VwGH 2005/05/0370

VwGH2005/05/037031.7.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der Anna Eisler in Bad Pirawarth, vertreten durch Dr. Erich Proksch, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Auhofstraße 1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 24. Oktober 2005, Zl. RU1-BR-260/007-2004, betreffend eine Bausache (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Bad Pirawarth, vertreten durch Dr. Franz Nistelberger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stock im Eisen - Platz 3), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §18 Abs4;
AVG §56;
BauO NÖ 1996 §14 Z4;
BauO NÖ 1996 §15 Abs3;
BauO NÖ 1996 §15 Abs4;
BauO NÖ 1996 §16 Abs3;
BauO NÖ 1996 §17 Abs1 Z4;
BauO NÖ 1996 §17 Abs1 Z5;
BauO NÖ 1996 §17;
BauRallg;
GdO NÖ 1973 §60 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
BauO NÖ 1996 §14 Z4;
BauO NÖ 1996 §15 Abs3;
BauO NÖ 1996 §15 Abs4;
BauO NÖ 1996 §16 Abs3;
BauO NÖ 1996 §17 Abs1 Z4;
BauO NÖ 1996 §17 Abs1 Z5;
BauO NÖ 1996 §17;
BauRallg;
GdO NÖ 1973 §60 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 2003, Zl. 2002/05/1200, zu verweisen. In diesem Verfahren hatte sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Frage auseinander zu setzen, ob die von der Beschwerdeführerin geplanten Sanierungsmaßnahmen an ihrer Doppelhaushälfte, für die sie eine Bauanzeige erstattet hatte, einer Baubewilligung bedürfen oder bewilligungsfrei sind. Mit dem genannten Erkenntnis wurde der dort angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Bewilligungsfreiheit von Instandsetzungsmaßnahmen nach § 17 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) dann ihre Grenze finde, wenn durch die Baumaßnahmen die Tatbestandselemente des § 14 BO, insbesondere dessen Z 4, erfüllt werden. Zum Begriff der Instandsetzung gehöre es, dass nur jeweils schadhafte Teile durch Ausbesserung der Schäden oder durch Ersetzen einzelner Bausubstanzen wieder in einen den Anforderungen entsprechenden Zustand versetzt werden. Die Instandsetzung müsse daher technisch möglich sein. Einer technischen Unmöglichkeit der Instandsetzung sei es gleichzuhalten, wenn hiezu Baumethoden angewendet werden müssten, deren Anwendung in Wahrheit eine völlige Substanzerneuerung oder eine Erneuerung des Gebäudes - was jedenfalls bei Ersetzung von nahezu allen wesentlichen raumbildenden Bauelementen durch neue Bauteile zutreffe - darstellte. Eine Instandsetzung komme dann in Betracht, wenn wesentliche Teile des Gebäudes vorhanden geblieben seien. Den im Akt liegenden Fotos sei zu entnehmen, dass, abgesehen von jener Wand, an der der Abbruch der anderen Doppelhaushälfte erfolgt sei, die übrigen drei Umfassungswände des Gebäudes sowie dessen Dach vorhanden geblieben seien. Der Bausachverständige sei in seinem Gutachten zwar zu dem Schluss gekommen, dass die Behebung der vorgefundenen Baugebrechen insofern unwirtschaftlich sei, als eine Sanierung des Gebäudes nur mittels eines de facto Abbruches und einer Neuerrichtung möglich sei bzw. im Verhältnis zur Neuerrichtung unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen würde, damit sei aber nicht dargetan, dass tatsächlich wesentliche Teile des Gebäudes nicht mehr vorhanden geblieben seien oder dass tatsächlich wesentliche Teile des Gebäudes ausgetauscht werden müssten. Das Verfahren auf Gemeindeebene, das dem Bescheid des Gemeindevorstandes vom 14. Mai 2002 zu Grunde gelegen sei, sei daher ergänzungsbedürftig geblieben, da aus dem eingeholten Gutachten nicht hervorgehe, ob durch die erforderlichen Baumaßnahmen die Tatbestandselemente des § 14 BO, insbesondere dessen Z 4, erfüllt werden.

Auf Grund dieses Erkenntnisses wurde der Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 14. Mai 2002 mit Ersatzbescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4. Februar 2004 (in Fassung des Berichtigungsbescheides vom 15. Juni 2004) behoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand zurückverwiesen.

