Normen
AVG §37;
AVG §8;
BauO Tir 1998 §25 Abs1;
BauO Tir 1998 §25 Abs3 litd;
BauO Tir 1998 §25 Abs6;
BauO Tir 1998 §27 Abs1 litb;
BauO Tir 2001 §25 Abs1;
BauO Tir 2001 §25 Abs3 litd;
BauO Tir 2001 §25 Abs6;
BauO Tir 2001 §27 Abs1 litb;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §8;
BauO Tir 1998 §25 Abs1;
BauO Tir 1998 §25 Abs3 litd;
BauO Tir 1998 §25 Abs6;
BauO Tir 1998 §27 Abs1 litb;
BauO Tir 2001 §25 Abs1;
BauO Tir 2001 §25 Abs3 litd;
BauO Tir 2001 §25 Abs6;
BauO Tir 2001 §27 Abs1 litb;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Den Verwaltungsakten ist zu entnehmen, dass der L Ges.m.b.H. (in der Folge kurz: Bauwerberin) mit Bescheiden vom 9. Februar 2001 und 5. Juni 2001 (sichtlich des Bürgermeisters der Stadtgemeinde H als Baubehörde erster Instanz) die Baubewilligung zur Errichtung einer Reihenhaus-Wohnanlage im Gebiet der Stadtgemeinde H (kurz: Gemeinde) erteilt wurde. Der Mitbeteiligte ist Eigentümer eines angrenzenden Grundstückes. Die Beschwerdeführer sind auf Grund eines im Jahr 2001 abgeschlossenen und im Jahr 2002 verbücherten Kaufvertrages Miteigentümer der Liegenschaft und "Wohnungseigentümer" des Reihenhauses 1.
In den Verwaltungsakten befindet sich ein weder datiertes noch unterfertigtes Baugesuch, das unstrittig der Bauwerberin zuzuordnen ist und einen Eingangsvermerk der Gemeinde vom 23. August 2001 aufweist. Darin kam die Bauwerberin um die Erteilung der Bewilligung von Änderungen des bereits bewilligten Vorhabens ein. Auf der ebenfalls weder datierten noch unterfertigten Baubeschreibung sind diese Änderungen nicht näher ersichtlich, verwiesen wird auf einen entsprechenden Einreichplan mit dem Datum vom 17. August 2001 (die Änderungen sind in den Plänen nur teilweise färbig hervorgehoben; jedenfalls nicht in den Ansichten); hier geht es um den Zubau (?) eines Wintergartens mit einer Fläche von 14,31 m2 an das Reihenhaus 1.; im Plan sind in diesem Wintergarten - so wie auch auf Terrassen - ein runder Tisch mit vier Sesseln eingezeichnet.
Ohne weiteres Ermittlungsverfahren (jedenfalls ist ein solches den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen) und ohne Durchführung einer Bauverhandlung erteilte der Bürgermeister der Gemeinde mit Bescheid vom 3. September 2001 die angestrebte Bewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen. Im Bescheid wird das Vorhaben näher beschrieben; es heißt dort u.a., betreffend das Erdgeschoß werde in der Südwestecke des westlich gelegenen Reihenhauses ein Wintergarten mit einer Nutzfläche von 14,31 m2 errichtet. Dieser Bescheid wurde der Bauwerberin zugestellt, die Zustellung an irgendwelche Nachbarn ist nicht ersichtlich. Auf der in den Akten befindlichen Urschrift des Bescheides findet sich eine Rechtskraftbestätigung des Inhaltes, dass der Bescheid am 26. September 2001 in Rechtskraft erwachsen sei.
Bei einer Bauverhandlung zwecks Erteilung der Benützungsbewilligung am 22. August 2002 wurde festgestellt, dass das Vorhaben bescheidgemäß ausgeführt worden sei; die Benützungsbewilligung erging mit Bescheid des Bürgermeisters vom 27. August 2002.
Am 3. November 2002 richtete der Mitbeteiligte ein E-Mail an das Stadtbauamt der Gemeinde mit folgendem Wortlaut:
"Sehr geehrter Herr N...,
ich ersuche Sie um Überprüfung der Grenzabstände an der Westseite des Bauvorhabens F...gasse (...) zu meiner Grund-Parzelle Nr. 209. Nach Rücksprache mit dem Planer dieses Projektes, Herrn (...), dürfte der Gesamt-Mindestabstand im Bereich des errichteten Wintergartens markant unterschritten worden sein.
