VwGH 2005/11/0093

VwGH2005/11/009328.6.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerden 1.) der Ärztekammer für Niederösterreich in Wien, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in 1014 Wien, Tuchlauben 17, und

2.) der Wirtschaftskammer Niederösterreich (Fachvertretung der privaten Krankenanstalten und Kurbetriebe) in Wien, vertreten durch Knittl und Winklmayr, Rechtsanwälte in 1090 Wien Porzellangasse 22A/7, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 6. April 2005, Zl. GS4- AMB-135/001-2005, betreffend sanitätsbehördliche Bewilligung zur Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums (mitbeteiligte Partei: Dr. T in W, vertreten durch Dr. Friedrich Spitzauer & Dr. Georg Backhausen, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stock-im-Eisen-Platz 3), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
B-VG Art131 Abs2;
KAG NÖ 1974 §5 Abs5;
KAG NÖ 1974 §8 Abs1 lita;
KAG Tir 1957 §3 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
AVG §8;
B-VG Art131 Abs2;
KAG NÖ 1974 §5 Abs5;
KAG NÖ 1974 §8 Abs1 lita;
KAG Tir 1957 §3 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Ein Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

Mit Bescheid vom 6. April 2005 erteilte die Niederösterreichische Landesregierung der mitbeteiligten Partei die sanitätsbehördliche Bewilligung zur Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums für physikalische Medizin an einem näher bezeichneten Standort in Tulln. Als Anstaltsumfang war "Behandlung von max. 350 Personen pro Tag" angegeben. Die mitbeteiligte Partei wurde weiters verpflichtet, näher genannte Auflagen zu erfüllen. Als Rechtsgrundlage war § 8 Abs. 1, 2 und 3 des NÖ Krankenanstaltengesetzes (NÖ KAG) angegeben.

In der Begründung führte die Niederösterreichische Landesregierung zur - hier ausschließlich interessierenden - Bedarfsfrage aus, zum Antrag der mitbeteiligten Partei auf Erteilung der Bewilligung zur Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums für physikalische Medizin in Tulln mit einer Kapazität von maximal 350 Patienten täglich sei seitens der Behörde ein Bedarfsprüfungsverfahren gemäß § 5 NÖ KAG durchgeführt worden. Dabei seien insbesondere Stellungnahmen der im § 5 Abs. 4 NÖ KAG genannten Körperschaften eingeholt worden.

Die Standortgemeinde habe ausgeführt, dass trotz Bestehens des I.-Instituts in Tulln ein weiterer Bedarf bestehe und habe dies insofern begründet, als nach Wissen der Gemeinde die physikalischen Tätigkeiten im Donauklinikum Tulln weiter eingeschränkt würden. Des weiteren bestünden in Tulln mehrere Heime und als Folge eine verstärkte Ordinationstätigkeit vieler Ärzte, die sich vermehrt im Ärztezentrum in Tulln niedergelassen hätten.

Daneben seien Stellungnahmen von betroffenen allgemeinen öffentlichen Krankenhäusern eingeholt worden. Das Landesschwerpunktkrankenhaus Krems habe ausgeführt, dass ein Bedarf an einem weiteren Ambulatorium nicht vorliege, das allgemeine öffentliche Krankenhaus Klosterneuburg habe keine Einwände gegen die Errichtung der beantragten Krankenanstalt erhoben, die gleiche inhaltliche Äußerung sei dem Schreiben des Landesklinikums St. Pölten zu entnehmen.

Aus der Stellungnahme des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger ergebe sich, dass die in Betracht kommenden Versicherungsträger unterschiedliche Bedarfslagen sähen. Die NÖ Gebietskrankenkasse werde dahin zitiert, dass mit einem in Tulln bereits bestehenden "Wahlinstitut" (gemeint: dem I.- Institut) auch in naher Zukunft kein Vertragsabschluss zu erwarten sei, sodass der Bedarf grundsätzlich nach einem weiteren physikalischen Institut gegeben sei, mit welchem möglicherweise ein Vertragsabschluss realistisch erscheine. Seitens der NÖ Gebietskrankenkasse bestünden keine Einwände zur geplanten Errichtung. Auch seitens der Sozialversicherungsanstalt der Bauern seien keine Bedenken gegen die Errichtung des gegenständlichen Ambulatoriums angemeldet worden. Dem gegenüber hätten jedoch die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen, die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter sowie die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft keinen Bedarf am geplanten Ambulatorium angemeldet, zumal die Versorgung durch andere Vertragspartner bzw. Einrichtungen ausreichend sichergestellt sei.