In der Folge wurde von der mitbeteiligten Marktgemeinde ein Sachverständigengutachten des NÖ Gebietsbauamtes I - Korneuburg vom 17. März 2004 eingeholt. Darin stellte der Sachverständige Ing. B. fest, aus den Vorerhebungen und der beigelegten Bilddokumentation vom 15. März 2004 sei ersichtlich, dass bereits wesentliche raumbildende Bauelemente und Tragsysteme des Bauwerkes derart in Mitleidenschaft gezogen seien, dass sie teilweise bzw. in lokalen Bereichen bereits zur Gänze ihre grundsätzlichen Funktionen der Standsicherheit, des Brandschutzes, des Witterungsschutzes, des Schutzes der Anrainer gegen Beeinträchtigungen, des Schutzes der hygienischen Verhältnisse sowie der Raumbildung eingebüßt bzw. verloren hätten. Als Beispiele seien die Dachkonstruktion, deren Verbindung mit den Mauerwerksbänken, die Schornsteinanlage, die E-Installation, die Ableitungssysteme der Abwässer, die Geschoßdecken und die Außenwände inklusive Giebelwände angeführt. Im Falle einer "Sanierung" - besser gesagt Erneuerung - des Gebäudes sei diese aus technischer Sicht nur in Verbindung mit dem Abbruch bzw. der Entfernung eines Großteils der Dach- und Deckenkonstruktion bzw. der nur mehr teilweise tragenden und standfesten Mauerwerksteile möglich, was einem de facto Abbruch und Neubau gleichkäme. Dies sei neben der großteils unbrauchbar gewordenen Bausubstanz auch wegen der akuten Einsturzgefahr und der hohen Gefährdung der Bauarbeiter bei einer "Sanierung/Erneuerung" ohne die Entfernung z. B. aller Dach- und Deckenkonstruktionen und zumindest von wesentlichen Teilen des Mauerwerkes notwendig. Bei der vorhandenen Bauweise des Gebäudes "Lehm- NF-Ziegelmauerwerk mit Holztramdecken und Holzdachstuhl" sei ein teilweiser Austausch von einzelnen betroffenen Mauerwerksbereichen oder schadhafter Holzbauteile technisch auch deshalb nicht möglich, da diese den für die Tragfähigkeit erforderlichen Mauerwerksverbund (alt mit neu) nicht mehr aufweisen würden. Dies auch deshalb da der Verfallszustand bereits ein derartiges Ausmaß angenommen habe (Einsturz, Durchfeuchtung, Vermorschung, Verwitterung), dass nahezu alle wesentlichen raumbildenden Bauelemente in ihrer Substanz erneuert werden müssten. Durch den Austausch von nur einzelnen massivst schadhaften oder zerstörten Teilen könne aus technischer Sicht kein Zustand, der den technischen Erfordernissen (auch denen zum Zeitpunkt der Errichtung) entspreche, erzielt werden. Die Entfernung und Neuerrichtung aller schadhaften Bausubstanzen erfordere ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen und komme einer völligen Substanzveränderung gleich. Abschließend stellte der Sachverständige auf Grund der Bilddokumentation vom 15. März 2004 fest, dass sich das Schadensbild seit der letzten Erhebung vom 25. März 1999 (gemeint wohl: 25. Mai 1999) auch augenscheinlich wesentlich verschlechtert habe.

Dieses Gutachten wurde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 2. April 2004 zur Kenntnis gebracht.

In ihrer daraufhin erstatteten Stellungnahme vom 19. April 2004 schilderte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen den bisherigen Sachverhalt, ohne jedoch näher auf das genannte Gutachten einzugehen.

Mit Bescheid vom 1. Dezember 2004 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 19. April 2002, mit dem das als Bauanzeige bezeichnete Schreiben der Beschwerdeführerin vom 29. August 2001 gemäß § 15 Abs. 3 BO als unzulässig "zurückgewiesen" und die geplanten Baumaßnahmen untersagt worden waren, neuerlich als unbegründet abgewiesen. In der Einleitung des Spruches dieses Bescheides ist der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde als Baubehörde II. Instanz genannt und findet sich der Hinweis auf die Sitzung des Gemeindevorstandes vom 30. November 2004. In der Begründung des Bescheides heißt es:

"Darüber hat der Gemeindevorstand als Berufungsbehörde erwogen:"

Der Bescheid enthält am Ende die Fertigungsklausel: "Der Bürgermeister:".

