Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, gelangte am 11. August 2003 in das Bundesgebiet und beantragte Asyl. Am 12. August 2003 wurde er in die Bundesbetreuung aufgenommen und in eine Unterkunft in Unterpetersdorf überstellt. Dort übernahm der Unterkunftgeber am 4. September 2003 für den Beschwerdeführer die Ladung zur Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 18. September 2003.
Am 16. September 2003 wurde das Verfahren gemäß § 30 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (hier und in der Folge: in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 101/2003) formlos eingestellt, weil der Beschwerdeführer die Unterkunft in Unterpetersdorf "nach unbekannt verlassen" habe.
Der Beschwerdeführer leistete der Ladung für den 18. September 2003 (ein Donnerstag) jedoch Folge. Bei der Aufnahme der Niederschrift vor dem Bundesasylamt wurde ihm seitens der Behörde "zur Kenntnis gebracht", dass er "innerhalb von drei Tagen meinen Wohnsitz bzw. jede Wohnsitzänderung dem Bundesasylamt bekannt geben muss. Sollte ich keinen Wohnsitz in Österreich haben, habe ich einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen".
Im weiteren Verlauf der Einvernahme wurde der Beschwerdeführer (bei der Befragung zum Reiseweg) u.a. gefragt, über wieviel Geld er noch verfüge. Eine Frage nach der aktuellen Wohnadresse scheint in der Niederschrift nicht auf. Im Anschluss an die Aufnahme der Niederschrift wurde dem Beschwerdeführer eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Abs. 2 Asylgesetz 1997 zuerkannt. In den darüber noch am selben Tag an die "DASTA Niederösterreich" übermittelten Daten wurde als "Adresse" des Beschwerdeführers "derzeit unbekannt" angegeben.
Am 23. September 2003 (Dienstag) genehmigte das Entscheidungsorgan des Bundesasylamtes den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 8 Asylgesetz 1997 für zulässig erklärt wurde. Im Kopf des Bescheides schien als "Zustelladresse" des Beschwerdeführers "derzeit unbekannt" auf.
Eine am selben Tag eingeholte Meldeauskunft ergab, dass der Beschwerdeführer von der Unterkunft in Unterpetersdorf am 18. September 2003 abgemeldet worden sei.
Das Bundesasylamt hinterlegte den erstinstanzlichen Bescheid daraufhin bei sich selbst. In der Beurkundung dieses Vorganges gemäß § 23 Abs. 2 Zustellgesetz wurde festgehalten, der "im Betreff Genannte" sei "an der angegebenen Zustelladresse nicht mehr aufhältig" und "eine neuerliche Abgabestelle" habe "nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden" können. Welche "Zustelladresse" mit der vom Beschwerdeführer "angegebenen" gemeint sei, ging aus diesem Vermerk nicht hervor. Unter Bezugnahme auf § 23 Abs. 3 Zustellgesetz nahm das Bundesasylamt auch einen Aushang vor, in dem auf die Zustellung im Akt hingewiesen und der Beschwerdeführer zur Behebung des Schriftstückes bis 7. Oktober 2003 aufgefordert wurde.
Am 25. September 2003 (Donnerstag) gab der Beschwerdeführer dem Bundesasylamt das Notquartier des Evangelischen Flüchtlingsdienstes in Wien als neue Zustelladresse bekannt. Beim Bundesasylamt wurde daraufhin - dem darüber angelegten Aktenvermerk zufolge - die "Abnahme d. Hinterlegung v.d. Amtstafel" und die Zustellung des Bescheides an die bekannt gegebene Zustelladresse mit Rückscheinbrief (RSa) verfügt. Die Sendung wurde mit Beginn der Abholfrist am 7. Oktober 2003 hinterlegt und behoben.
Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2003 erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Dem Vorlagebericht des Bundesasylamtes an die belangte Behörde vom selben Tag war ein "AIS Speicherauszug" angeschlossen, aus dem sich weitere - den erstinstanzlichen Akten nicht entnehmbare - Einzelheiten ergaben. Einer auf die Eintragung der "Abmeldung lt. Unterkunftgeber" am 16. September 2003 folgenden, die Bundesbetreuung betreffenden Eintragung vom 18. September 2003 zufolge unterbleibe eine "WA in die Bb., da Bb. selbst verlassen". Einer weiteren die Bundesbetreuung betreffenden Eintragung zufolge sei ein "weiteres WA Ersuchen d. Diakonie am 23092003 - abgelehnt" worden.