Das Schreiben des NÖ Gesundheits- und Sozialfonds könne dahin zusammengefasst werden, dass in Tulln bereits ein selbständiges Ambulatorium für physikalische Medizin (das I.-Institut) bestehe, welches annähernd die gleichen medizinischen Therapien anbiete wie das beantragte Ambulatorium, und daher seitens dieser Körperschaft ein Bedarf an einer zusätzlichen derartigen Einrichtung am Standort Tulln nicht gegeben sei.

Die Zweitbeschwerdeführerin habe gegen die Errichtung des verfahrensgegenständlichen Ambulatoriums mit Schreiben vom 30. April 2004 keine Einwände erhoben, diese Stellungnahme jedoch in ihrer Mitteilung vom 18. Dezember 2004 dahin abgeändert, dass auf Grund des nunmehrigen Informationsstandes ein Bedarf für ein zweites selbständiges Ambulatorium für physikalische Medizin in Tulln nicht gegeben sei. Begründend werde angemerkt, dass das bestehende Institut für physikalische Medizin (das I.-Institut) über alle Voraussetzungen verfüge, den Bedarf für Tulln und Umgebung voll abzudecken. Ein zweites Institut würde die Wirtschaftlichkeit des I.-Instituts gefährden.

Die Erstbeschwerdeführerin habe in ihrer Stellungnahme vom 13. September 2004 ohne nähere Begründung ausgeführt, dass kein Bedarf für die Errichtung eines Ambulatoriums für physikalische Medizin in Tulln bestehe.

Weiters sei auch eine Stellungnahme des Landessanitätsrats für Niederösterreich eingeholt worden. Am 21. September 2004 habe der Landessanitätsrat einstimmig den Beschluss gefasst, er sähe den Bedarf für den Betrieb eines selbständigen Ambulatoriums für physikalische Medizin im Standort Tulln zur ausreichenden Versorgung der Versicherten mit physikalischen medizinischen Leistungen nach wie vor als gegeben, er erhebe gegen das Ansuchen der mitbeteiligten Partei keine Einwände, sofern im Rahmen des geplanten Therapiespektrums und hohen Patientendurchsatzes die adäquate Zahl qualifizierten Personals zur Qualitätssicherung gegeben sei. Aus der Begründung des Landessanitätsrats gehe hervor, dass er seiner Auffassung zu Grunde gelegt habe, dass es bis Dezember 2003 in Tulln ein Institut für physikalische Medizin gegeben habe, mit dem die NÖ Gebietskrankenkasse in einem Vertragsverhältnis gestanden sei (gemeint: das I.-Institut). Dieser Vertrag sei gekündigt worden. In der Begründung des dem Landessanitätsrat vorliegenden Vortrags sei wiederholt darauf hingewiesen worden, dass der Bedarf an physikalisch-medizinischphysiotherapeutischen Leistungen für den Raum Tulln u.a. seit Jahren durch das selbständige Ambulatorium I. (gemeint: das I.- Institut) abgedeckt worden sei. Dieses Institut sei allerdings seit Beginn des Jahres 2004 vertragslos und damit ein "Wahlinstitut", wobei auch in naher Zukunft laut Schreiben des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger kein Vertragsabschluss zu erwarten sei. Zur Sicherung der Versorgung der Patienten in Tulln und Umgebung mit physikalisch/medizinischen Leistungen sei der Bedarf eines Institutes - Ambulatoriums für physikalische Medizin oder Fachordination allerdings nach wie vor gegeben. Die Bedarfstendenz zeige sich dem Vortrag entsprechend durch zunehmende Morbidität, "älteres Patientengut" bzw. in Ergänzung zum Unfalldepartement am Donauklinikum Tulln steigend.

