Normen
AVG §59 Abs2;
AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1976 §113 Abs2 Z3 lita;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §21a Abs2 idF 1997/I/074;
WRG 1959 §21a Abs2;
WRG 1959 §21a;
AVG §59 Abs2;
AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1976 §113 Abs2 Z3 lita;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §21a Abs2 idF 1997/I/074;
WRG 1959 §21a Abs2;
WRG 1959 §21a;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 23. Juli 1947 wurde der Rechtsvorgängerin der nunmehrigen Beschwerdeführerin, den Österreichischen Staatseisenbahnen, die wasserrechtliche Bewilligung zur Ausnützung der Wasserkraft der A zwischen Flusskilometer 19 und 8 sowie zur Errichtung und zum Betrieb der hiefür erforderlichen Anlagen (Kraftwerk B) erteilt. Eine Restwassermenge von 100 l/sec wurde in diesem Bescheid vorgeschrieben.
Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 15. Juli 1960 wurde zum einen die Übereinstimmung der Ausführung des Kraftwerkes B mit der genannten wasserrechtlichen Bewilligung vom 23. Juli 1947 festgestellt und zum anderen in Spruchpunkt IIa in Abänderung der genannten Bewilligung verfügt, dass die zulässige Triebwasserentnahme auf 9,50 m3/sec erhöht werde, von der Belassung einer Mindestwassermenge (100 l/sec) im A-Bett hingegen Abstand zu nehmen sei.
1988 wandte sich die Bezirkshauptmannschaft B (BH) an die Österreichischen Bundesbahnen und wies darauf hin, dass in den letzten Jahren vermehrt Beschwerden über das Trockenfallen des A-Bettes bei Niedrigwasserführung unterhalb der Wasserfassung für das Kraftwerk B eingegangen seien.
Die ÖBB erklärten sich daraufhin bereit, freiwillig eine Restwassermenge von 150 l/sec in die Unterliegerstrecke der A abzugeben; diese freiwillige Dotation wurde bis 1996 vorgenommen.
Der Landeshauptmann von Vorarlberg (LH) führte schließlich ein Verfahren gemäß § 21a WRG 1959 durch.
Mit Bescheid des LH vom 9. Dezember 1998 wurde unter Spruchpunkt I das der Beschwerdeführerin zustehende Wasserbenutzungsrecht für das A-Kraftwerk B gemäß § 21a WRG 1959 auf Dauer in der Weise eingeschränkt, dass an der Fassung K/D ganzjährig eine Dotierwassermenge von 300 l/sec in die A abzugeben sei. Dabei habe die Abgabe von 100 l/sec über die bestehende Fischtreppe und von 200 l/sec im unmittelbaren Fassungsbereich über eine bestehende Entleeröffnung im obersten Abschnitt des orografisch linksseitigen Ausleitungskanales zu erfolgen.
Unter Spruchpunkt II wurden der Beschwerdeführerin gemäß § 21a WRG 1959 für den Betrieb des A-Kraftwerkes B näher dargestellte zusätzliche Auflagen vorgeschrieben.