Bei dieser Aktenlage teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer und dem Bundesasylamt mit Vorhalt vom 19. Dezember 2003 mit, die Berufungsfrist sei "ausgehend von der
Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides ... am 23.09.2003"
bereits am 7. Oktober 2003 abgelaufen und die Berufung daher verspätet.
Der Beschwerdeführer reagierte hierauf mit einer Stellungnahme vom 5. Jänner 2004, in der er vorbrachte, ihm sei erst am 22. September 2003 mitgeteilt worden, "dass er seine Abgabestelle/Wohnadresse auf Dauer verlassen muss". Er habe erst am 25. September 2003 mithilfe der Diakonie eine neue Abgabestelle finden können, bei der er davon habe ausgehen können, dass sie von längerer Dauer sein werde. Diese habe er entsprechend seiner Obliegenheit auch sofort der Behörde gemeldet. Er habe "seinen Obliegenheiten damit Genüge getan". Eine frühere Bekanntgabe sei ihm nicht zuzumuten gewesen, weil er obdachlos umhergeirrt sei und erst am 25. September dazu in der Lage gewesen sei, die Mitteilung an die Behörde zu tätigen. Das weitere Vorgehen des Bundesasylamtes zeige, dass auch dieses nicht von der Wirksamkeit der Hinterlegung im Akt ausgegangen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers - ohne weitere Ermittlungen - als verspätet zurück. Die dieser Entscheidung zu Grunde gelegten Erwägungen lauteten im Wesentlichen wie folgt:
"Nach Ansicht der erkennenden Behörde ist die Behörde erster Instanz durch Einholung einer Meldeauskunft aus dem Zentralen Melderegister am 23.09.2003, welche ergab, dass der Berufungswerber am 18.09.2003 von seinem ursprünglichen Wohnsitz, an welchem er seit 14.08.2003 gemeldet war, abgemeldet worden war, und am 23.09.2003, also dem Zeitpunkt der Hinterlegung, keine aufrechte Meldung vorlag, ihrer sie im Rahmen des § 8 Abs. 2 ZustellG treffenden Verpflichtung des - erfolglos gebliebenen - Versuchs der Feststellung einer anderen Abgabestelle ausreichend nachgekommen. Es ist daher von einer rechtswirksamen Zustellung des mit 23.09.2003 datierten erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustellG durch Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch bei der Behörde erster Instanz am 23.09.2003 auszugehen. Hierbei ist es - für die Frage der Rechtswirksamkeit der Zustellung - rechtlich unbeachtlich, dass der Berufungswerber der Behörde erster Instanz am 25.09.2003, also zwei Tage nach der erfolgten Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, die Änderung der Abgabestelle bzw. die neue Abgabestelle mitteilte."
Die weiteren Rechtsausführungen der belangten Behörde erschöpften sich in Hinweisen darauf, dass zwar der behauptete Sachverhalt "gegebenenfalls mittels eines Antrages auf
Wiedereinsetzung ... geltend zu machen" gewesen wäre, die
Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt aber nicht als derartiger Antrag gewertet werden könne, und dass die Berufungsfrist - berechnet ab dem 23. September 2003 - versäumt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
§ 8 Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, lautet:
"§ 8. (1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.
(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann."
§ 23 Zustellgesetz regelt, wie bei der Hinterlegung ohne Zustellversuch vorzugehen ist.
Die belangte Behörde hat es - entgegen dem Wortlaut des § 8 Zustellgesetz und trotz des in diese Richtung gehenden Vorbringens des Beschwerdeführers zum Verspätungsvorhalt - nicht als erforderlich angesehen, sich mit der Frage, ob der Beschwerdeführer die Änderung der "bisherigen" Abgabestelle "unverzüglich" mitgeteilt habe, auseinander zu setzen. Sie hat sich, wie die Beschwerde zutreffend rügt, nur mit Obliegenheiten der Erstbehörde (Versuch, eine Abgabestelle "ohne Schwierigkeiten" festzustellen) befasst, das vorgelagerte Erfordernis eines Unterbleibens der in § 8 Abs. 1 Zustellgesetz vorgeschriebenen Mitteilung seitens der Partei aber außer Acht gelassen und den angefochtenen Bescheid so begründet, als ob eine negative Meldeauskunft in einem Fall wie dem vorliegenden schon für sich allein genügen würde, um eine Hinterlegung im Akt als wirksame Zustellung erscheinen zu lassen.