Mit Eingabe vom 7. Dezember 2004 habe die mitbeteiligte Partei Schreiben des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger und der NÖ Gebietskrankenkasse zum Beweis dessen vorgelegt, dass seitens der NÖ Gebietskrankenkasse mit dem I.-Institut kein Vertragsabschluss zu erwarten sei. Gleichzeitig habe die mitbeteiligte Partei vorgetragen, dass daher ein Bedarf "eines weiteren" physikalischen Instituts mit Kassenvertrag bestehe. Ein entsprechender Vertrag sei der mitbeteiligten Partei in Aussicht gestellt worden.

Der Landessanitätsrat für Niederösterreich habe am 29. November 2004 den ergänzenden Beschluss gefasst, dass der Bedarf für ein Ambulatorium für physikalische Medizin im Standort Tulln bestehe. Ergänzend sei in den Beschluss die Wendung aufgenommen worden, dass die Frage des Betreibers von den berufenen juristischen Gremien zu klären sei, sofern die fachlichen Voraussetzungen für ein solches Institut eingehalten würden. Seit der ersten Beschlussfassung hätten sich neuere Blickpunkte ergeben. U.a. sei angeführt worden, dass der Verkauf des derzeitigen Instituts in Tulln (des I.-Instituts) an einen neuen Interessenten geplant sei und dieser außerdem die mündliche Zusage seitens der Direktion der NÖ Gebietskrankenkasse habe, dass eine Invertragnahme sofort möglich sei. Der Landessanitätsrat für NÖ gehe daher offensichtlich davon aus, dass der Betrieb des bestehenden, bewilligten Institutes (des I.-Instituts) im Sinne ehebaldigster, unkomplizierter und qualifizierter Patientenbetreuung gesichert sei. Auf Grund der vorliegenden Änderung des Sachverhaltes habe sich nach Ansicht der Referentin im Landessanitätsrat für Niederösterreich die Notwendigkeit eines neuen Beschlusses ergeben.

Anschließend führte die Niederösterreichische Landesregierung (wörtlich) Folgendes aus (anonymisiert):

"Unabhängig von den von Amts wegen veranlassten Ermittlungen zur Betreuungsfrage sind bei der Behörde diverse Äußerungen der I.-Institut für physikalische Medizin & Co. KG, der Rechtsträgerin des dzt. in Tulln bestehenden Ambulatoriums für physikalische Medizin, vertreten durch S., bei der Behörde eingelangt. Diese Äußerungen sind mangels Parteistellung nicht zu berücksichtigen.

Aufgrund der unklar gebliebenen Sachlage einer möglichen Veräußerung des bestehenden Institutes für physikalische Medizin in Tulln sowie eine mögliche neuerliche Invertragnahme wurde Herr Prim. DDr. K. am 14.1.2005 als Zeuge einvernommen. Dieser hat angegeben, dass ein Gespräch zwischen ihm, Obmann H., ersten Obmann-Stv. K. und Generaldirektor K. stattgefunden habe, wobei ihm erklärt worden sei, dass im Falle der Ablehnung einer Errichtungsbewilligung für ein zweites Institut (mitbeteiligte Partei) in Tulln er bei Übernahme des bestehenden I.- Institutes mit der sofortigen Invertragnahme durch die Gebietskrankenkasse rechnen könne. Zwischen ihm und dem dzt. Eigentümer des I.-Institutes in Tulln bestehe ein Vorvertrag für den Kauf des Institutes. Als einzige Bedingung für einen möglichen Rücktritt in diesem Vorvertrag sei die Errichtung eines zweiten Institutes durch mitbeteiligte Partei bzw. die Nichtinvertragnahme durch die Gebietskrankenkasse erwähnt. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens wurden dem Antragsteller mit Schreiben der Behörde vom 14.1.2005 übermittelt und es wurde ihm gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt, eine abschließende Stellungnahme abzugeben.

