VwGH 98/10/0097

VwGH98/10/009718.1.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerde des J in Untergaimberg, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Lienz, Muchargasse 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 22. Jänner 1998, Zl. 1997/19/32-1, betreffend Übertretung des Tiroler Naturschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
NatSchG Tir 1991 §17 Abs1;
NatSchG Tir 1991 §43 Abs3 litb;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1;
VStG §6;
VwRallg;
AVG §59 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
NatSchG Tir 1991 §17 Abs1;
NatSchG Tir 1991 §43 Abs3 litb;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1;
VStG §6;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. Mai 1995 wies die Bezirkshauptmannschaft L. (BH) das Ansuchen des Beschwerdeführers um Genehmigung der Durchführung von Kultivierungs- und Entwässerungsmaßnahmen auf einer Teilfläche von ca. 1,5 ha des Grundstückes Nr. 441 der KG O. gemäß § 27 Abs. 2 lit. a und Abs. 5 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991, LGBl. Nr. 29 (TNSchG 1991) iVm § 9 und § 40 Abs. 1 leg. cit. ab. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 17 Abs. 1 lit. b TNSchG 1991 aufgetragen, den im Nordbereich des Grundstückes 441 bereits angelegten Entwässerungsgraben in Richtung "B.-Bachl" auf einer Länge von ca. 17 m mit einer Breite von ca. 1 m und einer Tiefe von ca. 1,5 m zuzuschütten und den früheren Zustand wieder herzustellen "und zwar innerhalb von vier Wochen, gerechnet ab Rechtskraft dieses Bescheides."

Der Beschwerdeführer berief.

Über diese Berufung entschied die Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 4. Oktober 1995 in der Weise, daß sie die Berufung als unbegründet abwies, gleichzeitig aber den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides abänderte, indem sie den Wiederherstellungsauftrag neu formulierte.

Unter dem Datum des 22. Jänner 1997 erließ die BH gegen den Beschwerdeführer ein Straferkenntnis, dessen Spruch folgenden Wortlaut aufweist:

"Der (Beschwerdeführer) ist dem am 08.11.1995 in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung, Abteilung Umweltschutz, vom 04.10.1995, Zl. U-12.857/6 (nachweislich zugestellt am 24.10.1995), mit dem das Ansuchen um die Genehmigung zur Durchführung von Kultivierungs- und Entwässerungsmaßnahmen auf einer Teilfläche von ca. 1,5 ha des Grundstückes 441 KG O. zwecks Verbesserung der landwirtschaftlichen Nutzung abgewiesen und gleichzeitig unter Spruchpunkt II.B. die Wiederherstellung des früheren Zustandes durch Maßnahmen, wie

1. zur Herstellung des früheren Zustandes sind sämtliche eingebauten Drainagerohre, beide Kontrollschächte und eventuell eingebaute Folien auszubaggern und zu entfernen, ebenso ist eventuell eingebauter Drainageschotter auszubaggern und zu entfernen und

2. die beiden nachträglich errichteten Traktorwege sind rückzubauen und das im Bachbett lagernde Erdaushubmaterial sowie das bei der linksufrigen Einmündung in den D.-bach auf einer Länge von ca. 10 m lagernde Erdmaterial zu entfernen, aufgetragen worden war, zumindest bis 15.07.1996 nicht nachgekommen, zumal die oben angeführten Wiederherstellungsmaßnahmen nicht durchgeführt wurden.

Der Beschuldigte hat dadurch Verwaltungsübertretungen nach 1. und 2. § 43 Abs. 3 lit. b Tiroler Naturschutzgesetz 1991, LGBl. Nr. 29/1991 iVm dem aufgrund des § 17 Abs. 1 lit. b Tiroler Naturschutzgesetz 1991 erlassenen Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung, Abteilung Umweltschutz, vom 04.10.1995, U-12.857/6, begangen".

Über den Beschwerdeführer wurden zwei Geldstrafen in Höhe von jeweils S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je fünf Tage) verhängt.