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Vorstellung als unbegründet ab. Begründend wurde nach Wiedergabe des oben zitierten Sachverständigengutachtens im Wesentlichen ausgeführt, aus dem Gutachten gehe für jedermann klar hervor, dass die von der Beschwerdeführerin geplanten Baumaßnahmen bewilligungspflichtig seien. Das eingeholte Gutachten enthalte einen Befund. Das Gutachten im engeren Sinn sei hinsichtlich seines Inhaltes widerspruchsfrei und entspreche den logischen Denkgesätzen. Dem Sachverständigen mangle es nicht an Ortskenntnissen und Berufserfahrung. Die Beschwerdeführerin hätte das Gutachten mit einem auf gleicher fachlicher Ebene stehenden Beweismittel bekämpfen müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, die mitbeteiligte Marktgemeinde bzw. der alleine und nicht in Vertretung des Gemeindevorstandes unterfertigende Bürgermeister habe mit Bescheid vom 1. Dezember 2004 eine Art "Beharrungsbescheid" erlassen. Ungeachtet dessen sei das fortgesetzte Verfahren praktisch ohne Parteiengehör durchgeführt worden. Die Behörden und der Sachverständige hätten verkannt, dass § 14 Z 4 BO ausdrücklich auf Abänderungen von Bauwerken abstelle. Eine Abänderung des Bauwerkes sei nicht geplant und jedenfalls nicht einer Instandsetzung durch den Austausch von (allenfalls auch tragenden) Bauteilen gleichzusetzen. Lediglich eine vollständige Entfernung und Neuerrichtung von tragenden Bauteilen stelle keine Instandsetzung, sondern eine Abänderung im Sinne des 14 Z 4 BO dar. Diesbezüglich verweist die Beschwerdeführerin auf die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 2005, Zl. 2002/05/1024, und vom 25. Februar 2005, Zl. 2002/05/1026. In den Feststellungen zum Objekt werde zwar behauptet, dass wesentliche raumbildende Bauelemente und Tragsysteme des Bauwerkes derart in Mitleidenschaft gezogen seien, dass sie teilweise bzw. im lokalen Bereich bereits zur Gänze ihre grundsätzliche Funktion der Standsicherheit etc. verloren hätten. Diese Behauptungen würden aber bereits durch die im Akt aufliegenden Fotos und durch den vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. Juni 2003, Zl. 2002/05/1200, statuierten Zustand (Umfassungswände bzw. vorhandenes Dach) widerlegt. Der beigezogene Sachverständige habe keine Begehung durchgeführt. Seine Stellungnahme stütze sich lediglich auf eine Bilddokumentation, welche von öffentlichen Verkehrsflächen aus angefertigt worden sei. Der Sachverständige habe daher nicht beurteilen können, ob nicht zwischenzeitig Sanierungsmaßnahmen gesetzt worden seien. Infolge einer ordentlichen Begehung hätte der Sachverständige erkennen können, dass Sanierungsmaßnahmen zwar wirtschaftlich und arbeitstechnisch aufwändig, jedoch technisch durchführbar wären. Dieser Verfahrensmangel sei wesentlich, da die Behörde nach ordnungsgemäß durchgeführter Begehung und Begutachtung durch einen Sachverständigen zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass die geplanten Sanierungsmaßnahmen lediglich Instandsetzungsmaßnahmen seien. Wesentlich sei auch, dass die Beschwerdeführerin zur Befundaufnahme nicht beigezogen worden sei. Dem Sachverständigen hätte vor Ort demonstriert werden können, dass die verbliebenen Mauern, die Dachträgerkonstruktion und auch das Dach selbst noch tragfähig seien. Bei einer fachlich verfehlten "Ferndiagnose" über den Erhaltungszustand eines Gebäudes sei es wohl ausreichend darauf hinzuweisen, dass bei einer genaueren Untersuchung ein völlig gegenteiliges Ergebnis der Fall gewesen wäre, weshalb eine Stellungnahme auf gleicher fachlicher Ebene habe unterbleiben können.

Die hier maßgebenden Bestimmungen der BO lauten auszugsweise:

"§ 14

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

Nachstehende Bauvorhaben bedürfen einer Baubewilligung:

1. Neu- und Zubauten von Gebäuden;

...