In der Stellungnahme vom 4.2.2005 führt der Antragsteller zusammengefasst aus, dass das 'zweite' Gutachten des Landessanitätsrates unschlüssig und Herr Prim. Prof. Dr. S. befangen gewesen sei. Wenn der Hauptverband der Sozialversicherungsträger in diesem Verfahren darlege, dass die NÖ Gebietskrankenkasse mit dem bereits in Tulln bestehenden Wahlinstitut in naher Zukunft keinen Vertrag abschließen werde (Schreiben 23.6.2004), so sei im Sinne des zu versorgenden Bevölkerungskreises dieser Umstand bei der Beurteilung des Bedarfes zu berücksichtigen. Wenn ein bestehendes Institut (wie I.-Institut) einen Vertrag verloren habe und aufgrund der gegebenen (nachvollziehbaren) Umstände die Chance auf einen neuen Vertrag verwirkt habe, entstehe automatisch ein Bedarf für ein Institut, welches all jene Voraussetzungen erfülle, die die NÖ Gebietskrankenkasse von ihren Vertragspartnern fordere. Daraus ergebe sich zwingend der Bedarf für eine Institution, die mit der NÖ Gebietskrankenkasse kooperiere; gleiches gelte auch für die Sozialversicherungsanstalt der Bauern. Weiters wird bemängelt, dass der NÖ Landessanitätsrat die Rechtsprechung zum Sachverständigengutachten im Sinne des § 45 AVG unbeachtet gelassen habe. Es handle sich bei dieser Stellungnahme um kein Gutachten, weswegen diese Stellungnahme auch im Verfahren nicht verwertet werden dürfe.

In rechtlicher Hinsicht wurde erwogen, dass nach § 5 Abs. 1 NÖ KAG zu erheben ist, ob ein Bedarf im Hinblick auf den angegebenen Anstaltszweck samt dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot sowie allfälliger Schwerpunkte gegeben ist. § 8 Abs. 1 lit. a NÖ KAG bestimmt in diesem Sachkonnex weiters, dass die Bewilligung zur Errichtung einer privaten Krankenanstalt nur zu erteilen ist, wenn nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bestehende Versorgungspotential öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen, ein Bedarf gegeben ist.

Dem Gesetz ist demnach eine ausdrückliche Definition des Begriffes 'Bedarf' nicht zu entnehmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Bedarf an der Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums gegeben, wenn durch die Errichtung des Ambulatoriums die ärztliche Betreuung der Bevölkerung wesentlich erleichtert, beschleunigt, intensiviert oder in anderer Weise wesentlich gefördert wird. Als wichtigster Indikator für die Beantwortung der Bedarfsfrage wird die Dauer der durchschnittlichen Wartezeit angesehen, die der Patient in Kauf nehmen muss (vgl. dazu VwGH 21.1.2003, Zl. 2001/11/0063 mwN). Als Vergleichsmaßstab für die Beurteilung, ob eine wesentliche Verbesserung eintritt, können nur die bestehenden Behandlungsmöglichkeiten herangezogen werden. Hinsichtlich dieser ist zu prüfen, inwieweit durch sie der Behandlungsbedarf befriedigt werden kann.

Im Hinblick auf die Bestimmungen des § 8 Abs. 1 lit. a NÖ KAG ergibt sich aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, dass in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Standort der neu beantragten Krankenanstalt von der I.-Institut für physikalische Medizin GmbH & Co. KG ein selbständiges Ambulatorium mit dem gleichen Anstaltszweck betrieben wird. Mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 27.3.2003, GS4-20/T-4/43-03, wurde der I.-Institut für physikalische Medizin GmbH & Co. KG, die Bewilligung zum Betrieb nach Verlegung der Betriebsstätte in den neuen Standort 3430 Tulln, Egon Schiele-Gasse 2a/Bahnhofstraße 76, nach dem NÖ KAG 1974 erteilt, wobei auch eine genaue Definition des Anstaltszweckes erfolgte. Mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 17.7.2003, GS4-20/T-4/48-03, wurde die Erweiterung des Anstaltszweckes um Unterwassertherapie und medizinische Trainingstherapie bewilligt.

Das bestehende sowie das neu beantragte selbständige Ambulatorium für physikalische Medizin haben aufgrund der gegebenen Verkehrsverhältnisse das gleiche Einzugsgebiet.