Dies müsste selbst dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn die Unterkunft in Unterpetersdorf bei der Einvernahme am 18. September 2003 noch die vom Beschwerdeführer (im Sinne des Aktenvermerks vom 23. September 2003 über die Hinterlegung beim Bundesasylamt) "angegebene Zustelladresse" gewesen wäre. Diesfalls wäre die Bekanntgabe der neuen Abgabestelle am 25. September 2005 - ausgehend von der unüberprüft gebliebenen Behauptung des Beschwerdeführers, er habe erst am 22. September 2003 vom endgültigen Verlust der bisherigen Unterkunft (gemeint: in Unterpetersdorf) erfahren - nämlich "unverzüglich" und die Hinterlegung beim Bundesasylamt am 23. September 2003 schon deshalb unwirksam gewesen. Eine andere Beurteilung käme in Bezug auf eine Bekanntgabe binnen drei Tagen - der dem Beschwerdeführer vom Bundesasylamt selbst, offenbar in Anknüpfung an melderechtliche Vorschriften, für solche Mitteilungen ausdrücklich eingeräumten Frist - nicht in Betracht (vgl. allerdings den Literaturnachweis bei Stumvoll in Fasching/Konecny2 II/2, § 87 ZPO (§ 8 ZustG) Rz 7, wonach "Unverzüglichkeit" auch noch bei etwas längeren Zeiträumen vorliegen könne, und nunmehr auch die in § 15 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 für derartige Mitteilungen vorgesehene Frist von sieben Tagen).
Dies würde auch dann gelten, wenn der Beschwerdeführer über die neue Abgabestelle - entgegen seinen Behauptungen - sogleich, also schon am 22. September 2003, verfügt hätte. Die Besonderheit von Fällen der vorliegenden Art in Asylverfahren liegt jedoch darin, dass die "Änderung" der Abgabestelle oft im Verlust der bisherigen Unterkunft ohne gleichzeitigen Erwerb einer neuen besteht. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu ausgesprochen, auch die Aufgabe einer Abgabestelle sei eine "unverzüglich" mitzuteilende "Änderung" (vgl. insbesondere das Erkenntnis vom 18. April 2002, Zl. 2001/01/0559, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 21. November 2002, Zl. 2000/20/0359). Das bedeutet freilich nicht, dass bei jedem Wechsel der Unterkunft zwei Mitteilungen zu erfolgen hätten, zunächst eine über die Aufgabe der bisherigen Unterkunft und kurz darauf eine weitere über den Bezug der neuen. Bei der Beurteilung der "Unverzüglichkeit" einer tatsächlich erfolgten Mitteilung ist in den für das Asylverfahren - unter dem Gesichtspunkt der für Asylwerber zur Verfügung stehenden Unterbringungsmöglichkeiten - typischen Fallgestaltungen vielmehr auch zu berücksichtigen, dass es einige Tage dauern kann, bis der Inhalt der zu erstattenden Mitteilung, nämlich Bekanntgabe einer neuen Abgabestelle oder des vorläufig ersatzlosen Verlustes der bisherigen, feststeht. In einem Fall wie dem vorliegenden wäre die Frist für die "unverzügliche" Mitteilung des Gesamtvorganges - bei Aufgabe der Unterkunft in Unterpetersdorf am 22. September 2003 und Erwerb einer neuen Abgabestelle in Wien am 25. September 2003 - daher erst ab dem 25. September 2003 zu berechnen gewesen. Eine solche Beurteilung wird jedenfalls immer dann geboten sein, wenn der Erwerb der neuen Abgabestelle innerhalb des für die "unverzügliche" Mitteilung des Verlustes der bisherigen zur Verfügung stehenden Zeitraumes eintritt.
Im vorliegenden Fall war dem Bundesasylamt aber schon am 18. September 2003 bekannt, dass der Beschwerdeführer - mangels Wiederaufnahme in die Bundesbetreuung - vorerst ohne Unterkunft sein würde. Dieser bei der belangten Behörde aktenkundige, im Verspätungsvorhalt und im angefochtenen Bescheid aber unerwähnt gelassene Umstand beraubt die angefochtene Entscheidung von vornherein jeder Grundlage, weil eine Änderung der dem Bundesasylamt bekannten Sachlage, die ihm gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz mitzuteilen war, nach den in diesem Punkt unwiderlegten Behauptungen des Beschwerdeführers erst an dem Tag erfolgte, an dem sie auch mitgeteilt wurde.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 21. März 2007
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