Der Beschwerdeführer berief mit der Begründung, es hätten nicht zwei Strafen verhängt werden dürfen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 22. Jänner 1998 gab die belangte Behörde der Berufung insoweit Folge, als dem Beschwerdeführer lediglich eine Verwaltungsübertretung angelastet und hiefür nur eine Geldstrafe in Höhe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe fünf Tage) verhängt und der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit S 500,-- neu festgesetzt wurde. Weiters wurde der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses insoweit geändert, als die Wortfolge "die Wiederherstellung des früheren Zustandes durch Maßnahmen" ersetzt wurde durch die Wortfolge "die Wiederherstellung des früheren Zustandes innerhalb von vier Wochen ab Bescheidzustellung durch Maßnahmen".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer bringt vor, dadurch, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auch über eine angemessene Erfüllungsfrist gemäß § 59 Abs. 2 AVG abgesprochen habe, ohne daß dies "Sache" des Berufungsverfahrens gewesen sei, habe sie ihre funktionelle Zuständigkeit überschritten. Darüberhinaus sei die belangte Behörde auch sachlich für die Setzung einer solchen Frist nicht zuständig. Die Fristsetzung obliege lediglich den Naturschutzbehörden. Der angefochtene Bescheid leide daher an einer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde. Inhaltlich rechtswidrig sei der angefochtene Bescheid deshalb, weil die Behörde gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen habe. Dem Beschwerdeführer seien zahlreiche Fälle bekannt, in denen die Behörde in ähnlichen Fällen von einer Bestrafung jahrelang abgesehen habe.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 43 Abs. 3 lit. b des im Beschwerdefall anzuwendenden TNSchG 1991 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer einer behördlichen Anordnung nach § 17 Abs. 1 nicht nachkommt.

Dem Beschwerdeführer wurden mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. Oktober 1995 Maßnahmen nach § 17 Abs. 1 TNSchG 1991 aufgetragen. Der Text dieses Bescheides selbst enthält keine Leistungsfrist. Dabei ist aber zu beachten, daß es sich bei diesem Bescheid um einen Berufungsbescheid handelt, mit dem die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid abgewiesen wurde. Der erstinstanzliche Bescheid aber enthielt eine Leistungsfrist. Da diese Leistungsfrist allerdings sprachlich nicht vom Text des erstinstanzlichen Wiederherstellungsauftrages gesondert war, könnte zweifelhaft sein, ob diese Leistungsfrist mit dem Berufungsbescheid aufrechterhalten wurde oder ob sie nicht durch die Neuformulierung des Wiederherstellungsauftrages aus dem Rechtsbestand beseitigt wurde.

Gegen die letztere Annahme spricht schon der Umstand, daß diese Frist sich zwar formell im Kontext mit dem Wiederherstellungsauftrag im erstinstanzlichen Bescheid fand, allerdings am Ende der entsprechenden Textpassagen und daß sie daher mit dem Text des Wiederherstellungsauftrages nicht in einem so untrennbaren Zusammenhang stand, daß eine Neuformulierung des Wiederherstellungsauftrages zwingend auch eine "Überschreibung" und Löschung der Frist bedeutete.

Vor allem aber spricht gegen die Annahme einer Nichtübernahme der Frist in den Berufungsbescheid die Konformitätsregel. Nach dieser vor allem im Bereich der Auslegung genereller Normen anzutreffenden, aber auch für die Interpretation von Bescheiden heranzuziehenden Auslegungsmaxime ist bei der Auslegung bei zwei (oder mehreren) möglichen Interpretationsvarianten jener der Vorzug zu geben, die die auszulegende Norm als rechtmäßig erscheinen läßt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1992, 91/10/0146 u.a.). Ohne Leistungsfrist wäre der Berufungsbescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. Oktober 1995 gesetzwidrig, da er gegen § 59 Abs. 2 AVG verstieße. Da der erwähnte Bescheid aber eine Auslegung dahin zuläßt, daß mit ihm die Leistungsfrist des erstinstanzlichen Bescheides übernommen wurde, ist dieser Auslegung der Vorzug zu geben.

Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses enthielt zwar eine Aussage darüber, bis zu welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer seiner aus dem Wiederherstellungsauftrag resultierenden Verpflichtung nicht nachgekommen ist, nicht aber darüber, bis zu welchem Zeitpunkt er dieser Verpflichtung nachkommen hätte müssen. Die von der belangten Behörde vorgenommene diesbezügliche Ergänzung stellt kein unzulässiges Auswechseln der Tat, sondern eine zulässige Konkretisierung dar. Es liegt auch keine unzulässige Fristsetzung durch die belangte Behörde vor, da die Leistungsfrist im Wiederherstellungsauftrag enthalten war.

Im übrigen wäre aus verwaltungsstrafrechtlicher Sicht das Ergebnis auch kein anderes, wenn man annehmen wollte, der dem Beschwerdeführer erteilte Wiederherstellungsauftrag habe keine Leistungsfrist enthalten.