Aus dem klaren Wortlaut des § 8 Abs. 1 lit. a NÖ KAG ergibt sich jedoch, dass für die Bedarfsbeurteilung nur Krankenanstalten mit Kassenvertrag entscheiden(d) sind. Zwischen dem Rechtsträger des bestehenden selbständigen Ambulatoriums für physikalische Medizin in Tulln und der NÖ Gebietskrankenkasse besteht jedoch derzeit kein Vertragsverhältnis. Diese Krankenanstalt ist daher in Bezug auf den Patientenkreis der Versicherten der NÖ Gebietskankenkasse nicht als Kassenvertragseinrichtung anzusehen. Für die rechtliche Beurteilung ist auf den Sachverhalt zum Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen (VwGH 25.4.1996, Zahl 95/07/0193). Es kann daher dahingestellt bleiben, ob Herr Prim. DDr. K. das I.- Institut in Tulln kaufen wird und eine neuerliche Invertragnahme mit der NÖ Gebietskrankenkasse geplant ist. Für Versicherte der NÖ GKK ergibt sich im Einzugsgebiet des neu beantragten Ambulatoriums ein massives Versorgungsdefizit. Die niedergelassenen Kassenvertragsärzte sind schon aufgrund der üblichen Ausstattung einer Ordination nicht in der Lage, Behandlungen wie im Anstaltszweck der neu beantragten Krankenanstalt angegeben durchzuführen und es besteht in der Region auch keine vergleichbare Kassenvertragseinrichtung, welche dieses Leistungsspektrum abdecken würde. Die nächst gelegenen Einrichtungen für diesen Behandlungszweck befinden sich in Stockerau und Klosterneuburg. Für die Patienten aus Tulln und Umgebung ergibt sich daher im Falle der Neuerrichtung des beantragten selbständigen Ambulatoriums schon durch die Vermeidung der Zurücklegung einer bedeutenden Wegstrecke eine Erleichterung einer ärztlichen Versorgung.

Zur näheren Begründung des Bedarfes insbesondere hinsichtlich des Patientenkreises der Versicherten der NÖ Gebietskrankenkasse kann unter anderem auf das Schreiben des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 23.6.2004 verwiesen werden.

Der Landessanitätsrat für NÖ sieht laut Beschluss vom 21.9.2004 mit einer näheren und schlüssigen Begründung den Bedarf ebenfalls als gegeben an.

Die (modifizierte) Stellungnahme des Landessanitätsrates für NÖ vom 29.11.2004 beruht dagegen offenkundig auf der verfehlten Rechtsansicht, dass im Bedarfsprüfungsverfahren in naher Zukunft absehbare Umstände zu berücksichtigen sind, und ist daher schon aus diesem Grund im Ergebnis nicht zur Entscheidung heranzuziehen. Die Wirtschaftskammer NÖ übersieht in ihrer Stellungnahme vom 18.12.2004, dass zwischen dem Rechtsträger des bestehenden Ambulatoriums für physikalische Medizin in Tulln und der NÖ GKK kein Vertragsverhältnis besteht und demgemäß diese Krankenanstalt nicht als Kassenvertragseinrichtung anzusehen ist. Die ebenfalls in dieser Stellungnahme angesprochenen wirtschaftlichen Überlegungen sind im Bedarfsprüfungsverfahren irrelevant. Den weiteren im Verfahren eingeholten Stellungnahmen ist kein wesentlicher Begründungswert zu entnehmen bzw. gehen sie von einer verfehlten Rechtsansicht aus.

Im Ergebnis legt daher die Behörde ihrer Entscheidung zugrunde, dass aufgrund der bestehenden Behandlungsmöglichkeiten in Kassenvertragseinrichtungen im Raum Tulln der relevante Behandlungsbedarf insbesondere der Versicherten der NÖ Gebietskrankenkasse nicht ausreichend befriedigt werden kann und durch die Errichtung des beantragten Ambulatoriums die ärztliche Betreuung der Bevölkerung wesentlich erleichtert, beschleunigt und intensiviert wird."

Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden, auf Art. 131 Abs. 2 B-VG gestützten Beschwerden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens (in Kopie) vor und erstattete jeweils eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden als unbegründet beantragt.

Auch die mitbeteiligte Partei erstattete jeweils eine Gegenschrift, in der sie die Zurückweisung der Beschwerde "mangels Parteilegitimation der Beschwerdeführerin", in eventu die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die auf Grund ihres rechtlichen und sachlichen Zusammenhanges verbundenen Beschwerden erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des NÖ KAG, LGBl. 9440-23, lauten (auszugsweise):

"§ 3

Krankenanstalten bedürfen sowohl zu ihrer Errichtung als auch

zu ihrem Betriebe einer Bewilligung der Landesregierung nach

Maßgabe der folgenden Bestimmungen.