4. die Abänderung von Bauwerken, wenn die Standsicherheit tragender Bauteile, der Brandschutz oder die hygienischen Verhältnisse beeinträchtigt, ein Widerspruch zum Ortsbild (§ 56) entstehen oder Rechte nach § 6 verletzt werden könnten;

...

§ 15

Anzeigepflichtige Vorhaben

...

(3) Widerspricht das angezeigte Vorhaben den Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, des NÖ Kanalgesetzes, LGBl. 8230 oder einer Durchführungsverordnung zu einem dieser Gesetze, hat die Baubehörde das Vorhaben mit Bescheid zu untersagen. Ist zu dieser Beurteilung des Vorhabens die Einholung eines Gutachtens notwendig, dann muß die Baubehörde dies dem Anzeigeleger nachweislich mitteilen.

(4) Wenn von der Baubehörde innerhalb der in Abs. 1 genannten Frist keine Untersagung oder Mitteilung nach Abs. 3 erfolgt, dann darf der Anzeigeleger das Vorhaben ausführen.

(5) War die Einholung von Gutachten notwendig, hat die Baubehörde bei einem Widerspruch nach Abs. 3, 1. Satz, binnen 3 Monaten ab der Mitteilung des Gutachtenbedarfs das Vorhaben mit Bescheid zu untersagen. Verstreicht auch diese Frist, darf der Anzeigeleger das Vorhaben ausführen.

§ 16

Anzeigemöglichkeit

(1) Bauvorhaben nach § 14 Z 2, 4, 5 und 8, die nach Ansicht des Bauherrn keiner Bewilligung bedürfen, weil die hiefür vorgesehenen Voraussetzungen fehlen, darf der Bauherr der Baubehörde schriftlich anzeigen.

...

(3) Die Baubehörde hat binnen 8 Wochen nach Einlangen der Anzeige dem Anzeigeleger mitzuteilen, ob das Vorhaben bewilligungspflichtig ist. Ist es nur anzeigepflichtig, gilt § 15 Abs. 3 bis 5 sinngemäß.

§ 17

Bewilligungs- und anzeigefreie Vorhaben

(1) Bewilligungs- und anzeigefreie Vorhaben sind jedenfalls:

...

4. die Instandsetzung von Bauwerken, wenn die Konstruktions- und Materialart beibehalten sowie Formen und Farben von außen sichtbaren Flächen nicht verändert werden,

5. Abänderungen im Inneren des Gebäudes, die nicht die Standsicherheit und den Brandschutz beeinträchtigen,

..."

Soweit die Beschwerdeführerin offenbar meint, der Bescheid vom 1. Dezember 2004 sei dem Bürgermeister und nicht dem Gemeindevorstand zuzurechnen, ist zunächst auf das im Akt befindliche Protokoll über die Sitzung des Gemeindevorstandes vom 30. November 2004 hinzuweisen, nach dem dieser Bescheid samt Begründung vom Gemeindevorstand beschlossen worden ist. Es ist festzuhalten, dass bei der Erlassung von Bescheiden durch Kollegialorgane, deren Bescheide regelmäßig nicht durch das Kollegialorgan selbst ausgefertigt werden, die bloße Beisetzung der Funktionsbezeichnung des Ausfertigenden noch nicht zur Annahme berechtigt, dass dieser den Bescheid als monokratisches Organ im eigenen Namen erlassen hat, auch wenn er in dieser Funktion im Übrigen (sachlich oder funktionell in anderen Angelegenheiten) behördliche Aufgaben wahrzunehmen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bei Bescheiden von Gemeindeorganen dann eine Zurechnung zu dem den Bescheid fertigenden Bürgermeister vorgenommen, wenn im Bescheid jeglicher Hinweis fehlte, dass er auf einem Beschluss des Kollegialorganes beruhte (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 3. Oktober 1996, Zl. 96/06/0111, und vom 7. Oktober 2005, Zl. 2003/17/0294). Angesichts dessen, dass der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde in der Einleitung des Spruches des Bescheides vom 1. Dezember 2004 als Baubehörde II. Instanz genannt und auf die Sitzung des Gemeindevorstandes vom 30. November 2004 Bezug genommen wurde, und im Hinblick auf die in der Begründung gewählte Formulierung:

"Darüber hat der Gemeindevorstand als Berufungsbehörde erwogen:" ist im vorliegenden Beschwerdefall aber ausreichend klargestellt, dass es sich beim Bescheid vom 1. Dezember 2004 um eine Entscheidung des Gemeindevorstandes handelt.

