VwGH 2005/04/0072

VwGH2005/04/007220.12.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss,

1. über die zur Zl. 2005/04/0072 protokollierte Beschwerde der S GmbH in F, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, sowie

2. über die zur Zl. 2005/04/0095 protokollierte Beschwerde der A AG in W, vertreten durch Haslinger / Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Am Hof 13,

jeweils gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 31. März 2005, GZ: 14N-10/05-15, betreffend Nachprüfungsverfahren nach dem Bundesvergabegesetz 2002 (jeweils mitbeteiligte Partei:

Bietergemeinschaft bestehend aus 1. Bauunternehmung G Gesellschaft m.b.H., 2. T Aktiengesellschaft und 3. H & F Baugesellschaft mbH & Co KG in G, vertreten durch Dr. Bernt Elsner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
BVergG 2002 §21 Abs1;
BVergG 2002 §52 Abs1 Z4;
BVergG 2002 §52 Abs2;
BVergG 2002 §52 Abs5 Z1;
BVergG 2002 §57 Abs2 Z2;
BVergG 2002 §57;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §37;
BVergG 2002 §21 Abs1;
BVergG 2002 §52 Abs1 Z4;
BVergG 2002 §52 Abs2;
BVergG 2002 §52 Abs5 Z1;
BVergG 2002 §57 Abs2 Z2;
BVergG 2002 §57;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 31. März 2005 wurde gemäß § 154 Abs. 1 Z 1 Bundesvergabegesetz 2002, BGBl. I Nr. 99 (BVergG 2002), im Nachprüfungsverfahren gemäß § 162 Abs. 2 BVergG 2002 betreffend die Auftragsvergabe "A9 Phyrnautobahn, Brücken- und Deckensanierung Bosruck 2005" auf Antrag der mitbeteiligten Partei die Zuschlagsentscheidung der Zweitbeschwerdeführerin vom 15. Februar 2005 für nichtig erklärt (Spruchpunkt I) und der Antrag der Erstbeschwerdeführerin vom 9. März 2005 auf Abweisung des Antrages der mitbeteiligten Partei auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung abgewiesen (Spruchpunkt II).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, seitens der Zweitbeschwerdeführerin sei die beabsichtigte Auftragsvergabe am 21. Dezember 2004 im amtlichen Lieferungsanzeiger unter L195201 bekannt gemacht worden. Das gegenständliche Vorhaben sei als Bauauftrag zu qualifizieren und auf Grund seines geschätzten Auftragswertes dem Unterschwellenbereich zuzuordnen. In diesem Vergabeverfahren hätten vier Bieter Angebote gelegt. Das Angebot der Erstbeschwerdeführerin sei aus der Angebotsöffnung am 25. Jänner 2005 als erstgereihtes Angebot vor dem Angebot der mitbeteiligten Partei hervor gegangen. Die Zuschlagsentscheidung der Zweitbeschwerdeführerin zu Gunsten der Erstbeschwerdeführerin sei den Bietern am 15. Februar 2005 mitgeteilt worden. Die Erstbeschwerdeführerin sei am 22. November 2002 in das Firmenbuch eingetragen worden und besitze laut Auszug aus dem zentralen Gewerberegister seit dem 26. April 2004 die Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes der Elektrotechnik gemäß § 94 Z 16 GewO 1994 sowie seit dem 2. April 2003 die Gewerbeberechtigung für das Baumeistergewerbe gemäß § 94 Z 5 GewO 1994, eingeschränkt auf die Ausführung und den Abbruch von Hochbauten, Tiefbauten und anderen verwandten Bauten. In ihrem Angebot habe die Erstbeschwerdeführerin in der Rubrik betreffend die technische Leistungsfähigkeit gemäß § 57 BVergG 2002 unter der Subrubrik betreffend Referenzen angegeben, die geforderte Referenz sei vorhanden. Weiters habe die Erstbeschwerdeführerin in ihrem Angebot betreffend verlangte Nachweise gemäß den §§ 53, 54, 56 und 57 BVergG 2002 angegeben, diese seien im Angebot zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorhanden. In der Erklärung betreffend durchgeführte einschlägige Arbeiten seien seitens der Erstbeschwerdeführerin ausschließlich einschlägige Arbeiten in den Jahren 2003 und 2004 angeführt. Nach Aufforderung zur Vorlage der Nachweise auch für alle Subunternehmer habe die Erstbeschwerdeführerin eine Aufstellung von mit dem gegenständlichen Bauvorhaben vergleichbaren Bauleistungen übermittelt, die im Zeitraum 2003 bis 2004 oder im Jahr 2005 erbracht worden seien bzw. derzeit noch nicht abgeschlossen seien.

