Normen
ABGB §6;
B-VG Art50;
DBAbk BRD 1955 Art21 Abs2;
DBAbk BRD 1955 Art8 Abs2;
DBAbk BRD 1955 Art8;
DBAbk BRD 1955 Art9 Abs2;
DBAbk BRD 1955 Art9 Abs3;
DBAbk BRD 1955 Art9;
DBAbk BRD 1955 Schlußprotokoll Z20;
DBAbk BRD 1955 Schlußprotokoll Z21;
DBAbk BRD 1955 Schlußprotokoll Z22;
DBAbk BRD 1955;
EStG 1988 §22 Z2;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
ABGB §6;
B-VG Art50;
DBAbk BRD 1955 Art21 Abs2;
DBAbk BRD 1955 Art8 Abs2;
DBAbk BRD 1955 Art8;
DBAbk BRD 1955 Art9 Abs2;
DBAbk BRD 1955 Art9 Abs3;
DBAbk BRD 1955 Art9;
DBAbk BRD 1955 Schlußprotokoll Z20;
DBAbk BRD 1955 Schlußprotokoll Z21;
DBAbk BRD 1955 Schlußprotokoll Z22;
DBAbk BRD 1955;
EStG 1988 §22 Z2;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund jeweils Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Erstbeschwerdeführerin war im Streitzeitraum mit 60 %, der Zweitbeschwerdeführer mit 40 % an der X. GmbH mit Sitz in F. (Deutschland) beteiligt. Die X. GmbH war zu 100 % an der Y. GmbH mit Sitz in B. (Österreich) beteiligt.
Im Jahr 2000 reichten die Beschwerdeführer Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1995 bis 1998 ein, welche keine Beträge und in der Rubrik "Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit" den Vermerk "nicht steuerpflichtig in Österreich" enthielten.
Daraufhin fanden hinsichtlich der Beschwerdeführer Betriebsprüfungen über die Jahre 1995 bis 1998 statt, bei denen der Prüfer feststellte, dass die Erstbeschwerdeführerin im Streitzeitraum bei der Y. GmbH angestellt gewesen sei und dafür von der Y. GmbH Vergütungen bezogen habe und dass der Zweitbeschwerdeführer Geschäftsführer der Y. GmbH sei und dafür im Streitzeitraum Geschäftsführerbezüge erhalten habe. Die Beschwerdeführer hätten ihren Wohnsitz in F. in Deutschland, ein Wohnsitz in Österreich bestehe nicht. Die Dienstnehmereinkünfte der Erstbeschwerdeführerin und der Geschäftsführerbezug des Zweitbeschwerdeführers seien in Deutschland als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Besteuerung unterzogen worden.
Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses aufweisende Beschäftigung gewährt würden, würden gemäß § 22 Z 2 EStG 1988 unter die Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit fallen. Eine Person sei dann wesentlich beteiligt, wenn ihr Anteil am Grund- oder Stammkapital mehr als 25 % betrage. Die Beteiligung durch Vermittlung einer Gesellschaft stehe einer unmittelbaren Beteiligung gleich. Auf Grund der österreichisch-deutschen Verständigungsvereinbarung aus dem Jahre 1986 fielen die Einkünfte der Beschwerdeführer unter die Zuteilungsregel des Art. 8 DBA-Deutschland. Beziehe eine natürliche Person mit Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die im anderen Vertragsstaat ausgeübt wird, so habe der andere Staat das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte.
Das Finanzamt erließ auf Grund der Feststellungen der Betriebsprüfung für beide Beschwerdeführer Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 1998, mit denen es die Einkommensteuer hinsichtlich der Bezüge festsetzte, welche die Beschwerdeführer von der Y. GmbH erhalten hatten.
