VwGH 2005/05/0343

VwGH2005/05/034318.12.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des Richard Hegmala in Wien, vertreten durch Mag. Peter Michael Wolf, Rechtsanwalt in 2340 Mödling, Bahnhofplatz 6, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 27. September 2005, Zl. BOB - 364/05, betreffend baupolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs2;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
B-VG Art7 Abs1;
AVG §59 Abs2;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
B-VG Art7 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in Höhe von insgesamt 381,90 EURO binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 29. Juni 2005 wurde dem Beschwerdeführer als Eigentümer der Baulichkeit auf einer näher genannten Liegenschaft gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) der Auftrag erteilt, den ohne Bewilligung errichteten Zubau in Holz-Glaskonstruktion im Ausmaß von ca. 8,05 m Länge und ca. 2,50 m Breite mit einer seitlichen Höhe von 1,82 m und einer Firsthöhe von ca. 2,75 m binnen einer Frist von sieben Monaten nach Rechtskraft des Bescheides entfernen zu lassen. Begründend wurde ausgeführt, bei der am 24. Juni 2005 abgehaltenen Ortsverhandlung sei festgestellt worden, dass das Kleingartenhaus entgegen der Baubewilligung vom 6. Juni 1988 um ca. 15 m2 vergrößert worden sei. An der Vorderseite des Kleingartenhauses sei der im Spruch genannte Zubau ohne behördliche Bewilligung errichtet worden. Nach den derzeitigen Bebauungsbestimmungen dürften zehn Prozent der Grundfläche, maximal jedoch 35 m2 bebaut werden. Im gegenständlichen Fall ergebe sich bei einer Parzellengröße von 415 m2 eine maximale bebaubare Fläche von 35 m2. Die derzeit bewilligte verbaute Fläche betrage 30,37 m2. Durch den Zubau sei die zulässig bebaubare Fläche überschritten worden.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er darauf verwies, dass der Flächenwidmungsplan für die gegenständliche Kleingartenanlage ein Kleingartengebiet vorsehe, wobei ein Antrag des Vereins auf Änderung in ein Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen bereits gestellt worden sei. Aufgrund der Situation der Kleingartenanlage und dem Interesse, in der Anlage ganzjähriges Wohnen zu ermöglichen, sowie aufgrund der vorhandenen Parzellengrößen erscheine eine Änderung der Flächenwidmung sehr aussichtsreich. Ausgehend von einer geänderten Widmung könne eine verbaubare Fläche von 50 m2 für die konkrete Parzelle angenommen werden, sodass das Objekt des Beschwerdeführers bewilligbar wäre, da die gesamte bebaute Fläche des Objektes selbst mit der zugebauten Terrasse eine Fläche von weniger als 50 m2 habe. Zudem stelle der Beseitigungsauftrag im Vergleich zu den sonst möglichen Mitteln, insbesondere vor dem Hintergrund der möglichen Widmungsänderung, eine besondere Härte für den verwitweten Beschwerdeführer dar.

Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung als unbegründet ab und führte in ihrer Begründung im Wesentlichen aus, dass nach der geltenden Bestimmung des § 8 Abs. 1 Wiener Kleingartengesetz 1996 (KlGG ) im "Grünland - Erholungsgebiet - Kleingartengebiet" und "Grünland - Erholungsgebiet - Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen" sowie auf vorübergehend kleingärtnerisch genutzten Flächen unter anderem für Neu-, Zu- und Umbauten von Kleingartenhäusern und Kleingartenwohnhäusern eine Baubewilligung erforderlich sei. Schon vor dem Inkrafttreten des KlGG mit 1. Jänner 1997 sei die Errichtung eines Zubaues bewilligungspflichtig gewesen. Da vor der Errichtung des Zubaues keine rechtskräftige Baubewilligung erwirkt worden sei, sei der Zubau als vorschriftswidrig im Sinn von § 129 Abs. 10 BO anzusehen. Des Weiteren verwies die belangte Behörde darauf, dass die maximal bebaubare Fläche auf dem gegenständlichen Kleingarten, entsprechend den geltenden Bebauungsbestimmungen, mit 35 m2 beschränkt sei. Der verfahrensgegenständliche Zubau in Holz -

