VwGH 2004/01/0491

VwGH2004/01/049112.4.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des NS in B, vertreten durch Mag. Dieter Ebner, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. September 2004, Zl. 252.881/0-V/14/04, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages wegen entschiedener Sache (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §13 Abs1;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ZustG §4;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §13 Abs1;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ZustG §4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein der albanischen Volksgruppe angehörender Staatsbürger von Serbien und Montenegro aus dem Kosovo, reiste gemäß seinen Behauptungen am 8. Juli 2002 in das Bundesgebiet ein. Am selben Tag stellte er einen Asylantrag, zu dem er am 26. Juni 2003 einvernommen wurde und den er zusammenfassend mit wirtschaftlichen und gesundheitlichen Problemen (eine erforderliche medizinische Behandlung sei im Kosovo nicht durchführbar) begründete. Mit Bescheid vom 16. Juli 2003 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab; zugleich sprach es aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo, gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nach dem in den Verwaltungsakten erliegenden RSa-Rückschein am 22. Juli 2003 an einer Adresse in B (nach zwei erfolglosen Zustellversuchen durch Hinterlegung beim Postamt; die hinterlegte Sendung wurde in der Folge als nicht behoben an das Bundesasylamt retourniert) zugestellt und blieb unbekämpft.

Am 2. März 2004 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Asylantrag, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom 11. August 2004 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückwies. Vor Zustellung dieses Bescheides, am 12. August 2004, holte das Bundesasylamt eine Auskunft aus dem Zentralen Melderegister ein, der zufolge der Beschwerdeführer mit 6. Mai 2003 seinen Hauptwohnsitz in B aufgegeben habe und in der ab diesem Zeitpunkt ein neuer Hauptwohnsitz in O (bestehend bis 15. Dezember 2003) angeführt ist.

Die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. August 2004 erhobene Berufung wies die belangte Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG ab. Der Bescheid "der Berufungsbehörde" vom 16. Juli 2003 sei am 22. Juli 2003 beim örtlich zuständigen Postamt B hinterlegt worden und in Rechtskraft erwachsen; der neuerliche Asylantrag vom 2. März 2004 sei im Wesentlichen nur auf die Aufrechterhaltung der bereits im Asylantrag vom 8. Juli 2002 geltend gemachten Gründe gestützt.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer weist ua. darauf hin, dass er im Zeitpunkt der postamtlichen Hinterlegung des seinen Erstantrag abweisenden Bescheides des Bundesasylamtes vom 16. Juli 2003 nicht mehr an der auf dem Rückschein angeführten Adresse in B, sondern in O gewohnt habe. Die auf seine seinerzeitige Adresse in B bezogene Hinterlegung sei mithin nicht wirksam geworden, weshalb der Bescheid vom 16. Juli 2003 keineswegs in Rechtskraft erwachsen sei.

Der Berücksichtigung dieses Vorbringens steht, wie zunächst klargestellt sei, das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot nicht entgegen. Zwar hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren keine Angaben erstattet, die die Rechtswirkungen der Zustellung des Bescheides vom 16. Juli 2003 in Frage gestellt hätten. Jedenfalls im Hinblick auf die oben erwähnte, in den Verwaltungsakten erliegende Auskunft aus dem Zentralen Melderegister vom 12. August 2004, der zufolge die Adresse in B vom Beschwerdeführer bereits Anfang Mai 2003 (und damit mehr als zwei Monate vor Bescheidverfassung) aufgegeben war, wäre es allerdings ungeachtet dessen Aufgabe der Asylbehörden gewesen, sich mit dieser Zustellung näher auseinander zu setzen. Das Unterbleiben entsprechender Überlegungen bzw. einer klärenden Ermittlungstätigkeit stellt somit einen Verfahrensmangel dar, dessen nunmehriges Aufzeigen dem Beschwerdeführer nicht verwehrt ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. Juni 1995, Zl. 93/06/0016, oder vom 6. Juli 1999, Zl. 98/01/0602).

Der dargestellte Verfahrensmangel ist zudem wesentlich: Hatte der Beschwerdeführer wie behauptet - was mit der besagten Auskunft aus dem Zentralen Melderegister übereinstimmt - im Juli 2003 nicht mehr an der seinerzeitigen Adresse in B gewohnt, so befand sich dort nämlich auch nicht mehr länger eine zulässige Abgabestelle im Sinn des - damals noch maßgeblichen - § 4 ZustG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004. Gegebenenfalls konnte mithin an dieser Adresse keine wirksame Zustellung erfolgen, weshalb die Hinterlegung des Bescheides vom 16. Juli 2003 keine Rechtswirkungen entfaltet hätte. Konsequenz wäre, dass das am 8. Juli 2002 eingeleitete (erste) Asylverfahren noch in erster Instanz anhängig und nicht rechtskräftig entschieden wäre, was einer Zurückweisung des zweiten Asylantrages vom 2. März 2004 wegen entschiedener Sache naturgemäß die Grundlage entziehen würde und im Hinblick darauf, dass als Verfahrensgegenstand des Asylverfahrens schlichtweg die Gewährung von Asyl anzusehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. März 2001, Zl. 2000/01/0402), zur Folge hätte, dass der zweite Asylantrag bzw. die dabei aufgestellten Behauptungen ohne selbstständiges Schicksal als ergänzendes Vorbringen zum ursprünglichen Asylantrag vom 8. Juli 2002 zu behandeln gewesen wäre (vgl. sinngemäß das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2000, Zlen. 98/20/0590, 0591).

Nach dem Gesagten war der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Da neben dem Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand die Zuerkennung von Umsatzsteuer nicht in Betracht kommt, war das auf Ersatz derselben gerichtete Mehrbegehren abzuweisen.

Wien, am 12. April 2005

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