In der Begründung dieses Bescheides verwies der LH auf ein Gutachten vom November 1996 mit dem Titel "ÖBB-KW B, Beeinträchtigungen der A unterhalb der Fassung D, Bestanddokumentation und Sanierungsempfehlungen" des Umweltinstitutes des Landes Vorarlberg (vom LH als "limnologischer Amtssachverständiger" bezeichnet) und dessen konkrete Sanierungsvorschläge vom 7. Oktober 1998. Die rechtliche Würdigung des LH führte zu dem Schluss, dass die ökologische Funktionsfähigkeit der A unterhalb der Fassung K/D in einem Abschnitt in einer Länge von 1 km überhaupt nicht mehr gegeben, in einem weiteren Abschnitt mit einer Länge von ca. 600 m stark beeinträchtigt und in einem weiteren Abschnitt mit einer Länge von ca. 1,5 km wesentlich beeinträchtigt sei. In diesem Bereich könne von einem Mangel eines hinreichenden Schutzes des öffentlichen Interesses an einer nicht wesentlich beeinträchtigten ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers gesprochen werden. Die Interessensabwägung des öffentlichen Interesses an der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers gegenüber dem Interesse an der Aufrechterhaltung des bisherigen Ausmaßes der Wassernutzung ergebe eine Höherbewertung des öffentlichen Interesses. Was schließlich die Voraussetzung des § 21a Abs. 3 lit. d letzter Satz WRG 1959 betreffe, so seien andere, die Rechte nicht einschränkende Maßnahmen in diesem Zusammenhang unmöglich, weil die ökologische Funktionsfähigkeit ausschließlich durch Abgabe von Dotierwasser verbessert bzw. wiederhergestellt werden könne. Schließlich handle es sich bei der wasserrechtlichen Bewilligung für das raftwerk der ÖBB nicht um ein befristet eingeräumtes Wasserbenutzungsrecht.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und führte aus, das Wasserbenutzungsrecht für das Kraftwerk B sei befristet, weil es an den Bestand der elektrischen Eisenbahn in Tirol und Vorarlberg gekoppelt und somit ein bestimmter Endigungszeitpunkt gegeben sei. Auf Grund dessen sei § 21a Abs. 3 lit. d letzter Halbsatz WRG 1959 anzuwenden, der für die Einschränkung eines Rechts zur motorischen Nutzung der Wasserkraft eine Veränderung der wasserwirtschaftlichen Verhältnisse voraussetze, welche aber nicht eingetreten sei. Die Behörde habe es unterlassen, die Wertentscheidung, wonach das Interesse an der ökologischen Funktionsfähigkeit der A die bisherige Ausnutzung der Wasserkraft der A durch die ÖBB überwiege, präzise und transparent darzulegen. Schließlich hätte durch die in der Restwasserabgabe fußende Minderproduktion an Energie die Erzeugung der Differenzenergie in kalorischen Kraftwerken einen CO2-Ausstoß von 5,8 Mio t zur Folge; diese negative Umweltauswirkung bleibe im Bescheid unbeachtet.
Die belangte Behörde holte ein Gutachten ihres Amtssachverständigen für Gewässerökologie ein, welcher Folgendes ausführte:
"Der derzeitige Zustand der Totalausleitung mit nur gelegentlicher Wasserführung unterhalb der Fassung D bewirkt, dass in der Ausleitungsstrecke im Abschnitt Fassung D bis oberhalb der Mündung G-Bach die ökologische Funktionsfähigkeit der A nicht gegeben ist, im Abschnitt G-Tobeleinmündung bis S-Tobel die ökologische Funktionsfähigkeit stark beeinträchtigt ist und im Abschnitt S-Tobel bis R-Tobel die ökologische Funktionsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt ist. Die bestehenden Auflagen im Bewilligungsbescheid reichen also nicht aus, um das öffentliche Interesse an der Erhaltung der ökologischen Funktonsfähigkeit in der A unterhalb der Wasserfassung D zu schützen.
Die Ausführungen im Gutachten 'ÖBB-KW B Beeinträchtigungen der A unterhalb der Fassung D, Bestandsdokumentation und Sanierungsempfehlungen' des Umweltinstitutes des Landes Vorarlberg sind fachlich korrekt und nachvollziehbar. Die Forderung nach einer Pflichtwasserabgabe von insgesamt 300 l/s ganzjährig wird voll unterstützt. Wie von den SV des Landes vorgeschlagen, soll die Pflichtwassermenge zu einem Drittel über den bestehenden Fischpass und zu zwei Dritteln über eine bestehende Entleeröffnung im obersten Abschnitt des Ausleitungskanales abgegeben werden.