Dagegen beriefen die Beschwerdeführer. Die durch das BG BGBl. Nr. 620/1981 herbeigeführte Änderung des § 22 EStG sei für die Abkommensinterpretation unerheblich. Geschäftsführerbezüge seien unter Artikel 9 DBA-Deutschland zu subsumieren. Die von der Verwaltungspraxis im Verständigungsverfahren vorgenommene Abkommensinterpretation sei laut Meinung der Fachliteratur rechtswidrig. Daher sei die Grenzgängerregelung anwendbar. In weiterer Folge sei der im Betriebsprüfungsverfahren gegen den Zweitbeschwerdeführer erhobene Einwand zu klären, wonach der Geschäftsführer seine Tätigkeit zwar am Sitz der Gesellschaft in Österreich ausgeübt habe, durch Reisetätigkeit in Deutschland und Österreich aber in den Jahren 1995 bis 1997 "mehr als 45 Reisetage" außerhalb der österreichischen Grenzzone tätig geworden sei. Diese 45-Tage-Regel betreffend Reisekosten sei auf Grund einer Spezialvorschrift im Verständigungsverfahren auf Geschäftsführer nicht anwendbar. Mit der Tätigkeit eines Geschäftsführers sei immer eine geschäftliche Reisetätigkeit im In- und Ausland verbunden. In der Verständigungsvereinbarung sei deshalb normiert, dass der Geschäftsführer seine Tätigkeit immer am Sitz der Gesellschaft ausübe. Würde nämlich streng auf die 45- Tage-Regel abgestellt, so wäre die Anwendung der Grenzgängerregelung bei Geschäftsführern praktisch unmöglich. Die Ermittlung der österreichischen Einkünfte der Beschwerdeführer sei auf Grund der Bestimmungen für beschränkt Steuerpflichtige erfolgt. In eventu werde der Antrag gestellt, diese Einkünfte nach § 1 Abs. 4 EStG zu besteuern.
Mit den angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den Berufungen hinsichtlich des Antrages statt, die Einkünfte gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 der unbeschränkten Steuerpflicht zu unterziehen; im Übrigen wurden die Berufungen abgewiesen.
Auf Grund der Bestimmung des Abgabenänderungsgesetzes 1981 würden Personen die in einem Dienstverhältnis zu einer Kapitalgesellschaft stehen, an der sie wesentlich beteiligt sind, nicht mehr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern solche aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 22 Z 2 EStG beziehen. Diese Änderung der innerstaatlichen Rechtslage habe auch Auswirkungen auf die Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens. Dass Änderungen im innerstaatlichen Steuerrecht durchaus Rückwirkungen auf die in Doppelbesteuerungsabkommen enthaltenen Steuerzuteilungsregeln entfalten, nämlich dann, wenn sich bei der Auslegung weder aus dem Abkommenswortlaut noch aus dem Zusammenhang der Abkommensbestimmungen Gegenteiliges ergebe, sei auch im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1992, 91/13/0144, bestätigt worden. In diesem Beschwerdefall seien die Geschäftsführerbezüge eines in Spanien ansässigen Geschäftsführers nicht "der Zuteilungsregel für unselbständige Arbeit (Art. 15 OECD-MA), sondern auf der Rechtsgrundlage des § 22 Z 2 EStG ..... jener für selbständige Arbeit (Art. 14 OECD-MA) unterstellt" worden. Dass bei der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen innerstaatliche Rechtsänderungen nach Abkommensunterzeichnung berücksichtigt werden, wie dies im vorliegenden Fall geschehen sei, habe internationale Anerkennung gefunden. Denn Art. 3 Abs. 2 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA) bringe zum Ausdruck, dass bei der Anwendung des Abkommens durch einen Vertragsstaat, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordere, jeder im Abkommen nicht definierte Ausdruck die Bedeutung habe, die ihm im Anwendungszeitraum nach dem Recht dieses Staates über die Steuern zukomme, für die das Abkommen gelte. Eine dem Art. 3 Abs. 2 OECD-MA entsprechende Bestimmung fehle zwar im DBA-Deutschland 1954, doch sei im Verständigungsprotokoll über österreichisch-deutsche Verständigungsgespräche in dieser Hinsicht festgehalten, dass das in Art. 3 Abs. 2 OECD-MA festgehaltene Grundprinzip einer begrenzten Relevanz des innerstaatlichen Rechts für die Abkommensinterpretation auch dem DBA-Deutschland inhärent sei. In einer Verständigungsvereinbarung sei zwischen der österreichischen und der deutschen Finanzverwaltung dahingehend Einvernehmen erzielt worden, dass Einkünfte wesentlich beteiligter Gesellschafter im Verhältnis zu Deutschland entsprechend der innerstaatlichen österreichischen Qualifikation dieser Einkünfte unter die Zuteilungsregel des Art. 8 Abs. 1 zu subsumieren seien. Dies habe zur Folge, dass das Besteuerungsrecht dem Tätigkeitsstaat zukomme. Dies gelte auch für jene Fälle, in denen wesentlich beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer in einem Staat in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort haben und täglich von ihrem Arbeitsort an ihren Wohnsitz zurückkehren, weil Art. 8 DBA-Deutschland keine dem Art. 9 Abs. 3 dieses Abkommens vergleichbare Grenzgängerregelung enthalte.
