VwGH 2002/03/0030

VwGH2002/03/003019.12.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der F. Familien-Privatstiftung E (vormals: F Privatstiftung, S, Forstverwaltung D), vertreten durch Dax-Klepeisz-Klimburg-Schuszter Rechtsanwaltspartnerschaft GmbH in 7540 Güssing, Europastraße 1, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 11. Dezember 2001, Zl 4a-A-D8553/8-2001, betreffend Abrundung eines Jagdgebietes (mitbeteiligte Partei: Jagdgenossenschaft O, vertreten durch Dr. Martin Hahn und Dr. Christian Stocker, Rechtsanwälte in 2700 Wiener Neustadt, Herzog-Leopold-Straße 26), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
JagdG Bgld 1988 §19 Abs2;
JagdG Bgld 1988 §4;
JagdG Bgld 1988 §88;
JagdG Bgld 1988 §90;
JagdG Bgld 1988 §94;
JagdG Bgld 1988 §95;
JagdG Krnt 2000 §11 Abs1 impl;
JagdG NÖ 1974 §15 Abs2 impl;
JagdRallg;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
JagdG Bgld 1988 §19 Abs2;
JagdG Bgld 1988 §4;
JagdG Bgld 1988 §88;
JagdG Bgld 1988 §90;
JagdG Bgld 1988 §94;
JagdG Bgld 1988 §95;
JagdG Krnt 2000 §11 Abs1 impl;
JagdG NÖ 1974 §15 Abs2 impl;
JagdRallg;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird mit Ausnahme des nichtangefochtenen Spruchpunktes II. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Burgenland hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf gab mit Bescheid vom 30. März 2000 dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Abrundung des Eigenjagdgebietes D auf Grund ungünstig verlaufender Jagdgrenzen zum Genossenschaftsjagdgebiet O statt. Mit diesem Bescheid wurde die Abrundung des Eigenjagdgebietes D und des Genossenschaftsjagdgebietes O gemäß § 19 Abs 2 und 6 des Burgenländischen Jagdgesetzes 1988, LGBl Nr 11/1989 (im Folgenden: JG) in der Weise verfügt, dass näher bezeichnete Gesamtflächen im Ausmaß von 28,8659 ha vom Genossenschaftsjagdgebiet O abgetrennt und jagdmäßig in das Eigenjagdgebiet D angegliedert wurden, während näher bezeichnete Gesamtflächen im Ausmaß von ca 42 ha vom Eigenjagdgebiet D abgetrennt und jagdmäßig an das Genossenschaftsgebiet O angegliedert wurden.