In diesem Zusammenhang ersuche ich auch um Überprüfung aller weiteren Abstände in Bezug auf die Bestimmung, dass höchstens 50 % der Länge der gemeinsamen Grundgrenze verbaut werden dürfen.
Ich bitte um baldige Stellungnahme.
Mit freundlichen Grüßen
(Name des Mitbeteiligten)"
In einem handschriftlichen Vermerk auf dem Ausdruck dieses E-Mails in den Verwaltungsakten ist vermerkt, der Mindestabstand von 4 m im Bereich des Wintergartens sei offensichtlich unterschritten worden.
In der Folge kam es zu einem Schriftverkehr zwischen der Baubehörde und der Bauwerberin sowie auch dem Zweitbeschwerdeführer. In einem E-Mail an das Stadtbauamt vom 26. März 2003 ersuchte der Mitbeteiligte um nähere Auskünfte, und teilte in einem weiteren E-Mail vom 30. April 2004 auch mit, er habe den Zweitbeschwerdeführer aufgefordert, zur Frage des Grenzabstandes Stellung zu nehmen. In den Verwaltungsakten finden sich Hinweise darauf, es sei bei einer baupolizeilichen Überprüfung festgestellt worden, dass der Wintergarten weniger als 4 m Abstand von der Grundgrenze zum Grundstück des Mitbeteiligten einhalte (nämlich um 20 cm bis 32 cm weniger als 4 m). Nach verschiedenen Verfahrensschritten, in die der Mitbeteiligte nicht einbezogen wurde, begehrte Letzterer, nun anwaltlich vertreten, mit Schriftsatz vom 13. Juni 2006, ihm jenen Baubescheid, mit welchem der Wintergarten genehmigt worden sei, zuzustellen. Er habe die Zustellung bereits mit Schreiben vom 19. Mai 2006 begehrt (Anmerkung: der Ausdruck eines derartigen E-Mails wurde vom Mitbeteiligten in der Folge vorgelegt; ein von der Gemeinde ausgedrucktes Stück befindet sich nicht den Akten). Er habe seine Parteistellung im Bauverfahren mit E-Mails vom 3. November 2002 und 26. März 2003 im Sinne des § 25 Abs. 6 TBO 2001 geltend gemacht. Sollte die Baubehörde wider Erwarten die Ansicht vertreten, dass er seine Parteistellung in diesem Sinne nicht ausreichend geltend gemacht habe, werde die Erlassung eines diesbezüglichen Bescheides beantragt.
Hierauf wies der Bürgermeister der Gemeinde mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 21. Juli 2006 den Antrag auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides (vom 3. September 2001) als unzulässig zurück, weil der Beschwerdeführer bis zu seinem Antrag vom 13. Juni "2005" (richtig: 2006) seine Parteistellung im Sinne des § 25 Abs. 6 TBO 2001 nicht geltend gemacht habe. Derartiges sei nämlich den von ihm genannten E-Mails nicht zu entnehmen; vielmehr habe der Mitbeteiligte damit um baupolizeiliche Überprüfung ersucht bzw. Informationen über den Fortgang des Verfahrens eingeholt. Da der Baubewilligungsbescheid vom 3. September 2001 seit 26. September 2001 in Rechtskraft erwachsen und somit der letztmögliche Baubeginn der 26. September 2003 gewesen sei, das Bauvorhaben hingegen mit 27. August 2002 zur Vollendung gelangt sei (wie sich in der Kollaudierungsverhandlung ergeben habe), hätte der Mitbeteiligte seine Parteistellung im Sinne des § 25 Abs. 6 spätestens bis zum 26. September 2005 geltend machen müssen.
Dagegen erhob der Mitbeteiligte Berufung, die mit Berufungsbescheid des Stadtrates der Gemeinde vom 28. September 2006 als unbegründet abgewiesen wurde. Zusammenfassend schloss sich die Berufungsbehörde der Auffassung der Behörde erster Instanz an.
