VwGH 2006/05/0012

VwGH2006/05/001214.11.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der Martha Selinger in Wien, vertreten durch Dr. Gottfried Bischof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilerstätte 18-20, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 12. Dezember 2005, Zl. BOB - 221/05, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: wvg Bauträger GesmbH in Wien, vertreten durch Lattenmayer Luks & Enzinger, Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mahlerstraße 11), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO Wr §134a Abs1 lita;
BauO Wr §134a Abs1 litc;
BauO Wr §134a Abs1 litd;
BauO Wr §5 Abs4 litd;
BauO Wr §76 Abs1 lite;
BauO Wr §76 Abs10a;
BauO Wr §76 Abs8;
BauRallg;
AVG §8;
BauO Wr §134a Abs1 lita;
BauO Wr §134a Abs1 litc;
BauO Wr §134a Abs1 litd;
BauO Wr §5 Abs4 litd;
BauO Wr §76 Abs1 lite;
BauO Wr §76 Abs10a;
BauO Wr §76 Abs8;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei ist Eigentümerin mehrerer zu einem Bauplatz vereinigter Grundstücke in der KG Simmering, Studenygasse 12 bis 14, mit einer Gesamtfläche von 2.299 m2.

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des im Westen an den Bauplatz der mitbeteiligten Partei angrenzenden Grundstückes Studenygasse 10.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 20. Februar 2004 wurden für den Bauplatz der mitbeteiligten Partei gestützt auf das Plandokument (PD) 6886 die Bebauungsbestimmungen wie folgt bekannt gegeben (auszugsweise):

"Die durch den Bebauungsplan festgesetzte Baufluchtlinie ist im beiliegenden Plan festgehalten.

Aus dem Bebauungsplan ergibt sich für die Liegenschaft an der Studenygasse:

Gemischtes Baugebiet, Bauklasse II (zwei) und die

geschlossene Bauweise.

Es bestehen folgende Bebauungsbeschränkungen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin hat in dem der Beschwerde zu Grunde liegenden Baubewilligungsverfahren als Eigentümerin einer dem Baugrundstück benachbarten Liegenschaft infolge rechtzeitiger Einwendungen Parteistellung im Sinne des § 134 Abs. 3 dritter Satz Bauordnung für Wien erlangt. Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die beschwerdeführende Nachbarin eine Verletzung ihrer subjektivöffentlichen Nachbarrechte durch den angefochtenen Bescheid im Sinne des § 134a Abs. 1 lit. c und d Bauordnung für Wien geltend.

Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte

§ 134a.

(1) Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, werden durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:

...

c) Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten;

d) Bestimmungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Fluchtlinien;

..."

Gemäß § 5 Abs. 4 lit. d Bauordnung für Wien können die Bebauungspläne auch Bestimmungen über die flächenmäßige bzw. volumenbezogene Ausnützbarkeit der Bauplätze und der Baulose oder von Teilen davon enthalten.

Das im Beschwerdefall maßgebliche PD 6886 enthält für den Bauplatz der mitbeteiligten Bauwerberin eine flächenmäßige Ausnützung von 33 %. Diese Anordnung bezieht sich jedoch nur auf die Teilfläche 2 des Bauplatzes; das ist jener Bauplatzteil, der außerhalb des an der Studenygasse liegenden Flächenteiles liegt, der von der Baulinie und Baufluchtlinie eingegrenzt ist (Teilfläche 1). Für den letztgenannten Teil der Bauplatzfläche (Teilfläche 1) gibt es keine im PD 6886 angeordnete Bestimmung über die Ausnützbarkeit gemäß § 5 Abs. 1 lit. d Bauordnung für Wien. Für diese Teilfläche sind daher die in der Bauordnung für Wien vorgesehenen Regelungen über die Ausnützbarkeit des Bauplatzes heranzuziehen. Eine unterschiedliche Regelung über die flächenmäßige Ausnützbarkeit der Bauplätze, wie sie durch die planlichen Darstellungen im hier anzuwendenden PD 6886 eindeutig erkennbar ist, ist nach dem klaren Wortlaut des § 5 Abs. 4 lit. d Bauordnung für Wien auch für Teile von Bauplätzen möglich.

Die Bauordnung für Wien regelt im § 5 den Inhalt der Bebauungspläne, insbesondere die Fluchtlinie, § 76 die Bauweisen und die Ausnützbarkeit der Bauplätze. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Regelungen dieses Paragraphen haben folgenden Wortlaut:

"Inhalt der Bebauungspläne

§ 5. (1) Die Bebauungspläne haben darzustellen, ob bzw. in welcher Weise die von den Flächenwidmungsplänen erfassten Grundflächen und die darüber- oder darunterliegenden Räume bebaut werden dürfen bzw. welche Rechte und Verpflichtungen sich für die Eigentümer (Miteigentümer) der Grundflächen aus den Bebauungsbestimmungen ergeben.

...

(6) In den Bebauungsplänen können folgende Fluchtlinien festgesetzt werden:

a) Baulinien, das sind die Grenzen der im Bauland gelegenen öffentlichen Verkehrsflächen (Wege, Gassen, Straßen und Plätze) gegen alle übrigen Grundflächen des anliegenden Baulandes;

e) Baufluchtlinien, das sind die Grenzen, über die mit einem Gebäude oder Gebäudeteil mit Ausnahme der gemäß § 84 zulässigen Vorbauten nicht vorgerückt werden darf;

f) Grenzlinien, das sind die Grenzen zwischen verschiedenen Widmungsgebieten oder zwischen Grundflächen desselben Widmungsgebietes mit unterschiedlichen Bebauungs- oder Nutzungsbestimmungen, soweit diese Grenzen nicht mit einer anderen Fluchtlinie zusammenfallen.