In der vorliegenden Ausschreibung (Punkt 8/3.8 iVm Anhang B 8- 3.6) habe die Zweitbeschwerdeführerin unter anderem ausdrücklich den Nachweis gemäß § 57 Abs. 2 Z 2 BVergG 2002 - eine Liste der in den letzten fünf Jahren erbrachten Bauleistungen, der Bescheinigungen über die ordnungsgemäße Ausführung für die wichtigsten Bauleistungen beizufügen sind - verlangt. Die Erstbeschwerdeführerin habe jedoch lediglich in den Jahren 2003 und 2004 durchgeführte bzw. im Jahr 2005 noch in Abwicklung befindliche Arbeiten angeführt. Die von der Erstbeschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen seien somit kein Nachweis wie gemäß § 57 Abs. 2 Z 2 BVergG 2002 gefordert. Im Hinblick darauf, dass die Erstbeschwerdeführerin erst am 22. November 2002 durch Eintragung in das Firmenbuch entstanden sei, wäre ihr die Erbringung des Nachweises über in den letzten fünf Jahren durchgeführte einschlägige Arbeiten gar nicht möglich gewesen. Sie habe auch im Nachprüfungsverfahren nicht bestritten, zur Vorlage von Nachweisen mit dem geforderten fünfjährigen Vergangenheitsbezug nicht in der Lage zu sein. Sie verweise jedoch darauf, dass ihre technische Leistungsfähigkeit dennoch auf Grund der problemfreien Auftragsabwicklung bei anderen Projekten, insbesondere auf Grund der in der Referenzliste angeführten, in den letzten Jahren erbrachten zahlreichen Bauleistungen am hochrangigen Straßennetz der Zweitbeschwerdeführerin, nicht in Frage zu stellen sei. Die Erstbeschwerdeführerin führe weiters aus, dass sie die erforderliche technische Leistungsfähigkeit weitgehend selbst erbringe und sich, wo ihre technische Leistungsfähigkeit nicht ausreiche, technisch leistungsfähiger Subunternehmer bediene. Den Anteil an Subunternehmerleistungen habe die Erstbeschwerdeführerin in ihrem Angebot mit lediglich 10 % beziffert. Der Auffassung der Erstbeschwerdeführerin könne seitens der Behörde nicht gefolgt werden. Der Wortlaut der zum Ausschreibungserfordernis erklärten Regelung des § 57 Abs. 2 Z 2 BVergG 2002 spreche unmissverständlich von einer Liste der "in den letzten fünf Jahren" erbrachten Bauleistungen und sei keiner davon abweichenden Auslegung zugänglich. Eine Auslegung, es sei ausreichend, dass ein Bieter beispielsweise nur die letzten drei Jahre betreffende Leistungen angeben dürfe, sei von § 57 Abs. 2 Z 2 BVergG 2002 nicht gedeckt, contra legem und unzulässig. Gemäß § 91 Abs. 1 BVergG 2002 habe die Prüfung der Angebote in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht nach den in der Ausschreibung oder in den Ausschreibungsunterlagen festgelegten Kriterien zu erfolgen. Da die Ausschreibung nicht innerhalb der maßgeblichen Anfechtungsfristen angefochten worden sei, sei sie einschließlich ihres Punktes 8/3.8, welcher auf § 57 Abs. 2 Z 2 BVergG 2002 verweise, der Angebotsprüfung zu Grunde zu legen. Daher sei auch der Hinweis der Zweitbeschwerdeführerin unbeachtlich, wonach Nachweise vom Unternehmer gemäß § 52 Abs. 2 BVergG 2002 nur insoweit verlangt werden dürften, wie es durch den Gegenstand des Auftrages gerechtfertigt sei. Im offenen Verfahren sei der Auftraggeber an die Bedingungen der Ausschreibung gebunden, habe die in der Ausschreibung festgelegten Kriterien zu berücksichtigen und dürfe nicht zu Gunsten eines Bieters von den in der Ausschreibung vorgesehenen Erfordernissen absehen. Insbesondere stehe es dem Auftraggeber nicht zu, von Ausscheidenstatbeständen nach seinem Ermessen Gebrauch zu machen. Da die Erstbeschwerdeführerin dem Ausschreibungserfordernis über den Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit nicht entsprochen habe, wäre ihr Angebot von der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 98 BVergG 2002 auszuscheiden gewesen. Bereits aus diesem Grund sei die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der Erstbeschwerdeführerin mit Rechtswidrigkeit belastet und nichtig zu erklären gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur Zl. 2005/04/0072 von der Erstbeschwerdeführerin sowie die unter Zl. 2005/04/0095 protokollierte Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin.