Glaskonstruktion im Ausmaß von 15 m2 führe nun dazu, dass die im vorliegenden Fall zulässig bebaubare Fläche von maximal 35 m2 überschritten sei, da die bewilligte bebaute Fläche bereits 30,37 m2 aufweise. Es stehe keinesfalls fest, dass es zu einer entsprechenden Umwidmung des Kleingartens kommen werde oder, dass die Möglichkeit der Erwirkung einer nachträglichen Baubewilligung gegeben wäre. Die Frage der Bewilligungsfähigkeit des verfahrengegenständlichen Zubaues sei im baupolizeilichen Auftragsverfahren nach § 129 Abs. 10 BO weder Entscheidungsgegenstand noch eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG. Entscheidend sei lediglich, ob der Bau ohne die hierfür erforderliche Baubewilligung ausgeführt worden sei. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Beweggründe für die Errichtung des verfahrensgegenständlichen Zubaues könnten ebenso wie der Hinweis auf eine beantragte und allenfalls mögliche Umwidmung insofern keine Berücksichtung finden, als diese keine im Gesetz vorgesehen Gründe darstellten, vom Beseitigungsauftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO Abstand nehmen zu können. Des Weiteren sei dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, dass bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen mit der Erlassung eines baubehördlichen Auftrages vorzugehen sei und der Behörde diesbezüglich kein Ermessen zukomme. Die Behörde müsse bei jeder Abweichung bzw. Vorschriftwidrigkeit gemäß § 129 Abs. 10 BO einen Auftrag erteilen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass durch den verfahrensgegenständlichen Zubau keine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen gegeben sei, vermöge an der gesetzlichen Anordnung des § 129 Abs. 10 BO nichts zu ändern. Zuletzt führte die belangte Behörde aus, dass die Erfüllungsfrist von sieben Monaten zur Durchführung der aufgetragenen Maßnahmen mehr als ausreichend und angemessen sei, was zudem vom Beschwerdeführer in keiner Weise in Abrede gestellt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, dass aufgrund der Situierung der gegenständlichen Kleingartenanlage bereits zum jetzigen Zeitpunkt ein ganzjähriges Wohnen möglich sei. Eine Änderung der Flächenwidmung sei beantragt und aufgrund der Gesamtsituation sehr wahrscheinlich. Die Fläche des Kleingartenhauses des Beschwerdeführers betrage samt Verschließung der Terrasse 45 m2. Somit übersteige sie nicht die im Widmungsgebiet "Grünland-Erholungsgebiet-Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen" zulässige bebaute Fläche. Dort dürfe die verbaute Fläche 50 m2 betragen, sodass das bestehende Objekt samt dem Zubau im Hinblick auf die Änderung bewilligungsfähig sei. Zudem habe der Beschwerdeführer die nachträgliche Genehmigung des Zubaues eingereicht. Aufgrund der Pläne und der Sachlage sei augenscheinlich, dass von dem Zubau keinerlei Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen ausgehe. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass etwa 80 Prozent der bestehenden Bauten in der gegenständlichen Kleingartenanlage bereits auf die neue Flächenwidmung abgestimmt seien und auch für diese Bauten noch keine Bewilligung vorliege, hätte die belangte Behörde von ihrem Ermessen, keinen baubehördlichen Auftrag zu erteilen, Gebrauch machen müssen. Von der belangten Behörde seien jedoch völlig willkürlich Kleingartenobjekte herangezogen und für diese Abbruchsaufträge erteilt worden. Die belangte Behörde hätte Einsicht in die Flächenwidmungsänderungsverfahren nehmen müssen, da sie dann hätte erkennen können, dass die Flächenumwidmung bereits in Vorbereitung sei und aufgrund der Größe der Parzellen sowie aufgrund der unmittelbaren Nähe zur A 4 - Ostautobahn keinerlei Gründe der Umwidmung entgegenstehen würden. Die belangte Behörde hätte den betroffenen Kleingartenbesitzern auftragen können, innerhalb angemessener Frist um Einholung einer Bewilligung für die Objekte anzusuchen. Zudem sei die Frist von sieben Monaten zur Durchführung des Auftrages im Hinblick auf die Gesamtsituation zu kurz gewählt worden.