...

§ 4

(1) Der Bewerber hat in seinem Antrag auf Bewilligung der Errichtung einer Krankenanstalt bei Beschreibung des Anstaltszweckes, des in Aussicht genommenen Leistungsangebotes und allfälliger Schwerpunkte anzugeben:

a) für welches Gebiet und allenfalls für welchen Personenkreis die Anstalt zunächst bestimmt ist,

  1. b) welche Krankheiten zu behandeln beabsichtigt ist,
  2. c) wie viele Patienten höchstens aufgenommen werden können. Bei selbständigen Ambulatorien ist das genaue Leistungsspektrum anzuführen, insbesondere welche Untersuchungen und beabsichtigte Behandlungen über den Umfang von Ordinationen von Fachärzten oder Allgemeinmedizinern hinausgehen. Darüber hinaus ist anzugeben, wie viele Patienten an einem Tag im Rahmen des selbständigen Ambulatoriums voraussichtlich behandelt werden können.

    ...

    § 5

(1) Liegt ein ordnungsgemäßer Antrag im Sinne des § 4 vor, ist zu erheben, ob ein Bedarf im Hinblick auf den angegebenen Anstaltszweck samt dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot sowie allfällige Schwerpunkte unter Beachtung der Höchstzahl an systemisierten Betten nach dem Landes-Krankenanstaltenplan (§ 21a) gegeben ist und gegen den Bewerber keine Bedenken bestehen.

(2) Ergeben die Erhebungen, dass ein Bedarf im Sinne des folgenden Absatzes nicht gegeben ist oder dass gegen den Bewerber Bedenken bestehen, ist der Antrag abzuweisen.

(3) Der Bedarf ist nach den im Einzugsgebiet (§ 4 Abs. 1 lit. a) und in dessen Umgebung vorhandenen Krankenanstalten, deren Belagsmöglichkeit und Entfernung zu der zu errichtenden Anstalt sowie nach den allenfalls vorhandenen Aufzeichnungen über die Häufigkeit der in Frage kommenden Krankheitsfälle, bei Ambulatorien auch nach den in der Umgebung des Standortes des zu errichtenden Ambulatoriums niedergelassenen Ärzten, zu beurteilen.

(4) Hinsichtlich des Bedarfes ist eine Stellungnahme der gesetzlichen Interessensvertretung privater Krankenanstalten, des NÖ Gesundheits- und Sozialfonds, ausgenommen bei NÖ Fondskrankenanstalten, der Rechtsträger nächstgelegener öffentlicher Krankenanstalten und betroffener Sozialversicherungsträger, sofern sie für das Einzugsgebiet der beantragten Krankenanstalt (§ 4 Abs. 1 lit. a) nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zuständig sind, insbesondere des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger, bei selbständigen Ambulatorien auch der Ärztekammer für NÖ sowie bei Zahnambulatorien auch der Österreichischen Dentistenkammer einzuholen. Ferner ist eine Stellungnahme des Landessanitätsrates und der Gemeinde, in der die Krankenanstalt errichtet werden soll, einzuholen. Bei NÖ Fondskrankenanstalten ist zur Frage des Bedarfes ein Gutachten des NÖ Gesundheits- und Sozialfonds einzuholen, welches die eingelangten Stellungnahmen zu berücksichtigen hat.

(5) Die gesetzliche Interessensvertretung privater Krankenanstalten, die betroffenen Sozialversicherungsträger, soferne sie für das Einzugsgebiet der beantragten Krankenanstalt (§ 4 Abs. 1 lit. a) nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zuständig sind, bei selbständigen Ambulatorien die Ärztekammer für NÖ und bei Zahnambulatorien die Österreichische Dentistenkammer haben hinsichtlich des nach § 8 Abs. 1 lit. a zu prüfenden Bedarfes Parteistellung im Sinne des § 8 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, und das Recht der Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG.

...