Mit dem angefochtenen Bescheid (Spruchpunkt I) wurde der dagegen gerichteten Berufung der mitbeteiligten Partei gemäß § 66 Abs 4 AVG Folge gegeben, der genannte Bescheid vom 30. März 2000 aufgehoben und der angesprochene Abrundungsantrag der Beschwerdeführerin vom 28. Juli 1999 abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheids führte die belangte Behörde aus, dass die Grenzen zwischen den genannten Jagdgebieten iSd § 19 Abs 2 JG so ungünstig verliefen, dass sich daraus eine wesentliche, den jagdlichen Interessen entgegenstehende Erschwerung des Jagdbetriebs ergäbe. Zu dem in § 19 Abs 2 JG für den Austausch von Grundflächen weiters genannten Erfordernis, dass diese möglichst gleich groß und möglichst gleichwertig seien, wurde zunächst darauf hingewiesen, dass der von der Erstbehörde verfügte Tausch zu einem flächenmäßigen Überhang von ca 12,5 ha zugunsten der mitbeteiligten Partei führen würde. In dem von der belangten Behörde eingeholten jagdfachlichen Gutachten seien Abrundungsvarianten erarbeitet worden, welche einen Austausch von kleineren Flächen vorsehen würden. Die von der Erstbehörde verfügte Zuteilung des "Mfeldes" zur Beschwerdeführerin führe zu einem massiven Eingriff in das Jagdgebiet der mitbeteiligten Partei. Das "Mfeld" sei auf Grund seiner Waldrandlage als Äsungs- und vor allem auch als Bejagungsfläche für aus dem Wald austretendes Wild prädestiniert. Solche freien Flächen, die das Wild zum Äsen einladen würden, würden auf Grund der besseren Sichtbedingungen und eines leichteren Abschusses die Bejagung besonders attraktiv machen. Es sei nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Bestimmung für die Abrundung, zu Lasten eines Jagdgebiets gehende Ideallösungen zu schaffen, allerdings sollte das tatsächliche Ausmaß der betroffenen Jagdgebiete durch eine Abrundung möglichst wenig geändert werden. Im vorliegenden Fall würde die von der Erstbehörde verfügte Abrundung zu Lasten der mitbeteiligten Partei gehen, welche durch die Abtrennung des "Mfeldes" zugunsten des genannten Eigenjagdgebiets ein aus jagdlicher Sicht besonders wertvolles Gebiet verlieren würde, ohne eine gleichwertige Fläche im Gegenzug zu erhalten. Auf Grund dieser Erwägungen sei die belangte Behörde in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen zur Auffassung gelangt, dass die dem Erstbescheid zugrunde gelegten Austauschflächen weder - wie es § 19 Abs 2 JG verlange - möglichst gleich groß noch möglichst gleichwertig seien. Ziel einer Jagdgebietsabrundung sollte überdies sein, einen erkennbaren Verlauf von Jagdgebietsgrenzen einzurichten. Als deutlich erkennbare Jagdgebietsgrenzen böten sich Geländemerkmale (wie Wege, Straßen, Wasserläufe) an. Verliefen die Jagdgebietsgrenzen entlang derartiger Geländemerkmale, so sei das Erkennen der Grenze auch bei ungünstigen Bedingungen, wie sie im Jagdgebiet tagtäglich vorkommen würden, möglich. Für einen Verbleib des "Mfeldes" bei der mitbeteiligten Partei spreche demzufolge der deutlich erkennbare Grenzverlauf in der Form eines Feldweges, durch welchen das "Mfeld" vom besagten Eigenjagdgebiet eindeutig abgetrennt werde. Im Gutachten des Sachverständigen seien Abrundungsalternativen vorgeschlagen worden, welche den Anforderungen des § 19 Abs 2 JG eher gerecht würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde sowie die mitbeteiligte Partei erstatteten jeweils eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 19 Abs 2 des mit "Abrundung von Jagdgebieten" überschriebenen § 19 JG lautet wie folgt:

"(2) Wenn jedoch die Grenzen anstoßender Jagdgebiete so ungünstig verlaufen, daß sich daraus eine wesentliche, den jagdlichen Interessen entgegenstehende Erschwerung des Jagdbetriebes ergibt, hat die Bezirksverwaltungsbehörde von Amts wegen oder auf Antrag eines beteiligten Jagdausschusses oder Eigenjagdberechtigten die Abrundung der Jagdgebiete zu verfügen, insofern eine solche nicht durch Vereinigung von Genossenschaftsjagdgebieten im Sinne des § 16 Abs. 1 und 2 erfolgt. Sie hat zu diesem Zweck einzelne Grundflächen im Wege des Austausches möglichst gleich großer und möglichst gleichwertiger Grundflächen von einem Jagdgebiet abzutrennen und einem anderen Jagdgebiet jagdmäßig anzugliedern. Hiedurch darf das Flächenausmaß keines der betroffenen Jagdgebiete unter 115 ha Jagdfläche sinken."

2. Unstrittig ist vorliegend, dass zwischen den in Rede stehenden Jagdgebieten eine durch einen ungünstigen Grenzverlauf bedingte wesentliche Erschwerung des Jagdbetriebs im Sinn des § 19 Abs 2 erster Satz JG gegeben ist.

3. Wenn sich die Beschwerdeführerin gegen die Beurteilung der belangten Behörde betreffend § 19 Abs 2 zweiter Satz JG wendet, ist sie damit im Recht.