§ 129 Abs. 10 BO lautet auszugsweise:

"(10) Jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften ist zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam (§ 62 Abs. 6) erstattet wurde, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten.

...".

Für die Erlassung eines Beseitigungsauftrages gemäß § 129 Abs. 10 BO ist es ausreichend, dass für die bestehende bewilligungspflichtige Baulichkeit eine behördliche Bewilligung nicht vorliegt, obwohl die Baulichkeit sowohl zum Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch zu jenem der Auftragserteilung einer behördlichen Bewilligung bedurft hätte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 2006, Zl. 2005/05/0178).

Wie die belangte Behörde festgestellt hat, liegt für den verfahrensgegenständlichen Zubau keine baubehördliche Genehmigung vor. Dass die erforderliche Bewilligung nicht vorliegt, wurde vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. September 1999, Zl. 95/05/0341) ist die Frage der Bewilligungsfähigkeit eines Baues im Verfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass bereits ein Antrag auf Umwidmung der gegenständlichen Kleingartenanlage auf die Widmung "Grünland Erholungsgebiet - Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen", in der das Ausmaß der bebauten Fläche bis zu 50 m2 betragen dürfe, eingebracht worden sei und im Falle einer derartigen Änderung der Widmung der Zubau bewilligbar wäre bzw. ein Bewilligungsverfahren bereits anhängig sei, kommt daher keine Relevanz zu. Sollte der Beschwerdeführer eine Baubewilligung erwirken, stünde dies der Vollstreckung des Abtragungsauftrages entgegen, ein Beseitigungsauftrag ist jedoch vor Erlassung eines erforderlichen Baukonsenses zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 2004, Zl. 2004/05/0026).

Dem Beschwerdeführer ist weiters entgegenzuhalten, dass die Behörde von Amts wegen bei jeder Abweichung bzw. Vorschriftwidrigkeit einen Auftrag erteilen muss. Zwar ist ihr im Einzelfall nunmehr nach § 129 Abs. 10 3. Satz BO ein größerer Spielraum gegeben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juli 2003, Zl. 2002/05/0969), doch muss für das Unterbleiben eines Auftrages ein sachlicher Grund vorliegen. Der Umstand, dass ein Antrag auf Widmungsänderung gestellt wurde, bildet keinen ausreichenden Grund für das Unterbleiben eines Auftrages (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2005, Zl. 2005/05/0176). Auch die persönliche Situation des Beschwerdeführers und seine Motive sind kein im Gesetz vorgesehener Grund, vom Beseitigungsauftrag Abstand zu nehmen, und zwar auch dann, wenn nicht Gefahr im Verzug besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2004, Zl. 2003/05/0173). Die Argumentation des Beschwerdeführers, es bestehe keine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschengegeben, weshalb die Behörde nicht verpflichtet gewesen wäre, einen Bauauftrag zu erlassen, vermag ihm somit nicht zum Erfolg verhelfen.

Weiters ist dem Beschwerdeführer entgegen zu halten, dass Verpflichtung der Behörde, die Konsenslosigkeit auch anderer Baulichkeiten in der Umgebung durch Erlassung entsprechender Aufträge wahrzunehmen, auch wenn ihr die Behörde nicht nachgekommen sein sollte, nichts an seiner Rechtssituation ändern würde, weil niemand aus einer - allenfalls rechtswidrigen - Vorgangsweise gegenüber Dritten für sich einen Anspruch auf vergleichbare Rechtswidrigkeit ableiten kann (vgl. das hg Erkenntnis vom 15. Oktober 1991, Zl. 91/05/0127).

Nach der Judikatur des Veraltungsgerichtshofes ist bei der Erfüllungsfrist auf die technische Durchführbarkeit der Arbeiten und nicht etwa auf die Dauer eines nachträglichen Baubewilligungsverfahrens Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1991, Zl. 91/05/0094). Die von der belangten Behörde festgesetzte Erfüllungsfrist von sieben Monaten ab Rechtskraft des Bescheides zur Durchführung der aufgetragenen Maßnahmen war somit aber ausreichend und angemessen.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. Dezember 2006

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