Die belangte Behörde legte im Verfahren zur Zl. 2005/04/0072 die Verwaltungsakten vor und erstattete - ebenso wie die jeweils mitbeteiligte Partei - in beiden Verfahren eine Gegenschrift, in der jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die vorliegenden Beschwerden auf Grund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden. Er hat sodann erwogen:

1. Die Erstbeschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem subjektiven Recht auf Unterbleiben der Nichtigerklärung der zu ihren Gunsten getroffenen Zuschlagsentscheidung verletzt.

Sie bringt hiezu im Wesentlichen vor, die Behörde sei richtigerweise davon ausgegangen, dass auf Grund der vorliegenden Ausschreibung von den Bietern unter anderem ein Nachweis gemäß § 57 Abs. 2 BVergG 2002 verlangt worden sei. Von der Erstbeschwerdeführerin seien eine Aufstellung der von ihr seit ihrer Gründung in den Jahren 2003 und 2004 abgewickelten bzw. zum Übermittlungszeitpunkt noch in Abwicklung befindlichen Referenzprojekte übermittelt worden. Die belangte Behörde leite aus § 57 Abs. 2 Z 2 BVergG 2002 ab, dass seitens der Bieter für jedes der letzten fünf Jahre zumindest ein Referenzprojekt nachgewiesen werden müsse. Damit verstehe die belangte Behörde die Wortfolge "der letzten fünf Jahre" rechtsirrig nicht als Zeitspanne, innerhalb derer zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit taugliche vergleichbare Referenzprojekte zeitlich beliebig abgewickelt worden sein müssten, sondern vielmehr als fünf aufeinander folgende Perioden, in welchen jeweils Referenzprojekte nachgewiesen werden müssten. Schon der allgemeine Sprachgebrauch verbiete eine derartige Auslegung. Diese Auslegung verkenne auch den Sinn und Zweck des § 57 BVergG 2002. Diese Bestimmung beschränke nicht die Bieter, sondern vielmehr den Auftraggeber, indem normiert werde, welche Nachweise der Auftraggeber zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit in der Ausschreibung einfordern dürfe. Da es somit auf das tatsächliche Vorliegen der technischen Leistungsfähigkeit ankomme, sei eine Auslegung verfehlt, dass lediglich ein Bieter den Nachweis erbringen könne, der in jedem der vergangenen fünf Jahre jeweils ein vergleichbares Referenzprojekt abgewickelt habe, nicht jedoch etwa ein Bieter, der im letzten Jahr zehn vergleichbare Referenzprojekte abgewickelt habe und damit besonders aktuelle technische Erfahrungen vorweisen könne. Auch sei die von der belangten Behörde vertretene Auslegung nicht mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsgrundsatz vereinbar, da sie die erfolgreiche Teilnahme junger Unternehmen, die bereits etliche vergleichbare Projekte abgewickelt hätten und aus diesem Grund technisch leistungsfähig seien, am Vergabeverfahren unterbinden würde. Damit hätte diese Bestimmung eine marktabschottende Wirkung, da sich diese jungen Unternehmen trotz ausreichender technischer Erfahrung und Leistungsfähigkeit nicht an einem öffentlichen Vergabeverfahren erfolgreich beteiligen könnten. Durch die Vorlage einer Liste von Referenzen solle gemäß § 57 Abs. 2 Z 2 BVergG 2002 der Nachweis geführt werden, dass der Bieter bereits Aufgaben ausgeführt habe, die im technischhandwerklichen Bereich und hinsichtlich der Organisation des Bauablaufes etwa einen gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad wie das ausgeschriebene Bauvorhaben aufgewiesen hätten, und deshalb im Zeitpunkt der Angebotsöffnung eine ausreichende technische Leistungsfähigkeit aufweise. Selbst wenn man der Rechtsansicht der belangten Behörde folgte, so habe die Erstbeschwerdeführerin gemäß § 54 Abs. 4 zweiter Satz BVergG 2002 das Recht, andere als in der Ausschreibung geforderte Unterlagen als Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit vorzulegen. Gerade in der jungen Existenz der Erstbeschwerdeführerin als Unternehmen liege ein gerechtfertigter Grund, weshalb kein Nachweis über in jedem der letzten fünf Jahre erbrachte Bauleistungen beigebracht werden müsse. Auch eine Liste der in den letzten Jahren erbrachten Referenzprojekte hätte die gleiche Aussagekraft, zumal aus dieser erschließbar sei, dass die Erstbeschwerdeführerin bereits vergleichbare Bauleistungen zur vollsten Zufriedenheit ihrer jeweiligen Auftraggeber abgewickelt habe.

