VwGH 2002/05/1026

VwGH2002/05/102625.2.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Franz Kizlink in Wiener Neustadt, vertreten durch Mag. Erich Allinger, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 11, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 19. Juli 2002, Zl. RU1-V-02028/00, betreffend eine Baueinstellung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Hohe Wand in 2742 Hohe Wand-Maiersdorf, Ortsstraße 33), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1996 §14 Z4;
BauO NÖ 1996 §17 Abs1 Z4;
BauO NÖ 1996 §29 Z1;
BauRallg;
BauO NÖ 1996 §14 Z4;
BauO NÖ 1996 §17 Abs1 Z4;
BauO NÖ 1996 §29 Z1;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In seinem Schreiben vom 14. Dezember 2000, gerichtet an den Beschwerdeführer, erklärte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde, es sei der Gemeinde bekannt geworden, dass der Beschwerdeführer auf seinem Grundstück Nr. 176/3, EZ 894, KG Maiersdorf, bei einer verfallenen Holzhütte Umbauarbeiten vornehme. Die Holzhütte sei im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan nicht als erhaltungswürdiges Bauwerk ausgewiesen. Der Beschwerdeführer werde aufgefordert, die Bauarbeiten sofort einzustellen.

Am 2. März 2001 fand in Anwesenheit des Beschwerdeführers und eines Bausachverständigen des Gebietsbauamtes eine Verhandlung an Ort und Stelle statt. Dort wurde zunächst festgehalten, dass das gegenständliche Grundstück teilweise als Grünland mit der Nutzungsart "Landwirtschaft" und teilweise als Grünland mit der Nutzungsart "Forstwirtschaft" ausgewiesen sei. Es wurde ein "altes Bauwerk" festgestellt, mit einem rechteckigen Grundriss von 6,0 x 3,3 m. An der westlichen Begrenzung dieses Bauwerks sei eine Wand aus Vollholzbalken mit einer Höhe von ca. 170 cm vorhanden. Im Süden sei teilweise keine Wand und teilweise seien Holzbalken bis auf eine Höhe von 80 cm vorhanden. Im Osten sowie im nordöstlichen Bereich seien augenscheinlich keine Wandelemente, mit Ausnahme von vielleicht zwei Holzbalken, vorhanden. Im nordwestlichen Bereich sei die Höhe der vorhandenen Holzbalken mit ca. 170 cm gegeben. Einen oberen Abschluss besitze das Objekt nicht. Die nördliche, teilweise vorhandene Wand weise eine Neigung nach Süden auf. Augenscheinlich befänden sich die vorhandenen Bauteile auf Grund der Vermorschungen und infolge der Abwitterung in einem schlechten Zustand, teilweise seien die Wandteile mit einer schwarzen Abdeckung versehen.

Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung an, die Hütte hätte sich in einem schlechten Zustand befunden, das Dach und die Decke seien vermutlich durch einen Brand teilweise eingebrochen. Daher seien das noch vorhandene Dach und die vorhandenen Deckenteile entfernt worden. Des Weiteren seien die heute fehlenden Wandteile abgetragen worden. Dieses Material werde südlich der Hütte gelagert. Es sei beabsichtigt, die Hütte in ihrem ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, es sollten Wände, eine Decke und ein Dach ausgeführt werden. Die Hütte solle für Erholungszwecke und zum Einstellen von Gerätschaften verwendet werden.

Der Sachverständige führte dazu aus, bei jenem Bauwerk handle es sich um ein Objekt, bei welchem nur mehr geringfügige Wandteile vorhanden seien. Die beabsichtigten Baumaßnahmen seien keine Instandsetzung, da wesentlich mehr als 50 % der tragenden Bauteile erneuert werden müssten (gesamte Deckenkonstruktion, gesamte Dachkonstruktion und östliche, südliche sowie großteils auch die nördliche und teilweise auch die westliche Außenwand). Der Verhandlungsleiter erklärte, dass um Baubewilligung angesucht werden müsse.

Mit Bescheid vom 5. April 2001 untersagte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde gemäß § 29 Z. 1 NÖ BauO 1996 die Fortsetzung der Bauarbeiten. Anlässlich eines Ortsaugenscheines am 2. März 2001 sei festgestellt worden, dass konsenslos mit Umbauarbeiten an einer bestehenden, verfallenen Holzhütte begonnen worden sei. Es handle sich um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben, da eine Bewilligung weder vorliege noch beantragt worden sei, sei die Fortsetzung der Bauarbeiten zu untersagen.

In seiner dagegen erstatteten Berufung brachte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf Beispiele aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor, dass die vorgenommenen Arbeiten im Rahmen einer bewilligungs- und anzeigefreien Instandsetzung gemäß § 17 Z. 4 NÖ Bau 1996 erfolgt seien. Er habe ausdrücklich darauf verwiesen, dass die bei der Verhandlung fehlenden Wandteile abgetragen und neben der Hütte gelagert seien. Diese Wandteile könnten wieder eingebaut werden.