Doppelbesteuerungsabkommen seien Staatsverträge, die als solche der Wiener Vertragsrechtskonvention unterlägen. Die Auslegungsregeln der Konvention seien in ihrem näher wiedergegebenen Art. 31 festgelegt.
Die Ergebnisse der internationalen Verständigungsverfahren würden sichtbar machen, welche Übung die beiden Vertragsstaaten bei der Auslegung des Abkommens handhaben. Auf Grund des Art. 31 Abs. 3 WVK komme derartigen Verständigungsvereinbarungen jedenfalls Auslegungsrelevanz zu. Die WVK habe sich in Art. 31 Abs. 3 zur dynamischen Interpretationsmethode bekannt. Sie widerspreche damit der Auffassung der Beschwerdeführer, wonach bei der Auslegung stets der Parteiwille zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu ermitteln sei.
In dem zur hg. Zl. 2002/15/0162 angefochtenen Bescheid führte die belangte Behörde ergänzend aus, dass auch bei einer abkommensrechtlichen Subsumierung der Geschäftsführerbezüge unter Art. 9 DBA-Deutschland die Voraussetzungen für die Anwendung der Grenzgängerregelung für den Zweitbeschwerdeführer nicht vorlägen. Art. 9 Abs. 3 DBA-Deutschland fordere, dass eine natürliche Person in dem einen Staat in der Nähe der Grenze ihren Wohnsitz und in dem anderen Staat in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort habe und täglich von ihrem Arbeitsort an ihren Wohnsitzort zurückkehre. Die Finanzverwaltungen Deutschlands und Österreichs seien in einer Verständigungsvereinbarung zur Auffassung gelangt, dass die Grenzgängereigenschaft nicht verloren gehe, wenn der Arbeitnehmer während des ganzen Kalenderjahres in der Grenzzone (als Grenzzone gelte eine Zone von je 30 Kilometer beiderseits der Grenze) beschäftigt sei und in dieser Zeit an höchstens 45 Arbeitstagen nicht zum Wohnsitz zurückkehre oder außerhalb der Grenzzone für seinen Arbeitgeber tätig sei. Da vom Zweitbeschwerdeführer "die Anzahl der Tage an denen er auf Grund seiner Reisetätigkeit nicht zum Wohnort zurückkehrte, bzw. sich außerhalb der Grenzzone aufhielt, in den einzelnen Kalenderjahren die Grenze von 45 Arbeitstagen bei weitem übertraf", lägen "die Voraussetzungen für die Grenzgängereigenschaft" nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wegen des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges der beiden Beschwerden deren Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung beschlossen und über die Beschwerden erwogen:
Natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 EStG 1988 der beschränkten Einkommensteuerpflicht.
Der beschränkten Steuerpflicht unterliegen gemäß § 98 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 unter anderem Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 22), die im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist. Die Arbeit wird im Inland ausgeübt, wenn der Steuerpflichtige im Inland persönlich tätig geworden ist.
Auf Antrag werden nach § 1 Abs. 4 EStG 1988 u.a. auch Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben unter näher beschriebenen Voraussetzungen als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt.
Gemäß § 22 Z 2 EStG 1988 zählen zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit Gehälter und sonstige Vergütungen, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2) aufweisende Beschäftigung gewährt werden. Eine Person ist dann wesentlich beteiligt, wenn ihr Anteil am Grund- oder Stammkapital mehr als 25 % beträgt. Die Beteiligung durch Vermittlung einer Gesellschaft steht einer unmittelbaren Beteiligung gleich.
