VwGH 2006/05/0269

VwGH2006/05/026930.1.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der Maria Chvatal in Wien, vertreten durch Mag. Alexander Schneider, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 20, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 25. September 2006, Zl. BOB-432/06, betreffend eine Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §129 Abs10 idF 2005/041;
BauO Wr §71;
BauRallg;
B-VG Art130 Abs2;
VwRallg;
BauO Wr §129 Abs10 idF 2005/041;
BauO Wr §71;
BauRallg;
B-VG Art130 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt auf der der W. AG gehörigen Liegenschaft 1100 Wien, Moselgasse 27, eine Tankstelle. Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, vom 21. Dezember 2000, war ihr gemäß § 71 BauO für Wien in Verbindung mit dem Wiener Garagengesetz bis zum 31. Dezember 2005 die Bewilligung erteilt worden, nach den mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen technischen Belegen auf dieser Liegenschaft eine Betriebstankstelle (mit näher beschriebenen Baulichkeiten) für die Betankung der betriebseigenen Fahrzeuge zu errichten. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2001 wurde ein Planwechsel bewilligt, die Befristung bis 31. Dezember 2005 blieb jedoch unverändert.

Mit Schreiben vom 6. Juni 2006, gerichtet an den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 (MA 37), zeigte die Liegenschaftseigentümerin an, dass die Tankstelle nunmehr zufolge Fristablaufes konsenswidrig bestehe. Sie werde außerdem, ebenfalls konsenswidrig, als öffentliche Tankstelle betrieben. Die Liegenschaftseigentümerin sei damit nicht einverstanden und erteile keine Zustimmung.

Am 13. Juli 2006 fand an Ort und Stelle eine Verhandlung statt. Dabei wurde festgestellt, dass die Baubewilligung durch Fristablauf erloschen sei. Die Beschwerdeführerin erklärte bei dieser Verhandlung, dass sie seitens des Grundeigentümers mit keiner Zustimmung für eine neuerliche Bewilligung rechnen könne und somit die errichteten Baulichkeiten fristgerecht entfernt würden.

Mit Bescheid vom 17. Juli 2006 erteilte die MA 37 der Beschwerdeführerin den Auftrag, die Betriebstankstelle, bestehend aus zwei Zapfsäulen, einer Betankungsfläche, einem unterirdischen Lagerbehälter, einem Flugdach und einem freistehenden Betriebsgebäude bzw. Tankwartraum binnen 3 Monaten nach Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen.

In ihrer dagegen erstatteten Berufung verwies die Beschwerdeführerin darauf, dass die Tankstelle nicht vorschriftswidrig gebaut worden sei, sondern eine Bewilligung vom 21. Dezember 2005 (gemeint wohl: 2000) gemäß § 71 BauO für Wien bestehe. Der Bau sei daher nicht vorschriftswidrig errichtet worden. Die Beschwerdeführerin habe einen weiteren Antrag gemäß § 71 BauO für Wien eingebracht, über den bis dato nicht entschieden worden sei. Daher sei der Auftrag zur Beseitigung rechtswidrig. Ob die Tankstelle zu beseitigen sei, hänge von der Vorfrage ab, ob der Weiterbetrieb der vorschriftsgemäß errichteten Tankstelle auf Grund des neuerlichen Antrages doch zu genehmigen sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin bestreite weder Eigentümerin der Baulichkeit zu sein, noch, dass die dafür befristet erteilte Baubewilligung erloschen sei. Sie bestreitet auch nicht, dass weiterhin eine Baubewilligung erforderlich wäre. Baulichkeiten, für die nur eine befristete Baubewilligung im Sinne des § 71 BauO für Wien erwirkt worden sei, stellten nach Ablauf dieser Frist einen konsenslosen Bestand dar, der als vorschriftswidrig im Sinne des § 129 Abs. 10 BO zu werten sei. Entscheidend sei allein, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des Entfernungsauftrages die Baulichkeit konsenslos sei. Ein Beseitigungsauftrag sei auch dann zulässig, wenn ein Verfahren betreffend eine nachträgliche Baubewilligung anhängig sei. Die Frage, ob eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden könne, stelle keine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichterlassung eines Beseitigungsauftrages für verletzt erachtet. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin wiederholt ihren Standpunkt, dass die Tankstelle vorschriftgemäß errichtet worden sei. Der Auftrag zur Beseitigung sei rechtswidrig, so lange über den neuen Antrag der Beschwerdeführerin noch nicht entschieden worden sei. Ob die Tankstelle zu beseitigen sei, hänge von der Vorfrage ab, ob der Weiterbetrieb auf Grund des neuerlichen Antrages doch zu genehmigen sei. Die Erlassung eines Beseitigungsauftrages liege im Ermessen der Behörde, da eine augenscheinliche von dem Bau ausgehende Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht vorliege. Die belangte Behörde hätte von ihrem durch das Gesetz eingeräumten Entscheidungsspielraum nicht Gebrauch gemacht. In diesem Zusammenhang wird als Verfahrensfehler geltend gemacht, dass die Behörde ihr Ermessen nicht begründet habe. Schließlich habe die Behörde zu Unrecht in das Eigentum der Beschwerdeführerin eingegriffen; den Schutz des Art. 5 Staatsgrundgesetz genieße jedes vermögenswerte Privatrecht.