Als Ergänzung zu den Ausführungen des Umweltinstitutes wird noch eine Artenliste beigelegt, die diejenigen Arten umfasst, die den derzeit trocken liegenden Ausleitungsabschnitt der A unterhalb der Fassung D besiedeln können und nach dem natürlichen Lauf der Dinge auch besiedeln werden, wenn die Ausleitungsstrecke ausreichend mit Pflichtwasser ab der Fassung D dotiert wird. Diese Daten stammen aus einer umfangreichen Untersuchung zum KW K (ebenfalls an der A) durch die ARGE Limnologie (Limnologisches Gutachten zum Kraftwerksprojekt K, Oktober 1993). Es ist anzumerken, dass diese Artenliste keineswegs vollständig ist, sondern nur Arten umfasst, die einen hohen Zeigerwert für saprobielle und trophische Belastungen haben (Beurteilung der Gewässergüte). Darüber hinaus noch eine Fülle von Arten, die in den standardisierten Untersuchungen nicht erfasst wird. So sind z. B. die Crustaceen und die Fische nicht in dieser Untersuchung erfasst, jedoch ebenso wie die angeführten Arten vom Fehlen bzw. dem Mangel an Wasser betroffen und würden ebenso die dotierte Ausleitungsstrecke wieder besiedeln.
Bei der Bemessung der Pflichtwassermenge wurde diejenige Wassermenge ermittelt, die gerade noch ausreicht, eine ökologische Funktionsfähigkeit in der Ausleitungsstrecke sicherzustellen (Details siehe GA Umweltinstitut). Andere Mittel, als die Abgabe von Pflichtwasser an der Fassungsstelle sind aus fachlicher Sicht nicht möglich, um die ökologische Funktionsfähigkeit in der Ausleitungsstrecke wieder herzustellen.
Die vorgeschlagene Pflichtwasserdotation stellt somit aus fachlicher Sicht das gelindeste Mittel dar.
Es ist der Betreiberin der Bahn möglich, sich auf dem freien Strommarkt Strom aus Wasserkraft zu kaufen, weshalb ein Verlust an Produktion im KW Balso nicht notwendiger Weise eine CO2 - Emission in einem kalorischen KW bedingt. Aus ökologischer Sicht bedingt der Ausstoß von CO2 in der genannten Größenordnung global (und die Wirkung ist nur global gegeben) nichts Feststellbares, die Auswirkung der fehlenden Pflichtwasserabgabe ist jedoch lokal und unmittelbar im oben zitierten Umfang gegeben."
Auch der von der belangten Behörde weiters beigezogene Amtssachverständige für Wasserbautechnik erstattete ein Gutachten, in dem er auf den zu erwartenden Energieverlust, die zusätzlichen jährlichen Kosten für die Beschwerdeführerin und auf ihre Argumentation betreffend die zu erwartende Umweltbeeinträchtigung bei Erzeugung des den Energieverlust wettmachenden Stroms in kalorischen Kraftwerken ebenso einging wie auf die energiewirtschaftliche und verkehrsmäßige Situation der Arlbergbahn bei der angegebenen Reduktion des Jahresarbeitsvermögens von 5,56 % bzw. 5,84 Mio kWh. Er gelangte zum Ergebnis, dass der Betrieb auch bei der Dotationswasserabgabe in technischer Hinsicht nicht gefährdet werden würde. Eine Mindererzeugung des KW B wäre eben durch die Einspeisung aus anderen Kraftwerken zu kompensieren. Ein Versorgungsengpass mit elektrischer Energie sei gerade heute bei den bestehenden Überkapazitäten und Absatzproblemen auszuschließen.