Zur Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin ist auszuführen, dass ihr das eingangs genannte Gutachten vom 17. März 2004 zur Stellungnahme übermittelt wurde, weshalb von einer Verletzung des Parteiengehörs nicht die Rede sein kann.

Anders als im zur hg. Zl. 2002/05/1200 protokollierten Beschwerdeverfahren geht aus dem nunmehr vorliegenden Sachverständigengutachten vom 17. März 2004 nachvollziehbar hervor, dass der Verfallszustand des Gebäudes bereits ein derartiges Ausmaß angenommen hat (Einsturz, Durchfeuchtung, Vermorschung, Verwitterung), dass nahezu alle wesentlichen raumbildenden Bauelemente in ihrer Substanz erneuert werden müssen. Unter Berücksichtigung der oben zitierten Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 17. Juni 2003 folgt daraus, dass eine derartige Erneuerung einer technischen Unmöglichkeit der Instandsetzung gleichzuhalten ist, weshalb schon deshalb eine bewilligungsfreie Instandsetzung nach § 17 BO nicht in Betracht kommt. Abgesehen davon kann dem Gutachten auch entnommen werden, dass eine Sanierung ohne Entfernung und Neuerrichtung von nahezu allen wesentlichen raumbildenden Bauelementen technisch nicht möglich ist.

Auch die Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin im gegebenen Zusammenhang zitierten hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 2005, Zl. 2002/05/1024, und vom 25. Februar 2005, Zl. 2002/05/1026, vermag zu keinem anderen Ergebnis führen. Gerade in diesen zitierten Erkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass für die Beantwortung der Frage, ob bauliche Maßnahmen als Instandsetzung zu qualifizieren sind, auf die vom Gesetzgeber vorgenommene Wertung bei bewilligungspflichtigen, anzeigepflichtigen und bewilligungs- oder anzeigefreien Vorhaben abgestellt werden müsse. Wenn sogar hinsichtlich der Bewilligungspflicht von Abänderungen im Inneren eines Gebäudes darauf abgestellt werde, ob die Standsicherheit oder der Brandschutz beeinträchtigt werden könne (sei dies der Fall, dann liege Bewilligungspflicht nach § 14 Z 4 vor, sei dies nicht der Fall, dann bestehe Bewilligungsfreiheit nach § 17 Abs. 1 Z 5 BO), dann müsse, um nicht einen Wertungswiderspruch zu "Abänderungen" im Sinne des § 14 Z 4 BO herbeizuführen, darauf Bedacht genommen werden, ob eine Möglichkeit der Einflussnahme auf die Standfestigkeit oder den Brandschutz besteht. Es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er in Bezug auf die Erneuerung von (tragenden) Außenmauern lediglich die im § 17 Abs. 1 Z 4 BO genannten schönheitlichen Rücksichten im Auge gehabt habe; wenn also bereits das Merkmal der Abänderung im Sinne des § 14 Z 4 BO erreicht worden sei, könne von einer "Instandsetzung" keine Rede mehr sein.

Dem Sachverständigengutachten zufolge sind bereits wesentliche raumbildende Bauelemente und Tragsysteme des Bauwerkes derart in Mitleidenschaft gezogen, dass sie teilweise bzw. in lokalen Bereichen bereits zur Gänze ihre grundsätzlichen Funktionen der Standsicherheit, des Brandschutzes, des Witterungsschutzes, des Schutzes der Anrainer gegen Beeinträchtigungen, des Schutzes der hygienischen Verhältnisse sowie der Raumbildung verloren haben. Als Beispiele wurden unter anderem die Dachkonstruktion und die Außenwände genannt. Da durch das Vorhaben folglich aber die Standsicherheit tragender Bauteile beeinflusst werden kann, liegt jedenfalls eine bewilligungspflichtige Abänderung von Bauwerken nach § 14 Z 4 BO vor, weshalb auch aus diesem Grund von einer bewilligungsfreien Instandsetzung nicht die Rede sein kann.