Unstrittig hatten die Beschwerdeführer im Streitzeitraum weder einen Wohnsitz noch den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und sind die in Rede stehenden Einkünfte beider Beschwerdeführer aus der Y. GmbH Einkünfte im Sinne des § 22 Z 2 EStG 1988.
Das für die Streitjahre noch anzuwendende Abkommen vom 4. Oktober 1954 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern, BGBl. Nr. 221/1955, (in der Folge: DBA-Deutschland 1954) soll gemäß seinem Art. 1 Abs. 1 vermeiden, dass Personen, die in einem oder beiden Vertragstaaten einen Wohnsitz haben, doppelt zu Steuern herangezogen werden, die nach der Gesetzgebung jedes der beiden Staaten unmittelbar vom Einkommen oder vom Vermögen oder als Gewerbesteuern oder Grundsteuern für die Vertragstaaten, die Länder, die Gemeinden oder Gemeindeverbände (auch in Form von Zuschlägen) erhoben werden.
Im Beschwerdefall ist strittig, ob die Einkünfte, die auf Grund originär innerstaatlichen Rechts gemäß § 98 iVm § 22 Z 2 EStG 1988 in Österreich als Einkünfte aus selbständiger Arbeit steuerpflichtig sind (und in Deutschland als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zunächst der Besteuerung unterzogen wurden), unter Artikel 8 oder unter Artikel 9 DBA-Deutschland 1954 zu subsumieren sind.
Art. 8 und 9 DBA-Deutschland 1954 lauteten:
"Artikel 8
(1) Bezieht eine natürliche Person mit Wohnsitz in einem der Vertragstaaten Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die in dem anderen Staat ausgeübt wird oder ausgeübt worden ist, so hat der andere Staat das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte. Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören insbesondere die Einkünfte aus freien Berufen.
(2) Die Ausübung eines freien Berufes in dem anderen Staate liegt nur dann vor, wenn der freiberuflich Tätige seine Tätigkeit unter Benutzung einer ihm dort regelmäßig zur Verfügung stehenden ständigen Einrichtung ausübt. Diese Einschränkung gilt jedoch nicht für eine freiberuflich ausgeübte künstlerische, vortragende, sportliche oder artistische Tätigkeit.
(3) Artikel 4 Abs. 4 gilt sinngemäß.
(4) Bezieht eine natürliche Person mit Wohnsitz in einem der Vertragstaaten als Aufsichtsratsmitglied, als nicht geschäftsführendes Mitglied des Verwaltungsrats oder ähnlicher Organe Vergütungen von einem Unternehmen, das den Ort der Geschäftsleitung in dem anderen Staat hat, so hat der andere Staat das Besteuerungsrecht für diese Vergütungen.
Artikel 9
(1) Bezieht eine natürliche Person mit Wohnsitz in einem der Vertragstaaten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die in dem anderen Staat ausgeübt wird, so hat der andere Staat das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte, soweit nicht Artikel 10 etwas anderes bestimmt.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn die natürliche Person
1. sich nur vorübergehend, zusammen nicht mehr als 183 Tage im Lauf eines Kalenderjahres, in dem anderen Staat aufhält und
2. für ihre Tätigkeit von einem Arbeitgeber entlohnt wird, der seinen Wohnsitz in dem gleichen Staate wie die natürliche Person hat, und
3. ihre Tätigkeit nicht im Rahmen einer in dem anderen Staate befindlichen Betriebsstätte des Arbeitgebers ausübt.
(3) Absatz 1 gilt ferner nicht, wenn die natürliche Person
1. in dem einen Staat in der Nähe der Grenze ihren Wohnsitz und in dem anderen Staat in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort hat und
2. täglich von ihrem Arbeitsort an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Grenzgänger).
(4) Bezieht eine natürliche Person mit Wohnsitz in einem der Vertragstaaten Wartegelder, Ruhegehälter, Witwen- und Waisenpensionen und andere Bezüge oder geldwerte Vorteile für frühere Dienstleistungen, die von anderen als den in Artikel 10 bezeichneten Personen gewährt werden, so hat der Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte."