Dagegen erhob der Mitbeteiligte Vorstellung.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Vorstellung Folge gegeben, den bekämpften Berufungsbescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde verwiesen. Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, führte sie aus, es sei unbestritten, dass der Mitbeteiligte Nachbar im Sinne des § 25 Abs. 1 TBO 2001 sei und damit das Recht auf ordnungsgemäße Ladung zur Bauverhandlung bzw. auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides gehabt hätte. Dies sei aber unterblieben. Er sei daher als übergangene Partei anzusehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne eine mangels Zustellung übergangene Partei ab Erteilung der Baubewilligung einen Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung bzw. auf Zustellung des (erstinstanzlichen) Bescheides stellen.
Die belangte Behörde vertrete gemäß § 25 Abs. 6 i.V.m. § 27 Abs. 1 lit. b TBO 2001 die Auffassung, dass mit der Formulierung "nach dem Zeitpunkt des letztmöglichen Baubeginns" in § 25 Abs. 6 TBO 2001 der rechtlich letztmögliche Baubeginn gemeint sein müsse. Somit wäre zumindest die zweijährige Verlängerungsfrist des § 27 Abs. 3 TBO 2001 zur Frist des § 27 Abs. 1 leg. cit. hinzuzurechnen. Diese Ansicht finde nicht zuletzt in den Erläuternden Bemerkungen zur TBO Deckung, wonach der maßgebliche Anknüpfungspunkt des § 25 Abs. 6 TBO 2001 der rechtlich letztmögliche Zeitpunkt des letzten Baubeginns gemäß § 27 TBO 2001 sei. Nur diese Auslegung lasse sich mit dem Rechtsschutz- und Rechtssicherheitsgrundsätzen vereinbaren, vor allem wenn man sich vor Augen halte, dass der rechtsunkundige Mitbeteiligte mit E-Mail vom 3. November 2002 Bedenken gegen den gegenständlichen Bau geäußert habe. Schon zu diesem Zeitpunkt hätte der Baubehörde auffallen müssen, dass er übergangener Nachbar im Sinne des § 25 Abs. 6 TBO 2001 gewesen sei, und es wäre ihm der Baubewilligungsbescheid von Amts wegen zuzustellen gewesen. Es wäre daher rechtlich völlig verfehlt, ihm das Verschulden der Behörde anzulasten, indem man ihn jahrelang vertröstet habe und ihn - durch eine strenge Auslegung des § 25 Abs. 6 i.V.m. § 27 TBO 2001 - seiner Rechte als Nachbar berauben würde.
Es hätte daher der Mitbeteiligte im Beschwerdefall seine Parteistellung bis zum 26. September 2007 geltend machen können. Er habe aber bereits mit Schreiben vom 19. Mai 2006 um Zustellung des Baubewilligungsbescheides ersucht.
Der Vorstellung komme aber auch aus einem anderen Gesichtspunkt Berechtigung zu. Dem Beschwerdeführer wäre schon auf Grund seines E-Mails vom 3. November 2002 der Bewilligungsbescheid von Amts wegen zuzustellen gewesen. Es sei nicht davon auszugehen, dass er sich mit diesem E-Mail "seiner Rechte beschneiden und nicht als Partei im Bauverfahren" habe auftreten wollen, zumal dem Nachbarn im Verfahren auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages keine Parteistellung zukomme.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie der Mitbeteiligte - in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der angefochtene Bescheid enthält zwei tragende
Aufhebungsgründe: Einerseits, dass die zweijährige Verlängerungsfrist des § 27 Abs. 3 TBO 2001 zur Frist des § 27 Abs. 1 leg. cit. hinzuzurechnen sei, weshalb der Mitbeteiligte seine Parteistellung bis zum 26. September 2007 hätte geltend machen können, womit das Schreiben vom 19. Mai 2006 rechtzeitig sei. Andererseits, dass der Beschwerdeführer schon mit seinem E-Mail vom 3. November 2002 seine Parteistellung rechtzeitig geltend gemacht habe.
Im Zeitraum August/September 2001, als das Baubewilligungsgesuch eingebracht wurde und der stattgebende Baubewilligungsbescheid vom 3. September 2001 erlassen wurde, galt die Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 42/2001. In der Folge trat die 4. Bauordnungsnovelle, LGBl. Nr. 74/2001, mit 1. Oktober 2001 in Kraft. Sodann wurde die TBO 1998 mit der am 31. Oktober 2001 erfolgten Kundmachung LGBl. Nr. 94/2001 als Tiroler Bauordnung 2001 - TBO 2001 wiederverlautbart. Die TBO 2001 war zuletzt in der Fassung LGBl. Nr. 60/2005 (Aufhebung von hier nicht relevanten Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof) anzuwenden.