§ 8

(1) Die Bewilligung zur Errichtung ist zu erteilen, wenn

a) nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen, bei Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Dentisten mit Kassenvertrag, ein Bedarf gegeben ist;

..."

2.1. Die Beschwerden sind zulässig.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zuletzt im hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2004, Zl. 2004/11/0220, (dieses Erkenntnis betraf das bereits mehrfach erwähnte I.-Institut) ausgeführt hat, ist Partei des Verfahrens zur Erteilung der Errichtungsbewilligung nach dem NÖ KAG der Bewilligungswerber. § 5 Abs. 5 NÖ KAG räumt darüber hinaus den dort genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts eine auf die Bedarfsfrage eingeschränkte Parteistellung und insoweit auch das Beschwerderecht im Sinn des Art. 131 Abs. 2 B-VG ein. Anderen Personen, sohin auch den Betreibern von bewilligten Krankenanstalten, kommt demnach im vorliegenden Verfahren keine Parteistellung zu. Durch den Bewilligungsbescheid wird in ihre Rechtsstellung nicht eingegriffen. Die aus der Feststellung des Bedarfes und der allenfalls vorliegenden Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb eines Ambulatoriums folgenden wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Betreiber von Krankenanstalten begründen keine Verletzung von subjektiven Rechten.

Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erkennen, weshalb, wie die mitbeteiligte Partei meint, die Beschwerden unzulässig sein sollten. Die Erstbeschwerdeführerin ist in § 5 Abs. 5 NÖ KAG ausdrücklich genannt, bei der Zweitbeschwerdeführerin handelt es sich um die in § 5 Abs. 5 NÖ KAG erwähnte gesetzliche Interessenvertretung privater Krankenanstalten. Da es im Beschwerdefall um die Errichtungsbewilligung für ein selbständiges Ambulatorium geht, hatten beide Kammern hinsichtlich des nach § 8 Abs. 1 lit. a NÖ KAG zu prüfenden Bedarfsfall Parteistellung und haben das Recht der Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG.

Beide Beschwerden stützen sich wie bereits erwähnt auf Art. 131 Abs. 2 B-VG. Dass unter "Beschwerdepunkt" von einer Verletzung in einfach gesetzlich gewährleisteten Rechten die Rede ist, macht die Beschwerde nicht unzulässig, geht doch aus den Beschwerdeausführungen unmissverständlich hervor, dass beide Beschwerdeführerinnen der Auffassung sind, die belangte Behörde hätte die Frage des Bedarfs nach der bewilligten Krankenanstalt unrichtig beantwortet. Dass die beiden genannten Kammern ihr nach Art. 131 Abs. 2 B-VG eingeräumtes Beschwerderecht nur zur Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder ausüben dürften, ist dem NÖ KAG nicht zu entnehmen. Es stand den Beschwerdeführerinnen daher offen, sämtliche Argumente vorzutragen, die ihrer Auffassung nach geeignet sind, eine unrichtige Bejahung des Bedarfs nach der mit dem angefochtenen Bescheid bewilligten Krankenanstalt durch die belangte Behörde aufzuzeigen.

2.2. Die Beschwerden sind auch begründet.

Der angefochtene Bescheid enthält keine Feststellungen zum Versorgungsangebot von bestehenden Krankenanstalten mit Kassenverträgen. Er enthält insbesondere keine Feststellungen, ob und gegebenenfalls welche Krankenanstalten mit Kassenvertrag im Einzugsbereich der bewilligten Krankenanstalt bestehen.

Wie sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt, hatte die belangte Behörde aber deutliche Hinweise darauf, dass es sich bei dem mehrfach erwähnten I.-Institut um eine bewilligte private Krankenanstalt mit Kassenverträgen handelt. So erliegt im Akt eine im Verwaltungsverfahren erstattete Äußerung des I.- Instituts vom 12. Oktober 2004 (Aktenseite 192), in der ausdrücklich auf ein aufrechtes und geordnetes Vertragsverhältnis zur Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, der BVA, der KVA und der Eisenbahnen VA hingewiesen wird. Dasselbe Vorbringen erstattete das I.-Institut mit Schreiben vom 7. Dezember 2004 (Aktenseite 198).