Das Schlussprotokoll zum DBA-Deutschland 1954 lautet
auszugsweise:
"Schlußprotokoll
Bei der Unterzeichnung des heute zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern haben die unterzeichneten Bevollmächtigten folgende übereinstimmende Erklärung abgegeben, die einen integrierenden Teil des Abkommens selbst bildet:
...
Zu Artikel 8
20. Zu den freien Berufen gehören insbesondere die wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erziehende Tätigkeit, die Berufstätigkeit der Ärzte, Rechtsanwälte und Notare, der Ingenieure, der Architekten, der Handelschemiker, der Dentisten, der Landmesser, der Wirtschaftsprüfer, der Steuerberater, der Buchsachverständigen und ähnlicher Berufe.
21. Absatz 4 gilt nur für Vergütungen, die für eine beaufsichtigende Tätigkeit gewährt werden. Vergütungen für eine andere Tätigkeit sind nach Artikel 9 oder Artikel 10 zu behandeln.
Zu Artikel 9
22. Als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gelten:
Gehälter, Besoldungen, Löhne, Tantiemen, Gratifikationen oder sonstige Bezüge, geldwerte Vorteile und Entschädigungen der im privaten Dienst beschäftigten natürlichen Personen, die von anderen als den in Artikel 10 bezeichneten Personen gewährt werden. "
Sofern nicht ein Ausnahmetatbestand des Art. 9 Abs. 2 oder 3 oder der Wegfall der Einschränkung nach Art. 8 Abs. 2 zweiter Satz DBA-Deutschland 1954 in Betracht kommt, ist für die Zuteilung des Besteuerungsrechtes nicht entscheidend, ob eine Tätigkeit unter Art. 8 oder Art. 9 DBA-Deutschland 1954 einzureihen ist (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 27. August 1991, 90/14/0237, VwSlg. 6.619/F, vom 22. April 1992, 91/14/0048, und vom 15. Februar 2006, 2001/13/0319).
Im Beschwerdefall kommt der Ausnahmetatbestand des Art. 9 Abs. 3 DBA-Deutschland 1954 in Betracht, denn in der Nähe der Grenze im Sinne des Art. 9 Abs. 3 Z 1 conv. cit. befanden sich in den Streitjahren unstrittig der Wohnsitz der Beschwerdeführer in Deutschland und der Sitz der Y. GmbH in Österreich, an welchem die Erstbeschwerdeführerin ihren Arbeitsort hatte.
Aus dem Wortlaut des DBA-Deutschland 1954 selbst ist für die im Beschwerdefall strittige Rechtsfrage, unter welche der beiden Bestimmungen des DBA-Deutschland 1954 die Einkünfte der Beschwerdeführer einzureihen sind, kein Hinweis zu gewinnen. Eine eigene Begriffsabgrenzung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit und aus nichtselbständiger Arbeit enthält das Abkommen einschließlich des Schlussprotokolls diesbezüglich nicht. Auch eine Auslegung aus dem Zusammenhang des Abkommens selbst scheidet im Beschwerdefall aus.
Für die Anwendung des DBA-Deutschland 1954 kann in solchen Fällen somit das nationale Recht des anwendenden Vertragsstaates herangezogen werden.
Eine dynamische Auslegung eines an den Begriff eines anderen Bundesgesetzes anknüpfenden Bundesgesetzes ist zulässig, wenn im jeweiligen Gesetz nicht anderes vorgesehen ist (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 27. November 1990, 89/04/0240, das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1990, B 1225 bis 1228/89, VfSlg. 12.384, und Öhlinger, Verfassungsrecht6, Rz 86, sowie Mayer, B-VG3, 123). Beim DBA-Deutschland 1954 handelt es sich um einen auf Gesetzesstufe stehenden Staatsvertrag ohne Erfüllungsvorbehalt (Art. 50 B-VG), der im staatlichen Bereich Geltung im Range eines Gesetzes erlangt hat und sohin innerstaatlich unmittelbar anwendbar ist (vgl. auch Gröhs/Herbst,
Die Interpretation von Doppelbesteuerungsabkommen als Problem der Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen im nationalen Recht; in ZfV 1986, 16ff, insb. 19). Für Doppelbesteuerungsabkommen gilt diese Aussage zur Auslegung von Bundesgesetzen ebenso, soweit sich aus dem Inhalt des Abkommens nicht anderes ergibt.
