Normen
ASVG §410 Abs1 Z1;
AVG §59 Abs1;
BSVG §2 Abs1 Z1 lita;
BSVG §2;
BSVG Anl2 idF 2002/I/003;
GewO 1973 §2 Abs4 Z1;
GewO 1994 §2 Abs3 Z1;
GewO 1994 §2 Abs4 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ASVG §410 Abs1 Z1;
AVG §59 Abs1;
BSVG §2 Abs1 Z1 lita;
BSVG §2;
BSVG Anl2 idF 2002/I/003;
GewO 1973 §2 Abs4 Z1;
GewO 1994 §2 Abs3 Z1;
GewO 1994 §2 Abs4 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich keine Folge gegeben und festgestellt,
"dass die von Herrn (Beschwerdeführer) für das Jahr 2003 gemeldete Tätigkeit der Schnapsbrennerei gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit der Anlage 2 BSVG unter den Tatbestand der Be- und Verarbeitung überwiegend eigener Naturprodukte fällt."
In der Begründung stellte die belangte Behörde den Gang des Verwaltungsverfahren dar, gab die von ihr angewendeten Normen wieder und stellte folgenden Sachverhalt fest:
"Herr (Beschwerdeführer) führt in der KG R. auf eigenen Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb mit einem Einheitswert von EUR 25.391,88. Er ist als Betriebsführer in der Bauern-Sozialversicherung pflichtversichert.
Am 3.9.2004 teilte er, nach Aufforderung seitens der Sozialversicherungsanstalt der Bauern mit, dass er im Jahr 2003 aus der Schnapsbrennerei Einnahmen in der Höhe von EUR 61.147,20 (brutto) erzielt hat.
Mit einem weiteren Schreiben vom 28.9.2004 wurde bekannt gegeben, dass der Umsatz aus dem Schnaps- und Geschenksartikelverkauf netto EUR 50.955,15 ergab. Für den Geschäftsbetrieb wurde eine eigene Buchhaltung erstellt, eine eigene Einnahmen- Ausgaben- Rechnung ermittelt und diese auch dem Finanzamt unter den Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit bekannt gegeben. Auf Grund des EUR 22.000,-- übersteigenden Umsatzes wurde beim Finanzamt A. eine eigene Umsatzsteuererklärung eingereicht. Diese Angaben wurden vom Finanzamt A. laut Telefonat vom 26. August 2005 bestätigt.
Am 15.9.2004 teilte Herr (Beschwerdeführer) außerdem mittels Fax mit, dass er als Fleischqualifizierer EUR 406,71 erhalten hat. Am 18.10.2004 wurde wiederum mittels Fax bekannt gegeben, dass der Zukaufswert der im Zuge der Schnapsbrennerei mitverarbeitenden Produkte EUR 9.887,57 und der Wert der eigenen Ware EUR 954,-- beträgt."
Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ergänzte die belangte Behörde den Sachverhalt dahin, dass der Beschwerdeführer für die Schnapsbrennerei noch Flaschen um EUR 12.813,70 zugekauft habe, und führte aus, dass es nach der von ihr zitierten Bestimmung der Gewerbeordnung darauf ankomme, dass überwiegend eigene Naturprodukte ver- und bearbeitet würden. Mangels einer Regelung, was unter "überwiegend" zu verstehen sei, sei auf die Regelung des § 2 Abs. 3 Gewerbeordnung zurück zu greifen, die von einer wertmäßigen Gegenüberstellung des Einkaufswertes der zugekauften Produkte zum Verkaufswert der eigenen Erzeugnisse ausgehe. Der Verkaufswert der eigenen Naturprodukte (Endprodukt Schnaps) stehe demgemäß den zugekauften Produkten samt den mitverarbeiteten Erzeugnissen (zugekauftes Obst im Wert von EUR 9.887,57 und sonstige Handelsware im Wert von EUR 12.813,70) gegenüber. Der Marktwert der zugekauften Ware sei somit gegenüber dem Marktwert des Endproduktes von untergeordneter Bedeutung (37,12 %), weshalb die Schnapsbrennerei ein Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft darstelle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hat eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der angefochtene Bescheid erweist sich schon deshalb als inhaltlich rechtswidrig, weil sich die belangte Behörde mit der Formulierung des Spruchs nicht auf die Feststellung beschränkte, dass der Beschwerdeführer mit der in Rede stehenden Tätigkeit der Pflichtversicherung nach dem BSVG unterliege, sondern die Feststellung getroffen hat, dass die betreffende Tätigkeit unter einen bestimmten gesetzlichen Tatbestand zu subsumieren sei. Damit hat die belangte Behörde keine Feststellung über die Versicherungspflicht im Sinne des § 410 Abs. 1 Z. 1 ASVG getroffen, sondern isoliert über ein Tatbestandmoment der Pflichtversicherung (aber auch der Beitragspflicht) abgesprochen. Ein isolierter Abspruch über Tatbestandsvoraussetzungen eines Rechtsverhältnisses ist aber unzulässig (vgl. das Erkenntnis vom 26. April 2006, Zl. 2005/08/0140, mwN).