2. Die Zweitbeschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid ebenso in ihrem subjektiven Recht auf Unterbleiben der Nichtigerklärung ihrer Zuschlagsentscheidung verletzt und erstattete hiezu im Wesentlichen das gleiche Vorbringen wie die Erstbeschwerdeführerin. § 57 Abs. 2 Z 2 BVergG 2002, sehe hinsichtlich der Verteilung der nachgewiesenen Bauleistungen keine Einschränkungen vor und der allgemeine Sprachgebrauch verstehe unter "in den letzten fünf Jahren" eine Zeitspanne. Die Erstbeschwerdeführerin habe zwar lediglich Referenzprojekte innerhalb der letzten Jahre nachweisen können, jedoch habe sie diese Bauleistungen im Sinne des § 57 Abs. 2 Z 2 BVergG 2002 in den letzten fünf Jahren abgewickelt. Das Ziel dieser Bestimmung sei einerseits, die seitens eines Auftraggebers einforderbaren Nachweise für interessierte Unternehmen vorhersehbar und damit transparent zu machen und andererseits den Auftraggeber bei der Wahl der abverlangten Nachweismittel zu beschränken. Dabei komme es in erster Linie auf das Vorliegen der technischen Leistungsfähigkeit und nicht so sehr auf das Mittel zum Nachweis dieser technischen Leistungsfähigkeit an. Durch eine Liste der Referenzprojekte der letzten fünf Jahre solle der Bieter den Nachweis erbringen können, dass er bereits in technischer Hinsicht vergleichbare Projekte abgewickelt habe und deshalb in der Lage sei, auch das ausgeschriebene Bauvorhaben fachgerecht abzuwickeln. Für die Frage der technischen Leistungsfähigkeit könne es jedoch keinen Unterschied machen, ob der entsprechende Bieter in den letzten fünf Jahren pro Jahr zwei vergleichbare Bauvorhaben abgewickelt habe oder in den letzten zwei Jahren zehn Bauvorhaben. Die Auslegung durch die belangte Behörde hätte zur Folge, dass junge Unternehmer nicht nur von diesem Vergabeverfahren, sondern darüber hinaus von einer erfolgreichen selbstständigen Teilnahme an den meisten Vergabeverfahren betreffend Bauvorhaben ausgeschlossen wären. Damit wäre es jungen Unternehmen in den ersten fünf Jahren ihres Bestehens nicht möglich, den beinahe bei allen Vergabeverfahren im Baubereich geforderten Nachweis gemäß § 57 Abs. 2 Z 2 BVergG 2002 zu erbringen. Durch diese Benachteiligung von jungen Unternehmen würden Teilnehmer an einem Vergabeverfahren nicht nur aus unsachlichen Gründen unterschiedlich behandelt werden, sondern es würde damit auch gegen den vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 21 Abs. 1 BVergG 2002 und das Gebot verfassungskonformer Interpretation verstoßen. Die von der belangten Behörde vertretene Rechtsauffassung führe zu einer marktabschottenden Wirkung gegenüber Jungunternehmern in einem Markt, der auf Grund seiner oligopolähnlichen Marktstruktur ohnehin unvollkommen und für Wettbewerbsabsprachen anfällig sei. Weiters sei darauf hinzuweisen, dass die Zweitbeschwerdeführerin als Auftraggeber in ihren Ausschreibungsunterlagen keine Mindestkriterien für nachgewiesene Referenzprojekte festgelegt habe. Soweit ein Bieter daher vergleichbare Bauleistungen in den letzten fünf Jahren nachgewiesen habe, habe die Zweitbeschwerdeführerin das Vorliegen der technischen Leistungsfähigkeit als gegeben erachten müssen. Die Erstbeschwerdeführerin habe in den letzten Jahren zahlreiche vergleichbare Projekte zur vollsten Zufriedenheit der Zweitbeschwerdeführerin ausgeführt, weshalb bei dieser am Vorliegen der erforderlichen technischen Leistungsfähigkeit nicht gezweifelt worden sei. Selbst wenn man § 57 Abs. 2 Z 2 BVergG 2002 wie die belangte Behörde interpretiere, so hätte die von der Erstbeschwerdeführerin vorgelegte Referenzliste als alternativer Nachweis gemäß § 52 Abs. 4 zweiter Satz BVergG 2002 jedenfalls ausgereicht.