Die Beschwerdeführerin erstattete zu diesem Gutachten eine Stellungnahme und brachte (zusammengefasst) vor, die Behörde habe Betrachtungen unterlassen, wie sich die Restwasserabgaben auf den seit Jahrzehnten auf wenig Wasser eingespielten Lebensraum auswirke. Auch die Alternativen zur Restwasserabgabe (Ersatzwasserumleitung, Grundwasserförderung etc.) sei nicht geprüft worden. Schließlich stellte sie die Verminderung der Wirtschaftlichkeit der Anlage näher dar und meinte weiter, im lokalen Umfeld des Kraftwerkes sei keine Umformanlage auf 16,66 Hz vorhanden und es sei somit die Energie über das 110 kV-Freileitungsnetz zu beziehen. Dieses sei aber immer wieder beeinträchtigt und gestört, was Probleme bei der Inselversorgung mit sich bringe. Eine Beeinträchtigung des Bahnbetriebes der Arlbergstrecke wäre eine mögliche Folge.
Die von der belangten Behörde beigezogenen Amtssachverständigen erstatteten dazu ergänzende Stellungnahmen. Der Sachverständige für Gewässerökologie führte aus, dass die wesentliche Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers A dokumentiert und fachlich unbestreitbar sei. Um den gesetzeskonformen Zustand wieder herzustellen, seien Sanierungsmaßnahmen in Form einer dauerhaften Pflichtwasserdotation der A an der Entnahmestelle des KW B erforderlich. Bei der Bemessung sei die geringste Wassermenge, die für die Wiederherstellung der ökologischen Funktionsfähigkeit in der Ausleitungsstrecke erforderlich sei, ermittelt und im erstinstanzlichen Bescheid vorgeschrieben worden. Eine Verhandelbarkeit oder Verminderungsfähigkeit dieser Pflichtwassermenge sei aus fachlicher Sicht nicht gegeben, weil ohnehin schon das gelindeste zum Erfolg führende Mittel gewählt worden sei. Eine negative Auswirkung durch die vorgeschlagene Pflichtwasserdotation auf die Gewässerökologie im betroffenen Abschnitt sei nicht zu erwarten. Weder durch andere Wasserfassungen noch durch Grundwassergewinnungen könne das Gewässerkontinuum in der A wieder hergestellt werden. Abgesehen von der mangelnden rechtlichen Zugriffsmöglichkeit auf andere Wasserrechte sei auch ein "Export" von Problemen in andere Gewässer durch Entnahmen wasserwirtschaftlich unerwünscht. Die von der Konsenswerberin angeführten "Alternativen" der Sanierung kämen aus fachlicher Sicht nicht in Frage.
Auch der Amtssachverständige für Wasserbau ergänzte sein Gutachten und führte die in seinem ersten Gutachten zu den wirtschaftlichen Faktoren vertretene Ansicht näher und unter Bezugnahme auf die von der Beschwerdeführerin erstattete Stellungnahme aus. Im Ergebnis blieb er bei seiner Ansicht, dass eine Beeinträchtigung des Betriebes der Arlbergstrecke zufolge der geringen Mindererzeugung (bezogen auf den gesamten Stromverbrauch der ÖBB geschätzt ca. 2 %o) nicht nachvollziehbar sei und im aktuellen Schreiben der ÖBB auch in keiner Weise belegt werde.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12. März 2003 wurde die Berufung gegen den Bescheid des LH von Vorarlberg vom 9. Dezember 1998 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.
Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der von der belangten Behörde eingeholten Gutachten zitierte die belangte Behörde die Bestimmung des § 21a Abs. 1 und 3 WRG 1959 und nahm zu den einzelnen Berufungsvorbringen im Rahmen ihrer rechtlichen Würdigung Stellung.