Die belangte Behörde hat den Begriff der Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Art. 8 DBA-Deutschland 1954 dynamisch und somit dahin ausgelegt, dass darunter die im Streitzeitraum als Einkünfte aus selbständiger Arbeit iSd § 22 EStG 1988 zu qualifizierenden in Rede stehenden Einkünfte der Beschwerdeführer fielen.
Die belangte Behörde stützte sich dabei u.a. auf eine Verständigungsvereinbarung zwischen den Finanzverwaltungen von Deutschland und Österreich aus dem Jahre 1986, veröffentlicht im Amtsblatt der Österreichischen Finanzverwaltung (AÖFV Nr. 32/1987).
Gemäß Art. 21 Abs. 1 DBA-Deutschland 1954 können die obersten Finanzbehörden bei der Behandlung von Fragen, die sich aus dem Abkommen ergeben, unmittelbar miteinander verkehren. Zur Beseitigung von Schwierigkeiten und Zweifeln bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens setzen sich die obersten Finanzbehörden gemäß Art. 21 Abs. 2 DBA-Deutschland 1954 vor Erlass von Durchführungsbestimmungen ins Einvernehmen.
Eine solche Verwaltungsvereinbarung ist als Auslegungsergebnis für den Verwaltungsgerichtshof allerdings - worauf die Beschwerdeführer zutreffend hinweisen - nicht bindend (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. August 1991, 90/14/0237, VwSlg. 6.619/F, und vom 20. September 2001, 2000/15/0116, und Lang, Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, 57).
Die belangte Behörde zog weiters Art. 31 Abs. 3 lit. b des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge, BGBl. Nr. 40/1980 (Wiener Vertragsrechtskonvention, in der Folge: WVK) heran.
Art. 31 WVK lautet:
"ABSCHNITT 3: AUSLEGUNG VON VERTRÄGEN
Artikel 31
Allgemeine Auslegungsregel
(1) Ein Vertrag ist nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen.
(2) Für die Auslegung eines Vertrags bedeutet der Zusammenhang außer dem Vertragswortlaut samt Präambel und Anlagen
a) jede sich auf den Vertrag beziehende Übereinkunft, die zwischen allen Vertragsparteien anläßlich des Vertragsabschlusses getroffen wurde;
b) jede Urkunde, die von einer oder mehreren Vertragsparteien anläßlich des Vertragsabschlusses abgefaßt und von den anderen Vertragsparteien als eine sich auf den Vertrag beziehende Urkunde angenommen wurde.
(3) Außer dem Zusammenhang sind in gleicher Weise zu berücksichtigen
a) jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen;
b) jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht;
c) jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbarer einschlägiger Völkerrechtssatz.
(4) Eine besondere Bedeutung ist einem Ausdruck beizulegen, wenn feststeht, daß die Vertragsparteien dies beabsichtigt haben."
Nach Auffassung der belangten Behörde sei die erwähnte Verständigungsvereinbarung zwischen den Finanzverwaltungen Deutschlands und Österreichs aus dem Jahre 1986 eine "spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht" (Art. 31 Abs. 3 lit. b WVK).
Dem halten die Beschwerdeführer entgegen, dass das DBA-Deutschland 1954 nach Treu und Glauben im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen sei und Ziel und Zweck jenes bzw. jener sei, welches bzw. welchen die damaligen Vertragsparteien beabsichtigten. Spätere Übereinkommen und Übungen könnten nur Hilfsmittel darstellen, auf den ursprünglichen Willen rückschließen zu können.
Damit zeigen die Beschwerdeführer nicht auf, dass die Vertragsparteien des Abkommens im Jahr 1954 nicht die Absicht gehabt hätten, die Begriffe der Einkünfte aus selbständiger und aus nichtselbständiger Arbeit dynamisch ausgelegt wissen zu wollen.
Unbeschadet des Fehlens einer Bindungswirkung lässt die in Rede stehende Verwaltungsübung den Schluss zu, dass die Vertragsparteien eine dynamische und keine statische Auslegung der Begriffe der Einkünfte aus selbständiger Arbeit und aus nichtselbständiger Arbeit im Auge hatten.