Bauweisen; Ausnützbarkeit der Bauplätze

§ 76.

(1) In den Bebauungsplänen können folgende Bauweisen ausgewiesen werden:

  1. a) offene Bauweise,
  2. b) gekuppelte Bauweise,
  3. c) offene oder gekuppelte Bauweise,
  4. d) Gruppenbauweise,
  5. e) geschlossene Bauweise.

    ...

(8) In der geschlossenen Bauweise müssen die Gebäude an Baulinien oder Verkehrsfluchtlinien oder dort, wo gegen die Verkehrsflächen Baufluchtlinien festgesetzt sind, an diesen von der einen seitlichen Bauplatzgrenze zu der anderen durchgehend errichtet werden. Die Behörde hat ein freiwilliges Zurückrücken einzelner Gebäudeteile hinter die Baulinie, Verkehrsfluchtlinie oder Baufluchtlinie dann zuzulassen, wenn hiedurch keine Beeinträchtigung des örtlichen Stadtbildes eintritt.

(10a) In jedem Fall müssen mindestens 10 vH der Fläche des Bauplatzes, die 500 m2 übersteigt, von jeder ober- und unterirdischen Bebauung frei bleiben und dürfen darüber hinaus auch nicht versiegelt werden; dies gilt nicht, wenn die so frei zu haltende Fläche geringer als 10 m2 wäre.

..."

Die Bauordnung für Wien sieht für die Errichtung von Gebäuden auf Bauplätzen bzw. Teilen davon, für welche geschlossene Bauweise angeordnet ist, keine Beschränkung des Ausmaßes der bebaubaren Fläche des betroffenen Bauplatz(-teiles) vor. (Die im § 76 Abs. 10a Bauordnung für Wien angeordnete Beschränkung der Bebaubarkeit ist im Beschwerdefall unstrittig eingehalten. Für die nach dieser Gesetzesstelle frei zu haltenden Flächen ist als Berechnungsgrundlage - wie sich aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes ergibt - die Fläche des Bauplatzes heranzuziehen.)

Für den Beschwerdefall bedeutet dies daher, dass die Teilfläche 1 des Bauplatzes der mitbeteiligten Partei, der durch die Baulinie und Baufluchtlinie begrenzt ist, zur Gänze bebaut werden darf. Nur für die Teilfläche 2 dieses Bauplatzes ist die durch § 5 Abs. 4 lit. d Bauordnung für Wien gedeckte flächenmäßige Beschränkung der Ausnützbarkeit dieses Bauplatzteiles mit 33 % vorgesehen. Unstrittig steht fest, dass der Teil des Bauvorhabens, der sich auf die Teilfläche 2 des Bauplatzes bezieht, 1.529 m2 groß ist und die 33 %ige verbaubare Fläche dieses Grundstücksteiles von 504,57 m2 nicht erreicht. Die im PD 6886 ausgewiesene, die Teilflächen 1 und 2 des Bauplatzes trennende Baufluchtlinie hat zugleich die Funktion einer Grenzlinie im Sinne des § 5 Abs. 6 lit. f BO, weshalb die belangte Behörde jedenfalls davon auszugehen hatte, dass für die Teilfläche 2 eine maximale Bebaubarkeit von 33 % gegeben ist.

Für den Beschwerdefall ist das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1995, Zl. 95/05/0221, auf welches von den Parteien mehrfach Bezug genommen wird, nicht von entscheidender Bedeutung, weil der in diesem Erkenntnis enthaltene Rechtssatz, dass die Bezugsgröße für das Ausmaß der Bebauung der gesamte Bauplatz sei, im Zusammenhang mit der Beurteilung des Ausmaßes der bebaubaren Fläche bei offener Bauweise unter Bezugnahme auf § 76 Abs. 10 Bauordnung für Wien getroffen wurde. Im Beschwerdefall kommt jedoch diese Bestimmung nicht zur Anwendung; hier ist die Rechtslage bei geschlossener Bauweise zu beurteilen.

Die von der Beschwerdeführerin behauptete Verletzung des Rechtes auf Einhaltung der vorgeschriebenen geschlossenen Bauweise kann nur im Zusammenhang mit den in § 134a Abs. 1 Bauordnung für Wien taxativ aufgezählten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten von Relevanz sein. So hat der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Verletzung von Abstandsbestimmungen bei geschlossener Bauweise ohne weitere Normierungen im Bebauungsplan festgehalten, dass eine solche Verletzung allein bei einer Überschreitung von Fluchtlinien denkbar sei (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2002, Zl. 2001/05/0296). Eine Verletzung der Bestimmungen über die Ausnützbarkeit des Bauplatzes bei geschlossener Bauweise wiederum kommt nur im Rahmen des § 76 Abs. 10a Bauordnung für Wien in Betracht. Eine Einhaltung eines Seitenabstandes in Gebieten, für die der Bebauungsplan die geschlossene Bauweise anordnet, besteht aber nicht, selbst wenn der vorhandene Baubestand nicht in geschlossener Bauweise errichtet ist (vgl. hiezu das hg. zitierte Erkenntnis vom 19. Juni 2002).

In der geschlossenen Bauweise ist sohin grundsätzlich (sofern nicht im Bebauungsplan gemäß § 5 Abs. 4 lit. d Bauordnung für Wien eine Beschränkung der Ausnützbarkeit des Bauplatzes festgelegt ist) die Verbauung der Liegenschaft von einer seitlichen Grundgrenze zur anderen - von der Regelung des § 76 Abs. 10a abgesehen - ohne Beschränkung auf einen bestimmten Prozentsatz der Bauplatzfläche zulässig (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 7. September 1993, Zl. 93/05/0178).

Die behaupteten Rechtsverletzungen liegen daher nicht vor, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 14. November 2006

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