3. Gemäß § 21 Abs. 1 BVergG 2002 sind Aufträge über Leistungen nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten sowie des Diskriminierungsverbotes entsprechend den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter, an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen zu vergeben.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 4 BVergG 2002 kann der Auftraggeber von Unternehmern, die er zu einem Vergabeverfahren zulässt, Nachweise verlangen, dass ihre technische Leistungsfähigkeit gegeben ist.

Gemäß § 52 Abs. 2 BVergG 2002 dürfen Nachweise vom Unternehmer nur soweit verlangt werden, wie es durch den Gegenstand des Auftrages gerechtfertigt ist.

Gemäß § 52 Abs. 5 Z 1 BVergG 2002 muss die Leistungsfähigkeit beim offenen Verfahren spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen.

Gemäß § 57 Abs. 2 Z 2 BVergG 2002 kann der Auftraggeber bei Bauaufträgen als Nachweis für die technische Leistungsfähigkeit gemäß § 52 Abs. 1 Z 4 leg. cit. eine Liste der in den letzten fünf Jahren erbrachten Bauleistungen verlangen, der Bescheinigungen über die ordnungsgemäße Ausführung für die wichtigsten Bauleistungen beizufügen sind.

4. Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass seitens der Zweitbeschwerdeführerin als öffentlicher Auftraggeber von den Bietern des vorliegenden Vergabeverfahrens ein Nachweis gemäß § 57 Abs. 2 Z 2 BVergG 2002 verlangt worden ist. Strittig ist dagegen, ob die Erstbeschwerdeführerin mit der Anführung von lediglich in den Jahren 2003 bis 2005 erbrachten Bauleistungen diesen Nachweis erbracht hat. Die belangte Behörde verneint dies und begründet dies mit einer Auslegung des § 57 Abs. 2 Z 2 BVergG 2002, nach welcher dieser Nachweis durch Bauleistungen nur der letzten drei Jahre nicht erbracht werde.

Diese Auffassung kann der Verwaltungsgerichtshof nicht teilen:

§ 57 BVergG 2002 enthält eine abschließende Aufzählung der zulässigen Nachweismittel betreffend die technische Leistungsfähigkeit. Diese Bestimmung richtet sich ihrem klaren Wortlaut nach an den Auftraggeber. Welche Nachweise der Auftraggeber verlangt, liegt in seinem, durch

§ 52 Abs. 2 BVergG 2002 determiniertem Ermessen (vgl. AB 1118 BlgNR XXI. GP, 44).

Im Beschwerdefall hat die Zweitbeschwerdeführerin als Auftraggeber lediglich einen Nachweis gemäß § 57 Abs. 2 Z 2 BVergG 2002 ohne weitere Konkretisierung verlangt. Dieser Anforderung hat die Erstbeschwerdeführerin unzweifelhaft entsprochen, indem sie eine Liste der von ihr in den letzten fünf Jahren (konkret aus 2003, 2004 und 2005) erbrachten - und somit aktuellen - Bauleistungen vorgelegt hat. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde war von der Zweitbeschwerdeführerin nach dem klaren Wortlaut des (verwiesenen) § 57 Abs. 2 Z 2 BVergG 2002 der Nachweis, Bauleistungen in jedem der letzten fünf Jahre erbracht zu haben, nicht gefordert worden. Der geforderte Nachweis wäre nur dann nicht erbracht worden (und die Erstbeschwerdeführerin mangels Nachweis ihrer technischen Leistungsfähigkeit auszuscheiden gewesen), hätte sie keinerlei Bauleistungen aus den letzten fünf Jahren nachweisen können. Dies trifft - wie dargelegt - allerdings nicht zu.

5. Indem die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen ist, dass die Erstbeschwerdeführerin den Nachweis gemäß § 57 Abs. 2 Z 2 BVergG 2002 nicht erbracht hat und somit auszuscheiden gewesen wäre, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

6. Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. Dezember 2005

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