Nach Ausführungen dazu, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um ein befristet eingeräumtes Wasserbenutzungsrecht handle, vertrat die belangte Behörde den Standpunkt, die Behörde erster Instanz habe die von ihr getroffene Entscheidung des Schwererwiegens der öffentlichen Interessen an der ökologischen Funktionsfähigkeit der A im Bescheid begründet und sich dabei auf das Gutachten ihres Amtssachverständigen gestützt. Dieser habe in seinem Gutachten, aufgeschlüsselt nach den Einzelfaktoren, sehr genau die mangelnde Funktionsfähigkeit des Gewässers im jetzigen Zustand beschrieben und die Behörde habe darauf aufbauend klargelegt, dass ohne die Restwasserabgabe die Funktionsfähigkeit des Gewässers auf 3 km erheblich eingeschränkt bzw. nicht gegeben sei und nur durch die Abgabe von permanent 300 l/sec eine zumindest hinreichende Funktionsfähigkeit erreicht werde. Die Behörde erster Instanz habe nicht nur allgemein auf eine Studie verwiesen, sondern sich dezidiert eines für dieses Verfahren erstellten Gutachtens bedient. Sie habe auch auf Grund der von der Beschwerdeführerin gelieferten Daten den daraus resultierenden Produktionsverlust des Kraftwerkes B errechnet, somit die in § 21a Abs. 3 lit. a WRG 1959 geforderte Gegenüberstellung des Aufwandes der Maßnahme mit dem zu erzielenden Erfolg getätigt. Bei neu zu bewilligenden Anlagen sei es üblich und entspreche dem Stand der Technik, eine Restwassermenge vorzuschreiben. Diese habe sich jeweils nach individueller Prüfung als adäquates Mittel zur Erhaltung der ökologischen Funktionsfähigkeit eines Gewässers erwiesen. Bei einem Eingriff in ein schon bestehendes Wasserbenutzungsrecht sei die Prüfung sicher genauest vorzunehmen, könne aber nicht nach anderen Regeln vollzogen werden als bei einer neu zu bewilligenden Anlage, für die ebenfalls der im öffentlichen Recht allgemein verwurzelte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gelte.
Die Entscheidung, welche Interessen überwögen, sei eine Wertentscheidung, weil sich die unterschiedlichen Interessen nicht quantitativ bemessen und direkt vergleichen ließen. Der LH habe sich für die Entscheidung aller relevanten Daten bedient und gestützt auf den Gesetzestext des § 21a WRG 1959 in nachvollziehbarer Weise die von ihm getroffene Entscheidung begründet. Das "Erreichen" des öffentlichen Interesses sei nur durch eine das Recht einschränkende Maßnahme möglich und die Maßnahme sei das gelindeste zum Ziel führende Mittel. Alternativen seien geprüft und verneint worden. Dies sei auch von den von der Berufungsbehörde beigezogenen Amtssachverständigen bestätigt worden. Das Interesse der Beschwerdeführerin werde durch das verminderte Jahresarbeitsvermögen von 5 % beziffert und mit dem damaligen Strompreis multipliziert. Nach den im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen sei der jährliche Produktionsverlust bei ca. 5,8 %, was auf neuere Zahlen und kürzere Jahresreihen zurückzuführen seien. Er bewege sich aber immer noch im selben Bereich wie von der Unterinstanz berechnet worden sei. Nach dem Gutachten des Amtssachverständigen für Wasserbau sei zwar mit einem Anziehen der Strompreise nach den ersten Jahren der Marktliberalisierung zu rechnen, dieser werde jedoch unter dem von der Behörde erster Instanz veranschlagten Strompreis liegen.