Die Beschwerdeführer führen das hg. Erkenntnis vom 20. September 2001, 2000/15/0116, ins Treffen. Darin hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit dem DBA-Schweiz 1975, BGBl. Nr. 64/1975, festgestellt, dass Begriffe, deren Bedeutung aus dem Abkommen selbst nicht erschlossen werden kann, nach der jeweiligen innerstaatlichen Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des DBA-Schweiz zu interpretieren sind, weswegen auf die Einkünfte eines wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers trotz geänderter innerstaatlicher Rechtslage nicht die Zuteilungsnorm für selbständige Tätigkeit iSd Art. 14 DBA-Schweiz, sondern jene für unselbständige Arbeit iSd Art. 15 conv. cit. zur Anwendung kam. Allerdings enthält das im vorliegenden Beschwerdefall anzuwendende DBA-Deutschland 1954 keine dem Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz vergleichbare Bestimmung, wonach bei der Anwendung des Abkommens durch einen Vertragstaat, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, jeder nicht anders definierte Ausdruck die Bedeutung hat, die ihm nach dem Recht dieses Staates über die Steuern zukommt, welche Gegenstand des Abkommens sind.
Im Übrigen sei bemerkt, dass nach der Aktenlage die ursprünglichen Bescheide des deutschen Finanzamtes geändert wurden und die in Österreich erzielten in Rede stehenden Einkünfte in Deutschland nicht mehr besteuert worden sind.
Im Beschwerdefall fallen die in Rede stehenden Einkünfte der Beschwerdeführer sohin unter die Bestimmung des Art. 8 DBA-Deutschland 1954. Auf die Ausführungen des Zweitbeschwerdeführers zur Eventualbegründung der belangten Behörde im Zusammenhang mit der Grenzgängereigenschaft eines Arbeitnehmers, der an mehr als 45 Arbeitstagen nicht zum Wohnsitz zurückkehre oder außerhalb der Grenzzone für seinen Arbeitgeber tätig sei, brauchte daher nicht mehr eingegangen werden.
In Ausführung des Beschwerdepunktes bringen die Beschwerdeführer vor, dass sie im Recht auf richtige Anwendung der Gesetze, insbesondere wegen der unrichtigen Anwendung des Artikels 8 des DBA-Deutschland 1954 sowie der Nichtanwendung des Art. 9 Abs. 1 und 3 conv. cit. sowie durch die unrichtige Anwendung der §§ 22 und 98 EStG und im Recht auf richtige Festsetzung der steuerlichen Abgaben, insbesondere der Einkommensteuer 1995 bis 1998 sowie im Recht auf fehlerfreie Handhabung der Verfahrensvorschriften verletzt seien.
Soweit die Beschwerdeführer dabei ein Recht auf richtige Anwendung der Gesetze, ein Recht auf richtige Festsetzung der Einkommensteuer 1995 bis 1998 anführen, sind sie darauf hinzuweisen, dass damit kein Beschwerdepunkt ausgeführt ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2004, 2000/14/0185). Soweit die Beschwerdeführer ein Recht auf fehlerfreie Handhabung der Verfahrensvorschriften anführen, verwechseln sie dies mit den Beschwerdegründen und machen kein aus einer Rechtsnorm ableitbares subjektives Recht geltend (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Juni 2004, 2001/13/0011, und den hg. Beschluss vom 28. Oktober 2004, 2004/15/0134).
Im somit verbleibend geltend gemachten subjektiven Recht auf Nichtanwendung des Art. 9 Abs. 1 und 3 des DBA-Deutschland 1954 wurden die Beschwerdeführer dadurch nicht verletzt, dass die belangte Behörde dem eventualiter vorgebrachten Berufungsbegehren nach Behandlung als unbeschränkt Steuerpflichtige stattgegeben, aber dabei von den Beschwerdeführern geltend gemachte Verluste aus Gewerbebetrieb in Deutschland nicht anerkannt hat.
Die Beschwerden erweisen sich daher insgesamt als unbegründet und waren deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 30. März 2006
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