Im Beschwerdefall sind insbesondere die §§ 25 und 27 TBO 1998 bzw. 2001 von Bedeutung. Diese beiden Bestimmungen lauten (in der letztgenannten Fassung des Gesetzes):
"§ 25
Parteien
(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber und die Nachbarn.
(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke, die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen. Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.
(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:
a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;
- b) der Bestimmungen über den Brandschutz;
- c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe;
- d) der Abstandsbestimmungen des §6.
- e) im Fall, dass ein allgemeiner Bebauungsplan und ein ergänzender Bebauungsplan oder ein Bebauungsplan mit den Festlegungen des allgemeinen und des ergänzenden Bebauungsplanes nicht bestehen, das Fehlen der Voraussetzungen nach §55 Abs.1 oder §113 Abs.1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001.
(4) Die übrigen Nachbarn sind berechtigt, die Nichteinhaltung der im Abs. 3 lit. a und b genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen.
(5) Werden in der Bauverhandlung privatrechtliche Einwendungen erhoben, so hat die Behörde möglichst auf eine Einigung hinzuwirken. Kommt eine Einigung zustande, so ist diese in der Verhandlungsschrift zu beurkunden. Kommt eine Einigung nicht zustande, so ist der Nachbar mit seinen Einwendungen auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen. Diese Einwendungen sind in der Baubewilligung ausdrücklich anzuführen.
(6) Mit dem Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt des letztmöglichen Baubeginns (§ 27) erlangt die Baubewilligung auch gegenüber Nachbarn Rechtskraft, denen die Baubewilligung nicht zugestellt worden ist und die ihre Parteistellung bis dahin bei der Behörde nicht geltend gemacht haben."
"§ 27
Erlöschen der Baubewilligung
(1) Die Baubewilligung erlischt,
a) wenn der Inhaber der Baubewilligung darauf schriftlich verzichtet, wobei die Verzichtserklärung im Zeitpunkt ihres Einlangens bei der Behörde unwiderruflich und wirksam wird, oder
b) wenn nicht innerhalb von zwei Jahren nach dem Eintritt der Rechtskraft oder der in der Baubewilligung festgelegten längeren Frist (Abs. 2) mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen wird oder wenn das Bauvorhaben nicht innerhalb von vier Jahren nach Baubeginn vollendet wird.
(2) Bei umfangreichen Bauvorhaben kann in der Baubewilligung für den Baubeginn eine längere, höchstens jedoch fünfjährige Frist festgelegt werden. Bezieht sich die Baubewilligung auf mehrere Bauabschnitte, so können für die einzelnen Abschnitte unterschiedliche Fristen festgelegt werden.
(3) Auf Antrag des Inhabers der Baubewilligung kann die Frist für den Baubeginn und die Frist für die Bauvollendung jeweils einmal um höchstens zwei Jahre erstreckt werden, wenn er glaubhaft macht, dass er am rechtzeitigen Baubeginn bzw. an der rechtzeitigen Bauvollendung ohne sein Verschulden gehindert gewesen ist, und wenn sich in der Zwischenzeit die baurechtlichen und raumordnungsrechtlichen Vorschriften nicht derart geändert haben, dass die Baubewilligung danach nicht mehr erteilt werden dürfte. Um die Erstreckung der Frist ist vor ihrem Ablauf bei der Behörde schriftlich anzusuchen. Durch die rechtzeitige Einbringung des Ansuchens wird der Ablauf der Frist bis zur Entscheidung der Behörde gehemmt.
(4) In die Fristen für den Baubeginn und die Bauvollendung sind die Zeiten eines Verfahrens vor der Vorstellungsbehörde, dem Verwaltungsgerichtshof oder dem Verfassungsgerichtshof nicht einzurechnen.
(5) Der Inhaber der Baubewilligung hat nach deren Erlöschen allfällige bereits errichtete Teile des Bauvorhabens unverzüglich zu beseitigen und den Bauplatz wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so hat ihm die Behörde mit Bescheid die Durchführung dieser Maßnahmen aufzutragen."
