5, 436 f, wiedergegebenen Erläuternden Bemerkungen zu dieser Novelle).

Ob die im Spruchpunkt I Z. 3 des angefochtenen Bescheides zur Kenntnis genommene Herstellung einer Durchreiche in der Mittelmauer einen Einfluss auf die statischen Verhältnisse der Baulichkeit ausübt, hat die belangte Behörde unter Hinweis auf die technische Stellungnahme der MA 37 verneint. Abgesehen davon, dass diese Stellungnahme dem Zweitbeschwerdeführer nicht vorgehalten worden war, ist dem Akt eine besondere Beweisaufnahme zu diesem Thema nicht entnehmbar; die MA 37 beruft sich ausschließlich auf das "Gutachten" der ausführenden S. Bau und Handels GesmbH.

In ihrer Gegenschrift hat die belangte Behörde dazu ausgeführt, das Parteiengehör des Zweitbeschwerdeführers sei durch den Nichtvorhalt der Stellungnahme des bautechnischen Sachverständigen der MA 37 nicht verletzt worden, weil darin lediglich eine verbal beschreibende Wiedergabe des Planinhaltes dargestellt worden wäre. Diese Stellungnahme des bautechnischen Sachverständigen sei daher nicht entscheidungsrelevant gewesen. Hingegen stelle das Gutachten eines Professionisten (hier vom 22. April 2004) die statische Unbedenklichkeitsbescheinigung dar, die bei einer Einbringung einer Bauanzeige gemeinsam mit den Einreichplänen der Baubehörde vorzulegen sei.

Damit nimmt die belangte Behörde offenkundig die Novelle LGBl. Nr. 41/2005 vorweg, nach § 62 Abs. 2 BO in der novellierten Fassung ist der Bauanzeige gemäß Abs. 1 Z. 4 außerdem eine statische Vorbemessung oder ein Gutachten, das auf Grund der Geringfügigkeit des Bauvorhabens aus statischen Belangen keine Gefährdung des Lebens, der Gesundheit von Menschen oder des Eigentums gegeben ist, anzuschließen; diese Unterlagen sind von einem nach den für die Berufsausübung maßgeblichen Vorschriften berechtigten Sachverständigen für das einschlägige Fachgebiet zu erstellen.

Abgesehen davon, dass diese Novelle, ausgegeben im Landesgesetzblatt für Wien am 15. Juli 2005, nach deren Art. II Abs. 1 erst drei Monate nach ihrer Kundmachung, somit nach Erlassung des hier angefochtenen Bescheides in Kraft trat, fand nach Abs. 2 der Übergangsbestimmung die Änderung des § 62 BO auf anhängige Verfahren keine Anwendung.

Auf Grund der Berufung des Zweitbeschwerdeführers wäre es daher Sache der belangten Behörde gewesen, die Frage, ob die hier gegenständliche Durchbrechung der laut Plan ca. 60 cm dicken Mauer im Umfang von 70 x 95 cm einen Einfluss auf die statischen Verhältnisse des Gebäudes ausüben kann, einer Prüfung zu unterziehen. Eine solche Prüfung ist, wie die belangte Behörde selbst einräumt, durch einen Amtssachverständigen nicht erfolgt; dass diese Prüfung durch die Vorlage einer Bestätigung des ausführenden Professionisten ersetzt werden kann, lässt sich den hier anzuwendenden Bestimmungen nicht entnehmen.

Damit erweist sich die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers, soweit sie den Punkt I Z. 3 des angefochtenen Bescheides betrifft, als berechtigt, im Übrigen aber, wie auch die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers, als unberechtigt. Der angefochtene Bescheid war daher im genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben, weil hier der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf. Im Übrigen waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Von der vom Zweitbeschwerdeführer beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 6 VwGG abgesehen werden. Im Übrigen war die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch nicht unter dem Aspekt des Art. 6 MRK geboten, da es hier allein um die Frage ging, ob ein Bauanzeigeverfahren oder ein Baubewilligungsverfahren durchzuführen ist; dem Zweitbeschwerdeführer ist es nicht verwehrt, seine Rechte als Wohnungseigentümer vor dem Zivilgericht geltend zu machen. Im Übrigen hat der EGMR in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich 2) und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EuGH hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische Fragen" ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte.

Wien, am 31. März 2008

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