§ 129 Abs. 10 BauO für Wien (idF LGBl. Nr. 41/2005; BO) lautet:

"(10) Jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften ist zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam (§ 62 Abs. 6) erstattet wurde, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten. In Schutzzonen sind überdies Abweichungen von den Bebauungsbestimmungen im Bebauungsplan, für die eine Baubewilligung weder nachgewiesen noch infolge des erinnerlichen Bestandes des Gebäudes vermutet werden kann, zu beheben und die Gebäude und baulichen Ziergegenstände in stilgerechten und den Bebauungsbestimmungen entsprechenden Zustand zu versetzen. Lassen sich Art und Umfang von vermuteten Abweichungen von den Bauvorschriften nicht durch bloßen Augenschein feststellen, ist der Eigentümer (jeder Miteigentümer) eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage verpflichtet, über das Vorliegen der vermuteten Abweichungen und gegebenenfalls über deren Art und Umfang den Befund eines Sachverständigen vorzulegen. Der dem Befund zu Grunde gelegte Sachverhalt muss durch die Behörde überprüfbar sein."

Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung ist ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt wurde, zu beseitigen. Hier lag wohl eine Bewilligung nach § 71 BO vor, sie war aber mit 31. Dezember 2005 befristet.

§ 71 erster Satz BO lautet:

"Bauten, die vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht dauernd bestehen bleiben können, sei es wegen des bestimmungsgemäßen Zweckes der Grundfläche, sei es, weil in begründeten Ausnahmefällen die Baulichkeit den Bestimmungen dieses Gesetzes aus sachlichen Gegebenheiten nicht voll entspricht, kann die Behörde auf eine bestimmte Zeit oder auf Widerruf bewilligen."

Mit Ablauf der Genehmigungsdauer der auf Zeit erteilten Baubewilligung bzw. im Zeitpunkt des Widerrufes tritt ein konsensloser Zustand und die Verpflichtung zur Abtragung der Baulichkeit ein. Für den weiteren Bestand ist die Durchführung eines Bauverfahrens und die Erteilung einer neuen Bewilligung erforderlich (siehe das bei Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften5, 543, zitierte hg. Erkenntnis vom 27. November 1928, Slg. 15.428/A). Konsenslosigkeit liegt vor, wenn eine Baubewilligung gemäß § 71 BO abgelaufen ist oder widerrufen wurde (siehe das bei Moritz, BauO für Wien3, 350, zitierte hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1989, 88/05/0208).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe die Nachweise bei Moritz a.a.O., 353 und Geuder-Hauer a.a.O., 814) ist die Frage der Bewilligungsfähigkeit eines Baues, wie auch die Frage, ob ein Verfahren über eine nachträgliche Bewilligung anhängig ist, in einem Verfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen. Zuletzt hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. November 2006, Zl. 2005/05/0339, das dortige Vorbringen der Beschwerdeführerin abgelehnt, die Voraussetzungen für die Erlangung eines Baukonsenses auch nach § 71 BO hätte von der belangten Behörde geprüft werden müssen. Dort wurde auch auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, dass ein aufrechtes Bauansuchen bzw. eine erteilte Baubewilligung der Vollstreckung des Abtragungsauftrages entgegenstünde.

Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die Behörden hätten bei Anwendung des § 129 Abs. 10 BO das ihnen eingeräumte Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt, ist ihr gleichfalls die diesbezügliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen zu halten. Die an die Baubehörde gerichtete Anordnung, dass "gegebenenfalls Aufträge erteilt werden können", bedeutet, dass die Behörde von Amts wegen bei jeder Abweichung bzw. Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 129 Abs. 10 erster Satz BO einen Auftrag erteilen muss, soferne nicht der Verpflichtete selbst im Sinne der gesetzlichen Anordnung die Abweichung von den Bauvorschriften behebt oder den vorschriftswidrigen Bau beseitigt. Der Behörde ist nur insofern ein Gestaltungsspielraum bei der Durchführung des Bauauftragsverfahrens eingeräumt, als ihr die Möglichkeit an die Hand gegeben ist, mit der Erlassung des Bauauftrages zuzuwarten und dieses vorläufige Unterbleiben eines Auftrages sachlich gerechtfertigt ist (hg. Erkenntnisse vom 15. Juli 2003, Zl. 2002/05/0969, vom 21. Juli 2005, Zl. 2004/05/0023 und vom 18. Dezember 2006, Zl. 2005/05/0343). Allein der im Belieben des Verpflichteten stehende Umstand, ob er ein neues Bauansuchen eingebracht hat, kann keine solche sachliche Rechtfertigung bilden.

Soweit die Beschwerdeführerin schließlich einen Eingriff in ihr Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums geltend macht, ist sie auf die Bestimmung des Art. 144 Abs. 1 B-VG zu verweisen, wonach der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden erkennt, soweit der Beschwerdeführer in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt zu sein behauptet.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war. Auf Basis der zitierten Rechtsprechung konnte die Entscheidung in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 30. Jänner 2007

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