§ 25 TBO 1998 bzw. 2001 hat im beschwerderelevanten Zeitraum (zwischen Antragstellung im August 2001 und Entscheidung der Berufungsbehörde über das Begehren des Mitbeteiligten) nur insoweit eine Änderung erfahren, als mit der Novelle LGBl. Nr. 35/2005 dem § 25 Absatz 3 TBO 2001 die lit. e angefügt wurde (eine Änderung, der im Beschwerdefall keine Bedeutung zukommt). § 27 blieb unverändert.
Ob der Beschwerdeführer "Nachbar" war und in der Folge "übergangener Nachbar", richtet sich hier nach der TBO 1998 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 42/2001, die im Zeitraum August/September 2001 galt, als das Baubewilligungsgesuch eingebracht und der stattgebende Baubewilligungsbescheid vom 3. September 2001 erlassen wurde. Spätere Rechtsänderungen, die dazu Abweichendes hätten bestimmen können, erfolgten nicht.
Die Behörden des Verwaltungsverfahrens haben den Mitbeteiligten als Nachbarn im Sinne des § 25 Abs. 1 TBO (1998 wie auch 2001) qualifiziert. Die Beschwerdeführer rügen, dass ein entsprechendes Ermittlungsverfahren nicht ersichtlich sei, jedenfalls hätten sie davon keine Kenntnis erlangt. Das Wohnhaus des Mitbeteiligten befinde sich auf dem Grundstück Nr. 210/1, das Grundstück Nr. 209 sei eine unverbaute Wiese. (Anzumerken ist, dass die Beschwerdeführer zwar rügen, dass ein Ermittlungsverfahren unterblieben sei, aber gar nicht behaupten, dass der Mitbeteiligte nicht Eigentümer des angrenzenden Grundstückes Nr. 209 wäre).
Dem ist Folgendes zu entgegnen: Der Mitbeteiligte hat seine Parteistellung darauf gestützt, dass er Eigentümer des unmittelbar angrenzenden Grundstückes Nr. 209 ist. Dass das Grundstück Nr. 209 an die projektgegenständliche Liegenschaft unmittelbar angrenzt, ergibt sich aus den Plänen im Akt, wie auch aus dem Vorbringen in der Beschwerde selbst. Dass der Mitbeteiligte Eigentümer dieses Grundstückes ist, war für die Gemeindebehörden offensichtlich notorisch, zumal dies stets unstrittig war. Dies ergibt sich übrigens auch aus dem offenen Grundbuch: Danach ist der Mitbeteiligte (als Johann GM) seit 1979 Eigentümer der Liegenschaft EZ 374 mit (u.a.) den Grundstücken Nr. 209 und 210/1. (Aus dem offenen Grundbuch - Verzeichnis der gelöschten Eintragungen - ergibt sich übrigens auch, dass die L GesmbH, die jetzt bücherliche Eigentümerin eines Anteiles ist, nicht bücherliche Eigentümerin der (gesamten) zu bebauenden Liegenschaft war, dies war vielmehr HF, was auch aus früheren Planunterlagen hervorgeht, die sich in den Akten befinden).
Der Mitbeteiligte war und ist somit Nachbar im Sinne des § 25 Abs. 2 TBO 1998, damit auch gemäß Abs. 1 dieses Paragraphen Partei im Bauverfahren und gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen berechtigt, die Abstandsbestimmungen des § 6 leg. cit. geltend zu machen (darum geht es ihm).
Er wäre daher dem Bauverfahren beizuziehen gewesen, jedenfalls wäre ihm der Bewilligungsbescheid vom 3. September 2001 zuzustellen gewesen (weshalb im Bauververfahren so vorgegangen wurde, als gäbe es überhaupt keine Nachbarn, ist nach den Verwaltungsakten nicht nachvollziehbar). Da dies unterblieb, war er "übergangener Nachbar" im Sinne des § 25 Abs. 6 TBO 1998.
In Frage steht im Beschwerdefall, bis zu welchem Zeitpunkt er seine Parteistellung im Sinne des § 25 Abs. 6 TBO 1998 geltend machen konnte.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Baubewilligungsbescheid vom 3. September 2001 Ende September 2001 jedenfalls nicht "allseitig" rechtskräftig wurde, weil ja der Mitbeteiligte übergangen wurde. Aus einer Zusammenschau der Bestimmungen des § 25 Abs. 6 und § 27 leg. cit. ergibt sich aber, dass letztere Bestimmung von einem eingeschränkten Begriff der Rechtskraft ausgeht, jedenfalls nicht von einer "allseitigen", weil ja sonst bei übergangenen Parteien mangels Eintrittes der ("allseitigen") Rechtskraft die an den Eintritt der Rechtskraft anknüpfenden Fristen des § 27 leg. cit. nie zu laufen beginnen könnten und § 25 Abs. 6 leg. cit. sinnlos wäre.