Geht man davon aus, dass die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 lit. a BSVG auf Grund der Tätigkeit der Schnapsbrennerei als Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft festzustellen beabsichtigte, lässt sich ihre Ansicht nicht mit dem Gesetz in Einklang bringen:
§ 2 BSVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 67/2001 lautet auszugsweise:
"§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:
1. Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird. Dabei wird vermutet, dass Grundstücke, die als forstwirtschaftliches Vermögen nach dem Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148, bewertet sind oder Teil einer als solches bewerteten wirtschaftlichen Einheit sind, in der einem forstwirtschaftlichen Betrieb entsprechenden Weise auf Rechnung und Gefahr der dazu im eigenen Namen Berechtigten bewirtschaftet werden. Der Gegenbeweis ist für Zeiten, die länger als einen Monat von der Meldung (§ 16) des der Vermutung widersprechenden Sachverhaltes zurückliegen, unzulässig. Die Pflichtversicherung erstreckt sich nach Maßgabe der Anlage 2 auch auf
a) land(forst)wirtschaftliche Nebengewerbe gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194,
... soweit diese neben einer die Pflichtversicherung begründenden Betriebsführung ausgeübt werden."
Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 2 Gewerbeordnung 1994 findet dieses Gesetz auf die Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft keine Anwendung. Unter Nebengewerben der Land- und Forstwirtschaft im Sinne dieses Gesetzes sind gemäß § 2 Abs. 4 Z. 1 leg. cit. die Verarbeitung und Bearbeitung überwiegend des eigenen Naturproduktes unter der Voraussetzung, dass der Charakter des jeweiligen Betriebes als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gewahrt bleibt, zu verstehen. Die Be- und Verarbeitung kann auch durch einen befugten Gewerbetreibenden erfolgen. Der Wert der allenfalls mitverarbeiteten Erzeugnisse muss gegenüber dem Wert des bearbeiteten oder verarbeiteten Naturproduktes untergeordnet sein.
Der von der belangten Behörde herangezogene § 2 Abs. 3 Gewerbeordnung 1994 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 111/2002 lautet:
"Zur Land- und Forstwirtschaft im Sinne dieses Bundesgesetzes (Abs. 1 Z 1) gehören
1. die Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte, einschließlich des Wein- und Obstbaues, des Gartenbaues und der Baumschulen; hinsichtlich des Weinbaues ferner der Zukauf von höchstens 1 500 l aus dem EWR stammenden Wein oder 2 000 kg aus dem EWR stammenden Trauben pro Hektar bewirtschafteter Betriebsfläche und Kalenderjahr; im Bundesland Steiermark der Zukauf von höchstens 3 000 kg Trauben pro Hektar bewirtschafteter Betriebsfläche und Kalenderjahr, die insgesamt aus demselben Weinbaugebiet (§ 25 Abs. 3 des Weingesetzes 1985) stammen, in dem der Betrieb gelegen ist; hinsichtlich aller Betriebszweige mit Ausnahme des Weinbaues ferner der Zukauf von aus dem EWR stammenden Erzeugnissen des jeweiligen Betriebszweiges, wenn deren Einkaufswert nicht mehr als 25 vH des Verkaufswertes aller Erzeugnisse des jeweiligen Betriebszweiges beträgt; hinsichtlich aller Betriebszweige ferner der Zukauf von aus dem EWR stammenden Erzeugnissen des jeweiligen Betriebszweiges im ernteausfallsbedingten Umfang;
2. das Halten von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse;
3. Jagd und Fischerei."
Die für die Pflichtversicherung darüber hinaus maßgebende Anlage 2 zum BSVG (in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 3/2002) nennt in ihrer Z. 1 den Versicherungstatbestand "Land- und forstwirtschaftliche Urproduktion (§ 5 des Landarbeitsgesetzes 1994)", für den keine gesonderte Beitragsgrundlage zu bilden ist, und in Z. 3 den der "Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft gemäß § 2 Abs. 4 Gewerbeordnung 1994", für den in Teilbereichen eine eigene (zusätzliche) Beitragsgrundlage zu bilden ist, und zwar für die in Z. 3.1.2 geregelte "Be- und Verarbeitung überwiegend eigener Naturprodukte sowie Mostbuschenschank, sofern die Einnahmen aus diesen Tätigkeiten 3 700 EUR übersteigen", für die nunmehr (anders als noch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung der Anlage 2 BGBl. Nr. 559/1978) gemäß § 23 Abs. 1 Z. 3 BSVG eine gesonderte Beitragsgrundlage zu bilden ist.