Das Argument, dass die Minderproduktion an elektrischer Energie durch Einkauf von Strom aus kalorischer Erzeugung kompensiert werden müsse, womit ein bestimmter CO2-Ausstoß pro kWh verbunden sei, gehe ins Leere. Gegenstand dieses Verfahrens sei die Vorschreibung zusätzlicher Auflagen, wenn das öffentliche Interesse an der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers trotz Einhaltung der Bewilligung nicht hinreichend geschützt sei. Hierbei seien der unmittelbare Aufwand und Erfolg der Maßnahme zu prüfen. Die Behörde habe aber nicht die daraus resultierende Ursachenkette mit allen ihren möglichen Auswirkungen betriebs- und volkswirtschaftlicher sowie umwelttechnischer Art zu verfolgen. Schließlich könnte jede Vorschreibung im öffentlichen Interesse, die eine Minderproduktion der Anlage zur Folge habe, schlussendlich der Ausschlag für eine notwendige Neuerrichtung eines zusätzlichen Kraftwerks sein. Eine solche Betrachtung gehe aber zu weit und sei auch im WRG nicht vorgesehen. Sonst müsste hier auch der positive Effekt der Renaturierung auf den Fremdenverkehr, der in dieser Region ein wichtiger Faktor sei, und die Naherholung in diesem Gebiet für die Anwohner mit in die Betrachtung einbezogen werden. Dass die verloren gegangene Energie z. B. mit 2,5 Windkraftanlagen zu kompensieren wäre, die ein CO2- Äquivalent von 15 t aufwiesen, gingen auf Grund derselben Argumente ins Leere. Die weiterbestehende Wirtschaftlichkeit der Anlage trotz Vorschreibung der Restwassermenge sei vom Amtssachverständigen bestätigt worden, auch wenn die Anlage auf Grund von Instandhaltung und Modernisierungsnotwendigkeiten noch nicht vollkommen abgeschrieben werden konnte.
Der Sachverständige habe weiters ausgeführt, dass mit keinen negativen Auswirkungen auf das ökologische Gefüge durch die gegenständliche Dotation zu rechnen sei. Weiters habe der Amtssachverständige festgestellt, dass auch die ÖBB momentan nicht allen 16,66 Hz-Strom selbst erzeuge, sondern 45 % des benötigten Stromes aus dem öffentlichen Netz beziehe; dieser müsse von 50 Hz auf 16,66 Hz umgeformt werden. Durch die Vorschreibung der Dotationswassermenge in einem der 8 eigenen Kraftwerke müsse nur ein geringer zusätzlicher Teil aus dem 50 Hz-Netz bezogen werden, deren Umformverluste wiederum einen Bruchteil ausmachten; diese seien von der Gesamtwertung mitumfasst. Auch bei einem Ansteigen des Strompreises nach den ersten Jahren der Liberalisierung sei der von der Behörde erster Instanz herangezogene Wert als Oberwert anzusehen und zu Gunsten der Beschwerdeführerin angesetzt. Der für dieses Verfahren relevante Barwert für die Berechnung des Verlustes durch die Restwasservorschreibung sei S 5 Mio (EUR 366.000,--) aus dem Bescheid erster Instanz, dem die Beschwerdeführerin nicht widersprochen habe. Dieses Kraftwerk werde auch mit der verminderten Energieerzeugung wirtschaftlich arbeiten können, wie aus den Gutachten ersichtlich sei. Schließlich habe der wasserbautechnische Amtssachverständige ausgeführt, dass die Schwankungen zwischen trockenen und Regeljahren viel größer seien als die Verminderung der Energieproduktion durch die Restwasservorschreibung und trotzdem immer ein gesicherter Bahnbetrieb am Arlberg bestanden habe. Die angeführten möglichen Leitungsprobleme seien auch früher schon gegeben gewesen und würden nicht erst durch die Minderproduktion "immanent".
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 25. Juni 2003, B 671/03-6, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Im ergänzenden Schriftsatz vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Als Beschwerdegründe nennt sie die Unzulässigkeit der Erteilung von Auflagen ohne Einräumung angemessener Fristen, das Nichtvorhandensein der wesentlichen Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers, die Nichtberücksichtigung des (öffentlichen) Interesses an der Nutzung erneuerbarer Energiequellen bzw. die Nichtberücksichtigung eisenbahnspezifischer und volkswirtschaftlicher Interessen und bringt weiters vor, es sei nicht das jeweils gelindeste noch zum Ziel führende Mittel gewählt worden, die Güterabwägung gemäß § 21a Abs. 3 WRG 1959 sei unzureichend erfolgt, die Gutachter seien fehlerhaft bestellt worden und hätten unberufenerweise auch Rechtsfragen gelöst; schließlich sei Parteivorbringen ignoriert worden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 21a Abs. 1 bis 3 WRG 1959 (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 74/1997 und noch vor der Fassung durch die Novelle BGBl. I Nr. 82/2003) lautet:
"§ 21a. (1) Ergibt sich nach Erteilung der Bewilligung, dass öffentliche Interessen (§ 105) trotz Einhaltung der im Bewilligungsbescheid oder in sonstigen Bestimmungen enthaltenen Auflagen und Vorschriften nicht hinreichend geschützt sind, hat die Wasserrechtsbehörde die nach dem nunmehrigen Stand der Technik (§ 12a) zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen vorzuschreiben, Anpassungsziele festzulegen und die Vorlage entsprechender Projektsunterlagen über die Anpassung aufzutragen, Art und Ausmaß der Wasserbenutzung vorübergehend oder auf Dauer einzuschränken oder die Wasserbenutzung vorübergehend oder auf Dauer zu untersagen.
