VwGH 93/07/0010

VwGH93/07/001025.5.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kratschmer, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Aumayr, über die Beschwerde des S in H, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. Dezember 1992, Zl. 8-64 Ko 5/4-92, betreffend Maßnahmen nach dem Steiermärkischen Betriebsflächenschutzgesetz (mitbeteiligte Partei: R in G, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42 Abs1;
AVG §63 Abs1;
Landw BetriebsflächenschutzG Stmk 1982 §3 Abs1;
Landw BetriebsflächenschutzG Stmk 1982 §3;
Landw BetriebsflächenschutzG Stmk 1982 §4 Z3;
Landw BetriebsflächenschutzG Stmk 1982 §6;
AVG §42 Abs1;
AVG §63 Abs1;
Landw BetriebsflächenschutzG Stmk 1982 §3 Abs1;
Landw BetriebsflächenschutzG Stmk 1982 §3;
Landw BetriebsflächenschutzG Stmk 1982 §4 Z3;
Landw BetriebsflächenschutzG Stmk 1982 §6;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer zeigte der Bezirkshauptmannschaft (in der Folge: BH) an, daß der Mitbeteiligte auf Grundstücken, die an im Eigentum des Beschwerdeführers stehende Liegenschaften angrenzten, entlang der Grundgrenze Nadelbäume und Strauchwerk gepflanzt habe, wodurch die landwirtschaftliche Nutzung der Grundstücke des Beschwerdeführers stark beeinträchtigt werde.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 9. Dezember 1991 erließ die BH unter dem Datum des 4. Februar 1992 einen Bescheid mit folgendem Spruch:

"Gemäß § 3 Abs. 1, 2 und 4 iVm § 9 Abs. 1 des Gesetzes vom 20.4.1982 über den Schutz landwirtschaftlicher Betriebsflächen, LGBl. Nr. 61 i.d.F. LGBl. Nr. 14/1990 wird festgestellt, daß die Nutzung der landwirtschaftlichen Betriebsflächen 660/10, 652/1 und 652/3 (S) durch eine Hecke auf dem Gst. Nr. 660/11 sowie durch auf dem Gst. Nr. 660/11 stockenden Lärchen, Kiefern, Fichten und Sträuchern gefährdet ist.

Gemäß § 3 Abs. 2 und § 5 leg. cit. wird dem Eigentümer des Gst. Nr. 660/11, KG T, R, aufgetragen, zum Schutze der angrenzenden Gst. Nr. 660/10, 652/1 und 652/3 die Hecke auf 2 m einzukürzen und innerhalb eines 0,5 m breiten Streifens gegenüber der Grundgrenze zu entfernen. Die auf dem Gst. Nr. 660/11 stockenden Bäume, sowie die in der Hecke stockenden Laubhölzer sind zu entfernen oder auf 2 m einzukürzen. Auf dem Gst. Nr. 660/11 ist dies auf einen 4 m breiten Streifen erforderlich, wenn eine Einkürzung auf 2 m nicht erfolgt. In diesem Abschnitt kann sodann in einem Abstand von 0,5 m eine Hecke neu angepflanzt werden, die jedoch eine Höhe von 2 m nicht überschreiten darf.

Die Maßnahmen zur Herstellung des gesetzlichen Zustandes sind bis Ende April 1992 durchzuführen."

Weiters wurden dem Mitbeteiligten die Verfahrenskosten

vorgeschrieben.

Der Mitbeteiligte berief.

Mit Bescheid vom 11. Dezember 1992 gab die belangte Behörde der Berufung insofern Folge, als die Absätze 1, 2 und 3 des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides aufgehoben wurden und dieser Teil des Spruches folgende Fassung erhielt:

"Gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 9 des Gesetzes vom 20. April 1982 über den Schutz landwirtschaftlicher Betriebsflächen, LGBl. Nr. 61 i.d.F. LGBl. Nr. 14/1990, darf die auf den Gst. Nr. 660/11 und 652/2 je KG T, befindliche Hecke nur außerhalb eines Mindestabstandes von 2 m zu den Gst. Nr. 660/10, 652/1 und 652/3, je KG T, belassen werden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten auf Schutz seiner landwirtschaftlichen Betriebsflächen, seinem Recht auf ein mängelfreies und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechendes Verfahren sowie in seinem Recht auf gesetzmäßige Begründung des bekämpften Bescheides verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, der Mitbeteiligte habe in der von der BH durchgeführten mündlichen Verhandlung am 9. Dezember 1991 keine Einwendungen erhoben, sondern das Verhandlungsergebnis zustimmend zur Kenntnis genommen. Für den Mitbeteiligten sei daher Präklusion iS des § 42 AVG eingetreten, was auch die belangte Behörde zu beachten gehabt hätte.

Voraussetzung für den Eintritt einer Präklusion ist, daß zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein Vorhaben oder eine Maßnahme vorliegt, die Gegenstand der Präklusionsfolgen sein kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. November 1976, Slg. NF 9172/A). Dies trifft im Beschwerdefall nicht zu. Der Verhandlungskundmachung der BH war lediglich zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer eine Beeinträchtigung seiner landwirtschaftlich genutzten Grundstücke durch Nadelbäume und Strauchwerk auf Grundstücken des Mitbeteiligten angezeigt habe und daß hierüber iS der §§ 40 bis 44 AVG und der Bestimmungen des Gesetzes über den Schutz landwirtschaftlicher Betriebsflächen, LGBl. Nr. 61/1982 i.d.F. LGBl. Nr. 14/1990 (in der Folge: BFlSchG) eine örtliche Erhebung und mündliche Verhandlung durchgeführt werde. Die im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dem Mitbeteiligten vorgeschriebenen Maßnahmen waren in der Kundmachung nicht enthalten. Präklusion für den Mitbeteiligten konnte daher nicht eintreten.

Von der Präklusion zu unterscheiden ist die Frage, ob der Mitbeteiligte allenfalls bei der mündlichen Verhandlung eine Zustimmung zu den vom Amtssachverständigen vorgeschlagenen und dem Mitbeteiligten später im erstinstanzlichen Bescheid vorgeschriebenen Maßnahmen erklärt hat und ob der Mitbeteiligte auch im weiteren Verlauf des Verfahrens an diese Zustimmung gebunden blieb, sodaß einer von ihm gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung der Erfolg hätte versagt bleiben müssen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Zustimmung im Beschwerdefall die beschriebene Wirkung gehabt hätte, da eine Zustimmung gar nicht vorlag. Nach der im Akt erliegenden handschriftlich verfaßten Verhandlungsschrift hat der Mitbeteiligte lediglich den für alle Verhandlungsteilnehmer geltenden Passus unterschrieben, daß er das Verhandlungsergebnis zur Kenntnis nehme. Dies stellt keine Zustimmung zu den vom Amtssachverständigen vorgeschlagenen Maßnahmen dar. Diese Erklärung bewirkte nicht, daß es dem Mitbeteiligten in der Folge nicht mehr möglich war, den erstinstanzlichen Bescheid mit Erfolg zu bekämpfen.

Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, der angefochtene Bescheid stütze sich auf die kritiklos übernommene Behauptung des im Berufungsverfahren beigezogenen Amtssachverständigen für Landwirtschaft, wonach eine Gefährdung der Nutzung der Betriebsflächen des Beschwerdeführers durch Beschattung nicht zu erwarten sei. Dieses Gutachten - dem Beschwerdeführer sei nicht einmal der Name des Amtssachverständigen bekannt gegeben worden, sodaß auch eine Prüfung im Hinblick auf § 7 AVG nicht habe erfolgen können - sei unschlüssig. Es sei nicht dargelegt, von welchem Befund ausgehend der Sachverständige zu diesem Schluß komme. Insbesondere seien auch keine Aussagen darüber enthalten, ob die auf dem Grundstück des Mitbeteiligten stockenden Lärchen, Kiefern und Fichten, die eine Höhe bis zu 10 m erreichten, Wald darstellten. Ein ordnungsgemäßes Verfahren hätte ergeben, daß die entlang der gesamten Grenze in einem sehr knappen Abstand stehenden Bäume, Sträucher und die Hecke Schatten auf die landwirtschaftlichen Betriebsflächen des Beschwerdeführers werfen würden und somit eine Gefährdung iS des § 3 Abs. 2 BFlSchG darstellten.