Soweit die Beschwerdeführer meinen, die Bestimmung des § 25 Abs. 6 leg. cit. könne auch bei richtiger Anwendung regelmäßig dazu führen, dass "ein bereits rechtskräftiger Bescheid aufgehoben und somit in rechtsgültig erworbene Rechte eingegriffen" werde, ist dem zu entgegnen, dass ein solcher Bescheid, wenn die Voraussetzungen des § 25 Abs. 6 leg. cit. vorliegen, eben nur "bedingt" rechtskräftig ist und die von einem Bauwerber daraus erworbenen Rechte noch nicht (definitiv) "rechtsgültig" sind. Ein Vergleich mit § 68 Abs. 3 AVG, wie die Beschwerdeführer meinen, ist daher fehl am Platz.
Zu prüfen ist weiters, ob der Beginn des Fristenlaufes für den übergangenen Nachbarn, seine Parteistellung geltend zu machen, allenfalls davon abhängt, ob der Umstand seines Übergehens aktenmäßig offenkundig ist (so wie hier, weil ja von der Bauwerberin keine Nachbarn bekannt gegeben wurden und von der Baubehörde so vorgegangen wurde, als gäbe es überhaupt keine) oder nicht (etwa bei gewissen Zustellmängeln oder dergleichen; Problem der "Scheinrechtskraft"). Die Regierungsvorlage zur TBO 1998 sah noch eine Frist von fünf Jahren für die Geltendmachung der Parteistellung vor. In den Erläuterungen heißt es dazu (zitiert nach Wolf, Tiroler Baurecht mit Erläuterungen nach dem Stande 1.3.1998, Seite 101), es seien immer wieder Fälle vorgekommen, in denen mitunter lange nach dem rechtkräftigen Abschluss des Bauverfahrens von Nachbarseite Parteistellung behauptet und die Zustellung der Baubewilligung begehrt worden sei. Für den Inhaber der Baubewilligung sei dies stets mit dem Risiko des nachträglichen Wegfalles derselben verbunden. Mangels einer diesbezüglichen zeitlichen Einschränkung könne der übergangene Nachbar seine Parteistellung nämlich zeitlich unbegrenzt geltend machen und dementsprechend die Baubewilligung jederzeit bekämpfen. Es liege auf der Hand, dass dies für den Inhaber der Baubewilligung, der das Bauvorhaben in solchen Fällen vielfach bereits ausgeführt habe, zu einer nicht vertretbaren Rechtsunsicherheit führe. Auf Grund dieser Problematik habe bereits der Landesvolksanwalt eine Einschränkung der Rechtsstellung des übergangenen Nachbarn angeregt. Auch der Tiroler Landtag habe zuletzt eine diesbezügliche Entschließung gefasst. In diesem Sinn sehe der Entwurf nunmehr vor, dass ein übergangener Nachbar sein Recht innerhalb von fünf Jahren nach dem Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung geltend machen müsse, andernfalls die Baubewilligung auch ihm gegenüber Rechtskraft erlange. Es werde davon ausgegangen, dass die in diesem Spannungsverhältnis zwischen Rechtssicherheit und Rechtsschutz angesiedelte Bestimmung einen sachgerechten Ausgleich dieser widerstreitenden Ziele ermögliche.