3.1. § 19 Abs 2 zweiter Satz JG normiert für den Austausch von Grundflächen zwei Voraussetzungen, nämlich dass diese möglichst gleich groß und möglichst gleichwertig sein müssen. Ein Austausch im Sinn dieser Bestimmung darf nur erfolgen, wenn beide Voraussetzungen gegeben sind. Ist lediglich eine Voraussetzung gegeben, steht dies dem Austausch entgegen, ferner vermag der Umstand, dass eine Voraussetzung bestmöglich erfüllt wird, von der Erfüllung der anderen Voraussetzung nicht zu entbinden.

Aus der Umschreibung "möglichst gleich großer und möglichst gleichwertiger Grundflächen" ergibt sich die Anordnung zur Minimierung der Änderung der Größe und der Änderung des Wertes der betroffenen Jagdgebiete (vgl in diesem Sinne das zum Kärntner Jagdgesetz 2000 ergangene hg Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl 2001/03/0454, mwH). Ferner ergibt sich daraus, dass die Grundflächen nicht genau, sondern - bei einer Gesamtbetrachtung der jeweils maßgeblichen Umstände - annähernd gleich groß und gleichwertig sein müssen. Für die Beurteilung, dass die vom Austausch erfassten Grundflächen möglichst gleich groß sind, ist nicht nur der Vergleich der absoluten Größen der Tauschflächen maßgebend; von Bedeutung ist vielmehr auch das Verhältnis der Differenz der Tauschflächen zu den Flächenausmaßen der betroffenen Jagdgebiete. Je größer die Jagdgebiete sind, desto größer kann auch die Differenz der Tauschflächen sein, die unter dem Gesichtspunkt des Gebotes der möglichsten Größengleichheit noch toleriert werden kann. Eine ähnliche Überlegung liegt auch der Reglung des § 15 Abs 2 des NÖ Jagdgesetzes 1974, LGBl Nr 6500, zugrunde, wonach (ua) bei Abrundungen durch Flächenaustausch die Differenz der Tauschflächen nicht mehr als 3 % der jeweils betroffenen Jagdgebiete, jedenfalls aber nicht mehr als 20 ha, betragen darf. Ein auf der Ebene der Gleichwertigkeit gegebener maßgeblicher - qualitativer - Unterschied zwischen für den Austausch vorgesehenen Grundflächen kann im Übrigen nicht dadurch wettgemacht werden, dass für eine höherwertige Grundfläche eine Grundfläche geringeren Werts, aber - in quantitativer Hinsicht - höheren flächenmäßigen Ausmaßes ausgetauscht wird, würde doch dadurch gegen die für einen Austausch im Sinn des § 19 zweiter Satz JG normierte (erste) Voraussetzung, dass die auszutauschenden Grundflächen möglichst gleich groß sein müssen, verstoßen.

Die in § 19 Abs 2 zweiter Satz JG genannte Voraussetzung, dass die ausgetauschten Grundflächen möglichst gleich groß sind, ist nach dem jeweiligen flächenmäßigen Ausmaß zu beurteilen.

Für die Voraussetzung, dass die auszutauschenden Grundflächen möglichst gleichwertig sind, ist nicht eine subjektive Einschätzung oder Bewertung der betroffenen Jagdausübungsberechtigten, sondern vielmehr maßgeblich, dass die fraglichen Grundflächen hinsichtlich ihrer jagdlichen Nutzbarkeit möglichst gleichwertig sind. Maßgeblich ist daher kein subjektiver Maßstab, sondern ein auf diese Nutzbarkeit abstellender objektiver Maßstab. Die Beurteilung der jagdlichen Nutzbarkeit ist auf dem Boden der in § 4 JG normierten Grundsätze eines geordneten Jagdbetriebes vorzunehmen. Dabei kommt es insbesondere auf Art und Umfang der Jagdausübung einschließlich der Hege an, die in weidgerechter Weise dem Wildstand und den sonstigen nach § 4 leg cit relevanten Umständen entspricht. Maßgeblich ist dabei auch die für die fraglichen Grundflächen jeweils einschlägige Jagdbetriebsführung im Sinn des IX. Hauptstücks des JG, insbesondere die jagdwirtschaftliche Planung (etwa betreffend den Abschussplan und seine Durchführung, vgl §§ 88, 90 JG) und die Jagdbewirtschaftung (etwa betreffend Wildfütterung oder Jagdeinrichtungen, vgl §§ 94 und 95 JG). Bei der Beurteilung der Voraussetzung, dass die auszutauschenden Grundflächen möglichst gleichwertig sind, handelt es sich um eine jagdfachliche Frage, die anhand eines entsprechenden Sachverständigengutachtens von der Behörde geklärt werden muss. Ein solches Gutachten ist nur dann als schlüssig zu erkennen, wenn auf dem Boden der vorstehenden Überlegungen nachvollziehbar dargetan wird, dass ein Vergleich der auszutauschenden Grundflächen ergibt, dass diese - ihre jagdliche Nutzbarkeit betreffend - möglichst gleichwertig sind.