Die belangte Behörde hat zur Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen der Voraussetzungen für ein Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft die Bestimmung des § 2 Abs. 3 Z. 1 Gewerbeordnung 1994 herangezogen, weil sich dort eine Festlegung des Begriffes des "Überwiegens" finde, während § 2 Abs. 4 leg. cit eine nähere Bestimmung dieses Begriffes nicht vorsehe.
Dabei hat die belangte Behörde übersehen, dass die Bestimmung des § 2 Abs. 3 Z. 1 Gewerbeordnung 1994 nicht das hier interessierende bäuerliche Nebengewerbe, sondern den Grundtatbestand land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeit (die landwirtschaftliche (Ur)produktion) beschreibt (zur Unterscheidung zwischen Urproduktion und Nebengewerben vgl. das Erkenntnis vom 25. Oktober 2006, Zl. 2004/08/0046). Die dort genannten Mengen von Zukäufen landwirtschaftlicher Produkte, auf deren Verhältnis zu eigenen Produkten sich die belangte Behörde bezieht, gelten bis zum Erreichen einer bestimmten Grenze als landwirtschaftliche Produktion. Dies gilt aber nur für die Urproduktion, zu der die Verarbeitung von Obst zu Schnaps und dessen Abfüllung von vornherein nicht gezählt werden kann. Nach der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht käme es demnach auch bei der Beurteilung von Nebengewerben auf den Wert des durch die Ver- und Bearbeitung hervorgekommenen Endproduktes (im Beschwerdefall: Schnaps) an. Einem solchen Ergebnis steht aber schon der Wortlaut des - den vorliegenden Fall abschließend regelnden - § 2 Abs. 4 Gewerbeordnung 1994 entgegen. Diese Bestimmung nennt die zur Begründung eines Nebengewerbes der Land- und Forstwirtschaft notwendigen Voraussetzungen. Bei der Ver- und Bearbeitung von Naturprodukten kommt es als erstes Tatbestandsmerkmal eines - hier in Rede stehenden - bäuerlichen Nebengewerbes darauf an, dass die Naturprodukte überwiegend aus eigener Erzeugung stammen (zum Begriff des "Naturproduktes" als der land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion zugehörig vgl. das Erkenntnis vom 26. April 2006, Zl. 2005/08/0140). Hiezu bedarf es einer vergleichenden Gegenüberstellung zwischen der jeweils ausgeübten Tätigkeit der Erzeugung des Naturproduktes und der Tätigkeit der Verarbeitung und Bearbeitung. Bei einem solchen Vergleich ist in jedem Einzelfall auf alle wirtschaftlichen Elemente der betreffenden Tätigkeiten, insbesonders auf das Ausmaß der Wertschöpfung, auf die Höhe des Ertrages und der Kosten und auf den Aufwand an Arbeitskräften und Arbeitszeit, Bedacht zu nehmen. Dieser Vergleich ist nur auf "das Naturprodukt" abzustellen, das in der einen Wirtschaftsphase den Gegenstand der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugungstätigkeit und in der anderen Wirtschaftsphase den Gegenstand der Verarbeitung bzw. Bearbeitung bildet. Nach § 2 Abs. 4 Z. 1 GewO 1973 dürfen daher nur untergeordnet und somit "nicht hauptsächlich" fremde, das heißt auch zugekaufte, Naturprodukte verarbeitet werden, wobei sich das zulässige Verhältnis zwischen "eigenem Naturprodukt" und "mitverarbeiteten Erzeugnissen" aus einem darauf bezughabenden Wertvergleich im Sinne des letzten Satzteiles des § 2 Abs. 4 Z. 1 ergibt (vgl. das Erkenntnis vom 23. Oktober 1995, Zl. 93/04/0251).
Die - von der belangten Behörde vermisste - nähere Ausgestaltung des Begriffes des "Überwiegens" in § 2 Abs. 4 Gewerbeordnung 1994 ergibt sich somit schon aus dem gegebenen Zusammenhang, weil nur eine mengen- bzw. wertmäßige Gegenüberstellung der eigenen und der zugekauften Naturprodukte in Betracht kommt und bei einer solchen Gegenüberstellung ein Überwiegen rechnerisch leicht feststellbar ist.
Stellt man in diesem Sinne und auf der Grundlage der Feststellungen der belangten Behörde im vorliegenden Fall dem Wert der vom Beschwerdeführer eingesetzten eigenen Naturprodukte (EUR 954,-- ) den Wert der zugekauften Naturprodukte (EUR 9.887,57) gegenüber, kann von einem Überwiegen des Einsatzes eigener Naturprodukte keine Rede sein. Demnach liegt kein bäuerliches Nebengewerbe, das in die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers einzubeziehen wäre, mehr vor.
Der angefochtene Bescheid ist daher auch aus diesem Grund rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 31. Jänner 2007
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