(2) Für die Erfüllung von Anordnungen nach Abs. 1 sowie für die Planung der erforderlichen Anpassungsmaßnahmen und die Vorlage von diesbezüglichen Projektsunterlagen sind von der Wasserrechtsbehörde jeweils angemessene Fristen einzuräumen; hinsichtlich des notwendigen Inhalts der Projektsunterlagen gilt
§ 103. Diese Fristen sind zu verlängern, wenn der Verpflichtete nachweist, dass ihm die Einhaltung der Frist ohne sein Verschulden unmöglich ist. Ein rechtzeitig eingebrachter Verlängerungsantrag hemmt den Ablauf der Frist. Bei fruchtlosem Ablauf der Frist findet § 27 Abs. 4 sinngemäß Anwendung.
(3) Die Wasserrechtsbehörde darf Maßnahmen nach Abs. 1 nicht vorschreiben, wenn diese Maßnahmen unverhältnismäßig sind. Dabei gelten folgende Grundsätze:
a) der mit der Erfüllung dieser Maßnahmen verbundene Aufwand darf nicht außer Verhältnis zu dem damit angestrebten Erfolg stehen, wobei insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Wasserbenutzung ausgehenden Auswirkungen und Beeinträchtigungen sowie die Nutzungsdauer, die Wirtschaftlichkeit und die technische Besonderheit der Wasserbenutzung zu berücksichtigen sind;
b) bei Eingriffen in bestehende Rechte ist nur das jeweils gelindeste noch zum Ziele führende Mittel zu wählen;
- c) verschiedene Eingriffe können nacheinander vorgeschrieben werden;
- d) ein Recht zur Ausnutzung der motorischen Kraft des Wassers darf - unbeschadet der Regelung in lit. a, b und c - nur eingeschränkt werden, wenn das öffentliche Interesse an der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers das Interesse an der Aufrechterhaltung des bisherigen Ausmaßes der Wasserbenutzung überwiegt und nicht durch andere, das Recht nicht einschränkende Maßnahmen sichergestellt werden kann, und sich im Falle eines befristet eingeräumten Wasserbenutzungsrechtes die wasserwirtschaftlichen Verhältnisse seit der Bestimmung des Maßes der Wasserbenutzung gemäß § 13 Abs. 1 geändert haben.
(4) …."
Die Beschwerdeführerin kommt in der Beschwerde auf die Frage der Befristung des Wasserrechts nicht mehr zurück sondern rügt am Beginn ihrer Beschwerdeausführungen den Umstand, dass im angefochtenen Bescheid keine Fristen im Sinn des § 21a Abs. 2 WRG 1959 festgelegt worden seien. Bereits damit zeigt sie aber eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Dem angefochtenen Bescheid sind hinsichtlich der durch Abweisung der Berufung unverändert übernommenen Spruchpunkte I und II des Bescheides erster Instanz keine angemessenen Fristen für die Erfüllung der Anordnungen im Sinne des § 21a Abs. 2 WRG 1959 zu entnehmen.