3.2. Sollte das Eigenjagdgebiet "D" der beschwerdeführenden Partei - wie sich aus dem bei den vorgelegen Verwaltungsakten befindlichen Bescheid der Erstbehörde vom 5. Mai 1997, mit dem dieses Eigenjagdgebiet festgestellt wurde, ergibt - ein Ausmaß von 2352,1636 ha aufweisen, dann würde der sich aus dem Erstbescheid ergebende flächenmäßige Überhang von ca 12,5 ha zugunsten der mitbeteiligten Partei unter 1 % der Fläche dieses Eigenjagdgebiets liegen und derart (entgegen der offenbar von der belangten Behörde vertretenen Ansicht) im Einklang mit § 19 Abs 2 JG gegenüber dem Eigenjagdgebiet nur ein derart geringes Ausmaß aufweisen, dass im Sinne der obigen Ausführungen nicht gegen das Gebot der möglichsten Größengleichheit verstoßen wird. Einer abschließenden Beurteilung dieser Frage steht aber entgegen, dass im bekämpften Bescheid Feststellungen betreffend das Gesamtausmaß des Eigenjagdgebietes fehlen. Weiters wurden von der belangten Behörde auch bezüglich des Ausmaßes des Jagdgebietes der mitbeteiligten Partei keine Feststellungen getroffen, weshalb das Verhältnis der Differenz der Tauschflächen zum Ausmaß dieses Jagdgebietes nicht beurteilt werden kann.

Ferner wird das von der belangten Behörde eingeholte jagdfachliche Gutachten, auf das sie den bekämpften Bescheid stützt, den umschriebenen Erfordernissen für die Beurteilung, ob die auszutauschenden Grundflächen möglichst gleichwertig sind, nicht gerecht. Zunächst lässt sich dieses Gutachten nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten (vgl Blatt 27 ff der von der belangten Behörde geführten Akten) bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit der Tauschflächen davon leiten, dass das Gesetz keinen objektiven Bewertungsschlüssel vorgebe und ohne die einvernehmliche Erstellung eines Bewertungsmaßstabes eine Bewertung nur subjektiv erfolgen könne, zumal die Attraktivität von Teilflächen je nach Wildart und jagdlichen Vorlieben unterschiedlich sei. Damit liegt dem bekämpften Bescheid nicht der Maßstab zu Grunde, wie er oben für diese Beurteilung dargestellt wurde. Im Gutachten fehlt ferner eine nach diesem Maßstab erstellte Beurteilung betreffend die jagdliche Nutzbarkeit aller zum Austausch vorgesehenen Grundflächen, ist doch zu den Flächen, die die mitbeteiligte Partei von der beschwerdeführenden Partei im Wege des Austausches erhalten könnte, überhaupt keine Beurteilung ihres jagdlichen Nutzungswertes vorgenommen worden. Schließlich fehlt im Gutachten eine vergleichende Gegenüberstellung des jagdlichen Nutzungswertes der zum Austausch vorgesehenen Grundflächen, wie dies für die in Rede stehende Gleichwertigkeitsprüfung erforderlich wäre. Zu den vom Sachverständigen aufgezeigten (im angefochtenen Bescheid angesprochenen) "Abrundungsvarianten" ist anzumerken, dass eine "Variante" nur dann in Betracht käme, wenn die beantragte Abrundung weniger dem Gleichwertigkeitsgebot entspräche als eine Variante; dies kann aber auf dem Boden des Ausgeführten noch nicht beurteilt werden.

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und lit c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.

Wien, am 19. Dezember 2006

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