Die belangte Behörde hat sich damit im angefochtenen Bescheid nicht auseinander gesetzt, und zwar, wie die Begründung des angefochtenen Bescheides erkennen lässt, auf Grund ihrer Rechtsansicht, das bereits bestehende I.-Institut sei im Rahmen der Bedarfsprüfung nicht als Kassenvertragseinrichtung anzusehen. Der Versuch der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, den Eindruck zu erwecken, sie habe diese Rechtsauffassung nicht vertreten, überzeugt nicht. Es trifft zwar zu, dass in der oben wieder gegebenen Bescheidbegründung (Seite 11) zunächst darauf hingewiesen wird, dass sich aus dem klaren Wortlaut des § 8 Abs. 1 lit. a NÖ KAG ergebe, dass für die Bedarfsbeurteilung nur Krankenanstalten mit Kassenvertrag entscheidend seien, zwischen dem Rechtsträger des bestehenden selbständigen Ambulatoriums für physikalische Medizin in Tulln und der NÖ Gebietskrankenkasse jedoch derzeit kein Vertragsverhältnis bestehe, weshalb diese Krankenanstalt daher "in Bezug auf den Patientenkreis der Versicherten der NÖ Gebietskrankenkasse nicht als Kassenvertragseinrichtung anzusehen" sei. Auf Seite 12 der Bescheidbegründung entgegnet die belangte Behörde einem Einwand der Zweitbeschwerdeführerin jedoch, dass zwischen dem Rechtsträger des bestehenden Ambulatoriums für physikalische Medizin in Tulln (dem I.-Institut) und der NÖ Gebietskrankenkasse "kein Vertragsverhältnis besteht und demgemäß diese Krankenanstalt nicht als Kassenvertragseinrichtung anzusehen ist".

§ 8 Abs. 1 lit. a NÖ KAG stellt aber hinsichtlich der von der Landesregierung durchzuführenden Bedarfsprüfung nicht auf ein aufrechtes Kassenvertragsverhältnis zur NÖ Gebietskrankenkasse ab. Träfe es zu, dass das I.-Institut in aufrechtem Kassenvertragsverhältnis zu anderen Krankenkassen steht (in der Gegenschrift wird dies von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt), so wäre nach § 8 Abs. 1 lit. a NÖ KAG das bestehende Versorgungsangebot des I.-Instituts bei der Ermittlung des Bedarfs nach der beantragten (und bewilligten) privaten Krankenanstalt einzubeziehen gewesen, dies insbesondere unter Berücksichtigung des quantitativen Leistungsangebots der beantragten Krankenanstalt. Eine derartige Gegenüberstellung des beantragten Leistungsangebots und des bereits bestehenden Versorgungsangebots in die Bedarfsprüfung einzubeziehender privater Krankenanstalten mit Kassenvertrag hat die belangte Behörde jedoch in Wahrheit gar nicht durchgeführt.

Dass die belangte Behörde bisher ihre Aufgabe im Bewilligungsverfahren verkannt hat, ergibt sich nicht zuletzt auch aus ihrer oben wieder gegebenen Rechtsauffassung, die bei ihr eingelangten Äußerungen des I.-Instituts seien mangels Parteistellung nicht zu berücksichtigen. Die belangte Behörde ist daran zu erinnern, dass sie nach § 39 Abs. 2 AVG bei der Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts von Amts wegen vorzugehen hat.

Der angefochtene Bescheid war schon aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.3. Für das fortgesetzte Verfahren wird die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass sie bisher eine gehörige Bedarfsprüfung auch insofern nicht durchgeführt hat, als sie sich bisher darauf beschränkt hat, Stellungnahmen von Parteien und Beteiligten einzuholen, es aber unterlassen hat, auf eine Präzisierung der von ihr als nicht ausreichend begründet erachteten Stellungnahmen, insbesondere der des Sanitätsrates, zu drängen und sich aus Eigenem, allenfalls gestützt auf ein entsprechendes Sachverständigengutachten, ein Bild von der Bedarfssituation im - bisher nicht näher festgestellten - Einzugsbereich der beantragten Krankenanstalt zu verschaffen.

3. Ein Aufwandersatz findet gemäß § 47 Abs. 4 VwGG nicht statt.

Wien, am 28. Juni 2005

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