§ 21a Abs. 2 WRG 1959 sieht - ähnlich wie § 59 Abs. 2 AVG - vor, dass zur Erfüllung dieser Anordnungen (hier: Restwasserabgabe und damit in Verbindung stehende Auflagen) angemessene Fristen gesetzt werden müssen.
Die belangte Behörde meint nun in der Gegenschrift, die Restwasserabgabe solle über bereits bestehende Anlagenteile erfolgen, weshalb keine neuen baulichen Maßnahmen notwendig seien; daher habe auf die Einräumung von Fristen verzichtet werden können, weil die Maßnahmen unverzüglich umsetzbar seien. Damit verkennt die belangte Behörde aber, dass § 21a Abs. 2 WRG 1959 keine Ausnahme für den Fall vorsieht, dass die Anordnungen faktisch unverzüglich umgesetzt werden können. Die Angemessenheit der Fristsetzung bezieht sich nämlich nicht allein auf den Aspekt der technischen Umsetzung der vorgeschriebenen Anordnungen sondern es wird - wie bei wasserpolizeilichen Aufträgen - die Angemessenheit einer gesetzten Frist unter dem Gesichtspunkt zu bewerten sein, ob sie objektiv geeignet ist, dem Bescheidadressaten unter Anspannung aller seiner Kräfte der Lage des konkreten Falles nach die Erfüllung der aufgetragenen Leistung zu ermöglichen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, 92/07/0067 und vom 6. November 2003, 2002/07/0129).
Weiters ist klarzustellen, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um einen solchen handelt, in welchem im Spruch des Bescheides die "unverzügliche" Herstellung der vorgeschriebenen Anordnungen aufgetragen wurde, was einem völligen Fehlen einer Frist nämlich nicht gleich zu setzen wäre (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1964, VwSlg 6462/A, und vom 15. Februar 1984, 83/01/0119). Dem mit dem angefochtenen Bescheid erfolgten Auftrag zur Abgabe einer Restwassermenge und den damit verbundenen Auflagen fehlt vielmehr jegliche Fristsetzung.
Im Zusammenhang mit § 59 Abs. 2 AVG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass sich daraus klar ergebe, dass ein Auftrag eine Erfüllungsfrist enthalten müsse; das Fehlen einer Leistungsfrist mache den Auftrag rechtswidrig (vgl. die jeweils Beseitigungsaufträge betreffenden hg. Erkenntnisse vom 23. November 1987, 87/10/0010, und vom 31. August 1999, Zl. 99/05/0054, und das einen Wiederherstellungsauftrag nach dem Tiroler Naturschutzgesetz betreffende hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1999, 98/10/0097).
Das Fehlen einer Leistungsfrist bewirkt, dass dem Verpflichteten zur Erfüllung der mit dem Eintritt der Rechtskraft des angefochtenen Bescheides wirksamen Verpflichtung überhaupt keine Frist zur Verfügung steht (vgl. das zum Stmk Betriebsflächenschutzgesetz ergangene hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1993, 93/07/0010, mwN). Zur Erbringung der auferlegten Leistungen verbliebe dem Verpflichteten dann keine Zeit (vgl. das zum Kärntner Naturschutzgesetz ergangene hg. Erkenntnis vom 23. November 1987, 87/10/0010).
Nichts anderes kann aber für die in § 21a Abs. 2 WRG 1959 vorzuschreibende angemessene Frist gelten. Ohne Fristsetzung verbliebe der Beschwerdeführerin zudem nicht nur keine Zeit zur Erbringung der auferlegten Leistung, es stünde ihr auch die in § 21a Abs. 2 zweiter bis vierter Satz WRG 1959 eröffnete Möglichkeit der Verlängerung der Frist nicht offen. Fehlt also - wie im vorliegenden Fall - den Anordnungen nach § 21a WRG 1959 eine angemessene Frist, so belastet dies den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Der angefochtene Bescheid war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Angesichts dessen erübrigte sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 27. Mai 2004
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