Wolf (a.a.O., Anmerkung 2, Seite 98) führt zu den Überlegungen, die zur nunmehr maßgeblichen Fassung des § 25 Abs. 6 TBO 1998 (damals Abs. 5) geführt haben, aus, gegen die in der Regierungsvorlage vorgesehene Regelung (von 5 Jahren) hätten im Hinblick auf § 27 Abs. 2 und 3 gleichheitsrechtliche Bedenken bestanden. Danach könne bei umfangreichen Bauvorhaben statt der regulären zweijährigen Frist eine bis zu fünf Jahren festgelegt werden. Weiters könnten für einzelne Bauabschnitte unterschiedliche Fristen festgelegt werden. Darüber hinaus sei in allen Fällen eine einmalige Fristerstreckung um bis zu zwei Jahren möglich. Eine Regelung, die den Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung gegenüber dem übergangenen Nachbarn an eine starre Frist binde, würde diese in den genannten Fällen unverhältnismäßig benachteiligen. Im Extremfall würde der übergangene Nachbar anders als in den Fällen eines regulären Baubeginns sein Recht, Einwendungen zu erheben, verlieren, noch bevor er durch den tatsächlichen Beginn der Bauarbeiten vom fraglichen Bauvorhaben überhaupt Kenntnis erlangt habe. Im Zuge der Ausschussberatungen im Landtag sei diese Bestimmung dahin geändert worden, dass der maßgebende Anknüpfungspunkt der (rechtlich) letztmögliche Baubeginn sei. Erst zwei Jahre nach diesem Zeitpunkt erlange die Baubewilligung auch gegenüber dem übergangenen Nachbarn Rechtskraft. Eine im Baubescheid festgelegte längere Frist für den Baubeginn finde nunmehr daher ebenso wie eine allenfalls bewilligte Fristerstreckung Berücksichtigung.
Angesichts des Zusammenspiels der Bestimmung des § 25 Abs. 6 i. V.m. § 27 TBO 1998 bzw. 2001 (und im Einklang mit den Motiven zu dieser Regelung) ist - jedenfalls vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles - die in § 25 Abs. 6 leg. cit. vorgesehene zeitliche Befristung der Geltendmachung der Parteistellung des Mitbeteiligten auch dann maßgeblich, wenn - so wie hier - sein Übergehen aktenmäßig offenkundig war. Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich allerdings der Auffassung der belangten Behörde, § 25 Abs. 6 leg. cit. stelle jedenfalls (ausnahmslos) auf den nach § 27 leg. cit. abstrakt letztmöglichen Zeitpunkt des Baubeginnes ab, nicht anzuschließen. Im Beschwerdefall wurde in der Baubewilligung keine längere Frist für den Baubeginn festgelegt, die Frist wurde auch nicht über Antrag des Inhabers der Baubewilligung erstreckt. Im Beschwerdefall ist daher von der Zweijahres-Frist des § 27 Abs. 1 lit. b leg. cit. auszugehen, dazu kommen noch die zwei weiteren in § 25 Abs. 6 leg. cit. vorgesehenen Jahre. Diese vierjährige Frist war im Mai 2006 jedenfalls abgelaufen (womit der genaue Zeitpunkt des Beginnes des Fristenlaufes im Beschwerdefall offen bleiben kann).
Allerdings verlangt § 25 Abs. 6 leg. cit. die Geltendmachung der "Parteistellung", ohne näher vorzuschreiben, wie dies zu erfolgen hat (also etwa derart, dass dies nur durch ein Begehren auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides erfolgen könnte odgl.). Vor diesem Hintergrund tritt der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung des (wie mehrfach gesagt, dem zu Grunde liegenden Bauverfahren überhaupt nicht beigezogenen, daher über die näheren Abläufe des Verfahrens nicht als Partei informierten und überdies) damals nicht rechtskundig vertretenen Mitbeteiligten bei, dass er mit seinem E-Mail vom 3. November 2002 seine Parteienrechte im Sinne des § 25 Abs. 6 leg. cit. (hier: Einhaltung der Abstandsvorschriften) ausreichend bestimmt, und damit wiederum auch fristgerecht geltend gemacht hat. Ein Parteienrecht auf Einhaltung der Abstandsvorschriften (deren Verletzung er geltend gemacht hatte) kommt ihm nämlich als übergangener Nachbar zu, nicht aber in einem (allfälligen) Bauauftragsverfahren, weil er in einem solchen keine Parteistellung hat.
Die belangte Behörde hat somit zwar im Ergebnis zutreffend erkannt, dass der Mitbeteiligte seine Parteienrechte als übergangener Nachbar rechtzeitig geltend gemacht hat, und dass der bei ihr angefochtene Bescheid aufzuheben war. Ihre Rechtsauffassung hingegen, mit der sie dieses Ergebnis teilweise begründet hat, nämlich, dass die Frist zur Geltendmachung der Parteistellung bis 26. September 2007 offen stehe, war nach dem Gesagten aber unrichtig.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 5. Juli 2007
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)