Die Beschwerdeführerin rügt weiters, dass die Feststellungen des Sachverständigen zur Standfestigkeit des Gebäudes durch die im Akt aufliegenden Fotos und durch den vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. Juni 2003, Zl. 2005/05/1200, statuierten Zustand (Umfassungswände bzw. vorhandenes Dach) widerlegt würden. Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob sich der Sachverhalt entsprechend den Ausführungen im vorliegenden Gutachten im Sinne einer weiteren Verschlechterung des Bauzustandes geändert hat, weil - wie bereits ausgeführt - das damalige, dem hg. Erkenntnis vom 17. Juni 2003 zu Grunde liegende Sachverständigengutachten mangelhaft war, da es keine Feststellungen zu relevanten Punkten wie etwa der Standfestigkeit enthielt. Derartige Feststellungen und Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Kriterien des § 14 Z 4 BO liegen aber nunmehr im hier gegenständlichen Gutachten vor.

Der belangten Behörde ist somit aber auch beizupflichten, dass die Beschwerdeführerin gehalten gewesen wäre, dem vorliegenden Sachverständigengutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten. Daran vermag auch der Einwand der Beschwerdeführerin, der Sachverständige habe das Gebäude nicht betreten, sondern lediglich eine Bilddokumentation von öffentlichen Verkehrsflächen aus angefertigt, nichts zu ändern, zumal sie nicht darlegt, welche konkreten Sanierungsmaßnahmen sie in der Zwischenzeit durchgeführt hat, die nur durch eine Begehung erkennbar gewesen wären. Aus den im Akt befindlichen Fotos ist im Übrigen erkennbar, dass die vom Sachverständigen ins Treffen geführten Sachverhaltsgegebenheiten auch von außerhalb des Gebäudes feststellbar waren. Die Beschwerdeführerin unterlässt auch nähere Angaben dazu, wie sie die Tragfähigkeit der verbliebenen Mauern, der Dachkonstruktion und des Daches vor Ort hätte demonstrieren wollen, weshalb auch diese Ausführungen die Beschwerde nicht zum Erfolg führen, zumal auch das Vorhandensein von Tragfähigkeit allein angesichts der vom Sachverständigen beschriebenen Notwendigkeit, die Bauteile nicht nur teilweise auszutauschen, zu keinem anderen Ergebnis hätte führen können.

Der angefochtene Bescheid erweist sich dennoch aus folgendem Grund als rechtswidrig:

Nach dem zuvor Gesagten sind die Baubehörden zu Recht davon ausgegangen, dass für die beabsichtigten Sanierungsmaßnahmen die im § 14 Z 4 BO genannten Voraussetzungen für die Bewilligungspflicht vorliegen. Daraus folgt aber, dass die Baubehörden die Baumaßnahmen nicht im Grunde des § 15 Abs. 3 BO hätten untersagen dürfen. Vielmehr wären sie verpflichtet gewesen, der Beschwerdeführerin gemäß § 16 Abs. 3 BO mitzuteilen, dass das Vorhaben bewilligungspflichtig ist. Durch das Verstreichen der im § 16 Abs. 3 BO genannten Frist von acht Wochen wird im Übrigen das bewilligungspflichtige Bauvorhaben nicht zum anzeigepflichtigen Bauvorhaben. Unmittelbare Rechtsfolgen - wie z.B. im § 15 Abs. 4 BO - werden an das Unterlassen der fristgerechten Mitteilung durch die Behörde nicht geknüpft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2002, Zl. 2002/05/0982). Dies bedeutet, dass ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben auch dann nicht ohne Baubewilligung ausgeführt werden darf, wenn es angezeigt wurde und während der achtwöchigen Frist keine Erledigung der Anzeige erfolgt ist (vgl. Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht, 7. Auflage, S. 271).

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass bei baubewilligungspflichtigen Vorhaben die Mitteilung nach dem

1. Satz des § 16 Abs. 3 BO auch noch nach Verstreichen der dort genannten achtwöchigen Frist ergehen kann.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Die Beschwerdeführerin hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Beschwerdefall in Rede stehende Anspruch als "civil right" im Sinne der EMRK zu beurteilen ist, weil im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen jedenfalls nicht erforderlich ist:

Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

Der EGMR hat zuletzt in seiner Entscheidung vom 2. September 2004, Zl. 68087/01 (Hofbauer/Österreich) unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass die Anforderungen von Art. 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jeglicher Anhörung (im Originaltext: any hearing at all) erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft. Der Gerichtshof verwies im erwähnten Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2005, Zl. 2002/05/1519 mwN). Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Wien, am 31. Juli 2006

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