Normen
AsylG 1997 §19 Abs2;
AsylG 1997 §21 Abs1;
AsylG 1997 §24a Abs4;
AsylG 1997 §34b Abs1;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §61;
FrG 1997 §72;
FrG 1997 §73;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AsylG 1997 §19 Abs2;
AsylG 1997 §21 Abs1;
AsylG 1997 §24a Abs4;
AsylG 1997 §34b Abs1;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §61;
FrG 1997 §72;
FrG 1997 §73;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 3.964,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 2. Dezember 2004 einen Asylantrag. Am 13. Dezember 2004 erhielt er gemäß § 24a Abs. 3 AsylG die Mitteilung, dass das Asylverfahren zulässig sei.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28. Februar 2005 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 erster Fall SMG zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe (davon sechs Monate bedingt nachgesehen) verurteilt. Der unbedingt verhängte Teil dieser Freiheitsstrafe wurde, unter Anrechnung einer am 3. Februar 2005 verhängten Untersuchungshaft, bis zum 2. Mai 2005 vollzogen.
Das eingangs genannte Asylverfahren war am 7. März 2005 eingestellt worden. Dem Akteninhalt ist eine Fortsetzung des Asylverfahrens am 19. Mai 2005 zu entnehmen (Postaufgabe eines Ladungsbescheides an den Beschwerdeführer für den 6. Juni 2005). Mit Bescheid vom 7. Juni 2005 (an den Beschwerdeführer am 8. Juni 2005 zugestellt) wies das Bundesasylsamt den Asylantrag ab. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit Bescheid vom 19. April 2005 erließ die Bundespolizeidirektion Wien gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG gegen den Beschwerdeführer auf Grund der genannten strafgerichtlichen Verurteilung ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.
Mit Bescheid vom 5. Mai 2005 ordnete die Bezirkshauptmannschaft Baden gemäß § 61 Abs. 1 und 2 FrG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft an, um seine Abschiebung zu sichern. Der Beschwerdeführer stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar, weil er sich illegal im Bundesgebiet aufhalte und gegen ihn ein unbefristetes Aufenthaltsverbot ausgesprochen worden sei. Sein Verhalten zeige eine "besondere Ignoranz" gegenüber der österreichischen Rechtsprechung und stelle eine Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen dar. Er halte sich unerlaubt im Bundesgebiet auf, weil er nicht im Besitz eines gültigen Einreise- bzw. Aufenthaltstitels sei, besitze kein gültiges Reisedokument und sei mittellos. Da er zudem keine arbeitsmarkt- oder aufenthaltsrechtliche Bewilligung besitze, sei der Schluss zulässig, er werde versuchen, seinen Unterhalt durch Begehung strafbarer Handlungen zu bestreiten. Insgesamt sei die Annahme gerechtfertigt, dass sich der Beschwerdeführer, auf freiem Fuß belassen, dem behördlichen Zugriff entziehen werde, um die Vollstreckung der fremdenpolizeilichen Maßnahme gegen ihn zu verhindern oder zumindest erheblich zu erschweren. Die Verhängung der Schubhaft stehe zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis und sei im Interesse des öffentlichen Wohles dringend erforderlich.
Auf Grund dieser Anordnung befand sich der Beschwerdeführer vom 5. Mai 2005 bis zum 28. Juni 2005 in Schubhaft. Er erhob diese Zeit betreffend insgesamt vier Beschwerden gemäß § 72 FrG an die belangte Behörde.
Diese gab mit dem erst-, dritt- und viertangefochtenen Bescheid den Beschwerden vom 2. Juni, 10. Juni und 16. Juni 2005 gemäß "§ 67c Abs. 4 AVG" iVm § 73 FrG keine Folge, stellte gemäß § 73 Abs. 4 erster Satz FrG fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und wies die Anträge des Beschwerdeführers auf Kostenersatz gemäß § 79a AVG iVm § 73 Abs. 2 FrG ab.
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde vom 9. Juni 2005 gemäß § 72 Abs. 1 iVm § 73 Abs. 1, 2 und 4 FrG wegen entschiedener Sache zurück.