Nach § 3 Abs. 1 BFlSchG dürfen Gewächse (insbesonder Bäume, Sträucher und Hecken) nur in einem Mindestabstand von 0,50 m gepflanzt oder, wenn sie über 2 m hoch sind, nur in einem Mindestabstand von 2 m von der Grenze einer landwirtschaftlichen Betriebsfläche eines anderen Eigentümers oder Nutzungsberechtigten belassen werden.

Wenn die Nutzung einer landwirtschaftlichen Betriebsfläche durch Schatten von Gewächsen, die über 2 m hoch sind, gefährdet ist, sind entlang des angrenzenden Grundstückes eines anderen Eigentümers oder Nutzungsberechtigten innerhalb eines 4 m breiten Streifens diese Gewächse entweder zu entfernen oder unter Beachtung des Abs. 1 auf die entsprechende Höhe zu stutzen (§ 3 Abs. 2 leg. cit.).

Daß die Nutzung seiner Grundstücke infolge Überschattung durch die auf den Parzellen des Mitbeteiligten stockenden Gewächse gefährdet sei, hat der Beschwerdeführer selbst im Laufe des Verwaltungsverfahrens nicht behauptet. Der von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige für Landwirtschaft hat eine solche Gefährdung mit dem Hinweis auf die Lage der Grundstücke ausdrücklich verneint. Der Beschwerdeführer hat in seiner Stellungnahme zu diesem Gutachten erklärt, der Ertrag seiner Grundstücke sei infolge Durchwurzelung und Sonnenwiderbrand wesentlich geringer als bei normalen Verhältnissen. Eine Benachteiligung bzw. Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Nutzflächen sei gegeben und er verweise darauf, daß nicht nur eine Schattenbildung für die Beurteilung der Lage ausreichend sein könne und dürfe. Damit ist der Beschwerdeführer den Ausführungen des Amtssachverständigen über die mangelnde Gefährdung der Grundstücke des Beschwerdeführers infolge Überschattung nicht nur nicht entgegengetreten, sondern hat sie, wie aus seinen Ausführungen, daß es nicht auf die Schattenbildung ankäme, hervorgeht, sogar anerkannt. Wenn die belangte Behörde angesichts dieses Sachverhalts davon ausging, daß die Nutzung der landwirtschaftlichen Betriebsflächen des Beschwerdeführers durch Schatten von den auf den Grundstücken des Mitbeteiligten befindlichen Gewächsen nicht gefährdet werde, so kann ihr nicht entgegengetreten werden.

Unzutreffend ist die Behauptung des Beschwerdeführers, der Spruch des angefochtenen Bescheides enthalte mangels Fristsetzung keinen exekutierbaren Leistungsbefehl. Zwar enthält der Spruch keine Leistungsfrist iS des § 5 BFlSchG, was bewirkt, daß dem Mitbeteiligten zur Erfüllung der mit dem Eintritt der Rechtskraft des angefochtenen Bescheides wirksamen Verpflichtung keine Frist zur Verfügung stand (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. November 1987, Zl. 87/10/0010). Dies macht zwar den angefochtenen Bescheid rechtswidrig, doch ist durch diese Rechtswidrigkeit nur der Mitbeteiligte, nicht aber der Beschwerdeführer beschwert.