In weiterer Folge legte der Beschwerdeführer das Privatgutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen Ing. B. vom 5. Juni 2001 vor. Danach müsste an allen Außenwandflächen in einer Höhe von 0,20 m im Bereich des Steinsockels der Holzblockteil durch geeignete Altholzteile angepasst werden. Die Ostwand könnte vollständig mit dem seitlich gelagerten Holz wiedererrichtet werden. Nur bei der Südwand sei hinsichtlich einer Fläche von 3,50 m x 0,80 m eine Ergänzung durch Altholzmaterial erforderlich. Unter Berücksichtigung einer Dachfläche von 6,0 x 3,3 m gelangte der Sachverständige zu einem Erneuerungsbedarf von 44,95 %.

In seiner Stellungnahme zum Privatgutachten führte der Amtssachverständige mit Schreiben vom 28. August 2001 aus, dass die bestehenden Bauteile augenscheinlich nicht mehr die erforderliche Standsicherheit besessen hätten. Die dort lagernden Holzbalken seien bereits überwiegend abgemorscht gewesen. Nicht nachvollziehbar sei die im Privatgutachten angegebene Dachfläche, wenn sie genauso groß wie der Grundriss sei, müsse es sich um ein Flachdach ohne jeglichen Überstand handeln. Dies würde nicht dem Stand der Bautechnik entsprechen. Die beim Lokalaugenschein vorgefundenen Bauteile seien Wandfragmente gewesen, es hätten aber wesentliche konstruktive Elemente des Bauwerks gefehlt. Dazu gehöre auch das Dach, welches zur Gänze demontiert und nicht mehr vorhanden sei.

Im darauf erstatteten Ergänzungsgutachten des Privatgutachters vom 25. November 2001 wurde die erforderliche Dachfläche in einem größeren Ausmaß angenommen, sodass nunmehr ein Prozentsatz von 47,72 % unbedingt erforderlicher Erneuerungen angenommen wurde.

Mit Bescheid vom 24. Jänner 2002 gab der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung keine Folge, änderte jedoch die Bescheidbegründung vollständig. Auf Grund der Tatsache, dass die gesamte Deckenkonstruktion, die gesamte Dachkonstruktion und die östliche, südliche sowie großteils auch die nördliche und teilweise die westliche Außenwand fehlten bzw. ersetzt werden müssten, erscheine es irrelevant, ob, wie der Amtssachverständige vermeine, mehr als 50 % der tragenden Bauteile erneuert werden müssten oder, wie der Privatgutachter ausgeführt habe, es sich dabei nur um 44,95 % bzw. 47,72 % handle. Es sei lediglich festzustellen, dass auf Grund der Befundaufnahme keine wesentlichen raumbildenden Teile mehr vorhanden seien. Demnach handle es sich um keine Instandsetzung, sondern um eine bewilligungspflichtige Baumaßnahme.

In seiner dagegen erhobenen Vorstellung rügte der Beschwerdeführer, die Berufungsbehörde habe sich damit begnügt, ein Sachverständigengutachten als Begründung wiederzugeben. Außerdem habe sich die Berufungsbehörde mit dem Privatgutachten nicht auseinander gesetzt, welches eine detaillierte Darstellung des derzeitigen Zustandes des Objektes enthalte. Wesentliche Aspekte, nämlich dass insbesondere die Ostwand und die Südwand bloß demontiert worden seien und die Originalteile seitlich gelagert worden seien, seien bei der Verhandlung am 2. März 2001 nicht festgestellt worden, weil dies auf Grund der Schneelage nicht möglich gewesen sei, was auch aus der Verhandlungsschrift hervorgehe. Es sei daher eine weitere Befundaufnahme erforderlich gewesen. Bei der Dachkonstruktion, die vollständig zu erneuern sei, handle es sich um keinen "tragenden" Bauteil. Sonst würden nur geringfügig Flächen erneuert werden. Auch optisch werde das Objekt so errichtet, dass kein Unterschied zum bisherigen Objekt feststellbar sei. Das in Stand gesetzte Holzhaus würde sich ordnungsgemäß in das Landschaftsbild einfügen.

Mit der Vorstellung legte der Beschwerdeführer ein Foto vor, auf welchem der Zustand der Hütte unmittelbar nach Beginn der Instandsetzungsarbeiten ersichtlich sei, und ein weiteres Foto, auf welchem die Hütte mit den wiedererrichteten Teilen, aber ohne Dach, ersichtlich sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung gegen die verfügte Baueinstellung als unbegründet ab. Auf Grund der Tatsache, dass die gesamte Deckenkonstruktion, die gesamte Dachkonstruktion und die östliche, südliche sowie großteils auch die nördliche und teilweise auch die westliche Außenwand fehlten bzw. ersetzt werden müssten, erscheine es irrelevant, ob mehr als 50 % der tragenden Bauteile erneuert werden müssten. Im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei lediglich festzustellen, dass auf Grund der Befundaufnahme keine wesentlichen raumbildenden Teile mehr vorhanden seien. Demnach handle es sich um keine Instandsetzung, sondern um eine bewilligungspflichtige Baumaßnahme. Diese Auffassung werde auf Grund der im Akt befindlichen Fotos bestätigt; das erste Foto zeige ein desolates Holzgebäude, bei dem die Außenwände sehr schadhaft seien bzw. teilweise überhaupt fehlten und das Dach fast gänzlich eingestürzt sei. Auf dem zweiten Foto sei überhaupt kein Altbestand ersichtlich, vielmehr vier neue Außenwände aus Holz. Die Erneuerung sämtlicher raumbildender Teile könne schon deshalb keine Instandsetzung sein, weil es keinen Unterschied machen könne, ob zuerst das alte Haus vollständig abgetragen und ein neues, wenn auch mit den selben Ausmaßen, errichtet werde, oder ob sukzessive Teile durch neue Teile ersetzt würden.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht darauf verletzt, dass ihm die Fortsetzung der Arbeiten nicht untersagt werde. Er begehrt die Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Beschwerdeführer äußerte sich zur Gegenschrift in zwei Schriftsätzen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die verfügte Baueinstellung gründete sich auf § 29 NÖ BauO 1996, LGBl. 8200-6 (BO). Diese Bestimmung lautet:

"§ 29

Baueinstellung

Die Baubehörde hat die Fortsetzung der Ausführung eines Bauvorhabens zu untersagen, wenn

1. die hiefür notwendige Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) nicht vorliegt oder

2. bei einem bewilligten Vorhaben kein Bauführer bestellt ist.

Im ersten Fall hat die Baubehörde die Herstellung eines Zustandes, der dem vorherigen entspricht, zu verfügen, wenn nicht innerhalb einer von der Baubehörde bestimmten Frist um nachträgliche Baubewilligung angesucht oder die Anzeige vorgelegt wird.

Darf eine Baubewilligung nicht erteilt werden (§ 23 Abs. 1) oder ist das Bauvorhaben zu untersagen (§ 15 Abs. 3), hat diese Verfügung nach der Baueinstellung zu erfolgen.

Im zweiten Fall darf die Ausführung erst nach Meldung eines Bauführers fortgesetzt werden."

Im Beschwerdefall wurde die Baueinstellung auf die Z. 1 des § 29 BO gestützt, weil eine für das Vorhaben notwendige Baubewilligung bzw. Anzeige nicht vorgelegen sei.

Nach Auffassung des Beschwerdeführers sei für das Vorhaben weder eine Bewilligung noch eine Anzeige notwendig, weil es sich um Instandsetzungsarbeiten im Sinne des § 17 Z. 4 BO gehandelt habe, die bewilligungs- und anzeigefrei seien. Die für die Beurteilung dieser Frage heranzuziehenden Bestimmungen der BO lauten auszugsweise:

"§ 14

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

Nachstehende Bauvorhaben bedürfen einer Baubewilligung:

1. Neu- und Zubauten von Gebäuden;

...

4. die Abänderung von Bauwerken, wenn die Standsicherheit tragender Bauteile, der Brandschutz oder die hygienischen Verhältnisse beeinträchtigt, ein Widerspruch zum Ortsbild (§ 56) entstehen oder Rechte nach § 6 verletzt werden könnten;

...

§ 17

Bewilligungs- und anzeigefreie Vorhaben

(1) Bewilligungs- und anzeigefreie Vorhaben sind jedenfalls:

...

4. die Instandsetzung von Bauwerken, wenn die Konstruktions- und Materialart beibehalten sowie Formen und Farben von außen sichtbaren Flächen nicht verändert werden,

..."

Mit der Frage, ob dann, wenn wesentliche Bauteile (Dach, Außenwände) erneuert werden, noch von einer Instandsetzung die Rede sein kann, hat sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 23. Februar 2005, Zl. 2002/05/1024, auseinander gesetzt und ausgeführt, dass bei einer vollständigen Entfernung und Neuerrichtung von tragenden Bauteilen zumindest eine "Abänderung" vorliege und von einer "Instandsetzung" keine Rede sein könne; auf die diesbezüglichen Ausführungen wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen.

Nach dem hier vorliegenden Sachverhalt müssen jedenfalls - wenn man von dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Privatgutachten ausgeht - Teile aller Außenwände erneuert werden, bei der Südwand sogar der Großteil. Das Erneuerungserfordernis bei den das Dach tragenden Außenwänden erfüllt aber den Tatbestand des § 14 Z. 4 BO, weil durch das Vorhaben die Standsicherheit tragender Bauteile beeinträchtigt werden kann, sodass eine Abänderung von Bauwerken nach dieser Bestimmung vorliegt. Dies hat, wie im zitierten Erkenntnis vom heutigen Tage begründet, zur Folge, dass von einer Instandsetzung im Sinne des § 17 Abs. 1 Z. 4 BO keine Rede sein kann.

Die Abänderung von Bauwerken ist aber bewilligungspflichtig; eine Bewilligung liegt nicht vor. Zu Recht wurde daher mit einer Baueinstellung nach § 29 Z. 1 BO vorgegangen.

Ausgehend vom Tatsachenvorbringen des Beschwerdeführers ist die Wesentlichkeit der gerügten Verfahrensmängel nicht erkennbar. Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 25. Februar 2005

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