In der Begründung des erst-, dritt- und viertangefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer halte sich nicht rechtmäßig in Österreich auf, über ihn sei mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 19. April 2005 ein unbefristetes vollstreckbares Aufenthaltsverbot erlassen worden. Weiters sei auf Grund der obgenannten strafgerichtlichen Verurteilung evident, dass er nicht gewillt sei, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten und zudem auf Grund des Suchtmittelhandels eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Besonders verwerflich sei, dass er sich erst seit Dezember 2004 im Bundesgebiet aufhalte und bereits am 3. Februar 2005 beim Suchtgifthandel betreten worden sei. Überdies bestehe "der Verdacht", dass er "im Verfahren" nicht seinen richtigen Namen angegeben habe. Es sei daher der Schluss zulässig, dass er sich "durch Untertauchen" dem weiteren Verfahren entziehen könnte und für die Behörden nicht greifbar wäre. Daher komme auch die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht in Betracht.
Im dritt- und viertangefochtenen Bescheid führte die belangte Behörde in ihrer Begründung weiters aus, der Asylantrag vom 2. Dezember 2004 sei gemäß § 7 AsylG abgewiesen, die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria für zulässig erklärt und dieser gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen worden. Das Asylverfahren sei somit für den Beschwerdeführer negativ entschieden worden. Es liege kein Aufenthaltstitel vor, wonach ein rechtmäßiger Aufenthalt nach dem Asylgesetz gegeben sei, auch kein sonstiger Aufenthaltstitel, sodass sich der rechtswidrige Aufenthalt des Fremden ergebe. Eine unverhältnismäßig lange Dauer der Schubhaft sei auf Grund von (näher dargestellten) Schwierigkeiten bei der Ausstellung des Heimreisezertifikates zu verneinen.
In der Begründung des zweitangefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, zwischen der Erledigung der Schubhaftbeschwerde vom 2. Juni 2005 (durch den erstangefochtenen Bescheid vom 7. Juni 2005) und der am 9. Juni 2005 erhobenen zweiten Beschwerde sei es zu keiner Änderung des Sachverhaltes oder der Rechtslage gekommen, sodass das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache vorliege.
Über die dagegen erhobenen, wegen des sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass der Beschwerdeführer bereits während der Anhaltung in gerichtlicher Haft (vom 3. Februar bis zum 2. Mai 2005) sowie ab dem Beginn der über ihn verhängten Schubhaft (am 5. Mai 2005) für die Behörden greifbar war, sodass kein Grund ersichtlich ist, weshalb das Asylverfahren am 7. März 2005, gestützt auf § 30 Abs. 2 oder 3 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101, eingestellt wurde. Im Übrigen wurde das Asylverfahren nach der Aktenlage bereits am 19. Mai 2005 fortgesetzt und war bis zur Erlassung der angefochtenen Bescheide (der Beschwerdeführer hatte gegen die Abweisung seines Asylantrages mit Bescheid vom 7. Juni 2005 - wie erwähnt - Berufung erhoben, über die damals noch nicht entschieden worden war) nicht rechtskräftig erledigt.
Davon ausgehend hätte sich die belangte Behörde mit der Frage, in welchen Zeiträumen dem Beschwerdeführer die Asylwerbereigenschaft und ein vorläufiges Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet (§ 19 Abs. 2 und § 24a Abs. 4 AsylG) zugekommen war, auseinander setzen müssen. Diese Unterlassung ist relevant, weil gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 AsylG u.a. die - von der belangten Behörde zur Prüfung herangezogene - Bestimmung des § 61 FrG auf Asylwerber keine Anwendung findet. Für die Verhängung der Schubhaft über Asylwerber wäre lediglich § 34b Abs. 1 AsylG in Betracht gekommen, auf den diese jedoch nicht gestützt worden war.
Da die belangte Behörde dies bei Erlassung des (nicht hinsichtlich der Anhaltungszeiträume differenzierenden) erst-, dritt- und viertangefochtenen Bescheides unberücksichtigt gelassen hat, hat sie diese schon deshalb mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Bei Erlassung des zweitangefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde verkannt, dass bei mehrmaliger Erhebung der Beschwerde eines Schubhäftlings gemäß § 72 FrG während seiner Anhaltung nur dann von "entschiedener Sache" ausgegangen werden könnte, wenn sich die spätere (hier mit dem zweitangefochtenen Bescheid erledigte) Beschwerde auf einen Zeitraum bezieht, über den bereits durch einen Bescheid gemäß § 73 FrG abgesprochen worden war. Dies ist im Beschwerdefall durch den erstangefochtenen Bescheid jedoch nicht (im Umfang des gesamten Beurteilungszeitraumes) erfolgt, sodass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer durch den zweitangefochtenen Bescheid zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert hat (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 2001, B 515/00 u.a. = VfSlg. Nr. 16.079).
Nach dem Gesagten waren die angefochtenen Bescheide somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 21. November 2006
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