Ist in einem Bescheid keine Leistungsfrist enthalten, so tritt die Fälligkeit der Leistung ab Rechtskraft ein (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Juni 1992, 89/07/0114, vom 22. Jänner 1997, 96/03/0071, 0072 u.a.). Im Erkenntnis vom 19. August 1993, 93/06/0078, hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit einem Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes ausgesprochen, daß das Fehlen einer Leistungsfrist den Auftrag zwar rechtswidrig macht, was aber nichts an dessen Rechtskraft ändert. In einem derartigen Fall ist davon auszugehen, daß die Anordnung auf Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes in einer nach den gegebenen Umständen angemessenen Frist gerichtet ist. Die unterschiedlichen Formulierungen in der Judikatur über die Folgen einer fehlenden Leistungsfrist im Titelbescheid - einmal ist von mit der Rechtskraft eintretender Fälligkeit die Rede, ein andermal davon, daß ein Auftrag innerhalb angemessener Frist umzusetzen ist - sind darauf zurückzuführen, daß sie sich auf unterschiedliche Arten von Leistungen beziehen, nämlich zum einen auf Geldleistungen, zum anderen auf sonstige Leistungen. Im Ergebnis laufen sämtliche Aussagen der Rechtsprechung zu den Konsequenzen einer fehlenden Leistungsfrist auf dasselbe hinaus. Ein solcher Titelbescheid ist wirksam und verpflichtet den Adressaten zur Durchführung der darin angeordneten Leistung. Diese Verpflichtung tritt bereits mit der Rechtskraft des Bescheides ein, doch kann es zu behördlichen Sanktionen gegen den Bescheidadressaten erst dann kommen, wenn dem im Bescheid enthaltenen Auftrag nicht in angemessener Frist nachgekommen wird.

Der Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. Oktober 1995, mit welchem dem Beschwerdeführer Maßnahmen nach § 17 Abs. 1 TNSchG 1991 aufgetragen wurden, wurde dem Beschwerdeführer am 24. Oktober 1995 zugestellt und erwuchs mit diesem Tag, da es sich um einen letztinstanzlichen Bescheid handelte, in Rechtskraft. Mit diesem Tag hätte der Lauf der Frist für die Verpflichtung des Beschwerdeführers, den in diesem Bescheid enthaltenen Auftrag innerhalb angemessener Frist durchzuführen, begonnen.

Die belangte Behörde geht davon aus, daß dem Beschwerdeführer vier Wochen ab Zustellung des Bescheides für dessen Umsetzung zur Verfügung standen. Diese Annahme wäre selbst bei Fehlen einer Leistungsfrist im Wiederherstellungsauftrag nur dann rechtswidrig, wenn es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen wäre, innerhalb dieser Frist den Wiederherstellungsauftrag umzusetzen. Eine solche Unmöglichkeit hat der Beschwerdeführer aber nicht einmal behauptet geschweige denn glaubhaft gemacht, was aber bei einem Ungehorsamsdelikt wie es die Nichtbefolgung eines Wiederherstellungsauftrages darstellt, gemäß § 5 Abs. 1 VStG ihm oblegen wäre.

Auch wenn dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die Neuformulierung des Wiederherstellungsauftrages durch die Berufungsbehörde nicht klar gewesen sein sollte, innerhalb welcher Frist er den Wiederherstellungsauftrag zu erfüllen hatte, würde dies für ihn keinen Schuldausschließungsgrund darstellen. Selbst wenn man den Bescheid als auslegungsbedürftig ansieht, mußte dem Beschwerdeführer klar sein, daß es nicht in sein Belieben gestellt sein konnte, ob und wann er den Wiederherstellungsauftrag umsetzte. Es wäre daher Sache des Beschwerdeführers gewesen, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen und gegebenenfalls bei der Behörde eine Auslegung des Bescheides einzuholen. Dies hat er nicht getan.

Selbst wenn die Behauptung des Beschwerdeführers zutreffen würde, daß die Verwaltungsstrafbehörde in vergleichbaren Fällen von einer Bestrafung abgesehen hat, wäre darin keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zu erblicken. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist nämlich der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt, wenn die Verwaltungsstrafbehörde in einem Fall den Bestimmungen des Gesetzes gemäß eine Strafe verhängt, in gleichartigen Fällen jedoch nicht einschreitet (vgl. die bei Klecatsky-Morscher, Bundesverfassungsrecht3, 108, angeführte Rechtsprechung).

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Jänner 1999

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