Schließlich macht der Beschwerdeführer geltend, gänzlich fehle es an einer auf ausreichenden Ermittlungsergebnissen beruhenden Begründung für die Annahme der belangten Behörde, bei den Bäumen auf den Parzellen 660/11 und 652/2 handle es sich um Einzelbäume, die gemäß § 4 Z. 3 BFlSchG von der Anwendung der Bestimmungen des § 3 leg. cit. ausgenommen seien. Hätte die belangte Behörde die Verfahrensvorschriften eingehalten, wäre sie zum Ergebnis gelangt, daß es sich bei diesen Bäumen um keinen Wald iS des Forstgesetzes handle, sodaß die Ausnahme des § 2 Abs. 3 BFlSchG nicht zum Tragen komme, daß aber andererseits auch keine Einzelbäume vorlägen, sodaß richtigerweise gemäß § 7 Abs. 4 iVm § 6 Abs. 2 BFlSchG die Freihaltung eines zumindest 4 m breiten Streifens bescheidmäßig vorgeschrieben hätte werden müssen. § 3 Abs. 1 BFlSchG verstehe unter Gewächsen insbesondere auch Bäume. Bei richtiger Rechtsanwendung hätten daher zumindest die in einem Mindestabstand von 2 m von der Grenze befindlichen Bäume von dem Entfernungs- bzw. Einkürzungsauftrag umfaßt werden müssen; dies selbst bei Nichtvorliegen einer Gefährdung iS des § 3 Abs. 2 BFlSchG.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.

Zwar kommt eine Anwendung des § 6 Abs. 2 BFlSchG nicht in Betracht, da § 6 nur für Aufforstungen oder Naturverjüngungen gilt, worunter eine auf die Umwandlung in Wald abzielende Maßnahme zu verstehen ist (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum BFlSchG, Beilage Nr. 11 zu den stenographischen Berichten des Steiermärkischen Landtages, X. Gesetzgebungsperiode, S. 7). Daß eine Aufforstung oder Naturverjüngung in dem genannten Sinne vorliegt, hat der Beschwerdeführer im gesamten Verwaltungsverfahren nie behauptet und es ergibt sich auch aus dem gesamten Akteninhalt kein Hinweis, daß dies der Fall sein könnte.

Zurecht bemängelt der Beschwerdeführer aber, daß die Annahme der belangten Behörde, die auf den Parzellen des Mitbeteiligten stockenden Bäume stellten von der Anwendung des § 3 BFlSchG gemäß § 4 Z. 3 leg. cit. ausgenommene Einzelbäume dar, keine Deckung in den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens finde.

Im Gutachten des im Berufungsverfahren beigezogenen Amtssachverständigen für Landwirtschaft heißt es, auf dem südöstlichen Teil des Grundstückes Nr. 660/11 stockten vorwiegend Lärchen, aber auch Kiefern und Fichten, die zum Teil an der Grundgrenze stünden und eine Höhe von bis zu 10 m erreichten; auch in der Hecke stockten einige Laubbäume, und im westlichsten Teil des gemeinsamen Grenzverlaufes befänden sich auf dem Gst. Nr. 660/11 einige Fichten sowie eine Birke mit einer Höhe bis zu 10 m innerhalb eines Abstandes von 2 m zur Grenze. Aus dieser Formulierung ist nicht herauszulesen, daß es sich bei diesen Bäumen um Einzelbäume handle; um darüber eine Aussage machen zu können, bedürfte es einer genauen Feststellung über die Zahl der Bäume und ihre Lage, insbesondere ihren Abstand zueinander, wobei jedenfalls Baumreihen und Bäume in Gruppen nicht als Einzelbäume anzusehen sind.

Falls es sich aber bei diesen Bäumen nicht um Einzelbäume handelte, waren sie nicht von der Anwendung der § 3 BFlSchG ausgenommen; daraus folgt, daß sie, da sie unbestritten über 2 m hoch sind, nur in einem Mindestabstand von 2 m von der Grenze der landwirtschaftlichen Betriebsflächen des Beschwerdeführers belassen werden dürften. Hiebei spielt es entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift geäußerten Meinung keine Rolle, ob von diesen Bäumen eine Beschattungsgefahr ausgeht, da § 3 Abs. 1 BFlSchG darauf nicht abstellt.

Da die belangte Behörde den im angefochtenen Bescheid dem Mitbeteiligten erteilten Auftrag auf die Hecke beschränkt hat, ohne daß der ermittelte Sachverhalt für eine solche Beschränkung ausreicht, hat sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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